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Zu den ägyptischen Mastabagräbem.
Von S. KFanss.
Das Mastabagrab gehört, wie erst jüngst ausgeführt worden i),
zu den bezeichnendsten Schöpfungen der ägyptischen Baukunst. Sein
Wesen ist der Mastaba-Kern, d. i. der freistehende, niedrige, recht¬
eckige Bau, der den eigentlichen, senkrechten Grabschacht bedeckt.
Das Wort und ein entsprechend modifizierter Begriff kommen 6
auch in rabbinischen Schriften der ersten christlichen Jahrhunderte
vor. Denn rmuow, Nn-iaiUOW der Rabbinen deckt sich
entschiedeti mit jbcs^j» der Syrer und juWi/i der Araber 2), und
es ist nur zu bedauern, daß der Ursprung all dieser Wörter nicht
feststeht«). Das rabbinische NmaOM usw. bedeutet eine Bank oder lo
Estrade, die in dem bekannten talmudischen Wörterbuche 'Arukh
des R. Natan aus Rom traditionell wie folgt definiert werden : „Ein
etwa eine Elle breiter und 24—25 Handbreiten hoher Platz, wie
man ihn vor allen Geschäftsläden zu errichten pflegt; und zwar
sind müON und lSU''D'npi< (== yQäßarov) gleich; und manchmal ib
richtet man sie zu einem Sitze für Menschen her"*). Der Begriff
„steinerne Bank" haftet dem Worte mtJON unzweifelhaft an"*), und
zwischen ihm und rmüCtt besteht kein Unterschied. Wenn wir
nun diesem Worte in Bezug auf Grabanlagen begegnen, so bezeichnet
es für uns die bekannten Bankgräber, die in Palästina so 20
häufig sind«).
Eine Vorschrift in dem von Begräbnis und Trauer handelnden
talmudischen Traktat Semachoth (c. 13)') scheint dieses von
1) G. Roeder in ZDMG. 65. 771—780.
2) S. mein Wörterbucli „Griech. u. L»t. Lehnwörter im Talmud" usw., 8. 345; vgl. S. 118.
3) Siegm. Fraenkel, Die aram. Fremdwörter im Arabischen, S. 21 f.
4) Aruch completum, ed. Kohut 1, 167.
5) Folgt aus der Stelle Ü^IW» "'2Sbm mUDN b. 8abb. 7».
6) Benzinger, Archäologie, 1. Aufl., S. 225.
7) Dieser Traktat ist zwar nachtalmndisch , enthält aber recht alte, über¬
aus wertvolle Traditionen. Der Tezt ist oft verderbt, und wir miissen still¬
schweigend nach einigen rezipierten Verbesserungen ubersetzen.
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uns gesuchte Bankgrab zu berühren : ,Wer im Grabe (lap) einen
Toten findet , darf ihn nicht vom Platze rühren , es sei denn , er
wisse von ihm, daß ihm jener Ort nur geliehen sei. Wer da Ge¬
beine (mws?) im Grabe findet, darf sie in natürliche Gruben (m"nttD'a
5 = bh. mnMnTs) legen — so die Worte R. Akiba's (blühte Anfang
des 2. Jahrhunderts) ; die [anderen] Weisen jedoch sagen , er dürfe
sie nicht vom Platze rühren. Wer da [Gebeine] findet in einem
Schiebgrabe ("id) oder auf einer Mastaba(?), darf sie nicht vom
Platze rühren." — Unsere Untersuchung bezieht sich auf den letzteren 10 Satz, der ein griechisches Fremdwort enthält i), das bis jetzt nicht
erklärt werden konnte. Aber dieses Wort, lUDN, weist gegenüber
dem früher behandelten mmoN nur eine leichte Änderung auf, die
wir iu diesem auch sonst korrupten Texte beseitigen dürfen. Das
nun finale dürfte aus zwei Vau entstanden sein , denen ein
15 Strich , das bekannte Zeichen der Abkürzung gefolgt haben mag,
der nun aus Unachtsamkeit der Abschreiber ausgeblieben ist. Kurz :
ich lese rmaON = Mastaba. An der vorhin genannten 'Arukh-
Stelle, wo nur rmUDN richtig ist, stand ursprünglich vm, in ed.
prince ps ■j^'Ue*), eine Korruptele, die mit der unsrigen fast
20 identisch ist. Es existiert übrigens auch ein syrisches .n^m ^ =
"lUSN, das mit mmoN identisch zu sein scheint*) und das sich von
"(aON (lies "(IüDN) kaum merklich unterscheidet.
