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Niedersächsischer Wesenstest seit Abschaffung der Rasseliste von Oktober 2003 bis März 2013

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Niedersächsischer Wesenstest seit Abschaffung der Rasseliste von Oktober 2003 bis März 2013-

Eine Analyse der „auffälligen“ Rassen

INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer

Doktorin der Veterinärmedizin -Doctor medicinae veterinariae-

(Dr. med. vet.)

vorgelegt von Katja Riedel

Leipzig

Hannover 2014

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Wissenschaftliche Betreuung: Univ.-Prof. Dr. H. Hackbarth

Institut für Tierschutz und Verhalten (Heim-, Labortiere und Pferde)

1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. H. Hackbarth 2. Gutachter: PD. Dr. S.Schmidt

Tag der mündlichen Prüfung: 11.04.2014

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INHALTSVERZEICHNIS

Seite

1 Einleitung 1

2 Literaturübersicht 3

2.1 Definition „gefährliche Hunde“ aus juristischer vs. ethologischer Sicht 3

2.2 Der Hund als soziales Lebewesen 6

2.2.1 Kommunikation 8

2.2.2 Emotionen 12

2.3 Aggressionsverhalten 15

2.3.1 Einteilungen von Aggressionsverhalten 19

2.3.2 Angstbedingtes Aggressionsverhalten 23 2.3.3 Körperliche/organische Ursachen für Aggression 25

(Schmerzen, Schock, Erkrankungen)

2.3.4 Aggression in Verbindung mit Erwerb und Verteidigung von

Ressourcen (auch „Rang/Statusbezogene Aggression“) 26

2.3.5 Hormonell bedingte Aggression 27

2.3.6 Frustrationsbedingte Aggression und umgerichtete Aggression 28 2.3.7 Pathologisch bedingte Aggression/“Idiopathische“ Aggression 28

2.3.8 Neurophysiologische Betrachtung 29

2.3.9 Eskalationsstufen 31

2.4 Lernkomponenten der Aggression 31

2.5 Jagdverhalten 32

2.6 Spielverhalten 33

2.7 Soziale Annäherung 34

2.8 Abgrenzung inadäquat aggressiven Verhaltens gegenüber „echten“,

Verhaltensstörungen - Ethopathien 34

2.8.1 Inadäquat aggressives Verhalten 34

2.8.2 Zur Gefährlichkeit von Hunden 35

2.8.3 „Echte“ Verhaltensstörungen 36

2.9 Leiden 39

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iv

2.10 Rasseabhängige Gefährlichkeit 40

2.10.1 Rassedefinition - Rasseunterschiede 40

2.10.2 „Gefährliche“ Rassen(?) 44

2.11 Verhaltenstest und das Wesen des Hundes 47

3 Material und Methoden 51

3.1 Erläuterungen zur Durchführung des Wesenstests 51

3.2 Einzelne Situationen 52

3.2.1 Hund-Mensch- und Hund-Umwelt-Kontakt 52

3.2.2 Hund-Hund-Kontakt 63

3.2.3 Gehorsam 64

3.3 Bewertungssystematik 65

3.3.1 Skalierung 65

3.3.2 inadäquat/gestört aggressives Verhalten 66

3.4 Datenaufnahme 66

3.5 Beurteilung der Hunde 66

3.6 Auswertung der Daten 67

4 Ergebnisse 68

4.1 Die Hunde 68

4.1.1 getestete Hunderassen 68

4.1.2 Einteilung in Kategorien modifiziert nach RÄBER (1995) 69 4.2 Hunde mit inadäquat/gestört aggressivem Verhalten („B-Hunde“) 72 4.2.1 Kategorie „bullartige Terrier“ inklusive Mischlinge 80

4.2.2 Art des Vorfalls 81

4.2.3 Geschlechtervergleich 83

4.2.4 Altersvergleich 85

4.3 Höchste erreichte Skalierungen 85

4.3.1 Höchste erreichte Skalierung 1 86

4.3.2 Höchste erreichte Skalierung 2 88

4.3.3 Höchste erreichte Skalierung 3 90

4.3.4 Höchste erreichte Skalierung 4 91

4.3.5 Höchste erreichte Skalierung 5 92

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4.3.6 Höchste erreichte Skalierung 6 94

4.4 Rassekategorien und die Verteilung 96

4.4.1 Bullartige Terrier - Skalierungen 96

4.4.2 Bauern-, Hirten- und Treibhunde 97

4.4.3 Mischlinge 98

4.4.4 Jagdhunde 99

4.4.5 Terrier 100

4.4.6 Hütehunde 100

4.4.7 Doggenartige 100

4.5 Verhalten der Hunde in den einzelnen Situationen 101 4.5.1 Verhalten der Hunde in den „Bedrohungssituationen“ 101 4.5.2 Verhalten der Hunde in den „ungewöhnlichen Situationen“ 104 4.5.3 Verhalten der Hunde in den „Alltagssituationen“ 105 4.5.4 Vergleich der Skalierungen in den untersch. Situationskategorien 111 4.5.5 Aggressives Verhalten der Skalierungen 5

und 6 in Nichtbedrohungssituationen - inadäquat/gestört aggressives

Verhalten 114

5 Diskussion 116

5.1 Methoden 116

5.1.1 Rassezugehörigkeit der Hunde 116

5.1.2 Wesenstestdurchführung 116

5.1.3 Begutachtung 117

5.1.4 Auswertung der Daten 120

5.2 Diskussion der Ergebnisse 121

5.2.1 Anteil der einzelnen Rassen 121

5.2.2 Mischlinge 124

5.2.3 Inadäquat/gestört aggressives Verhalten 124

5.2.4 Skalierungsverteilung innerhalb der einzelnen Kategorien 129 5.2.5 Verhalten der Hunde in den einzelnen Situationen 131

5.2.6 Einfluss von Alter und Geschlecht 133

5.2.7 Schlussfolgerung 134

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vi

6 Zusammenfassung 136

7 Summary 138

8 Literaturverzeichnis 140

9 Anhang 161

9.1 Datenmaterial 161

9.2 Gesetzestexte des Niedersächsischen Gesetzes über das Halten von

Hunden von 2002 und der Änderung aus Oktober 2003 171

9.3 Abbildungsverzeichnis 187

9.4 Tabellenverzeichnis 189

9.5 Abkürzungsverzeichnis 191

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1

1 EINLEITUNG

In dem Zeitraum Juli 2000 bis Oktober 2003 mussten Hunde bestimmter Rassen sowie deren Mischlinge nach der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung (GefTVO) einen Wesenstest absolvieren. Von diesen Rassen ging nach dieser Verordnung eine besondere Gefährdung für Mensch und Tier aus. Trotz der Nichtigkeitserklärung der Niedersächsischen GefTVO durch das Bundesverwaltungsgericht im Juli 2003 unterliegen noch heute einige Rassen den unterschiedlichsten Rasselisten in den übrigen Bundesländern. Die genetische Grundausstattung des einzelnen Hundes spielt dabei zwar eine Rolle, jedoch keine übergeordnete, wie mehrere Untersuchungen bestätigten (MITTMANN 2002, HIRSCHFELD 2005, STEINFELD 2002, BOETTJER 2003, JOHANN 2004, STUR 2001).

MITTMANN (2002) konnte zeigen, dass es keine Disposition der untersuchten fünf Hunderassen aus den Rasselisten gab, vermehrt aggressives Verhalten zu zeigen. Bei der Untersuchung einer Bullterrier-Zuchtlinie von HIRSCHFELD (2005) zeigten 99,75% der Bullterrier den Situationen angemessenes Verhalten. STUR (2001) kommt zu dem Schluss, dass „eine besondere Gefährlichkeit bestimmter Rassen aufgrund rassetypischer Wesensmerkmale somit weder von der Definition des Wesens her, noch auf der Basis bisheriger Untersuchungen über die Beteiligung bestimmter Rassen an Beißvorfällen zulässigerweise abzuleiten (ist)“. Zusätzlich geht eine Gefährdung des Menschen auch von unangemessenem Beutefangverhalten („Jagdverhalten“) von Hunden aus. Dabei handelt es sich sowohl neurophysiologisch als auch ethologisch nicht um aggressives Verhalten, sondern um Jagdverhalten. Viele der in den Medien aufgezeigten Beißvorfälle, so auch der Tod des kleinen Volkan in Hamburg 2000, stellten Beutefangverhalten dar (FEDDERSEN- PETERSEN 2008). Zugrunde liegen in der Regel unzureichende Sozialisation und oft auch fehlende Bindung an den Menschen, was bei unseren domestizierten Hunden aber die Voraussetzung für normales Verhalten ist. Da es sich nicht um Aggressionsverhalten handelt, liegt in diesen Fällen auch kein „übersteigertes, inadäquates Aggressionsverhalten“ vor (FEDDERSEN-PETERSEN 2008). Die Gefahren, die somit von Hunden ausgehen können, sind sehr vielschichtig zu betrachten und lassen sich nicht durch Festlegung „gefährlicher“

Rassen definieren. Niedersachsen ist seit 2003 das einzige Bundesland, in dem bis heute keine Rasseliste mehr existiert. Aus diesem Grund war es das Ziel dieser Arbeit, zu untersuchen,

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Hunde welcher Rassezugehörigkeit in diesen Jahren überhaupt für einen Wesenstest (aufgrund amtlich festgestellter Gefährlichkeit) am Institut für Tierschutz und Verhalten der Tierärztlichen Hochschule Hannover vorgestellt wurden und ob bestimmte Rassen dabei häufiger vertreten waren. Aufgrund der geringen Anzahl von nur 127 Hunden können die Daten keine statistische Relevanz aufweisen, ein Trend sollte trotz alledem festgestellt werden können.

