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Skalierungsverteilung innerhalb der einzelnen Kategorien

3 MATERIAL UND METHODEN

4.5 Verhalten der Hunde in den einzelnen Situationen

5.2.4 Skalierungsverteilung innerhalb der einzelnen Kategorien

In den Kategorien „Doggenartige“, „bullartige Terrier“ sowie „Jagdhunde“ betrug der Anteil der Hunde, die im Wesenstest nur mit der Skalierung „1“ somit ohne aggressive Signale reagierten, ungefähr die Hälfte der jeweiligen Kategorie. Im Vergleich dazu betrug dieser Anteil unter den „Mischlingen“ sowie den „Bauern-, Hirten,- und Treibhunden nur etwa jeweils ein Viertel der Gesamtanzahl in der Kategorie. Die „Bauern-, Hirten- und Treibhunde“ reagierten also tendenziell häufiger, die Mischlinge sogar höchstsignifikant häufiger mit aggressivem Verhalten. Für die Mischlinge zeigte sich, dass die restlichen drei Viertel mit fast 50 % maximal Drohverhalten zeigten und zu etwa 20 % mit Beißen nach vorherigem Drohverhalten reagierten. Ein kleinerer Teil (8 %) zeigte das Beißen nicht durch vorheriges Drohverhalten an (Skalierung 6), wie unter 5.2.3 erläutert, handelte es sich hier höchstwahrscheinlich um unangemessenes Jagdverhalten. Somit reagierten also fast drei Viertel aller Mischlinge maximal mit optischem oder akustischem Drohverhalten. Das restliche Viertel reagierte mit Beißen, davon ein Drittel ohne dieses vorher anzuzeigen, also wahrscheinlich mit inadäquatem Jagdverhalten. Signifikante Unterschiede zwischen den Mischlingen und einzelnen anderen Kategorien waren jedoch nicht vorhanden.

Möglicherweise wurde ein größeres Spektrum an Verhaltensweisen abgedeckt, da deutlich mehr Mischlinge vertreten waren, als Rassen der anderen Kategorien. Ebenfalls auffällig war der niedrigere Anteil (ohne Signifikanz) der „Bauern-, Hirten- und Treibhunde“, die keine aggressiven Signale zeigten. Die restlichen Hunde dieser Kategorie zeigten zu einem Drittel maximal optisches oder akustisches Drohverhalten oder aber zu einem Drittel Beißen, der größere Anteil davon (55 %) ohne dieses vorher mittels Drohsignalen anzuzeigen. Auf die eventuellen Ursachen für die „Bauern-, Hirten- und Treibhunde wurde bereits in 5.2.1 näher eingegangen. Eine weitere „auffällige“ Kategorie mit einem größeren Anteil an aggressiven Signalen war die Kategorie der „Jagdhunde“. Der Großteil dieser Kategorie knapp 53 % reagierte ohne aggressive Signale, der restliche Teil zu etwa 30 % mit maximalem Drohverhalten und ein geringere Teil, ungefähr 12 %, reagierten mit Beißen, jeweils zur

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Hälfte nach vorherigem Drohverhalten bzw. zur anderen Hälfte, ohne dieses vorher anzuzeigen. Höchstwahrscheinlich handelte es sich auch in der Kategorie der „Jagdhunde“

um unangemessenes Jagdverhalten. Von den Kategorien, die überhaupt mit Beißen reagierten, waren die „Jagdhunde“ allerdings am seltensten vertreten. Auffällig, jedoch nicht signifikant häufiger, war der Anteil der „bullartigen Terrier“, die mit Beißen reagierten. Die Skalierungsverteilung innerhalb dieser Kategorie unterscheidet sich sehr von der der restlichen Kategorien, bei denen Verhalten der Skalierung „2“ häufiger war als Verhalten der Skalierung „5“ oder „6“. Innerhalb der „bullartigen Terrier“ zeigte sich, dass diese zwar zur Hälfte ohne jegliche aggressive Signale reagierten, die restlichen 50 % jedoch nur zu einem Drittel mit maximalem Drohverhalten reagierten und zu zwei Dritteln mit Beißen. Von diesen zwei Dritteln zeigten drei Viertel der Hunde dieses nicht durch vorheriges Drohverhalten an.

