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Substitution von Pflanzenschutzmitteln im Spargelanbau in Bezug zur europäischen Strategie „Hin zu einem nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“

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Academic year: 2022

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Substitution von Pflanzenschutzmitteln im Spargelanbau in Bezug zur europäischen Strategie „Hin zu einem

nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“

Abschlussarbeit des Postgradualstudiums Toxikologie und Umweltschutz an der Universität Leipzig

vorgelegt von Dipl. Ing. agr. Anja Müller Werder, 13.05.2009

(2)

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Zielsetzung der Arbeit...3

2 Die Europäische Pflanzenschutzmittelgesetzgebung...4

2.1 Pflanzenschutzmittelgesetzgebung in Bezug zum Lebenszyklus von Pflanzenschutzmitteln. .4 2.2 Novellierung der Pflanzenschutzmittelgesetzgebung...5

2.3 Zukünftige EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG...6

3 Pflanzenschutzmittel...9

3.1 Zusammensetzung von Pflanzenschutzmitteln...9

3.2 Chemische Eigenschaften von Pflanzenschutzmitteln...10

3.3 Toxikologische Effekte von Pflanzenschutzmitteln...10

4 Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln...14

4.1 Institutionelle Verankerung...14

4.2 Ansatz...14

4.3 Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln in Bezug auf die Auswirkungen auf Mensch und Tier unter Berücksichtigung von Rückständen von Pflanzenschutzmitteln...16

4.4 Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln in Bezug auf die Auswirkung auf die Umwelt unter Berücksichtigung des Verhaltens und Verbleibs in der Umwelt...21

4.5 Der neue Ansatz der Risikobewertung in der zukünftigen EU Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln...27

5 Spargelanbau...30

5.1 Kulturführung...30

5.2 Pflanzenschutzmaßnahmen im Spargelanbau...31

5.2.1 Pilzliche Erkrankungen...32

5.2.2 Schadinsekten...40

5.2.3 Unkräuter...46

6 Bewertung der im Spargelanbau prioritären Pflanzenschutzmittelwirkstoffe gemäß der zukünftigen EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln...53

6.1 Pflanzenschutzmittelwirkstoffe, die voraussichtlich unter die Ausschlusskriterien fallen...53

6.2 Metribuzin...55

6.3 Lambda-Cyhalothrin ...55

6.4 Dimethoat...56

6.5 Difenoconazol...56

7 Auswirkungen und Handlungsoptionen im Spargelanbau in Deutschland...57

7.1 Übergreifende Auswirkungen und Handlungsoptionen im Spargelanbau in Deutschland...57

7.2 Herbizide...58

7.3 Fungizide...59

7.4 Insektizide...60

8 Zusammenfassung...62

Tabellenverzeichnis...64

Literaturverzeichnis...65

Abkürzungsverzeichnis...70

(3)

1 Einleitung und Zielsetzung der Arbeit

Pflanzenschutzmittel (PSM) werden eingesetzt um Pflanzen vor Schadorganismen zu schützen und damit hohe Erntequalitäten und hohe Erträge zu sichern und nicht zuletzt, um Lebensmittel auf dem derzeitigen Preisniveau zu produzieren.

PSM haben jedoch nicht nur nützliche Eigenschaften sondern die Verwendung kann mit Risiken für Mensch, Tier und Umwelt verbunden sein. Insbesondere die Gefahren von Pflanzenschutzmittel- rückständen stehen in der öffentlichen Debatte stark im Vordergrund.

Der Pflanzenschutz agiert zwischen Zielsystemen verschiedener Interessengruppen. Die Interessen der Produzenten und der Pflanzenschutzmittelindustrie und diejenigen von Verbraucher- und Um- weltschutzorganisationen stehen häufig konträr gegenüber. Die Formulierung der neuen europäi- schen Pflanzenschutzmittelzulassungsverordung als Teil der Strategie „Hin zu einer nachhaltigen Nutzung von Pestiziden“ ist als ein Kompromiss zwischen den verschiedenen Akteuren zu bewer- ten. Um diesen Kompromiss wurde hart gerungen und wie bei vielen Kompromissen geht er den einen nicht weit genug und den anderen zu weit.

