Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 17⏐⏐24. April 2009 A795
A K T U E L L
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein und die KV Baden- Württemberg haben eine Kampagne des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur Honorarreform kriti- siert. In mehreren Tageszeitungen hatte das Ministerium Anzeigen ge- schaltet, in denen von großen Ver- dienstzuwächsen bei Ärzten die Re- de war. Mit teuren Anzeigen versu- che das Ministerium, die gescheiter- te Honorarreform schönzureden und die Verantwortung dafür den Kassenärztlichen Vereinigungen an- zulasten, hieß es in einer Erklärung der KV Nordrhein.
„Doch das BMG irrt, wenn es meint, damit erfolgreich sein zu können“, kommentierte der KV- Vorsitzende, Dr. med. Leonhard Hansen, diesen „kostspieligen Rechtfertigungsversuch“. Die Fak- ten sprächen eine andere Sprache.
Von den rund 14 000 niedergelasse- nen Ärztinnen und Ärzten in Nord- rhein verlören rund 55 Prozent Ho- norar, fast jeder siebte sogar 15 Pro- zent und mehr. Das zeigten Hoch- rechnungen der KV Nordrhein, die die Umsätze des ersten Quartals 2009 mit denen des Vorjahreszeit- raums verglichen.
Auch der Vorstandsvorsitzende der KV Baden-Württemberg, Dr.
med. Achim Hoffmann-Goldmayer, kritisierte, das Gesundheitsministe- rium brüskiere mit der steuerfinan- zierten Anzeigenkampagne die Ver- tragsärzte in Baden-Württemberg.
Denn es gebe dramatische Verluste in allen Fachgruppen, teilweise in zweistelliger Höhe. „Dies ist die Folge der politisch und gesetzlich vorgegebenen Zentralisierung beim Honorar“, erklärte Hoffmann-Gold-
mayer. EB
Mediziner dürfen ihre Patienten nicht dazu überreden, ihre Kranken- kasse zu wechseln. Nachdem baye- rische Ärzte versucht hatten, gesetz- liche Versicherte per Wartezimmer- information zum Wechsel in die
AOK zu animieren, verbot das Landgericht München jetzt die Ak- tion. Die AOK hat bislang als einzi- ge Kasse einen Hausarztvertrag mit dem Hausärzteverband des Frei- staates abgeschlossen.
Bayerische Hausärzte hatten ihren Patienten erklärt, wenn es keinen Hausarzt mehr gäbe, hieße die Al- ternative „lange Anfahrtswege, lan-
ge Wartezeiten, anonyme Versor- gung in den Medizinischen Versor- gungszentren der Kapitalgesell- schaften“. Das Gericht wertete die- se Aussage als „einseitige, teils un- richtige Behauptungen“.
„In unserer Patienteninformation stellen wir lediglich die Vorzüge dar, die der Patient durch den AOK- Vertrag hat“, rechtfertigte Dr. med.
Wolfgang Hoppenthaller, Vorsit- zender des Bayerischen Hausärzte- verbandes, die Aktion. Er warf den Ersatz- und Betriebskrankenkassen mangelnde Bereitschaft vor, ent- sprechende Verträge abzuschließen.
Diese Vorwürfe wies der Verband der Ersatzkassen (vdek) zurück:
„Was in Bayern angeboten wurde, ist nicht das, was wir uns vorstel- len“, betonte vdek-Abteilungsleite- rin Ulrike Elsner. Gäbe es bundes- weit Hausarztprogramme nach baye- rischem Muster, drohten den Bei- tragszahlern Mehrkosten von bis zu vier Milliarden Euro. „Damit würde ein Zusatzbeitrag von den Versi- cherten fällig“, sagte Elsner. hil
„Krise ist ein produktiver Zustand, man muss ihr nur den Beige- schmack der Katastrophe nehmen“, hat der Schweizer Schriftsteller Max Frisch einmal geschrieben. Man- chen, die derzeit um Arbeit und Zu- kunft fürchten, mag der Satz zy- nisch erscheinen. Trotzdem ist er richtig.
Unfreiwillige freie Zeit kann man zum Beispiel freiwillig sinnvoll nut- zen. Eine Anregung dafür gab kürz-
lich Prof. Dr. Franco Rest, der seit Langem zu Sterbebegleitung, Hos- pizarbeit und „Anti-Euthanasie“
forscht. Bei einer Tagung von Bünd- nis 90/DieGrünen zu „Leben am Le- bensende“ wies er darauf hin, dass man mit einem Engagement in der Sterbebegleitung nicht bis zur Rente warten müsse.
Rest berichtete von einer Info- veranstaltung für Schüler „Beglei- ten kannst auch du!“. Oder von einer Kampagne „Wir schenken uns nichts, wir schenken uns Zeit“. Da hatte beispielsweise ein studieren- der Nachtmensch angeboten, sich ein paar Mal nach Mitternacht an ein Krankenbett zu setzen.
Um Missverständnissen vorzu- beugen: Rest tritt dafür ein, dass ehrenamtliche Sterbebegleiter fi- nanziell unterstützt werden, zum Beispiel durch Steuererleichterun- gen. Er findet aber auch: „Wir müs- sen nicht immer sofort nach der Be- zahlbarkeit fragen.“ Denn alles, was für eine gute Sterbebegleitung wün- schenswert wäre, wird nie bezahl- bar sein.
Wer plötzlich in der Krise Zeit ha- be, aber Angst vor Totkranken, kön- ne trotzdem anfangen zu helfen, be- tonte Rest: Plakate kleben vielleicht, Telefondienste übernehmen. Leute, die lästige Verwaltungsarbeit über- nehmen, sind sicher auch in der Hospizbewegung gern gesehen.
RANDNOTIZ
Sabine Rieser
Ehrenamt in der Krise
ANZEIGENKAMPAGNE
KVen kritisieren das Gesundheitsministerium
HAUSARZTVERTRÄGE
Ärzte dürfen nicht für Kassenwechsel werben
Foto:Mauritius Ima ges