Hypothese: Es wird erwartet, dass sich keine Hinweise auf Häufung bestimmter Rassen ergeben. Mit der Methodik der vorliegenden Arbeit wäre es denkbar, alle in Niedersachsen einem Wesenstest unterzogenen Hunde seit Oktober 2003 auf ihre Rassezugehörigkeit hin zu analysieren, um den hier gefundenen Trend auf statistische Relevanz zu untersuchen. Sollte der Trend statistisch signifikant sein, könnte die ethologische Unhaltbarkeit der Definition gefährlicher Hunde anhand ihrer Rassezugehörigkeit somit auch durch statistisch relevante Daten „auffällig gewordener“ Hunde untermauert werden.

Zielsetzung:

Ziel der vorliegenden Arbeit war es zu untersuchen:

a) Welche Rassen sind seit Oktober 2003 einem Wesenstest unterzogen worden?

b) Gibt es Häufungen von bestimmten Hunderassen? Inwieweit treten „Listenhunde“

darunter auf?

c) Existieren gemeinsame Faktoren unter allen Hunden, die mit inadäquat oder gestört aggressivem Verhalten reagiert haben und somit Risikofaktoren darstellen können?

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2 LITERATUR

2.1 Definitionen- „gefährliche“ Hunde aus juristischer versus ethologischer Sicht -juristische Betrachtung

Die niedersächsische Gefahrtier-Verordnung vom 5.Juli 2000 besagte:

Abb.2.1- Auszug aus §1 und Anlage 1 der Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung vom 5.Juli 2000

Als gefährliche Hunde galten somit Hunde bestimmter Rassezugehörigkeit. Hunde der Rassen Bullterrier, American Staffordshire-Terrier sowie Pitbull-Terrier durften nicht mehr erworben werden. Die weitere Haltung war nur mit einem bestandenen Wesenstest möglich und das Führen außerhalb ausbruchssicherem Gelände nur mit einem Maulkorb und einer Leine.

Zudem bestand eine Pflicht zur Unfruchtbarmachung. Bei nicht bestandenem Wesenstest, mussten die Hunde getötet werden. Rassen der Anlage 1 der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung (NMELF 2000a) mussten außerhalb ausbruchssicheren Geländes

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ebenfalls mit einer Leine und einem Maulkorb geführt werden. Nach der Nichtigkeitserklärung durch das Bundesverfassungsgericht wurde am 12. Dezember 2002 ein neues Gesetz erlassen (Niedersächsisches Gesetz über das Halten von Hunden vom 12.12.2002, NHundG), in dem sich die Definition gefährlicher Hunde auf das neue Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz vom 12. April 2001 (HundVerbrEinfG) beruft:

(2) Als gefährlich gelten die in §2 Abs.1 Satz1 des Hundeverbringungs- und - einfuhrbeschränkungsgesetzes vom 12.April 2001 (BGBl.I S.530) genannten Hunde.

In dem §2 Abs.1 Satz1 sind folgende Hunde aufgeführt:

(1) Hunde der Rassen Pitbull- Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire Bullterrier, Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden.

Nach der Änderung des Gesetzes vom 30. Oktober 2003 (NHundG vom 30.10.2003), ist die Gefährlichkeit eines Hundes jedoch nicht mehr an die Zugehörigkeit des Hundes zu einer bestimmten Rasse geknüpft. Gefährlich ist demnach ein Hund, wenn er:

„insbesondere Menschen oder Tiere gebissen oder sonst eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust oder Schärfe gezeigt hat…“

Im restlichen Teil der Bundesrepublik wird die Gefährlichkeit eines Hundes jedoch weiterhin an dessen Rassezugehörigkeit geknüpft (sogenannte „Rasselisten“ existieren derzeit in Baden- Württemberg, Bayern, Bremen, Brandenburg, Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg- Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen). Die aufgeführten Rassen auf diesen Listen unterscheiden sich zum Teil erheblich in Anzahl und Art der Rassen. Derzeit werden insgesamt 22 verschiedene Rassen gelistet, wobei nicht alle eindeutig einer FCI-Klassifizierung zuzuordnen sind. Niedersachsen ist das einzige Bundesland, welches seit 2003 durchgehend bis heute die Gefährlichkeit von Hunden nicht mehr an dessen Rassezugehörigkeit festmacht.

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5 -ethologische Betrachtung

Für die objektive Beurteilung der Gefährlichkeit eines Hundes bedarf es ethologisch klarer und eindeutig definierter Begriffe (SCHÖNING 2012a, 2012b). Diese fehlen im betreffenden Gesetzestext, was die zweifelsfreie und objektive Einordnung eines Hundes als gefährlich aus ethologischer Sicht formal schon unmöglich macht. Unglücklicherweise kam es im Zuge der Gesetzgebung zu einer Vermischung bzw. Gleichsetzung der Begriffe „Aggression“ und

„Gefährlichkeit“ (FEDDERSEN-PETERSEN 2008). In der Gesetzesdefinition bleiben die Rollen sowohl der speziellen Situation als auch des Hundehalters bzw.-führers unberücksichtigt. Nach SCHÖNING (2012a, 2012b) bedarf eine Gefahreneinschätzung der Betrachtung von Einflussfaktoren auf der Hundeseite, der Menschenseite (Besitzer und geschädigtes Individuum) sowie der speziellen Situation. Die folgende Tabelle listet die einzelnen Einflussfaktoren auf:

Tab.2.1 Einflussfaktoren auf die Eintrittswahrscheinlichkeit einer individuellen Gefahrensituation mit einem Hund (modifiziert nach SCHÖNING 2012a,b)

Hundeseite

(alle beteiligten Hunde)

Menschenseite

(Besitzer)

Menschenseite

(geschädigtes Individuum)

Situation

Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht

Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht

Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht

Örtlichkeit, Wochentag, Tageszeit,

Wetterverhältnisse Phänotyp im Hinblick auf

mögliche Einschränkungen der Kommunikationsmöglichkeiten

Erfahrungen in der

Hundehaltung (Sachkunde)

Erfahrungen mit Hunden, Sachkunde

Anwesenheit anderer Hunde.

Tiere, Menschen und ihr jeweiliges Verhalten Grad der Sozialisation Gesundheitszustand/Fitness Gesundheitszustand/Fitness

Trainingsstand/Gehorsam Individuelle Tagesform Individuelle Tagesform Vorerfahrung mit dieser o.

ähnlichen

Situationen/Individuen

Erfahrungen mit dem individuellen Hund

Erfahrungen mit dem individuellen Hund, Vorerfahrungen mit Situation

Individuelle Tagesform Vorerfahrungen mit dieser o. ähnlichen Situationen

Aktuelle Tätigkeit z.Zt. des Schadeneintritts

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Ein Hund kann sowohl für Tiere, als auch für Menschen allein aufgrund von Bestandteilen seines normalen Verhaltensrepertoires zur Gefahr werden. Neben dem Aggressionsverhalten gehört hierzu allen voran das Jagdverhalten. Abgesehen davon kann ein Hund auch bedingt durch ein ungünstiges Größenverhältnis durch Verhaltensweisen der sozialen Annäherung (siehe unter 2.7) und durch Spielverhalten (siehe unter 2.6) eine Gefahr für Kinder oder körperlich beeinträchtigte Menschen werden. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein sehr großer Hund ein Kind auf hundetypische Art begrüßen möchte und nicht gelernt hat, dieses Verhalten gegenüber Menschen zu unterlassen. Als die im Gesetz „über das natürliche Maß hinaus [gehendes Verhalten]“ bezeichnete Gefährlichkeit eines Hundes, ist nach FEDDERSEN-PETERSEN (2008) allein derartig aggressives Verhalten anzusehen, welches nicht mehr situationsadäquat auftritt und seiner natürlichen Steigerung entbehrt, vielfach als

„plötzlich“ auftretendes Aggressionsverhalten bezeichnet. Vor der Analyse „gestört“

aggressiven Verhaltens bedarf es aber einer ethologisch fundierten Betrachtung des Aggressionsverhaltens im Rahmen des Normalverhaltens. Denn das Aggressionsverhalten ist Bestandteil des normalen Verhaltensrepertoires des Hundes (FEDDERSEN-PETERSEN 1990, FEDDERSEN-PETERSEN 2004, FEDDERSEN-PETERSEN 2008, JONES 2009, SCHÖNING 2000, 2001, OVERALL 1993, 1997, IMMELMANN 1982). Der Hund ist wie der Wolf ein hochsoziales Lebewesen, wenngleich gerade im Sozialverhalten große Unterschiede zwischen beiden bestehen vor allem bedingt durch die Domestikation des Hundes.

2.2 Der Hund als soziales Lebewesen

So kann das Verhalten des Haushundes ohne seinen Sozialpartner Mensch nicht ausreichend analysiert werden (FEDDERSEN-PETERSEN 1991b, FEDDERSEN-PETERSEN 2001b, MIKLOSI 2011, SCHÖNING 2001). Als sozial werden zunächst alle Lebewesen bezeichnet, deren Individuen sich zu Gruppen zusammenschließen und deren wichtigstes Merkmal ein Mindestmaß an Kooperation unter den Gruppenmitgliedern darstellt (WUKETITS 1997).