Wenn nun diese Worterklärung zutrifft — und wir hoffen
zuversichtlich, daß sie allen Facbgenossen einleuchten wird —, dann
25 haben wir in der rabbinischen Stelle die bedeutsame Nachricht, daß
sich in den palästinischen Grabanlagen auch eine Mastaba zu be¬
finden pflegte, auf welcher mitunter die Gebeine eines Toten ruhten.
Noch bevor ich zu dieser Erkenntnis gekommen , schrieb ich in
meinem archäologischen Werke : „Sodann gibt es Bank- oder Auf-
80 legegräber, wenn nämlich längs der Felswand, sicherlich in der Höhle,
Steinbänke , Marmortafeln oder mit Mosaik belegte Stellen laufen,
auf welche man die Leichen legte" *). Daß aber diese Bank Mastaba
= "paoN hieß, erfahren wir erst jetzt. Diese Mastaba nun diente allem Anscheine nach nicht zur Bestattung des Toten selbst, sondern
1) Der Satz lautet: pONa ]n 'JIDa NSlMn. Statt 171 wurde schon
längst IN konjiziert (doch ist auch yj30»^ p ^ISa p möglich). Für pON wurde von Levy erevdv, von Kohut pers. xiLil*»! vorgeschlagen; ich selbst habe (in Lehnwörter 2, 80) detovv dafür angenommen, indem ich den Satz wie folgt
las: ^1D3 pON NSlTSn, opp. ^3p3 mttSy NSIWH; I. Low (in Lehnw.
z. St.) dachte an &vtqov und an *6aTvaQiov. Jastrow liest gar T'T'lNa IN.
Über diese Vermutungen ist auch Ben Johuda (Thesaurus Totius Hebraitatis p. 325) nicht hinausgekommen.
2) Kohut a. a. 0. 1, 167.
3) Schulthess, Lexicon Syro-pal., p. 15. Vgl. Fleischer, Kl. Schriften II, 596.
4) Krauss, Talmudische Archäologie 2, 76; s. Belege daselbst.
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Krauss, Zu den ägyptischen Mastabagräbem. 273
gab die Estrade ab, auf welcher die Ossuarien niedergelegt wurden.
Nacb Verwesung der Leiche {rfa) wurden bei den Juden bekannt¬
lich die Gebeine dem Grabe entnommen und in Ossuarien gelegt.
Diese Ossuarien aber wurden, wie die Quellen mehrfach dartun,
sehr oft von Ort zu Ort getragen i), und bei solcher Verpackung 5
mag es nun geschehen sein, daß einzelne Knochen auf der Mastaba
zurückblieben und daselbst gefunden wurden.
Unsere Textworte lassen übrigens auch die Deutung zu, daß
die Gebeine in der Mastaba selbst gefunden wurden und dann
ist die ägyptische Art der Totenbestattung in dem rabbinischen lo
Text nur noch deutlicher ausgedrückt. Aber selbst das bloße Wort
rm£3DN = Mastaba ruft bereits die Erinnerung an ägyptische Ver- .
hältfiisse hervor. In dieser Wahrnehmung werden wir auch dadurch
bestärkt, daß es auch sonst feststeht, daß das palästinische Be¬
stattungswesen der talmudischen Zeit recht deutlich ägyptische 15
Motive aufweist«). Ägypten, das klassische Land des Totenkultus,
konnte nicht verfehlen, dem Nachbarlande einige Sitten dieser Art
mitzuteilen und auch in der Sprache zum Ausdruck zu bringen.
Zu einer Eigentümlichkeit der ägyptischen Mastabagräber ent¬
halten die rabbinischen Schriften eine sehr willkommene Parallele. 20
Die Mastabagräber enthalten eine Kammer an der Ostseite , ein
Motiv, das sich allmählich aus einer schlichten Scheintür entwickelt hat. Durch diese Scheintüre, so glaubte man, gehe der Abgeschiedene
in das Jenseits ein und durch sie kehre er wieder aus ihm zurück *).
