Ahmed Pascha Taimur.
Ein Nachruf.
Von Joseph Schacht.
Am 26. April 1930 verschied in seiner Bibliothek in Kairo-
Zamalek Ahmed Pascha*) Taimür. In ihm hat die Orientalistik
einen hervorragenden Kenner der arabischen Literatur, den
Schöpfer der bedeutendsten Privatbibliothek des Orients und
einen selbstlosen Förderer europäischer Forschung verloren.
Ahmed Taimür wurde am 5. November 1871 in Kairo
geboren. Er entstammt einer Familie, die sich, aus dem
kurdischen Volke und der türkischen Kultur hervorgegangen,
in Ägypten vollkommen arabisiert und der arabischen Moderne
drei bekannte Vertreter geschenkt hat: die Schwester des
Verstorbenen 'Ä'ischa at-Taimürija (1840—1902)«) und seine
Söhne Muhammed und Mahmüd Bey Taimür^). Sein Großvater
Muhammed Bey Taimür (st. 1848) bekleidete unter Muhammed
'Ali und Ibrähim Pascha hohe Ämter*), sein Vater Ismä'il
Pascha Taimür stand an der Spitze des Diwän des Khediwen
Ismä'il Pascha; er starb 1872, dreizehneinhalb Monate nach der
Geburt seines Sohnes Ahmed. Früh zeigte dieser ein starkes
Interesse für die arabische Sprache und Literatur; nach Ab¬
solvierung einer französischen Privatschule begann er, anstatt
in den Staatsdienst einzutreten, das Studium der arabischen
Wissenschaften, besonders bei den Scheichen Hasan at-Tawil
und asch-Schinqiti, und bald wurde sein Haus der Mittelpunkt
eines Kreises von Gleichgesinnten und die Stätte von litera¬
rischen und wissenschaftlichen Diskussionen, an denen neben
den Genannten zahlreiche bedeutende Männer wie der Dichter
1) Seit dem 8. Olitober 1919.
2) Vgl. Rossi, Oriente Moderne 1925, 11,611.
3) Vgl. Nallino, Oriente Moderno 1927, 8,391; Schaade, Hamburger Fremdenblatt, 27. 10. 1928.
4) Vgl. Deny, Sommaire des Archives turques du Caire 221.
ZeiUchrift d. D. M. G., Nene Folge Bd. XX (Bd. t>4). 17
256 J. Schacht, Alimed Pascha Taimur
Mahmüd Sämi al-Bärüdi Pascha und der Scheich Tähir al-
Gazä'iri teilnahmen. Warme Freundschaft verband ihn auch
mit dem Scheich Muhammed 'Abduh. Das Studium blieb sein
ganzes Leben hindurch seine einzige Beschäftigung; die Mit¬
gliedschaft im ägyptischen Senatneben der im Aufsichtsrat
der Ägyptischen Bibliothek seine einzige amtliche Stellung,
gab er mit Rücksicht auf seine Gesundheit wieder auf. Die
letzten Jahre lebte er ganz zurückgezogen, aber für Besucher
seiner Bibliothek immer zugänglich, in einem Gebäude, das
er eigens für sie hatte errichten lassen.
Wohl seine größte wissenschaftliche Leistung ist die
Schaffung und Pflege dieser berühmten Bibliothek, deren Plan
bis in das Jahr 1889 zurückgeht. Sie umfaßt etwa 12000 Bände,
darunter etwa die Hälfte Handschriften (bzw. Handschriften¬
kopien und -Photographien), und zwar sehr viele seltene Werke
und Unika, aus den verschiedensten Gebieten der arabischen
Literatur. Unter diesen Handschriften gibt es kaum eine, die
nicht Identifikationen, Korrekturen, Ergänzungen oder Indizes,
manchmal gleich mehrere, von der Hand ihres gelehrten Be¬
sitzers aufwiese. Dieser stellte seine Schätze, einschließlich
seiner reichen Sammlungen, der Frucht seiner ausgebreiteten
Literaturkenntnis, allen Forschern mit größter Liberalität zur
freien Verfügung. 1902 hat er die Bibliothek als Waqf ge¬
stiftet und für ihren dauernden Unterhalt gesorgt; die Auf¬
sicht fällt seinen beiden ihn überlebenden Söhnen Ismä'il und
Mahmüd Bey Taimür und nach ihnen dem ägyptischen Unter¬
richtsministerium zu, so daß diese einzigartige Sammlung als
Ganzes erhalten, der Benutzung zugänglich und für die Zukunft
aufs beste gesichert bleibt.
Seine übergroße Bescheidenheit hat Taimür Pascha daran
gehindert, mehr als einen geringen Teil der Ergebnisse seiner
ausgedehnten Forschungen drucken zu lassen. Es sind dies
neben kleineren Aufsätzen eine Zusammenstellung der Nach¬
richten über die äußere Geschichte der islamischen Rechts¬
schulen*), derengleichen in einer europäischen Sprache fehlt,
1) 1921—1930. 2) Nazra tärihija fi hudüt al-madähib
al-arba'a wantiäärihä, Kairo 1344.