Auch hier unterscheidet sich der Haushund elementar vom Wolf, dessen Gruppe vor allem gemeinsam jagt und die Jungen gemeinsam aufzieht. Der Haushund bevorzugt nach jahrhundertelanger Domestikation den Menschen als wichtigsten Sozialpartner, was sich

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sogar auf die Motivation, bestimmte Verhaltensweisen zu zeigen, auswirkt (FEDDERSEN- PETERSEN 2008). Diese werden allein gezeigt, um am sozialen Leben mit seinem Bindungspartner Mensch teilhaben zu dürfen (COPPINGER und COPPINGER 2001, FEDDERSEN-PETERSEN 2004). FEDDERSEN-PETERSEN (2004) spricht hier auch von der ausgeprägten Sozialappetenz des Hundes, die der Lernmotivation des Hundes zugrunde liegt und sehr viele Übereinstimmungen zum Spielverhalten aufweist. COPPINGER und COPPINGER (2001) bezeichnet das Ziehen der Schlitten durch den Schlittenhund, das Hüten der Schafe durch den Border-Collie daher auch als „Spiel“ mit dem Menschen.

Gerade beim jungen Hund kommt es unweigerlich zu Assoziationen mit menschlichem Verhalten als Konsequenz eigenen Handels. Fehler oder Inkonsequenz der Hundehalter führen so zu unerwünschtem Verhalten bzw. Problemverhalten. Gerade Hunde sind „anfällig“

für derartige Assoziationen ihres eigenen Handelns mit menschlichem Verhalten aufgrund ihrer ausgeprägten sozialen Appetenz (FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

Das Leben in einer sozialen Gruppe funktioniert weder ohne Kooperation, noch ohne Wettbewerb. Kooperation bedeutet dabei, dass die Individuen ihr Verhalten aufeinander abstimmen und auf diese Weise ein bestimmtes (gemeinsames) Ziel erreichen (WUKETITS 1997). Die Ressourcen, die jedes Individuum für sich zum Überleben beansprucht (Nahrung, Territorium, Fortpflanzungspartner), sind begrenzt und der Zugang zu diesen muss klar geregelt sein. Jedes Individuum einer sozialen Gruppe strebt nach der Weitergabe der eigenen Gene und nicht wie irrtümlich angenommen der Erhaltung der Art. Die „individuelle Fitness“

wird bestimmt durch die Anzahl der Nachkommen, die ein Tier in der nächsten Generation hervorgebracht hat (WUKETITS 1997, JONES 2009, FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

Dafür sind die Erhaltung der Unversehrtheit des eigenen Körpers, sowie die Sicherung der notwendigen Ressourcen oberstes Prinzip und das jeweilige Bestreben des einzelnen nach Erlangen und Erhalt der Ressourcen wird als Ressource-Holding-Potential (RHP) bezeichnet (JONES 2009). Es entstehen innerhalb der sozialen Gruppe unweigerlich Konflikte um den Zugang zu Ressourcen. Es bedarf daher eines sozialen Regulativs, um die Hierarchie innerhalb der Gruppe aufrecht zu erhalten und eine Ressourcenverteilung zu ermöglichen. Als solches dient Aggressionsverhalten, in dem es im innerartlichen Kontext als aggressive Kommunikation funktioniert und dafür über eine Vielzahl feinabgestufter Signale verfügt

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(FEDDERSEN-PETERSEN 2008). Die soziale Hierarchie in einer Gruppe basiert auf frühen Erfahrungen und Lernvorgängen, es kommt zur Ausbildung einer Hierarchie mit dominanten (ranghohen) und subdominanten (rangniederen) Mitgliedern, innerhalb derer der Zugang zu Ressourcen klar geregelt ist. Lebewesen mit einem hohen Ressource-Holding-Potential (RHP) haben einen hohen Rang und damit einen ungehinderten Zugang zu Ressourcen (JONES 2009). Nicht jedes Mitglied innerhalb einer sozialen Gruppe hat ein gleiches Bestreben, bestimmte Ressourcen zu erlangen bzw. zu erhalten. Je nach individueller Gewichtung der jeweiligen Ressource wird Energie für den Erhalt bzw. das Erlangen der Ressource im Sinne einer ökonomischen Kosten-Nutzen-Rechnung eingesetzt (WUKETITS 1997, JONES 2009). Erkennbar wird dabei die individuelle Bereitschaft (Motivation), Energie einzusetzen im Ausdrucksverhalten des Hundes (JONES 2009). TSCHANZ (1993) hat im Zusammenhang mit der Kosten-Nutzen-Rechnung das Prinzip der Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung geprägt. Beide dienen der Erhöhung der individuellen Fitness und stellen die Grundmotive jeden Handelns dar (TSCHANZ 1993, SCHÖNING 2001). Jeder Hund hat daher ein natürliches Rangbestreben in seinem sozialen Verband, er braucht eine stabile Rangordnung mit übersichtlichen Regeln, um Sicherheit und Klarheit im Umgang miteinander zu erlangen. Dieses Bedürfnis ist genetisch verankert und jeder Hund zeigt aus diesem Grund mehr oder weniger sozial expansives Verhalten innerhalb der sozialen Gruppe (SCHÖNING 2001).

Über das Ausdrucksverhalten werden Emotionen und Handlungsbereitschaften mitgeteilt, Kommunikation hat damit sowohl für den Wettbewerb, als auch die Kooperation eine essentielle Funktion, ohne die ein Leben in sozialen Gruppen nicht möglich ist (FEDDERSEN-PETERSEN 2008, SCHÖNING 2001, APPLEBY 2010).

2.2.1 Kommunikation

Kommunikation kann als Gesamtheit aller Verhaltensweisen aufgefasst werden, die der Verständigung sowohl innerhalb, als auch zwischen den Arten (bezogen beispielsweise auf die Hund-Mensch Kommunikation) dienen und dafür besonders differenziert wurden (FEDDERSEN-PETERSEN, 2004). Es kommt zu einer wechselseitigen Form der Informationsübertragung, bei der die Signale des Absenders eine Verhaltensänderung beim

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Empfänger bewirken (IMMELMANN 1982, MC FARLAND 1999, ABRANTES 2001, 2005, FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Kommuniziert wird dabei über alle Sinnesorgane - visuell, olfaktorisch, auditiv sowie taktil. Die einzelnen Signale werden zu Bedeutungseinheiten zusammengefasst und als Display bezeichnet (FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995).

Über ihr Ausdrucksverhalten übermitteln Hunde Emotionen, Stimmungen und Absichten. Das Ausdrucksverhalten stellt somit einen sehr wichtigen Indikator zur Beurteilung der Befindlichkeit dar. Vor allem können mögliche Abweichungen bzw. Störungen in der Verhaltenssteuerung ermittelt werden (FEDDEREN-PETERSEN 1990, 1996, 1998, 2004, 2008). Hunde verstehen aber auch über ihre Artgrenzen hinweg menschliches Ausdrucksverhalten und haben sich im Laufe der Domestikation so angepasst, dass ihre Kommunikation immer spezieller an den Menschen ausgerichtet wurde (FEDDERSEN- PETERSEN 2004, 2008). Die Kommunikation der Hunde ist die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit der individuellen Umwelt des Hundes (FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

Optisches Ausdrucksverhalten

Die Übertragung des optischen Ausdrucks bei Hunden erfolgt durch Mimik und Gestik, somit durch Ausdrucksbewegungen des Gesichts und denen des übrigen Körpers (IMMELMANN 1982, ABRANTES 2005). FEDDERSEN-PETERSEN (2004) beschreibt unter anderem folgende Signaleinheiten aus Mimik und Gestik:

Ausdruck eines umweltsicheren und sozial neutralen Hundes:

- gehobener Kopf

- leichte Winkelung der Gliedmaßen im Stand (je nach Rasse unterschiedlich) - rassetypische entspannte Rutenhaltung

- rassetypische entspannte Ohrenhaltung

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10 Umwelt- bzw. soziale Unsicherheit

- straff gespannte Gesichts- und Kopfhaut, wodurch die Augen weiter auseinander liegend erscheinen

- unruhiger, leicht ungerichteter Blick

- verlängerter Lippenspalt (Mundwinkel nach hinten gezogen), als „submissive grin“ bezeichnet

- Ohren/Ohrwurzeln nach hinten mit seitlich gerichteter Öffnung - gesenkter Kopf

- eingeknickte Gliedmaßen - Schwanz eingeklemmt

Imponieren

Imponierverhalten wird in der Literatur sehr unterschiedlich definiert und nicht einheitlich verwendet. Nach FEDDERSEN und OHL (1995) sowie FEDDERSEN PETERSEN (2004;

2008) wird Imponieren häufig gezeigt, wenn sich zwei Rüden begegnen. Imponierverhalten ist zunächst ungerichtet, beinhaltet aber eine latente Drohung und dient der Demonstration der eigenen Stärke. Auf Imponieren folgt häufig Drohverhalten (FEDDERSEN und OHL 1995, FEDDERSEN-PETERSEN 2004; 2008), es kann aber auch zum Abwenden beider Interaktionspartner voneinander kommen. SCHÖNING (2001) bezeichnet Imponierbewegungen auch als „Ranganzeigende Verhaltensweisen“.

