ARABISCH IN DER SCHULE. CHANCEN UND MÖGLICHKEITEN
von Katharina Bobzin, Erlangen
Angesichts der in der Öffentlichkeit weitverbreiteten Unkenntnis bzw. Klischee¬
hafter Vorstellungen über den arabisch-islamischen Kulturbereich wäre es wün¬
schenswert, wenn die Erkenntnisse der Fachwissenschaft Arabistik mehr Eingang in
die Schulen finden würden. Kann doch die Schule als größte und allgemeinste Bil¬
dungseinrichtung noch Personenkreise erreichen, die über die Universitäten nur
noch schwer oder gar nicht mehr erreichbar sind. Daß von selten der Schüler genü¬
gend Interesse da ist, sich durch den Erwerb von Grundkenntnissen im Arabischen die Voraussetzungen für ein besseres Verständnis des arabisch-islamischen Kultur¬
bereichs zu schaffen, kann ich aufgmnd meiner eigenen Erfahrungen bestätigen. In
einem Nürnberger Gymnasium tmgen sich auf die bloße Ankündigung hin, es werde
nach den Weihnachtsferien ein Arabischkurs für die Oberstufenschüler der Klassen 10-13 eingerichtet, über 20 Schüler in die Teilnahmelisten ein. Seit Januar 1977
findet der Arabischunterricht in diesem Gymnasium einmal wöchentlich jeweüs
zweistündig in Form einer sog. , freien Arbeitsgemeinschaft" statt. Die folgenden Überlegungen sind im wesentlichen Ergebnis meiner praktischen Unterrichtserfah-
mng, in der ich mich bemühe, die Erkenntnisse der FremdsprachendidaktUc für den
Arabischunterricht fruchtbar zu machen.
I. DER INSTITUTIONELLE RAHMEN
Der Arabischunterricht im Rahmen einer „Freien Arbeitsgemeinschaft" weist
kaum schultypische Bedingungen auf, obwohl er in der Schule stattfindet. Die Teü- nahme ist völlig freiwülig und einzig durch das Interesse des Schülers am Lernstoff selbst bedingt. Es gibt keine „Belohnungen" in Form von Noten, im Zeugnis kann
lediglich die Teünahme vermerkt werden. Auch sind Lehrer und Schüler nicht an
die Erreichung bestimmter Lehrpläne gebunden. Für den Unterrichtenden besteht
also die Möglichkeit, sich sowohl inhaltlich wie auch bezüglich des Lern tempos
weitgehend auf die jeweüige Gruppe einzustellen.
II. DIE ZIELGRUPPE
Oberstufenschüler sind mehr noch als Studenten durch üiren ,JHauptberur' be¬
anspmeht (vor allem im Hinblick auf die zunehmende Wichtigkeit des Notendurch¬
schnitts im Abitur). Arabisch ist für sie ein reines Hobby, für das sie außer dem reinen Kursbesueh kaum Zeit aufbringen können. Dies gilt vor allem für schlechtere
Schüler, die ja ünmer unter einem gewissen Druek von Eltern und Lehrern stehen,
sich auf die regulären Schulfächer zu konzentrieren. Schüler erwarten vom Ara¬
bischunterricht wie von jedem anderen Fremdsprachenunterricht, daß sie dort
sprachpraktische Fertigkeiten erwerben, die sie beim Zusammentreffen mit Arabern
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Arabisch in der Schule. Chancen und Möglichkeiten 273
anwenden können. Daneben sind sie aber auch sehr an landeskundhchen Informa¬
tionen interessiert. Hier besteht praktisch kein Unterschied zu den Erwartungen von
Studenten, die Arabisch im Rahmen des Angebots ftir Hörer aller Fachbereiche
erlernen wollen.
Doch sind Schüler im allgemeinen anspruchsvoller, was die didaktisch-methodi¬
sche Seite des Unterrichts betrifft: ihr Interesse erlahmt rasch, wenn der Unterricht
zu abstrakt und unanschaulich ist (dies um so mehr, wenn der Unterricht — wie bei
jnir — unmittelbar im Anschluß an die sechs regulären Schulstunden stattfindet).
III. DIDAKTISCH-METHODISCHE ÜBERLEGUNGEN ZUR GESTALTUNG VON
UNTERRICHT UND LEHRMATERIAL
Die im folgenden formulierten Grundsätze berücksichtigen die unter I. und II.
skizzierten Gegebenheiten. Im Rahmen dieses Resümees müssen die praktischen
Unterrichtsbeispiele leider wegfallen.
A. Gestaltung des Unterrichts durch den Lehrer
1 Möglichst anschauliche Präsentierung des Stoffes (vor allem durch den regelmäßi¬
gen Einsatz technischer Medien vgl. III.C.)
2 Einübung des Unterrichtsstoffes im Unterricht selbst (Verzicht auf Hausaufga¬
ben; zusätzlicher Übungseffekt durch möglichst häufige Verwendung der Ziel¬
sprache im Unterricht);
3. Aktivierung des Schülers durch ,, entdeckendes Lernen" (Verzicht auf Lehrer¬
monologe ; Kleingmppenarbeit zur Bearbeitung von Aufgaben).