Ziel dieser Arbeit ist es, die Auswirkungen der neuen Pflanzenschutzmittelgesetzgebung auf die Be- wertung von PSM und den Pflanzenschutz im Spargelanbau darzustellen und Handlungsoptionen aufzuzeigen. Dazu wird zunächst auf die europäische Pflanzenschutzmittelgesetzgebung eingegan- gen und erläutert, welche Veränderungen sich durch die Novellierung ergeben werden. Danach wird auf die Zusammensetzung und Eigenschaften von PSM eingegangen und mögliche toxische Effekte aufgezeigt, die von PSM ausgehen können. Nach Darstellung des Kulturverfahrens und des Pflan- zenschutzes im Spargelanbau erfolgt die Bewertung der im Spargelanbau prioritär eingesetzten PSM in Bezug auf die neuen Kriterien der zukünftigen EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln. Abschließend folgt die Darstellung der Konsequenzen und Handlungs- optionen im Spargelanbau.

(4)

2 Die Europäische Pflanzenschutzmittelgesetzgebung

2.1 Pflanzenschutzmittelgesetzgebung in Bezug zum Lebenszyklus von Pflanzenschutzmitteln

PSM werden in großen Mengen gezielt in die Umwelt ausgebracht, und in der Vergangenheit haben Mittel wie DDT, Lindan und andere persistente PSM erhebliche Schäden an Mensch und Umwelt verursacht. Deshalb unterliegen PSM starken gesetzlichen Regulierungen. Diese Regelungen wur- den auf der Ebene der Europäischen Union (EU) harmonisiert.

Der Lebenszyklus von PSM von der Zulassung bis zur Entsorgung wird durch verschiedenste Rechtssetzungen der EU geregelt. Dabei werden europäische Richtlinien durch Umsetzungen in die nationale Gesetzgebung übernommen. Europäische Verordnungen gelten im Gegensatz dazu unmit- telbar in allen Mitgliedsländern der EU. Nachfolgende Tabelle stellt die Gesetzgebung bezogen auf den Lebenszyklus von PSM dar.

Tab. 1 Gesetzliche‌‌ Regelungen EU

Ebenen des Produkt- zyklusses

Gesetzliche Regelung EU vom ggf. Umsetzung in

Deutschland durch Zulassung Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von

Pflanzenschutzmitteln novelliert durch

Zukünftige Verordnung (EG) über das

Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und

91/414/EWG

Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe

15.07.1991

12.06.2006

Pflanzenschutzgesetz (PflSchG)

direkte Gesetzeswirkung

direkte Gesetzeswirkung

Verwendung Zukünftige EU-Rahmenrichtlinie für die nachhaltige Anwendung von Pestiziden

Richtlinie 1999/45/EG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen (Zubereitungsrichtlinie) Richtlinie 67/548/EWG des Rates über die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (Stoffrichtlinie)

novelliert durch

Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung und Verpackung von Stoffen und Gemischen zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr.

1709/2006 (GHS-Verordnung)

Zukünftige Verordnung über Statistiken zu Pestiziden

31.05.1999

27. 06 1967

16.12..2008

Übernahme in die nationale Gesetzgebung

Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)

direkte Gesetzeswirkung

direkte Gesetzeswirkung Entsorgung Richtlinie 2006/12/EG über Abfälle

(Abfallrahmenrichtlinie) 05.04.2006 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG )

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Ebenen des Produkt- zyklusses

Gesetzliche Regelung EU vom ggf. Umsetzung in

Deutschland durch Rückstände Verordnung (EG) 396/2005 über Höchstgehalte an

Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs

Richtlinie 2000/60/EG zur Schaffung eines

Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie)

23.02.2005

23.10.2000

direkte Gesetzeswirkung

Wasserhaushaltsgesetz (WHG)

Elemente der Strategie „ Hin zu einer nachhaltigen Nutzung von Pestiziden“ sind fett gedruckt

Toxikologische Bewertungen von PSM auf europäischer Ebene werden im Rahmen der zukünftigen EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, der GHS-Verordnung und der Verordnung (EG) 396/2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs durchgeführt. Dabei werden unterschiedliche Ziele verfolgt.