Nach FEDDERSEN-PETERSEN (2004, 2008) wird Imponieren durch folgende mimische bzw. gestische Komponenten ausgedrückt:

- kein Blickkontakt zum Gegenüber - Ohrwurzeln nach vorne

- Durchdrücken aller Gelenke, daher steifer Gang - Rute hoch getragen (je nach Rasse)

- Hals steil nach oben, Kopf und Schnauze waagerecht

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11 Drohverhalten

Hier gilt es offensives (sicheres) und defensives (unsicheres) Drohen zu unterscheiden:

Angriffsdrohen (offensives Drohen)

Körpersignale:

- Haaresträuben, meist vor allem Hals-Nackenregion - maximal gestreckte Gliedmaßen

- Rute weit über Rückenlinie angehoben Mimik:

- Zähneblecken im vorderen Bereich- kurze, runde Mundwinkel, die bei Zeichen leichter Unsicherheit durch die Verlängerung des Lippenspaltes kürzer werden - Starres Fixieren des Gegners

- Ohren nach vorne gerichtet

- Oft akustische Untermalung mit Knurren/Bellen

Defensivdrohen

Körpersignale

- Variabel, generell eher auf Rückzug: leichtes bis starkes Einknicken der Beine - Rute häufig eingeklemmt

Mimik

- langer Lippenspalt, lange, spitzwinklige Mundwinkel mit „Voll- Zähneblecken“ , wobei häufig das Zahnfleisch sichtbar ist

- Ohren eng angelegt

Von einem defensiv drohenden Hund geht eine deutlich größere Gefahr für den Menschen aus, da dieser aus Angst eher zubeißt, als von einem offensiv drohendem Hund. Aus diesem Grund geht von unsicheren, wenig sozialisierten Hunden eine erhöhte Gefährlichkeit aus (FEDDERSEN-PETERSEN 2004, 2008; SCHÖNING 2000, 2012a).

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Aufgrund der domestikationsbedingten Veränderungen im Ausdrucksverhalten vermögen viele Rassen keine dauerhafte hierarchische Rudelbildung mehr wie der Wolf zu gestalten.

Die Ursachen liegen in einer Reduktion des visuellen Ausdrucksverhaltens (Wollhaare, Faltenbildung, Ohrenformen, Brachycephalie, etc.) (FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995, FEDDERSEN-PETERSEN 2008). Für einen angemessenen Umgang mit Artgenossen müssen Hunde daher möglichst frühzeitig Erfahrungen mit der Mimik und der Körpersprache anderer Rassen machen (JONES 2009, FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Im Laufe der Domestikation kam es zu einer verstärkten Ausrichtung des hundlichen Ausdrucksverhaltens auf die Kommunikation mit dem Menschen (OHL 1999, FEDDERSEN-PETERSEN und OHL 1995, FEDDERSEN-PETERSEN 2004, 2008, COPPINGER und COPPINGER 2001, COPPINGER und SCHNEIDER 1995, MIKLOSI 2011, TOPAL et al. 1997). Fundiertes Wissen über das spezifische Ausdrucksverhalten ist von immenser Bedeutung für die Beurteilung tierischer Befindlichkeit und das Ausdrucksverhalten kann als Indikator für Leiden herangezogen werden; es gibt Auskunft darüber, inwieweit ein Tier sich an seine Umwelt noch anpassen kann oder ob eine Überforderung der (sozialen) Anpassungsfähigkeit an seine Umwelt vorliegt (FEDDERSEN-PETERSEN 2004, TSCHANZ 1993). Dazu ist es jedoch essentiell, immer die gesamte Umwelt des Hundes in die Beurteilung einzubeziehen, auch den jeweiligen Hundehalter als wichtigsten Sozialpartner des Hundes (FEDDERSEN- PETERSEN 2004). Selbst bei guter Kenntnis des Ausdrucksverhaltens kann es innerhalb von Sekundenbruchteilen zu Gefühlsänderungen und damit auch einer Änderung der Körpersignale kommen. Hinzu kommt, dass eine zuverlässige Beurteilung und Einordnung des Verhaltens allein anhand der Gesamtheit aller Signalanteile erfolgen kann (JONES 2009).

Voraussagen bezüglich der möglichen Gefahr, die von einem auffällig gewordenen Hund ausgeht, erscheinen dadurch nicht nur aufgrund des multifaktoriellen und stark situationsabhängigen Geschehens kaum möglich (FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

2.2.2 Emotionen

Dass Tiere über Emotionen verfügen, ist mittlerweile wissenschaftlich anerkannt (APPLEBY 2010). Emotionen entstehen durch die Übereinstimmung oder ein Ungleichgewicht zwischen den aktuellen Gegebenheiten, der Umwelt und den individuellen Interessen des Tieres und

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können daher als positiv im Falle der Übereinstimmung oder negativ im Falle der Abweichung empfunden werden (APPLEBY 2010). Die Empfindung positiver bzw. negativer Emotionen beruht auf der Aktivierung des parasympathischen bzw. sympathischen vegetativen Nervensystems. Über Emotionen sollen die Motivationen und Bedürfnisse eines Organismus mit der Realität in Eintracht gebracht werden. Im Zuge dessen, dienen Emotionen als Vermittler zwischen den aktuellen Ereignissen und dem Ziel sowie den dadurch aktivierten Bedürfnissen des Tieres. Durch Emotionen erfolgt eine Anpassung des Verhaltens, des hormonalen und physiologischen Zustandes an sich ändernde Gegebenheiten. Schließlich kommt es mithilfe der Emotionen zur Herstellung der Handlungsbereitschaft;

Handlungsabsicht und Verhaltensweisen werden dadurch abgestimmt. Der emotionale Status eines Tieres wird über das Verhalten, die Körpersprache und Laute ausgedrückt. Die Mitglieder der sozialen Gemeinschaft können durch den Ausdruck des emotionalen Zustandes die beabsichtigten Handlungen des anderen ablesen. (FEDDERSEN-PETERESEN 2004, APPLEBY 2010). Über Emotionen werden alle äußeren Reize individuell bewertet, diese Bewertung erfolgt im Limbischen System (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Hier entscheidet sich, ob ein Reiz als angenehm oder unangenehm empfunden wird und wie das Tier reagieren muss, um seinen Zustand des Wohlbefindens wieder herzustellen. Jeder Reiz, der das innere Gleichgewicht kippt und zur Beeinträchtigung des aktuellen Wohlbefindens führt, stellt für das Tier einen Konflikt dar, der subjektiv unabhängig von der tatsächlichen Existenz einer Bedrohung empfunden wird (JONES 2009) und den es zu beseitigen gilt, um die emotionale Homöostase wieder herzustellen. Ein solcher Konflikt kann auf vier Wegen gelöst werden, den sogenannten vier „F’s“ (Flight - Fliehen, Freeze - Erstarren/Einfrieren, Fight - Kämpfen und Flirt - Übersprungshandlungen) (ARCHER 1979, BERNAUER-MÜNZ und QUANDT 1995), subsummiert unter dem Begriff der Agonistik (siehe unter 2.3). Für welche der vier Lösungsmöglichkeiten sich ein Hund entscheidet, hängt nicht nur von der speziellen Situation und dem körperlichen Zustand des Hundes, sondern vor allem von den individuellen Lernerfahrungen (siehe unter 2.4) des Hundes ab (LINDSAY 2000, FEDDERSEN-PETERSEN 1997b, 2004, 2008, SCHÖNING 2000, 2001, JONES 2009, OVERALL 1997). Trotz gleich ablaufender Mechanismen sind Emotionen subjektiv. Sie hängen neben der genetischen Ausstattung und der Umweltsituation von der Gehirnentwicklung, der vergangenen Lernerfahrung und der komplexen

(20)

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Informationsverarbeitung im Gehirn ab. Die Verarbeitung im Gehirn hängt davon ab, wie die verschiedenen jeweils zuständigen Gehirnbereiche auf bestimmte Stimuli und Kontexte reagieren.

Der genetische Einfluss auf die Entstehung von Emotionen liegt vor allem im Erregungspotential und dem generellen emotionalen Status eines Tieres. Diese Unterschiede bestehen sowohl auf Rassenebene, als auch auf individueller Ebene. Außerdem werden sie beeinflusst durch den emotionalen Status der Mutter während der Trächtigkeit oder der Lage der Frucht im Mutterleib (APPLEBY 2010).

Bestimmte Stimuli rufen eher als andere eine emotionale Reaktion im Organismus hervor. Es handelt sich dabei in der Regel um Reize, die lebensbedrohlich sein könnten und daher den Organismus automatisch in einen emotionalen Zustand versetzen, der hilft, schneller auf den Stimulus zu reagieren (APPLEBY 2010). Man spricht in der Ethologie auch von der

„Preparedness-Hypothese“ (SELIGMANN 1971). Für andere Stimuli erfolgt dagegen durch klassische Konditionierung eine Verknüpfung mit bestimmten emotionalen Zuständen des Individuums. So kann eine gelernte Verknüpfung eines Reizes mit einer emotionalen Reaktion (beispielsweise Furcht) in einem ähnlichen Kontext ebenfalls Furcht hervorrufen.

Das Tier versucht dann durch bestimmte Verhaltensweisen seine emotionale Homöostase wiederherzustellen. Hat das Tier Bewältigungsstrategien entwickelt, die einen aversiven Reiz minimieren oder ihn verhindern können, wird die emotionale Reaktion nicht mehr hervorgerufen (APPLEBY 2010). Jeder Verhaltensreaktion liegt in der Regel ein Verarbeitungsprozess im Gehirn zugrunde. Dieser setzt sich folgendermaßen zusammen:

(1) Einschätzung des Stimulus (vertraut/neu; Vergleich der Eigenschaften des Stimulus mit denen anderer).

