Karlsruher Institut f¨ur Technologie (KIT) Institut f¨ur Analysis
Prof. Dr. Tobias Lamm Dr. Patrick Breuning
WS 2012/13 26.01.2013
Ubungsklausur¨
H¨ohere Mathematik I f¨ur die Fachrichtung Physik
Aufgabe 1 ((3+2+5) Punkte)
a) Die reelle Zahlenfolge (an)n∈Nsei nicht konvergent. Welche der folgenden Aussagen sind wahr, welche nicht? Geben Sie entweder eine kurze Begr¨undung oder ein Gegenbeispiel.
i) Keine Teilfolge der Folge (an)n∈N konvergiert.
ii) Die Menge {|an|: n∈N} ist nicht nach oben beschr¨ankt.
iii) (an)n∈N ist keine Cauchy-Folge.
b) Sei (bn)n∈N eine reelle Zahlenfolge. Entscheiden Sie wieder, welche der folgenden Aus- sagen wahr und welche nicht wahr sind, und geben Sie eine kurze Begr¨undung oder ein Gegenbeispiel.
i) Wenn die Folge (bn)n∈N konvergiert, dann konvergiert auch ∑∞
n=1bn. ii) Wenn ∑∞
n=1bn konvergiert, dann konvergiert auch (bn)n∈N. c) Schreiben Sie folgende Ausdr¨ucke in der Form a+ib mit a, b∈R:
i) √
i ii)
∑13 k=2
(1 +i)k. L¨osung:
a) i) Die Aussage ist falsch: Seian = (−1)n. Dann ist (an)n∈N nicht konvergent, jedoch die Teilfolge a2n = 1 konvergiert gegen 1.
ii) Die Aussage ist falsch: Sei wiederan = (−1)n. Dann ist (an)n∈N nicht konvergent, jedoch {|an|: n∈N}={1} ist nach oben durch 1 beschr¨ankt.
iii) Die Aussage ist wahr: Jede reelle Cauchy-Folge konvergiert; w¨are also (an)n∈Neine Cauchy-Folge, so w¨are (an)n∈N konvergent, im Widerspruch zur Voraussetzung.
b) i) Die Aussage ist falsch: Seibn= 1 f¨ur alle n∈N. Dann ist (bn)n∈N konvergent, die Reihe ∑∞
n=11 offensichtlich jedoch divergent.
ii) Die Aussage ist wahr: Nach Vorlesung folgt aus der Konvergenz von∑∞
n=1bn, dass (bn)n∈N eine Nullfolge ist; insbesondere ist (bn)n∈N konvergent.
c) i) Sei z =a+ib mit a, b∈Rund z2 =i. Es folgt (a+ib)2 =a2−b2+ 2iab=iund damit a2 = b2 und 2ab= 1. Es folgt a =±b und 2ab= 1. Da a ∈R, folgt a =b und 2a2 = 1, also a=±√12. Wegen a =b erhalten wir also die beiden L¨osungen
z1 = 1
√2+i 1
√2, z2 =− 1
√2 −i 1
√2 =− 1
√2 +i (
− 1
√2 )
der Gleichung z2 =i. Dies ist die gesuchte Darstellung.
ii) ∑13
k=2
(1 +i)k = ( 13
∑
k=0
(1 +i)k )
−1−(1 +i)
= 1−(1 +i)13+1
1−(1 +i) −2−i
= 1−(√
2eiπ4)14
−i −2−i
= (1−27ei7π2 )i−2−i
= (1 + 128i)i−2−i
= −130.
Also gilt ∑13
k=2(1 +i)k =−130 =−130 +i·0.
Aufgabe 2 ((5+5) Punkte)
a) Sei 0< a <1. Die Folge (xn)n∈N0 sei rekursiv definiert durch x0 = 1, xn+1 = a+xn
1 +xn. Zeigen Sie:
i) xn >√
a f¨ur allen ∈N0.
ii) (xn)n∈N0 ist streng monoton fallend.
iii) (xn)n∈N0 konvergiert. Bestimmen Sie den Grenzwert.
b) F¨ur welche x∈R konvergiert die Reihe
∑∞ n=0
ne−nx ? Berechnen Sie f¨ur diese x den Wert der Reihe.