Die Bewertung im Rahmen der zukünftigen EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln beurteilt die Auswirkungen der WS und PSM auf Mensch, Tier und Umwelt und stellt sicher, dass keine unannehmbaren Folgen für Mensch, Tier und Umwelt durch die Anwendung bestehen. Es wird die grundsätzliche Entscheidung getroffen, ob ein WS oder ein PSM im Pflanzenschutz angewendet werden darf. Dies findet seinen Ausdruck in der Aufnahme des WS in die Liste der zugelassenen WS und der Zulassung von PSM. Parallel dazu werden WS mit Überschreiten definierter Produktionsmengen auch im Rahmen der neuen europäischen Chemikalienverordnung (REACH) bewertet.

Im Rahmen der GHS-Verordnung werden intrinsische Eigenschaften von Chemikalien bewertet und die Chemikalien entsprechend ihres Gefährdungspotentials in Gefahrenklassen und -kategorien eingestuft. Die entsprechenden Gefahren werden durch Kennzeichnung der Chemikalien und Sicherheitsdatenblätter kommuniziert. Die neue GHS-Verordnung trat am 20. Januar 2009 in Kraft und beinhaltet Übergangsfristen in denen die Zubereitungsrichtlinie und die Stoffrichtlinie angewendet werden können.[68]

Die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs regelt die Rückstandshöchstmengen von PSM in und auf Lebens- und Futtermitteln.

2.2 Novellierung der Pflanzenschutzmittelgesetzgebung

Zu Beginn des Jahres 2009 wurde die Pflanzenschutzmittelgesetzgebung der EU novelliert. Die No- vellierung ist Teil der Umsetzung der Strategie „Hin zu einer nachhaltigen Nutzung von Pestiziden“

die am 18.07.2006, von der europäischen Kommission verabschiedet wurde. Sie setzt Ziele des 6.

Umweltaktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaft und Strategien im Rahmen der europäi- schen Umweltpolitik um. Darin wurde unter anderem gefordert, dass die Risiken, die mit dem Ein- satz von PSM verbunden sind, reduziert werden, insbesondere durch die Verringerung der Mengen schädlicher Wirkstoffe durch Substitution der gefährlichsten Wirkstoffe durch unbedenklichere (auch nicht-chemische) Alternativen.[18]

Die Strategie wird durch die Integration von Elementen in bestehende Regelwerke und den Erlass von drei europäischen Regelwerken implementiert:

EU-Rahmenrichtlinie über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Ver- wendung von Pestiziden,

(6)

Verordnung (EG) über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG,

Verordnung (EG) über Statistiken zu Pestiziden.

Am 13.01.2009 wurde vom Europäischen Parlament ein Kompromiss zwischen dem Rat der Euro- päischen Union (Agrarrat) und dem Parlament angenommen, der Grundlage für die Verabschiedung der oben genannten Regelwerke ist. Dem Kompromiss vorausgegangen war ein parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des EU-Vertrages im so genannten Mitentscheidungsverfahren.[19] Die Gesetzesinitiative ging, wie auch bei anderen Gesetzgebungs- verfahren, von der Europäischen Kommission aus. Am 18.07.2006 wurde dazu ein Entwurf der Kommission vorgelegt. Nach Abschluss der 1. Lesung des Parlaments am 23.10.2007 und der an- schließenden Verkündung des gemeinsamen Standpunktes am 15.09.2008 durch den Rat standen Trilogverhandlungen zwischen EU-Kommission, Parlamentarischem Umweltausschuss und den Agrarministern. Die im Laufe der drei Jahre zum Teil sehr emotional geführten Diskussionen mün- deten in einen tragfähigem Kompromiss zwischen den politischen Akteuren.