(2) Einschätzung des Kontexts zur Abschätzung der Möglichkeit in Anwesenheit des Stimulus in emotionaler Homöostase bleiben zu können.

(3) Bewertung: Auf Grundlage der Informationen aus (1) und (2) wird die Bedeutung des Stimulus ausgewertet und bestimmt die Priorität, die dem Stimulus zugeordnet wird. Bei einer hohen Priorität wird das aktuelle Verhalten abgebrochen.

(4) Verhaltensplan: Ein Aktionsplan wird aus den vorangegangenen Informationen erstellt.

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15

(5) Physiologische Veränderungen und Auswahl des Verhaltens.

(6) Das Verhalten wird ausgeführt.

Dieser Ablauf ist keineswegs linear und isoliert ablaufend zu sehen. Das Sammeln von Informationen und die Bewertung von deren Relevanz laufen kontinuierlich ab und jedes Tier scannt seine Umwelt im wachen Zustand ab und gleicht auftauchende Stimuli mit den eigenen Interessen ab, die ebenfalls nicht statisch sind (APPLEBY 2010). Auch der Ablauf ist nicht immer vollständig. Erscheint der Reiz plötzlich, sehr intensiv oder unerwartet, wird die Einschätzung des Kontexts möglicherweise übersprungen, da eine sofortige Reaktion nötig ist. Handelt es sich um eine angeborene Reaktion (Reflexe) oder eine sehr fest verankerte gelernte Reaktion des einzelnen Hundes, können alle Schritte zwischen der Einschätzung des Kontextes und dem gezeigten Verhalten ausgelassen werden (APPLEBY 2010).

Damit wird deutlich, dass dem gezeigten sichtbaren Verhalten komplexe und situationsabhängige Verarbeitungsprozesse auf neuronaler Ebene zugrunde liegen, die zudem jederzeit von Umweltgegebenheiten beeinflussbar sind. Das sichtbare Verhalten unterliegt stark situationsabhängigen Umweltgegebenheiten. Die neuronalen Verarbeitungsprozesse und das resultierende sichtbare Verhalten basieren aber auf genetischen und vor allem durch Lernerfahrung geprägten Faktoren. Diese unmittelbar nicht zugänglichen Informationen werden häufig missachtet, wenn sichtbares Verhalten eines Hundes beurteilt wird.

2.3 Aggressionsverhalten

FEDDERSEN-PETERSEN (2004) unterschiedet zwischen Aggression und Aggressivität.

Aggressivität meint das Ausmaß der Angriffsbereitschaft eines Individuums, eine spezifische Motivationslage, die von etlichen Faktoren beeinflusst wird:

- Genetische Disposition/Rasse,

- Umwelteinflüsse (frühe Ontogenese), - Sozialisation,

- Bindung an Artgenossen/Menschen,

- Endogene Faktoren (Läufigkeit, Trächtigkeit, Jungtiere, circadiane Rhythmik), - Geschlecht,

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16 - Alter,

- Rang/Erziehung,

- Störung (z.B. Krankheit), - Territorium.

Das Aggressionsverhalten ist ein Teilbereich der Agonistik, die Verhaltensweisen der Flucht, Submission und Aggression zusammenfasst. Agonistik bezeichnet dabei alle Verhaltensweisen gegenüber Artgenossen, die das eigene Verhalten störend beeinflussen (GATTERMANN 1993, FEDDERSEN-PETERSEN 1993; 2004; 2008, BERNAUER-MÜNZ und QUANDT 1995). Die Agonistik stellt eine der von FEDDERSEN und OHL (1995) unterteilten Verhaltenskategorien der Caniden dar, zu denen neben der Agonistik die der sozialen Annäherung, des submissiven Verhaltens, des Imponierverhaltens, des Spielverhaltens sowie des Sexualverhaltens gehören. Anhand der zugrundeliegenden Motivation unterscheidet die Agonistik, das Angriffs- (oder offensive) Verhalten und das Abwehr- (oder defensive) Verhalten sowie das Fluchtverhalten (IMMELMANN 1982, GATTERMANN 1993, FEDDERSEN-PETERSEN 2004; 2008). Das Aggressionsverhalten selber hat eine Distanzvergrößerung zum Ziel und kann als eine Reaktion auf eine subjektiv empfundene Bedrohung angesehen werden. Zur Beseitigung der störenden Reize werden bestimmte Verhaltensweisen eingesetzt. Gelingt die Wiederherstellung des subjektiven Wohlbefindens nicht mehr und sind die Grenzen des Reaktionsvermögens auf störende Reize überschritten, resultiert Stress (ARCHER 1979). Die Grenzen dieser Anpassungsreaktionen („Coping-Mechanismen“) sind individuell verschieden und abhängig von der psychologischen Konstitution des Individuums. Reize, die bei einem Individuum Stress erzeugen, rufen bei einem anderen möglicherweise Befriedigung hervor (ARCHER 1979).

In der wissenschaftlichen Literatur findet sich eine Vielzahl an Definitionen und Einteilungen von Aggressionsverhalten beim Hund. Nicht alle diese Einteilungen sind hinsichtlich der Beurteilung der eventuellen Gefahr, die von einem Hund ausgehen kann, sinnvoll. Vor allem die Einteilungen beruhend auf Ursache, dienen hauptsächlich der Verhaltenstherapie, zur Einschätzung eines Hundes innerhalb der Gefahrenbeurteilung sind sie nur bedingt geeignet,

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17

da sich die zugrundeliegenden Motivationen innerhalb von Sekundenbruchteilen ändern können.

Der Terminus „Aggressionsverhalten“ leitet sich ab vom lateinischen „aggredior“ (an etwas herangehen, sich nähern) (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Aggressionsverhalten muss immer im Zusammenhang mit dem Interaktionspartner, auf den es gerichtet ist, betrachtet werden. Dabei bilden beide komplexe Funktionseinheiten, deren Rollen (Angreifer und Verteidiger) jederzeit wechseln können. Dem offensiven Aggressionsverhalten liegt ein affiner innerer Zustand zugrunde, der eine Abstandsverminderung zum Ziel hat, während die defensive Aggression eine Abstandsvergrößerung, beruhend auf einem diffugen inneren Zustand, bezweckt. Der jeweilige innere Zustand (affin oder diffug) wird mittels des Ausdrucksverhaltens kommuniziert. Dem eigentlichen Angriffsverhalten liegt immer ein affiner innerer Zustand zugrunde. Die folgende Tabelle zeigt die einzelnen Verhaltensweisen des offensiven und defensiven Aggressionsverhaltens bei zunehmend affinem Status (nach FEDDERSEN-PETERSEN 1998):

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18

Tab. 2.2 offensives und defensives Aggressionsverhalten nach FEDDERSEN-PETERSEN (1998)

Aggressionsverhalten

OFFENSIV DEFENSIV

Drohen Anschleichen

Blickkontakt Überfalldrohung Haarsträuben Knurren

Vorn-Zähneblecken Beißdrohstellung

Drohen Gebißklappen Wegsehen

Abwehrschnappen Haaresträuben Knurren

Voll-Zähneblecken Abwehrdrohen Gehemmt Über die Schnauze Beißen

Gegenstand abnehmen Schieben Anrempeln Aufreiten Runterdrücken Umstellen Überfall Vorderbeinstoßen Anspringen Hochkampf Rückenbiss Verfolgen

Gehemmt Abwehr mit gekrümmten Hals Abwehrkreisel Abwehr auf dem Rücken

Abwehrstoßen

Frei Angriff

Beißen Ernstkampf

Frei Abwehrbeißen

Evolutionsbedingt haben sich arttypische ritualisierte Gesten entwickelt, die es beispielsweise durch Intentionsbewegungen oder Andeutungsbewegungen (Zähneblecken, Maulaufreißen) ermöglichen, Rangstreitigkeiten unblutig zu regeln und sich so zu Drohsignalen ritualisiert haben. Bei Hunden sind diese Gesten im Vergleich zum Wolf zum Teil vergröbert oder weniger abgestuft. Je nach Hunderasse ergeben sich dabei aber zum Teil erhebliche Defizite im mimischen Ausdrucksbereich, so dass daraus Verständigungsprobleme und eventuell auch

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19

schneller aggressives Verhalten resultieren können (FEDDERSEN-PETERSEN 1998, FEDDERSEN-PETERSEN 2004, 2008).

2.3.1 Einteilungen aggressiven Verhaltens

Aggressives Verhalten definiert FEDDERSEN-PETERSEN (1998) als „Sammelbezeichnung für alle Elemente des Angriffs-, Verteidigungs- und Drohverhaltens, die auch das Beschädigungsbeißen einschließt (intraspezifische/innerartliche Aggression)“. Den Menschen ordnet FEDDERSEN-PETERSEN (1998) dabei in den Bereich der innerartlichen Aggression ein, da er Sozialpartner des Hundes ist und Aggressionen von Hunden gegenüber Menschen nur unter diesem Gesichtspunkt sinnvoll zu analysieren sind. Ein aggressiver Hund befindet sich dabei in einer spezifischen Motivationslage, welche einer Vielzahl von exo- und endogenen Einflussfaktoren unterliegt (FEDDERSEN-PETERSEN 1998). Wie unter

„Emotionen“ bereits beschrieben, ist auch aggressives Verhalten als ein beobachtbares Verhalten in einer ganz bestimmten Situation von zahlreichen Einflüssen und Reizen abhängig und drückt den inneren Zustand in diesem Moment aus. Jede Verhaltenskategorie unterliegt einer bestimmten inneren Motivationslage. Die verschiedenen Motivationslagen sind dabei nicht nur von verschiedenen (äußeren und inneren) Faktoren, sondern auch voneinander abhängig. Zu den äußeren und inneren Faktoren zählen vor allem die circadiane Rhythmik, die Jungenaufzucht, die Sexualität, der Rang, die Erfahrung eines Tieres und dessen Territorialität (FEDDERSEN-PETERSEN 1998, BEAVER 1983). Hinzu kommt nun, dass auch die einzelnen Formen des aggressiven Verhaltens aus verschiedenen Motivationen und Emotionen gespeist werden. Die früheren monokausalen Theorien, nach denen von einem Aggressionstrieb die Rede ist, gelten heute als überholt (HASSENSTEIN 1987, GATTERMANN 1993). Betrachtet man das Individuum, so kann auch dessen aggressives Verhalten nicht auf jede Situation extrapoliert werden und ist somit nicht unbedingt typisch bzw. kennzeichnend für das jeweilige Tier, es handelt sich immer um situatives Verhalten.