Der Gesamtanteil von 25 % an der Kategorie, die mit Beißen ohne vorangegangene Drohsignale reagierte, war der höchste unter allen Kategorien, die überhaupt mit Verhalten der Skalierung „6“ reagierten. Es scheint, als reagiere der überwiegende Teil der „bullartigen Terrier“ mit angemessenem Verhalten, wovon über zwei Drittel gar kein aggressives Verhalten zeigten. Das restliche Viertel der „bullartigen Terrier“ allerdings zeigte einen ungewöhnlich hohen Anteil an „gestört aggressivem“ Verhalten. Wie bereits unter 5.2.3 erläutert, kommt als mögliche Erklärung für Verhalten der Skalierung „6“ unangemessenes Jagdverhalten in Frage. Bei der Betrachtung der relevanten Situationen, in denen die

„bullartigen Terrier“ dieses Verhalten zeigten, fällt erneut auf, dass es sich hier ausschließlich um Situationen mit schnellen und plötzlichen Bewegungen handelte. Aus diesem Grund ist auch bei den „bullartigen Terriern“, die mit Beißen ohne vorangegangenem Drohverhalten reagierten, von Jagdverhalten am unerwünschten Objekt auszugehen. Hunde dieser Rassen zeichnen sich durch eine hohe Erregungslage und häufig niedrigere Reizschwellen aus, so dass hier eine sorgfältige Sozialisierung zur Vorbeugung unerwünschten Jagdverhaltens umso wichtiger ist (FEDDERSEN-PETERSEN 2004, 2008). Geht man davon aus, dass es sich bei dem sehr großen Anteil der „bullartigen Terrier“ mit gestört aggressivem Verhalten tatsächlich ausschließlich um unangemessenes Jagdverhalten handelt, stellt sich die Frage, warum dieses in dieser Kategorie häufiger als in anderen auftritt. Die Ursachen für unangemessenes Jagdverhalten liegen vor allem in der mangelhaften Sozialisierung dieser Hunde (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Die Gründe hierfür wiederum könnten zum einen

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auf Züchterseite bzw. Seite der Halter dieser Hunderassen liegen und zum anderen in den restriktiven Bedingungen, unter denen diese Hunde häufig gehalten werden (müssen). Auch wenn in Niedersachsen keine Rasseliste besteht, werden Hunde dieser Rassen doch häufig ausgegrenzt durch andere Hundehalter oder fremde Menschen, die diesen Hunden aus Angst ausweichen. Laut FEDDERSEN-PETERSEN (2004) kann eine immer wieder auf Gegenstände konditionierte Beutefanghandlung, wie beispielsweis das hinterherhetzen hinter Bällen und anderen beweglichen Gegenständen, eine „Motivationsenge“ bewirken, die zu einem Verschwinden des Interesses für die restliche Umwelt des Hundes führt. Solche Hunde erkunden kaum ihre Umwelt und kommunizieren nicht mit Artgenossen.

Letztlich muss einschränkend hinzugefügt werden, dass die in dieser Arbeit abgebildete Population der „bullartigen Terrier“ wie auch alle anderen Kategorien nicht repräsentativ sein kann für die Gesamtpopulation der jeweiligen Kategorien, da es sich ausschließlich um bereits „auffällig“ gewordene Hunde handelt. Unter allen getesteten Hunden allerdings waren wie beschrieben die „bullartigen Terrier“ durch einen erhöhten Anteil von Hunden mit

„gestört aggressivem“ Verhalten, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um inadäquates Jagdverhalten handelte. In weiteren Studien wäre es daher interessant, die genaue Vorgeschichte solcher Hunde und vor allem deren Sozialisationsphase genauer zu analysieren.