Man weiß sicher, daß die ganze Gräberanlage die Wohnstätten der «5
Lebenden nachahmt, aber für jene Scheintüre und jene Kammer
hat sich das Vorbild im Wohnhause noch nicht finden können. Wir
weisen nun dieses Vorbild aus einem Midrasch, der sich gerade auf
ägyptische Verhältnisse bezieht, nach.
Anläßlich des Kults der „Himmelsgöttin' (Jer. 7,18), eines Kults, so der nach dem Augenzeugen Jeremias (44, 17—19. 25)"*) hauptsäch¬
lich von der nach Ägypten verpflanzten judäischen Kolonie getrieben
wurde«), wird uns in einem anonymen und darum wohl alten
Midrasch folgende Schilderung des Gestirndienstes') gegeben: „Was
1) Vgl. Büchler in KEJ. 46, 79 f.
2) Trotz dem Wortlaute l^OXD . . . NSlKM ziehe ich es vor, die Worte so zu deuten, daß die Gebeine auf der Mastaba gefunden wurden, denn für das Begraben in der Mastaba fehlt es in Palästina an Analogien.
3) Vgl. S. Klein, Tod und Begräbnis in Palästina zur Zeit der Tannaiten, Berlin 1908, S. 25; meine Talm. Arch. 2, 72 und sonst.
4) ZDMG. 65, 773 ff. 5) Hier LXX ßaaiXiaea rov oigavov.
6) Von dem Götterdienste der judäisch-ägyptischen Kolonie s. jetzt E. Sachau, Aram. Papyrus und Ostraka ... zu Elephantine, Vorwort.
7) Daß es sich an der Jeremiasstelle um einen Gestirndienst handelt, geben die meisten Forscher zu; vgl. z. B. Schräder, Ber. d. Berl. Akad. 1886, 477 f. Wellhauseu, Reste arab. Heident.^ 41. Nöldeke in ZDMG. 41, 710 f.
Rob. Smith, Semites 1,57. 172. Nur Stade (ZATW. 6, 123f., 289f.) hält an der massoretiscben Lesart D'^UUjri nsobu fest.
274 Krauss, Zu den ägyptischen Mastabagräbem.
heißt das „Kuchen zu bereiten dem Werke des Himmels'? Das
ist : Sie dienten einem Werke des Himmels , und zwar der Venus
(nSDiD, ursprünglich = Istar, nach Ägyptischen Begriffen = Hathor)i).
Und wie dienten sie ihr ? Jeder, der einen Prunksaal hatte grub
5 ("icn) in diesem seinem Saale ein kleines Fenster (ins) in Form einer Binne ("nSiJt), welches sie so gegen Osten anbrachten, daß sie die Venus anbeten konnten, sobald sie am Horizont aufgestiegen
war . . . Du mußt gar nicht meinen , daß sie ihr nur im Ver¬
borgenen dienten — nein, vielmehr machten sie sich dabei gar
10 offenkundig . . . Die Kinder Jerusalems hatten eben der Venus
nicht im Verborgenen, sondern öffentlich gedient'*).
Hier haben wir den Durchbruch der Ostwand in Form eines
Fensters, richtiger wohl in Form einer Grabnische. Das Loch
diente zur Anbetung des Morgensterns, ebenso wie der alte Ägypter
15 seinen Totenkult vor jener Scheintür zu verrichten pflegte. Für
die Stätte des Todes haben wir somit das Vorbild des Lebens er¬
schlossen. Nie und nimmer hätten sich die Babbinen den Stern¬
dienst auf dem Wege des Durchbruches des Prunksaales gedacht,
wenn sie den Vorgang nicht im wirklichen Leben hätten beobachten
20 können ;' die behandelten Bibelstellen geben keinen Anlaß zu dieser
Vorstellung, und so bleibt als deren einzige Quelle nur das wirk¬
liche Leben übrig, für dessen einzelne Züge das rabbinische Schrift¬
tum noch immer nicht gehörig ausgebeutet ist.
Zum Schlüsse sei noch erwähnt, daß das Privathaus des
26 schlichten jüdischen Bauern in Palästina oft Scheintüren aufwies*), es ist nur Schade, daß kein Name für sie tiberliefert ist.
1) Schilderung des versteckten Gestirndienstes der Israeliten s, auch in Midrasch Threni Babba, Einleitung, No. 22.