B. Gestaltung des Lehrmaterials
1. InhaltUche Abstimmung auf die Zielgmppe (landeskundliche Information,
häufig anwendbare sprachpraktische Fertigkeiten);
2. Gliedemng in kurze, übersichtliche Lerneinheiten (Bearbeitungszeit möglichst
nicht mehr als zwei Stimden, um ein abwechslungsreiches Arbeiten zu ermög¬
lichen);
3. Selbstmstmierender Auft)au (das Lehrmaterial enthält alle für den Lernprozeß
notwendige Information, d.h. Übersetzungen und Übungsschlüssel sind beigege¬
ben und ermöglichen so ein weitgehend lehremnabhängiges Arbeiten, was vor
aUem für das individuelle Nacharbeiten versäimiter Stunden wichtig ist).
C. Rolle der technischen Medien
Da techrüsche Medien noch viel zu wenig Eingang in den Arabisch-Unterricht gefunden haben, soll hier gesondert auf ihre Wichtigkeit für eine lebendige und an¬
schauliche Sprachvermittlung verwiesen werden. Technische Medien bieten Möglich¬
keiten, über die der Lehrer (selbst wenn er Muttersprachler ist) nicht verfügt.
1. Vermittlung eines lebendigen akustischen Eindmcks von der Zielsprache (ver¬
schiedene stimmhche Ausprägungen wie z.B. jung/alt, mäniüich/weiblich; dia¬
lektale Einfärbungen; sprachliche Interaktion wie z.B. in Hörspielen, Interviews;
künstlerische Darbietung von Literatur);
2. Vermittlung landeskundlicher Information (durch Tonträger z.B. Musik, Koran¬
rezitation; durch Dias z.B. Landschaften, Menschen, Architektur; durch Over-
headprojektor z3. Landkarten, Statistiken);
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3. Vermittlung sprachpraktischer Fertigkeiten (durch Einsatz des Sprachlabors
Einübung von Aussprache und sprachlichen Gmndmustern; durch Overhead-
projektor Darstellung grammatischer Übersichten, Leseübungen etc.; durch Dias
Anlaß zu Konversationsübungen).
IV. SCHLUSSFOLGERUNGEN
1 „Arabisch in der Schule" könnte - aufgrund des durch den schulischen Rahmen gegebenen Zwangs, den Arabischunterricht an den didaktisch-methodischen Standard des übrigen Fremdsprachenunterrichts anzupassen — für die Gestaltung
des universitären Arabischunterrichts im Rahmen des Angebots für Hörer aller
Fachbereiche wichtige Anregungen und Impulse liefern.
3. ,,Arabisch in der Schule" bietet die Möglichkeit, einer breiteren Öffentlichkeit die praktische Bedeutsamkeit eines sog. „kleinen Faches" vor Augen zu führen.
ZUR SYRISCHEN ÜBERSETZUNG DER APHORISMEN DES HIPPOKRATES*
von Rainer Degen, Marburg a.d.Lahn
Der erste Teil des Referates gibt einen Überbhck über die Forschungsgeschichte
der syrischen und arabischen Übersetzung der Aphorismen des Hippokrates. Es whd
der Nachweis erbracht, daß bereits 1904 bemerkt wurde, daß der arabische Teil der
zweisprachigen (syrischen und arabischen) Handschrift aus dem Privatbesitz von H.
pognon die Übersetzung des Hunain b. Ishäq ist. Diese Erkenntnis Hilgenfelds (in
der Besprechung der Ausgabe H. Pognons der syrischen Übersetzung der Aphoris¬
men [Leipzig 1903]) fand keinen Eingang in die Fachliteratur.
Der zweite Teil ist dem Nachweis gewidmet, daß auch die syrische Version, die
nur in dieser Handschrift Pognons aus dem Jahre 1205 n.Chr. vorliegt — sie wird
jetzt in der Bibliothöque Nationale aufbewahrt - die Übersetzung Hunains ist. Es
werden zum Vergleich zwei Aphorismen (I 1 und VI 31) aus einer unveröffentlich¬
ten Galen-Übersetzung des Sergius von ReS'^ainä und zwei andere (II 3 und VI 39)
aus der Übersetzung des sog. Syrischen Medizinbuches (ed. E. A. WalUs Budge
[London 1913]) herangezogen. Außerdem wird auf eine Übersetzungsmethode des
griechischen Superlativs hingewiesen, die sich offensichtlich nur in der unpublizier¬
ten syrischen Übersetzung von Hunains ,3uch der Nahmngsmittel" und der Über¬
setzung der Aphorismen fmdet, so daß der Schluß erlaubt ist, daß auch die syrische
Übersetzung der Edition H. Pognons das Werk Hunains ist.
* Der vollständige Wortlaut des Referates erscheint - vermehrt um die Nachweise und Zitate der syrischen Texte der erwähnten Aphorismen - im Oriens Christianus 62 (1978).
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