Daher erscheint die Einteilung aggressiven Verhaltens in Aggressionsformen nicht hilfreich und häufig auch verwirrend, in einigen Fällen auch subjektiv. Die Einteilung in Formen widerspricht der Lehre von der doppelten Quantifizierung in der Verhaltensbiologie. Danach liegen den meisten Verhaltensweisen äußere und innere Bedingungen zugrunde, so dass

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20

gleiche oder ähnliche Verhaltensformen auf verschiedenen inneren Bedingungen beruhen können. Das gilt besonders für das Gebiet der Aggressivität (FEDDERSEN-PETERSEN 1998). Die meisten Einteilungen von Aggressionsverhalten basieren auf den verschiedenen Ursachen, die sich jedoch von Autor zu Autor unterscheiden (SCHALKE und HACKBARTH, 2006). APPLEBY (2010) weist darauf hin, dass die vielen Einteilungen nicht zweckdienlich sind und reduziert Aggression, betrachtet vom biologischen Standpunkt aus, auf Ressourcen-bedingte-Aggression, Angstaggression und auf körperlichen Ursachen beruhende Aggression. JONES (2009) teilt Aggression aufgrund von fünf Ursachen folgendermaßen ein:

(1) In Verbindung mit Erwerb und Verteidigung von Ressourcen (einzelne Objekte, Territorium, Fortpflanzungspartner, Schutz der Welpen, körperliche Unversehrtheit)

(2) Frustration (bei Unterbrechung bzw. Verhinderung beabsichtigter Handlung) (3) Umgerichtete Aggression (der Zugang zu dem wirklichen Adressaten ist

verhindert.)

(4) Angstbedingt (schlechte oder mangelnde Erfahrung)

(5) Organische Ursachen (verminderte Sinnesleistungen, Erkrankungen einhergehend mit neuronalen Veränderungen, chronische Schmerzen, Schmerz oder Schock, Stoffwechselveränderungen).

Diese entspricht bis auf die neuen Punkte (2) und (3) der Einteilung von APPLEBY (2010), wobei es sich bei (3) hinsichtlich der Motivation, auch um eine Form von Frustration handelt.

Andere Einteilungen für aggressives Verhalten richten sich nach dem jeweiligen Auslöser, speziellen Faktoren, die direkt für das gezeigte Verhalten verantwortlich sind. Diese Faktoren gehen dem aggressiven Verhalten unmittelbar voraus bzw. sind immer vorhanden, wenn selbiges auftritt. Zum Auslöser kann prinzipiell jeder Stimulus werden, der über die Sinnesorgane des Hundes aufgenommen werden kann (JONES 2009). Aufgrund der unterschiedlichen Sinnesleistungen von Mensch und Hund muss ersterer diese Reize somit nicht zwangsläufig wahrnehmen können, was eine Identifizierung der Auslöser sehr schwierig macht. Das Auslösen des Verhaltens hängt von der Stärke und Nähe des Auslösers ab, mit

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21

zunehmender Stärke und abnehmender Entfernung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Verhalten gezeigt wird. Diese Distanzen sind individuell verschieden und bestehen aus drei Kreisen, der äußeren Fluchtdistanz, der mittleren kritischen Distanz und der innersten Intimsphäre. Die Unterschreitung des mittleren Kreises durch einen beunruhigenden Stimulus führt zu Drohverhalten oder sogar zu einem Angriff. Der innere Kreis, die Intimsphäre, kann nur von sehr vertrauten Personen bzw. Tieren unterschritten werden. Die Kreise grenzen bei einem selbstsicheren Hund deutlich enger und dichter an dessen Körper, umgekehrt vergrößern sich die Kreise mit zunehmender Unsicherheit des Hundes. Verkompliziert wird das Ganze dadurch, dass mehrere Auslöser dem aggressiven Verhalten zugrunde liegen können. Treten mehrere dieser Auslöser gleichzeitig oder kurz nacheinander auf, kommt es zu einer gesteigerten Aggressionsbereitschaft des Hundes, JONES (2009) bezeichnet das als Reaktivität. Oft erklärt sich von Besitzern oder Opfern geschildertes scheinbar unprovoziertes aggressives Verhalten aus dieser Summation der Stimuli, vor allem wenn zusätzliche Stressoren anwesend sind, wie belastende Geräusche oder unangenehme Umgebungstemperaturen. Natürlich spielt hier auch die fehlende Wahrnehmung der Auslöser durch den Menschen eine Rolle, entweder weil sinnesphysiologisch nicht möglich (Gerüche) oder aber durch fehlende Aufmerksamkeit für diese (JONES 2009). Aus diesem Grund scheint auch die Einteilung von Aggressionsformen nach Auslösern für die Beurteilung der möglichen Gefährlichkeit eines Hundes nicht praxistauglich.

Tabelle 2.3 Klassifikation des Aggressionsverhaltens am Beispiel einiger Autoren nach BRUNS (2003):

VOITH u.

BORCHELT (1996)

OVERALL (1997) BEAVER (1999) SCHÖNING (2001)

JONES-BAADE (2001)

Angst bedingte Aggression

Angst bedingte Aggression

Angst bedingte Aggression

Angst bedingte Aggression

Angst bedingte Aggression Dominanz-

Aggression

Dominanz- Aggression

Dominanz- Aggression

Dominanz- Aggression

Dominanz- Aggression Schutz-Aggression Territorial-

Aggression

Territorial- /.- Schutz-Aggression

territorial bedingte Aggression

Territorial- Aggression

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22

VOITH u.

BORCHELT (1996)

OVERALL (1997) BEAVER (1999) SCHÖENING (2001)

JONES-BAADE (2001)

Spiel-Aggression Spiel-Aggression spielerische Aggression

Aggression im Spiel

Schutz-Aggression Schutz-Aggression Besitzer beschützende Aggresion

Besitz-Aggression Besitz-Aggression Objekt beschützende Aggression

Aggression zur Verteidigung / Erwerb einzelner Objekte

umgerichtete Aggression

umgerichtete Aggression

umgerichtete Aggression

umgerichtete Aggression Futter bezogene

Aggression

Futter bezogene Aggression mütterliche

Aggression

mütterliche Aggression

mütterliche Aggression

hormonell bedingte Aggression der Hündin post partum

bzw. in Lactatio falsa

mütterliche Aggression

idiopathische Aggression

idiopathische Aggression

idiopathische Aggression

Intermale /interfemale Aggression

Hund-Hund- Aggression

Intrasexuelle

Aggression; Intermale /interfemale

Aggression

Dominanz-Aggression gegen andere Hunde

hormonell bedingte Aggression - der Hündin - des Rüden

hormonell bedingte Aggression - zwischen Hündinnen - zwischen Rüden

durch Bestrafung ausgelöste Aggression

durch Krankheit bedingte Aggression

pathologisch bedingte Aggression

Aggression aufgrund

org. Erkrankungen Erlernte Aggression

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23

VOITH u.

BORCHELT (1996)

OVERALL (1997) BEAVER (1999) SCHÖNING (2001)

JONES-BAADE (2001)

Jagd-Aggression Jagd-Aggression Jagd-Aggression KEINE Aggression

unangemessenes Jagdverhalten

2.3.2 Angstbedingtes Aggressionsverhalten

Die bei weitem häufigste Ursache für aggressives Verhalten beim Hund stellt Angst dar. Aus diesem Grund soll auf Angst als Ursache sowie Auslöser aggressiven Verhaltens näher eingegangen werden.

Den Zustand der Angst kennzeichnet das Fehlen verfügbarer Verhaltensprogramme zur Beseitigung derselben. Ursächlich für das subjektive Fehlen der Verhaltensprogramme in der speziellen Situation sind entweder eine mangelnde Reizidentifikation oder aber tatsächlich fehlende Verhaltensprogramme (TEMBROCK 1992). Aus diesem Grund weisen reizarm aufgezogene Hunde auch eine erhöhte Angstbereitschaft gegenüber ihnen unbekannten Reizen auf. Eine erhöhte Angstbereitschaft kann Ausdruck finden in einer allgemein gesteigerten Angriffsbereitschaft (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Nach REISNER et al.

(1996) kann Angst bei jeder Aggressionsform die Hemmschwelle, aggressives Verhalten zu zeigen, senken. Wie bei jedem Verhalten liegen der Entwicklung von Angst sowohl

genetische, als auch erfahrungsbedingte Ursachen zugrunde. Es gibt sowohl Rassen, als auch Individuen mit einer gewissen Veranlagung, schneller Angst zu empfinden.