2) Im Original d"'bpnU n''2, d.i.: „Haus Triklinium" ; mit „Triklinium«
(Speisesaal) pflegen die Rabbinen jedes besser gebaute Gemach zu bezeichnen.
3) Pesikta Rabbathi c. 31 p. 143 a, ed. Wien 1880. Namentlich das ent¬
scheidende Wort „Fenster" ist leider schlecht überliefert. Ursprünglich scheint
im Texte gestanden zu haben ^313 T^ttS flt^Hp irT^S "lOIH riTI
„er grub in seinem Saale eine Lagerstätte (= xo/ttj) aus in Form von Grab¬
nischen". Von der Lagerstätte aus konnte der Anbeter bequem den Aufstieg des Morgensterns beobachten. Die Grabnische aber würde vorzüglich zn dem ägyptischen Grabmotiv passen. Doch hat die durch Jalkut zn Jeremia (§ 276) zur Geltung gelangte Lesart bereits das Fenstermotiv (nSUp ''IlS). Das aram.
''IS dürfte sonst in hebräischen Texten nicht zu finden sein, während f1I3"'p (vgl. Lehnwörter 2, 528) an dem in unserm Texte aus Ezech. 8, 12 angeführten irfSffitt inna ein» stütze hat.
4) Talm. Archäologie 1, 37.
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Zur Echtheitsfrage des Rtusamhara.
Vou Johannes Nobel.
Der Rtusamhara wird vielfach als ein "Werk Kälidäsa's be¬
zeichnet i). Die Überlieferung geht bis auf Vallabhadeva zurück,
der in der Subhäsitävali 1674 und 1678 zwei Verse aus dem Rtu¬
samhara (6. 16, 19) mit der Signatur „Kälidäsasya" anführt. Auf
diese Tradition ist aber kein allzu großes Gewicht zu legen, zumal 5
der Verfasser dieser Anthologie der ersten Hälfte des fünfzehnten
Jahrhunderts angehört, also etwa tausend Jahre nach der Abfassung
jenes Kävya schrieb. Dazu kommt noch die Tatsache, das Valla¬
bhadeva (1703. 1704) zwei weitere Strophen aus dem Rtusamhara
(1. 13, 20) zitiert, ohne den Verfasser anzugeben. Nach Bühler 2) 10
hat er sie ,aus einem älteren Werke abgeschrieben, wo der Autor
nicht angegeben war". Vielleicht war er darum nicht genannt,
weil Vallabhadeva's Gewährsmann den Verfasser des Rtusamhara
nicht kannte.
Im folgenden glaube ich zeigen zu können, daß der Rtusamhara 15
Kälidäsa zu Unrecht zugeschrieben wird.
Ein sehr gewichtiges Argument, das gegen die Echtheit spricht,
1) Kielhorn zweifelt nicht an der Echtheit. In den Nachrichten der Göttinger Ges. d. Wiss. vom Jahre 1890, p. 253, wo gezeigt wird, daß eine Stelle der Mandasor - Inschrift von Kumäragupta den Versen 5, 2 und 3 des Ktusamhära nachgebildet ist, sagt Kielhom: „Das Resultat ist, daß Kälidäsa's Rtusamhara vor dem Jahre 472 n. Chr. verfaßt sein muß". Bühler drückt sich vorsichtiger aus. Er sagt (Die indischen Inschriften und das Alter der indischen Kunstpoesie, Sitzungsberichte der Kais. Akad. d. WMssensch. in Wien, phil.-hist.
Classe, Bd. 122, p. 71): „Wenn man der Überlieferung trauen darf". Zweifel an der Echtheit brachten vor Schütz (Kalidasa's Wolkenbote übersetzt und er¬
läutert, Bielefeld 1859, S. 22), Weber (Ind. Str. 2, 151), Stenzler (ZDMG. 44, p. 33, Note 3) und Pischel (siehe Otto Walter, Übereinstimmungen in Gedanken, Vergleichen und Wendungen bei den indischen Kunstdichtern von Välmiki bis auf Mägha, phil. Diss., Straßburg 1904, p. 6 f.). Doch sind die Gründe, die sie anrühren, nicht stichhaltig genug. O. Walter hat in der zitierten Schrift die Frage zum ersten Male gründlicher untersucht und vor allem aus den stilistischen Unterschieden im Rtusamhära und den Werken Kälidäsa's auf die Unechtheit geschlossen.
2) 1. c. Anm. 2.
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