L¨osung:
a) i) Wir zeigen die Aussage mittels Induktion ¨uber n. F¨ur n = 0 gilt x0 = 1 > √ a, da 0 < a < 1 nach Voraussetzung. Sei die Aussage nun f¨ur ein n ∈ N0 bereits bewiesen. Dann gilt
xn+1−√
a = a+xn 1 +xn −√
a
= a+xn−√
a(1 +xn) 1 +xn
= a−√
a+xn(1−√ a) 1 +xn
> a−√ a+√
a(1−√ a) 1 +xn
= 0, wobei in der vorletzten Zeile 1 − √
a > 0, sowie die Induktionsvoraussetzung benutzt wurde, insbesondere 1 +xn>0. Es folgtxn+1 >√
a.
ii) Wir berechnen
xn+1−xn = a+xn 1 +xn −xn
= a+xn−xn(1 +xn) 1 +xn
= a−x2n 1 +xn
< 0, wobei in der letzten Zeile xn > √
a > 0 nach Teil i) benutzt wurde. Also ist (xn)n∈N0 streng monoton fallend.
iii) Nach ii) und i) ist (xn)n∈N0 streng monoton fallend und nach unten beschr¨ankt durch √
a. Da jede monoton fallende und nach unten beschr¨ankte Folge konver- giert, konvergiert also auch (xn)n∈N0.
Wir setzen x := limn→∞xn > √
a. Aus der Definition von xn+1 folgt x = a+x1+x, also x(1 +x) =a+x und damit x2 =a. Dies impliziert x=√
a oderx =−√ a.
Wegen x>√
a folgtx=√ a.
b) Wir berechnen lim sup
n→∞
√n
|ne−nx|= lim sup
n→∞ (√n
ne−x) =e−x
{ <1 f¨urx >0,
>1 f¨urx <0.
Damit ist nach dem Wurzelkriterium die Reihe konvergent f¨urx >0 und divergent f¨ur x < 0. F¨ur x = 0 ist ne−nx =n keine Nullfolge, also die zugeh¨orige Reihe divergent.
Die Reihe konvergiert also genau f¨ur x >0.
F¨ur x >0 berechnen wir den Wert der Reihe: Definiere f : (−1,1)→R, f(y) =
∑∞ n=0
yn= 1 1−y.
Diese Reihe ist eine Potenzreihe mit Konvergenzradius 1 (geometrische Reihe). F¨ur die Ableitung dieser Reihe gilt nach Vorlesung
f′(y) =
∑∞ n=1
nyn−1 =
∑∞ n=0
(n+ 1)yn =
∑∞ n=0
nyn+ 1 1−y. (wobei∑∞
n=0nynnach dem Wurzelkriterium ebenfalls f¨ur|y|<1 konvergiert). Es folgt
∑∞ n=0
nyn=f′(y)− 1 1−y =
( 1 1−y
)′
− 1
1−y = 1
(1−y)2 − 1
1−y = y (1−y)2. Wir setzen nun y:=e−x. Dann gilt |y|<1 und wir erhalten
∑∞ n=0
ne−nx = e−x (1−e−x)2.
Aufgabe 3 ((7+3) Punkte)
a) F¨ur n∈N sei die Funktionfn: [0,1]→R definiert durch fn(x) :=e−nsinx.
i) Bestimmen Sie die Funktion f : [0,1]→R, gegen die die Funktionenfolge (fn)n∈N punktweise konvergiert.
ii) Zeigen Sie, dass (fn)n∈N auf [0,1] nicht gleichm¨aßig konvergent ist.
iii) Zeigen Sie: F¨ur jedes ε ∈(0,1) konvergiert (fn)n∈N gleichm¨aßig auf [ε,1].
b) Die Funktiong : [0,4]→R sei definiert durch
g(x) =|x−1|+ 3x−x2. Zeigen Sie, dass g eine Nullstelle besitzt.
L¨osung:
a) i) Es gilt fn(0) = 1 f¨ur alle n ∈ N, also fn(0) → 1 f¨ur n → ∞. F¨ur x ∈ (0,1] gilt sinx > 0, also −nsinx → −∞ f¨ur n → ∞ und damit e−nsinx → 0 f¨ur n → ∞. Damit ist die gesuchte Grenzfunktion gegeben durch
f(x) =
{ 1 f¨ur x= 0, 0 f¨ur 0< x61.
ii) Nach Vorlesung gilt: Die Grenzfunktion jeder gleichm¨aßig konvergenten Folge ste- tiger Funktionen ist stetig.
W¨are (fn)n∈N gleichm¨aßig konvergent, so m¨usste (fn)n∈N gegen f aus i) konver- gieren (da aus gleichm¨aßiger Konvergenz die punktweise Konvergenz folgt). Jedes fn ist als Komposition stetiger Funktionen stetig, jedoch f ist in x = 0 unstetig.