Bezüglich der Rassen seien beispielsweise die Hütehund-Rassen genannt, deren Selektion zur Zusammenarbeit über Pfeifsignale mit dem Schäfer eine höhere Geräuschempfindlichkeit zur Folge hat. REISNER et al. (1996) gehen von einer genetischen Disposition zur angstbedingten Aggression bei Hunden der Rasse Deutscher Schäferhund, Australian Shepherd und Border-Collie aus. Eine besondere Bedeutung kommt jedoch der Lernerfahrung und hier im speziellen der Verhaltensontogenese des Hundes zu: Die Entwicklung eines Lebewesens von der befruchteten Eizelle bis zu dessen Tod wird als Ontogenese bezeichnet (IMMELMANN 1982). SCOTT und FULLER (1965) unterscheiden typische Entwicklungsphasen der Ontogenese, die einem genetisch terminierten Zeitplan folgen. Die wichtigste Phase für die Ausbildung des späteren Verhaltens stellt die Sozialisierungsphase

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24

(etwa 3.- 12./14. Lebenswoche) dar. In dieser Phase verfügt der Organismus über eine hohe Neuroplastizität (FEDERSEN-PETERSEN 2004), mithilfe derer soziale und physische Elemente der Umwelt verarbeitet werden (SCOTT u. FULLER 1965, SCHÖNING 2001, FEDDERSEN-PETERSEN 2008). Mithilfe der Qualität und Quantität, der in dieser Phase erfahrenen Umwelteindrücke, bildet der Hund ein Referenzsystem aus, welches bei allen späteren Entscheidungen als Vergleich herangezogen wird (FEDDERSEN-PETERSEN 2008, SCHÖNING 2001, APPLEBY et al. 2002, APPLEBY 2010).

Besonders gravierend wirken sich Versäumnisse in der Sozialisationsphase mit dem Höhepunkt in der 6.-8. Woche aus (BORCHELT und VOITH 1996). Durch Reizarmut, Isolation oder grobe Behandlung kommt es zur Abnahme der Sozialisationsfähigkeit einhergehend mit später gesteigerter Angriffs- und schnellerer Verteidigungsbereitschaft. Nur in dieser frühen Phase der Sozialisation ist das Gehirn und hier vor allem das Limbische System (emotional) sensibel genug zur Ausbildung emotionaler Bindungen, damit im Gegenzug aber auch anfälliger für psychische Fehlbildungen durch mangelnde oder inadäquate Reizstimulation (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Der Hund muss in dieser Zeit lernen, wie er später in seiner belebten und unbelebten Umwelt ohne Ängste leben kann. Die erwähnte Reizarmut führt zu einer erhöhten Ängstlichkeit gegenüber der Umwelt. Erfährt ein Hund mittels von ihm gezeigter Drohgebärden Hilfe in angstauslösenden Situationen, wird dieser aggressiv reagieren, wenn er sich unsicher fühlt, was in der Zukunft zu hochgefährlichen Situationen führen kann (FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

Hunde aus großen kommerziellen Zwingeraufzuchten weisen sehr häufig eine soziale Deprivation auf und bilden dadurch den Grundstock der später potentiell gefährlichen Hunde (FEDDERSEN-PETERSEN 1991b). Somit stellen entweder mangelnde oder schlechte Erfahrungen die Hauptursachen für Angst dar.

LANDSBERG et al. (2003) gehen von einem genetischen Einfluss auf das angstbedingte Aggressionsverhalten über die Erniedrigung der Schwelle für Angst aus. Auch OVERALL et al (2006) postulieren die Vererbarkeit von erhöhter Ängstlichkeit, die in bestimmten Linien einiger Rassen vertreten ist. Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der Mutterhündin. Ist

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25

diese eher ängstlich, kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer erhöhten Ängstlichkeit der Welpen (DEL AMO u. BEHR 2013).

2.3.3 körperliche/organische Ursachen für Aggression (Schmerzen, Schock, Erkrankungen)

Für den Erhalt der Unversehrtheit des eigenen Körpers, stellt Aggressionsverhalten eine genetisch eng fixierte Verhaltensweis dar (SCHÖNING 2001). Es gilt das Prinzip der Schadensvermeidung nach TSCHANZ (1993). Kommt es durch äußere Reize zu Schmerzen oder einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens, hat der Hund grundsätzlich vier Möglichkeiten der Reaktion (4 „F“s). Ist die Fluchtdistanz unterschritten und eine der anderen beiden Möglichkeiten nicht gegeben bzw. nicht zielführend, wird der Hund mit großer Wahrscheinlichkeit aggressives Verhalten zeigen (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Aus diesem Grund können alle äußeren Einflüsse, die mit Schmerzen oder einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens verbunden sind, aggressives Verhalten hervorrufen (LANDSBERG et al.

2000). Hinzu kommt, dass Schmerzen die Schwelle, jegliche Formen aggressives Verhalten zu zeigen, absenken (LANDSBERG et al. 2000).

Hat ein Hund einmal in einer Situation aufgrund von Schmerzen mit aggressivem Verhalten reagiert, beinhaltet dies unter Umständen bereits eine beträchtliche Lernerfahrung (siehe unter 2.4), die bedingt, dass der Hund in einer ähnlichen Situation beim nächsten Mal schon früher oder mit größerer Intensität aggressives Verhalten zeigt (SCHÖNING 2000, 2001, FEDDERSEN-PETERSEN 2004, JONES 2009). Beschriebenes gilt auch, wenn der Hund in der Ausbildung Schmerzen oder Unwohlsein erfährt und aggressives Verhalten zur Schadensvermeidung gezeigt wird. Jegliche Form von Strafe sollte aus diesem Grund in der Therapie von aggressivem Verhalten Tabu sein (FEDERSEN-PETERSEN 2004).

(32)

26

2.3.4 Aggression in Verbindung mit Erwerb und Verteidigung von Ressourcen ( auch „Rang/Statusbezogene Aggression“)

Wie unter 2.2 beschrieben, dient Aggression als Regulativ innerhalb einer sozialen Gruppe, innerhalb derer jeder nach der Optimierung seines Zustands und nach dem Erwerb bzw. der Erhaltung für ihn lebenswichtiger Ressourcen strebt (FEDDERSEN-PETERSEN 2004, SCHÖNING 2000, 2001, JONES 2009, LINDSAY 2000, LANDSBERG et al. 2003).

Der Rang eines Individuums in einer sozialen Gemeinschaft ist gekennzeichnet durch vier Kriterien: Erstens der prioritären Nutzung begrenzter Ressourcen; zweitens der Bereitschaft, anderen Individuen auszuweichen; drittens der Fähigkeit, andere Individuen einzuschränken und viertens dem Erfolg bei agonistischen Auseinandersetzungen (TEMBROCK 1992).

Jedoch lassen sich weder aus der Qualität, noch aus der Quantität aggressiver Auseinandersetzungen eines Individuums Schlüsse auf dessen Ranghöhe ziehen. Es ist sogar vielmehr so, dass ranghöhere Tiere weniger in aggressive Interaktionen verwickelt sind und rangniedere Tiere schneller und mit größerer Intensität aggressiv auf die Bedrohung einer für sie wichtigen Ressource reagieren. Für das rangniedere Tier wiegt der Verlust von Ressourcen schwerer (SCHÖNING 2001, JONES 2009, FEDDERSEN-PETERSEN 2004, HURD 2006).

Die individuelle Motivation eines jeden Tieres bezüglich einer Ressource unterscheidet sich ebenso wie das Bestreben, diese Ressource gegenüber anderen Individuen zu verteidigen (Ressource-Holding-Potential, RHP, PARKER 1974). Aus diesem Grund sind Konflikte um Ressourcen immer situationsbezogen, auf diese Ressource und gegenüber diesem Sozialpartner (FEDDERSEN-PETERSEN 2004, SCHÖNING 2000, 2001, JONES 2009, LINDSAY 2000). Das starre Konzept des „dominanten“ Hundes bedarf einer Änderung, da jeder Hund je nach Ressource und Gegenüber aus der individuellen Kosten-Nutzen-Rechnung die Entscheidung für eine aggressive Auseinandersetzung fällt. Hinzu kommt außerdem, dass diese Entscheidung auch noch von internen Faktoren in diesem Moment abhängt, wie dem gesundheitlichen Zustand und der Hormonlage des Organismus (FEDDERSEN-PETERSEN 2004, SCHÖNING 2001, JONES 2009, LINDSAY 2001, APPLEBY 2010).

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27

Betrachtet man Territorium ebenfalls als Ressource, lässt sich die territoriale Aggression ebenfalls unter der Ressourcen-bedingten Aggression einordnen. Auch für das Territorium gilt wieder die individuelle Wichtigkeit der Ressource und die Situationsabhängigkeit. Laut SCHÖNING (2001) besteht eine genetische Prädisposition für bestimmte Herdenschutz- sowie Hütehundrassen bezüglich des territorialen Aggressionsverhaltens.

VAN DOORN et al (2003) sehen sogar das Konzept des RHP (Ressource-Holding-Potentials) als zu starke Vereinfachung bezüglich der Aufweichung des starren „Dominanz“ Konzeptes.

Das Zeigen aggressiven Verhaltens in einem Konflikt liegt nach VAN DOORN et al (2003) in den bisherigen Lernerfahrungen und der speziellen Situation. Eine Ressource kann für einen Hund in einem anderen Kontext durchaus eine andere Wichtigkeit haben (VAN DOORN et al 2003).