Mit Erlass der Verordnung (EG) 396/2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs wurden die Rückstandshöchst- mengen für PSM in Lebensmitteln in der EU bereits harmonisiert. Mit dem 01.09.2008 traten ver- bliebenen Abschnitte der Verordnung in-Kraft und damit wurde die nationale Rückstandshöchst- mengenverordnung (RHmV) abgelöst.[20]

2.3 Zukünftige EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG

Die zukünftige EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Auf- hebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG ist Kernstück der Strategie „Hin zu einer nachhaltigen Nutzung von Pestiziden“. Sie wird das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln neu regeln und löst die Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmit- teln ab. Die Richtlinie 91/414/EWG trat 1991 in Kraft und regelt die Zulassung für Pflanzenschutz- mittelwirkstoffe, die nach Juli 1993 auf den Markt gebracht wurden direkt. Alle vor Juli 1993 in Verkehr gebrachten Pflanzenschutzmittelwirkstoffe wurden priorisiert und in vier Stufen in einem Gemeinschaftsverfahren der EU neu bewertet. Die 4. Stufe der Bewertung wurde im März 2009 be- endet und damit die Bewertung der Altwirkstoffe erfolgreich abgeschlossen. Mit In-Kraft-Treten der Richtlinie 91/414/EWG wurden WS und PSM in der EU nach einheitlichen Kriterien bewertet.

[6]

Die Zulassung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen erfolgt auf europäischer Ebene durch Aufnah- me des WS in Abhang I der Richtlinie 91/414/EWG. Der Aufnahme geht eine Bewertung des WS in einem Gemeinschaftsverfahren voraus.

Die Zulassung von PSM erfolgt auf Ebene der einzelnen Mitgliedsstaaten. In Deutschland erfolgt die Zulassung auf der Grundlage des Pflanzenschutzgesetzes (PflSchG) und der Pflanzenschutzmit- telverordnung (PflSchmMGV).[13, 14]

Anhang II (Anforderungen an die Unterlagen zum Antrag auf Aufnahme eines Wirkstoffes in An- hang I), III (Anforderungen an die dem Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels beizufü- genden Unterlagen), VI (Einheitliche Grundsätze für die Bewertung und Zulassung chemischer Pflanzenschutzmittel) der Richtlinie 91/414/EWG werden in eigenständige europäische Verordnun- gen übernommen und behalten im neuen Bewertungsverfahren damit ihre Gültigkeit.

(7)

Die zukünftige EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln gliedert sich in nachfolgende Abschnitte: [12]

Einführung

Erwägungsgründe

Art. 1-3 Allgemeine Bestimmungen Pflanzenschutzmittelwirkstoffe

Art. 4-6 Anforderungen und Bedingungen für die Genehmigung

Art. 7-21 Genehmigungsverfahren

Art. 22-24 Ausnahmen Safener und Synergisten

Art. 25-26 Safener und Synergisten Beistoffe

Art.27 Beistoffe Pflanzenschutzmittel

Art. 28-32 Anforderungen und Inhalte

Art. 33-39 Verfahren

Art. 40-42 Gegenseitige Anerkennung von Zulassungen

Art. 43-46 Erneuerung, Entzug und Änderung

Art. 47-52 Sonderfälle

Art. 53-54 Ausnahmen

Art. 55-57 Verwendung und Information Hilfsstoffe

Art. 58 Hilfsstoffe Administratives

Art. 59-62 Datenschutz und gemeinsame Datennutzung

Art. 63-66 Öffentlicher Zugang zu Informationen

Art. 67-71 Kontrollen

Art. 72-84 Verwaltungs- und Finanzbestimmungen Anhang I

Festlegung der Zonen für die Zulassung von PSM gemäß Artikel 3 Absatz 15 Anhang II

Verfahren und Kriterien für die Genehmigung von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten gemäß Kap. II

Anhang III

Liste der Beistoffe, deren Verwendung in PSM gemäß Artikel 27 nicht zulässig ist Anhang IV

Vergleichende Bewertung gemäß Artikel 50

Die zukünftige Zulassungsverordnung bewirkt wesentliche Veränderungen in der Bewertung und Zulassung von Wirkstoffen und Pflanzenschutzmitteln gegenüber der bisherigen Zulassungspraxis.

1. Gleichstellung der Safener und Synergisten gegenüber den Wirkstoffen

Es gelten nun vergleichbare Datenanforderungen und Bewertungskriterien für die Genehmigung von Safenern und Synergisten. Für bereits auf dem Markt befindliche Safener und Synergisten wird ein Arbeitsprogramm zur Bewertung vereinbart, um diese unter den neuen Kriterien zu bewerten.