J. Schacht, Ahmed Pascha Taimur 257
eine Bericlitigung der Feliler der Standardausgaben des Qämüs»)
und des Lisän al-'Arab 2), sowie drei Abhandlungen über das
Grab as-Sujütis«), die Geschichte der osmanischen Fahne*)
und die Jezidis^). Außerdem hat er zu dem von der Salafija-
Druckerei veranstalteten Neudruck der Hizänat al-adab die
reichen Indizes beigesteuert. "Weitere Arbeiten liegen in z. T.
druckfertigen Manuskripten vor, darunter ein Lexikon der
ägyptischen Vulgärsprache mit einem Anhang über vulgäre
Sprichwörter, ein biographisches Lexikon des arabischen Orients
für das 13. und 14. Jahrhundert der Higra und Arbeiten über
die literarischen Nachrichten der bildenden Kunst bei den
Arabern, über die Spiele der Araber und über die Propheten¬
reliquien. Mahmüd Bey Taimür beabsichtigt, die zur Ver¬
öffentlichung geeigneten nachgelassenen Schriften seines Vaters
herauszugeben, wofür ihm die Arabisten reichen Dank wissen
werden. Zu den wissenschaftlichen Leistungen Taimür Paschas
gehört endlich auch der Katalog seiner Bibliothek, der mit
seinen oft mühevollen Identifikationen und biographischen und
sonstigen Naciiweisen die Frucht langer Arbeit darstellt. Schon
die Titel seiner Arbeiten zeigen die Vielseitigkeit seiner Inter¬
essen; als Einzelzug sei noch erwähnt, daß er, als der alte
Stadtkanal von Kairo (Haiig) 1897—1900 zugeschüttet wurde,
seine Brücken und charakteristischen Ansichten durch photo¬
graphische Aufnahmen vor der Vergessenheit rettete.
Taimür Pascha war eine Gelehrtengestalt, wie sie der
arabische Orient wohl nicht so bald wieder hervorbringen
wird : ganz in den alten arabischen Wissenschaften wurzelnd,
von äußerlicher Europäisierung weit entfernt, hat er doch den
ihm innewohnenden echt europäischen wissenschaftlichen Geist
aus eigener Kraft zur höchsten Blüte entwickelt Mit seine)-
außerordentlichen Bescheidenheit vereinigte sich seine natür¬
liche Güte und Hilfsbereitschaft zu einem restlos sympathischen
1) Tashili al-qämüs al-muhit, Kairo 1.S4.3.
2) Tashlh lisäo al-'arab. 2 Teile, Kairo 1334 und 1343.
3) Qabr al-imäm as-Sujütl. Kairo 1346.
4) Tärlh al-'alam al-'utmäoi, Kairo 1347.
5) al-Jazidija wamanäa' nihlatihim, Kairo 1347.
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258 J. Schacht, Ahmed Pascha Taimur
Charakterbilde, das allen, die in seiner Bibliothek wissenschaft¬
liche Gastfreundschaft genossen haben, unvergeßlich bleiben
wird. Die Orientalistik hat alle Veranlassung, das Hinscheiden
dieses seltenen Mannes ehrend zu betrauern
1) Unter den zahlreichen in der ägyptischen Presse anläßlich des Todes von Taimür Pascha erschienenen Artikeln sind am wertvollsten die Wiedergabe der Gedächtnisrede, die der Scheich as-Saijid Muhammed al-Bibläwi, Naqlb al-aäraf von Kairo und ein Freund des Verstorbenen von Jugend auf, in der Trauerfeier am 11. Juni gehalten hat (al-Ahräm, 13. 6. 1930), und der vom Scheich Muhibb ad-Din al Hatlb verfaßte Artikel in der Zahrä' Bd. 5, Nr. 7/8, 556 (ausführlicher, aber in Einzelheiten
nicht durchweg zuverlässig). — Die Bemerkung in dem Artikel der al-
Latä'if al-musauwara vom 23. 6. 1930 auf S. 11, Absatz 3 ist, wie sich schon aus ihrer Form ergibt, in jeder Beziehung unzutreffend.
Bücherbesprechungen.
Musil, Alois: Falmyrena. A Topographical Itinerary.
— New York 1928. XIV u. 367 S. m. Abb.
—, —: Northern Negd. A Topographical Itinerary. —
New York 1928. XIII u. 368 S. m. Abb.
—, —: The Manners and Customs of the Rwala Bedouins.
— New York 1928. XIV u. 712 S. m. Abb. {= American
Geographical Society. Oriental Explorations and Studies.
Ed. by. J. K. Wright. Nr. 4—6.)
Den in ZDMG., N.F. VIII, S. 82ff. angezeigten ersten
drei Bänden Musil's über seine Reisen und Forschungen sind
in rascher Folge die drei weiteren nachgekommen, die das
imponierende Werk abschließen.
Bd. IV Falmyrena und Bd. V Northern Negd schließen
sich in ihrer Methode durchaus den früheren Bänden an. Alles,
was über Musil's Arbeitsweise und seine Verdienste um die
Kenntnis Arabiens und seiner Nachbarländer früher gesagt
ist, gilt auch für die vorliegenden Bände, braucht daher hier
nicht wiederholt zu werden.
Im IV. Bd. schildert Musil seine in den Jahren 1908,
1912 und 1915 ausgeführten Reisen in Syrien zwischen der
Linie Damaskus — Haleb und dem Euphrat, im V. Bd. die 1915
unternommene Expedition vom ööf zum Lager des Ibn Ra§id,
dann nach al-'Ulä und quer durch die arabische Halbinsel
zurück nach Negef. Die außerordentliche Sorgfalt der Routen¬
angaben, die anschauliche Charakterisierung der Landschaft
sind aus den früheren Büchern des Verfassers ebenso bekannt,
wie sein Bemühen, ein überreiches Namenmaterial beizubringen,
das — zwar bei weitem nicht vollständig, aber doch in mög¬
lichst großem Umfang — auf der schon den ersten Bänden