2.3.5 Hormonell bedingte Aggression

Bei beiden Geschlechtern steigern Hormone die Bereitschaft zu aggressivem Verhalten. Bei der Hündin zeigt sich dies um den Östrus herum, sowie während einer Scheinträchtigkeit, bei Rüden mit Eintritt der Geschlechtsreife (JONES 2009, SCHÖNING 2001). Allerdings wird der Hormoneinfluss in der innergeschlechtlichen Aggression erst mit Erreichen der sozialen Reife deutlich, die rassebedingt mit eineinhalb bis drei Jahren erreicht wird (SCHÖNING 2001, OVERALL 1997, LANDSBERG et al. 2003). Unter dem Einfluss von Testosteron erhöht sich die Bereitschaft, aggressives Verhalten zu zeigen. Das gezeigte aggressive Verhalten wird unter Testosteron moduliert und ist in der Ausprägung intensiver und länger andauernd (OVERALL 1997, SCHÖNING 2001). Das sogenannte

„Androgenisierungsphänomen“ von Hündinnen wird von OVERALL (1997) beschrieben.

Diese Hündinnen weisen in Bezug auf ihr Aggressionsverhalten deutlich rüdentypisches Verhalten auf. Eine sorgfältige Sozialisation mit Hunden und Menschen mindert hormonell moduliertes Aggressionsverhalten im Allgemeinen (SCHÖNING 2001).

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2.3.6 Frustrationsbedingte Aggression und umgerichtete Aggression

Wird eine beabsichtigte Handlung unterbrochen oder verhindert, resultiert Frust. Aus dieser Emotion heraus kann aggressives Verhalten gezeigt werden. Umgerichtete Aggression tritt auf, wenn der Adressat des aggressiven Verhaltens nicht zugänglich ist. Das Verhalten kann sich dann gegen einen in unmittelbarer Nähe befindlichen Unbeteiligten oder sogar

Gegenstände richten (JONES 2009, SCHÖNING 2001, FEDDERSEN-PETERSEN 2004, 2008).

2.3.7 Pathologisch bedingte Aggression/“Idiopathische“ Aggression

Sehr selten und nach SCHÖNING (2001) nur in weniger als einem Prozent der Fälle liegt gesteigerter Aggression eine pathologische Ursache zugrunde (SCHÖNING 2001, OVERALL 1997, LANDSBERG et al. 2003). SCHÖNING (2001) und OVERALL (1997) kritisieren die zu schnelle Diagnose der „Idiopathischen Aggression“, vor allem wenn der Hund vorberichtlich „plötzlich“ und „unvorhergesehen“ aggressiv war und kein Auslöser zu erkennen war. Fehlendem Drohverhalten und damit „plötzlich“ erscheinendem aggressivem Verhalten liegen viel häufiger vorangegangene Lernerfahrungen des Hundes zugrunde, der gelernt hat, dass Drohen nicht zum Erfolg führt oder sogar mit Bestrafung einhergeht und aus diesem Grund kein Drohverhalten mehr zeigt. Ebenso wird Drohverhalten, obwohl vorhanden, häufig nicht als dieses erkannt. Ursächlich sind mangelnde Kenntnisse des hundlichen Ausdrucksverhaltens und möglicher Auslöser für aggressives Verhalten. Bei bestimmten Rassen lässt sich Drohverhalten nur noch schwer erkennen, beispielsweise aufgrund von durch Haare verdeckten Augen (FEDDERSEN-PETERSEN 2008, JONES 2009).

Beispiele für Erkrankungen, die mit aggressivem Verhalten einhergehen sind limbische Epilepsie, Serotoninmangel oder Stoffwechselstörungen, ebenso Infektionskrankheiten wie Staupe, Aujetzkysche Krankheit, Tollwut oder Borreliose (LINDSAY 2000, LANDSBERG et al. 2003). Schilddrüsenerkrankungen, wie eine Über- oder (häufiger) eine Unterfunktion, können ebenso zu vermehrt aggressivem Verhalten führen, hier empfiehlt sich jedoch die Diagnose durch einen Fachtierarzt, da nur die Kombination bestimmter Blutparameter

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sinnvoll und aussagekräftig ist. In der Vergangenheit wurde häufig das Krankheitsbild der

„subklinischen Schilddrüsenunterfunktion“ für vermehrt ängstliches sowie aggressives Verhalten verantwortlich gemacht. Hier ist ebenso Vorsicht geboten und eine genaue verhaltenstherapeutische Diagnostik heranzuziehen.

2.3.8 Neurophysiologische Betrachtung

Basierend auf einem funktionellen Ansatz unterteilen JUHR und BRAND (2003) aggressives Verhalten in instrumentelle und nicht instrumentelle Aggression. Unter instrumenteller Aggression ist hierbei eine effektorientierte Aggression zu verstehen, die der Schadensabwendung und Zielerreichung dient und nicht affektorientiert ist. Nicht instrumentelle Aggression lässt sich in affektive und nicht affektive Aggression unterteilen.

Nach O’HEARE (2003) verläuft nicht affektives Aggressionsverhalten ohne emotionale Erregung und ohne Aktivierung des sympathischen Nervensystems ab. In diese Kategorie fällt daher das Jagdverhalten, die sogenannte Beuteaggression (O’HEARE 2003). Jagdverhalten weist neuronal erhebliche Unterschiede zum affektiven Aggressionsverhalten auf und operiert unabhängig von diesem (PANKSEPP 1998). Als affektive Aggression bezeichnen JUHR und BRAND (2003) hormonell bedingte sowie territoriale Aggression, denen gemeinsam ist, dass sie im Rahmen des Sozialverhaltens ablaufen und Elemente der innerartlichen Kommunikation enthalten. Als entscheidenden Faktor für das Auftreten und den Grad der Aggression nennen JUHR und BRAND (2003) Erfahrung in Form von Erfolg oder Misserfolg. Für die Ausprägung sozialkompetenter Fähigkeiten ist die Sozialisationsphase entscheidend. Hier kommt es zur wiederholten Prüfung der Neuronenverknüpfungen auf deren Nützlichkeit; nicht notwendige Verbindungen veröden; individuell nützliche setzen sich durch und hypertrophieren unter Umständen (JUHR und BRAND 2003). Ohne soziale Einweisung oder das Erlernen von Regeln wird aus situationsadäquater Aggression unter Umständen eskalierende Aggression (MICZEK et al. 2002), die das arttypische Maß übersteigt oder Aggression mit fehlender Impulskontrolle (OVERALL 1997). Impulskontrolle muss ebenso wie Beißhemmung erlernt werden. Auf neurophysiologischer Ebene ist das Verhältnis der einzelnen Neurotransmitter zueinander entscheidend, hier vor allem der von Dopamin und Serotonin (JUHR und BRAND 2003, ROSADO et al. 2010). Niedrige Serum-

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Serotonin Konzentrationen stehen im Zusammenhang mit abgesenkten Reizschwellen für aggressives und impulsives Verhalten (REISNER et al. 1996). Dopamin fungiert im zentralen Nervensystem vor allem als Neurotransmitter für emotionales Verhalten, kognitive Funktion und Gedächtnis sowie die Ausprägung der Verhaltensantwort durch die Verstärkung der Glutamatwirkung und der Anregung neuer Verknüpfungen (JUHR und BRAND 2003) Durch Dopamin kommt es zu einer Senkung der Reizschwelle gegenüber eingehenden Reizen (O’HEARE 2003), diese werden im Cortex (kognitive Beurteilung), Hippocampus (Gedächtnis) und der Amygdala (emotionale Bedeutung) anhand vorliegender Erfahrungen geprüft (O’HEARE 2003) und bei Projektion zum Nucleus accumbens im ventralen Tegmentum wird Dopamin freigesetzt (O’HEARE 2003). Die Dopaminfreisetzung im Nucleus accumbens ist vermutlich auch hauptsächlich verantwortlich für die positive Belohnung zielgerichteten Verhaltens und damit der Erfahrung von Erfolg, der Voraussetzung für Lernvorgänge (JUHR und BRAND 2003). Die Dopamin-Dysfunktionshypothese der Aggression geht daher von einer erhöhten Dopaminaktivität infolge fehlender frontaler Hemmung aus (JUHR und BRAND 2003). Zusätzlich fördert die Ausschüttung von Endorphinen die Freisetzung von Dopamin und führt zu einem Belohnungseffekt.

Gleichzeitig mit der Aktivierung von Dopamin erfolgt eine Hemmung von Serotonin (5- Hydroxytryptamin) (JUHR und BRAND 2003). Während das Belohungssystem auch an Teile außerhalb der Amygdala gekoppelt ist (Cortex, Teile des limbischen Systems, Substantia nigra) entsteht „erlernte“ Angst vor allem in der Amygdala und hier im speziellen dem lateralen Teil. Ein traumatisches Ereignis reicht hier aus, damit dieser Reiz in das Langzeitgedächtnis gelangt, während im Belohnungssystem die intermittierende Belohnung eines Verhaltens nötig ist, um eine Speicherung im Langzeitgedächtnis zu erreichen, genannt Aktivitäts-abhängige Plastizität der Synapsen. Es kommt durch wiederholte Stimulation von cyklischem Adenosinmonophosphat, einem second-Messenger, zur Bildung des Wachstumsfaktors BDNF (Brain derived neurotrophic factor) vor allem in der Region des Hippocampus. Die Bildung dieses Wachstumsfaktors auch in der lateralen Amygdala ist eine mögliche Erklärung für die Ausbildung der „erlernten Angst“ (OVERALL 2011).

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