5.2.5 Verhalten der Hunde in den einzelnen Situationen

Wie erwartet, zeigten die Hunde in den Bedrohungssituationen verglichen mit den ungewöhnlichen und den Alltagssituationen deutlich häufiger aggressive Signale und ebenfalls häufiger Beißen nach vorangegangenem Drohverhalten. Gestört aggressives Verhalten wurde ausschließlich in den ungewöhnlichen Situationen und den Alltagssituationen gezeigt und nie in den Bedrohungssituationen.. Dieses Ergebnis unterstützt die oben dargestellte These, dass die Hunde der vorliegenden Arbeit in den meisten Fällen kein gestört aggressives Verhalten im Sinne eines abnormen Aggressionsverhaltens zeigten, sondern dass es sich in diesen Fällen mit hoher Wahrscheinlichkeit um unangemessenes Jagdverhalten handelte. Im Vergleich der Bedrohungssituationen untereinander fiel auf, dass

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die Hunde in der Situation „Anstarren“ höchstsignifikant häufiger Drohverhalten zeigten als in den übrigen Bedrohungssituationen. Die Hunde zeigten sogar häufiger Drohverhalten, als Verhalten der Skalierung „1“. In den übrigen Bedrohungssituationen zeigten die Hunde dagegen höchstsignifikant häufiger keine aggressiven Signale als Drohverhalten. Dieses Ergebnis lässt den Schluss zu, dass Anstarren für die Hunde deutlich bedrohlicher wirkt als beispielsweise Anschreien oder das Bedrohen mit einem Stock. Möglicherweise sind die meisten Hunde aber bereits „sensibilisiert“, da Menschen häufig, vor allem aus Unkenntnis oder Unsicherheit, Hunden direkt in das Gesicht schauen, was für Hunde zunächst einmal eine Bedrohung darstellt. In der Regel können Hunde lernen, dass Anstarren durch den Menschen nicht bedrohlich ist und in der menschlichen Kommunikation in einem anderen Kontext vorkommt. Es ist aber in der Regel auch so, dass Menschen aus Unkenntnis Hunde nicht nur direkt anschauen, sondern sich diesen auch noch nähern und ihnen beispielsweise auf den Kopf fassen bzw. diese dort streicheln. Möglicherweise kommt es hierdurch bei Hunden zu einer Sensibilisierung, wenn sie sich der Situation des „Anstarrens“ nicht durch Meideverhalten entziehen können und sich der Mensch dann auch noch weiter annähert.

Hierin liegt eine große Gefahr und ein großes Problem im Umgang von Menschen mit Hunden, wenn der Hund irgendwann die Erfahrung macht, dass Drohverhalten nicht mehr ausreicht, sondern er zusätzlich zu einem Angriff im schlimmsten Fall mit Beißen übergehen muss. Viele Menschen erkennen Drohverhalten bei Hunden nicht und bringen Hunde dadurch dazu, sich subjektiv bedroht zu fühlen und im schlimmsten Fall zu beißen. Es ist die Aufgabe des Halters bzw. des Hundeführers, solche Situationen zu vermeiden. Problematisch ist, dass viele Hundeführer selber das Drohverhalten ihres Hundes nicht erkennen können oder aber meinen, der Hund sei „dominant“ und dürfte ein solches Verhalten gegenüber Menschen nicht zeigen. Wird der Hund dann sogar bestraft, fehlt nicht mehr viel, dass der Hund beißt, ohne Drohverhalten zu zeigen. BRUNS (2003) folgerte in ihrer Dissertation daher ebenfalls, dass mangelnde Sachkunde der Halter den Hauptfaktor darstellt, wenn Hunde beißen und laut DEUTSCHEM STÄDTETAG (1997) liegen 76 % aller Übergriffe durch Hunde ebenfalls mangelnde Sachkunde der Halter zugrunde. COPPINGER und COPPINGER (2001) postulierten, dass gefährliche Hunde nicht geboren, sondern erzogen werden.

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In den ungewöhnlichen- sowie den Alltagssituationen reagierten in einigen Situationen weniger Hunde mit Drohverhalten, als mit einer vollständigen Annäherung und Beißen. Dies sind im Einzelnen Situationen mit schnellen und plötzlichen Bewegungen, so dass auch hier von unangemessenem Jagdverhalten ausgegangen werden kann.