Also ist fn nicht gleichm¨aßig konvergent.
Alternativ:Seiε:= 13 >0. F¨urn>2 setzexn:= arcsin(1
n
). Wegen arcsin(1
2
)= π6 und da arcsin streng monoton wachsend ist, gilt 0< xn<1 f¨urn >2. Somit gilt f¨ur jedes n>2
|fn(xn)−f(xn)|=|e−1−0|= 1 e > 1
3 =ε.
Damit konvergiert fn nicht gleichm¨aßig gegen f.
iii) Die Funktion sinx ist auf [0,π2] und insbesondere auf [ε,1] streng monoton wach- send. Ferner gilt sinε >0. Damit gilt
sup
x∈[ε,1]
|fn(x)−f(x)| = sup
x∈[ε,1]
|e−nsinx−0|
= e−nsinε →0 f¨urn→ ∞. Dies aber ist gerade die gleichm¨aßige Konvergenz auf [ε,1].
b) M¨oglichkeit 1:
Es gilt g(0) = 1 und g(4) = −1. Ferner ist g als Komposition stetiger Funktionen stetig. Also gibt es nach dem Zwischenwertsatz ein x0 mit 0< x0 <4 und g(x0) = 0.
M¨oglichkeit 2:
F¨ur 16x64 istg(x) = x−1+3x−x2 =−x2+4x−1. Die Gleichung−x2+4x−1 = 0 f¨uhrt auf die L¨osungen 2±√
3. Es gilt 162 +√
364 und damit g(2 +√
3) = 0.
Aufgabe 4 ((3+4+3) Punkte)
a) Sei f :R→Rdefiniert durch f(x) = exp(√
1 + sinx)−e. Bestimmen Sie das Taylor- Polynom zweiter Ordnung von f im Punkt 0.
b) Bestimmen Sie den Wert der folgenden Integrale (falls diese existieren):
i) ∫ π
2
0 xsinx dx ii) ∫∞
1 e−√2√x
x dx
c) Es seiena, b∈R mit 0< a < b. Bestimmen Sie den Grenzwert
xlim→0
ax−bx tanx . L¨osung:
a) Es gilt T02f(x) =f(0) +f′(0)x+f′′2(0)x2. Wir berechnen in einer Umgebung um 0 f′(x) = 1
2exp(√
1 + sinx) cosx
√1 + sinx und
f′′(x) = 1
2exp(√
1 + sinx) (
1
2· cos2x
1 + sinx −(sinx)√
1 + sinx+ 12√cos1+sin2xx 1 + sinx
) .
Wir erhalten
f(0) = 0, f′(0) = e
2, f′′(0) = 0.
Schließlich ist
T02f(x) = e 2x.
b) i) Partielle Integration liefert
∫ π
2
0
xsinx dx = [−xcosx]
π 2
0 +
∫ π
2
0
cosx dx
= 0 + [sinx]
π 2
0
= 1−0
= 1.
ii) Mit der Substitution y= 2√
x erhalten wir
∫ ∞
1
e−2√x
√x dx = lim
r→∞
∫ r
1
e−2√x
√x dx
= lim
r→∞
∫ 2√r
2
e−ydy
= lim
r→∞[−e−y]22√r
= lim
r→∞(−e−2√r+e−2)
= e−2.
c) Wegen a < b gilt ax −bx = exp(xloga)−exp(xlogb) ̸= 0 f¨ur x ̸= 0; genauso gilt tanx̸= 0 in einer Umgebung um 0 (ohne x= 0). Ferner haben wir
limx→0(ax−bx) = 0 und lim
x→0tanx= 0.
Damit sind alle Voraussetzungen f¨ur die Regel von de l’Hospital erf¨ullt und wir erhalten
xlim→0
ax−bx
tanx = lim
x→0
(ax−bx)′ (tanx)′
= lim
x→0
(loga)ax−(logb)bx
1 cos2x
= loga−logb.
Nach der Klausur:Die korrigierten ¨Ubungsklausuren k¨onnen ab Mittwoch, den 06.02.2013, im Sekretariat (Zimmer 3B-02, Allianzgeb¨aude 05.20) abgeholt werden.
Fragen zur Korrektur sind ausschließlich am Donnerstag, den 07.02.2013, von 13.45 Uhr bis 14.00 Uhr im Zimmer 3A-01 (Allianzgeb¨aude 05.20) m¨oglich.