2. Einführung eines gefahrenbasierten Ansatzes in der Risikobewertung (Ausschlusskriterien auf der Basis von Stoffeigenschaften)

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Zu dem bisher geltenden Ansatz der risikobasierten Bewertung von PSM wird nun zusätz- lich ein gefahrenbasierter Ansatz verfolgt. Der neue Ansatz arbeitet mit Ausschlusskriterien, d.h. bei Vorliegen definierter toxischer Eigenschaften der Wirkstoffe erfolgt keine Genehmi- gung als Pflanzenschutzmittelwirkstoff. Ausschlusskriterien im Bereich der Humantoxikolo- gie sind die Kanzerogenität, Genotoxizität, Reproduktionstoxizität und endokrinschädliche Eigenschaften. Im Bereich Verbleib und Verhalten in der Umwelt sind es Persistenz, Bioak- kumulierbarkeit, Fähigkeit zum Langstreckentransport, hohe Toxizität gegenüber Wasserle- bewesen und chronische Toxizität.

3. Zonenzulassung

Die Zulassung von PSM wurde in drei Zonen gegliedert, in denen die Zulassung eines PSM in einem Mitgliedsstaat der Zone durch die anderen Mitgliedsländer der gleichen Zonen erfolgt. Deutschland gehört zur Zone B – Mitte (Benelux-Staaten, Irland, Großbritannien, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn).

4. Bei- und Hilfsstoffe

Bei- und Hilfsstoffe werden durch die Mitgliedsstaaten bewertet und nicht zugelassene Beistoffe werden in Anhang III (Negativliste) der zukünftigen EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln gelistet.

5. Definition von Substitutionskandidaten / vergleichende Bewertung

Ein Wirkstoff gilt als Substitutionskandidat, wenn er die unter Anhang II, 4. definierten Eigenschaften erfüllt, z.B. signifikant niedrigerer ADI-Wert als die Mehrheit innerhalb der zugelassenen Wirkstoffe der Stoffgruppe/des Verwendungsbereiches. PSM, die einen Substitutionskandidaten enthalten, werden vor der Zulassung einer vergleichenden Bewertung unterzogen, in der festgestellt wird, ob sicherere PSM oder nicht-chemische Alternativen zur Verfügung stehen.

6. Verwendung von Humandaten

Wirkstoffe und PSM dürfen nicht mehr an Menschen getestet werden. Humandaten dürfen nicht zur Senkung von Sicherheitsfaktoren erhoben werden.

In den nachfolgenden Kapiteln wird die derzeitige toxikologische Bewertung von PSM näher erläutert und auf die oben beschriebenen neuen Ansätze näher eingegangen.

(9)

3 Pflanzenschutzmittel

3.1 Zusammensetzung von Pflanzenschutzmitteln

PSM sind Stoffe oder Zubereitungen, die zum Schutz der Kulturpflanze in geeigneter Weise appliziert werden, um Pflanzen vor direkt oder indirekt schädigenden Organismen zu schützen.

Sie werden nach der Art der Schadorganismen in folgende Gruppen eingeteilt (für den Spargelanbau bedeutend):

Fungizide – Pilze

Insektizide – Insekten

Herbizide – Unkräuter

Molluskizide – Schnecken

Rodendizide – Nagetiere

Zum Einsatz in der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Praxis kommen PSM, die sich aus ver- schiedenen Bestandteilen zusammensetzen. Es können zwei Stoffgruppen unterschieden werden:

zum einen Stoffe auf denen die Wirkeigenschaften beruhen und zum anderen Stoffe, die die Anwen- dungssicherheit und -eigenschaften bestimmen.

Zu den Stoffen mit Wirkeigenschaften gehören Pflanzenschutzmittelwirkstoffe, Safener und Synergisten. Die zukünftige EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln definiert Pflanzenschutzmittelwirkstoffe als die Stoffe mit allgemeiner oder spezifischer Wirkung gegen Schadorganismen an Pflanzen, Pflanzenteilen oder Pflanzenerzeugnissen. [12] Safener sind Stoffe oder Zubereitungen, die einem PSM beigefügt werden, um die phytotoxische Wirkung eines PSM zu verringern[12]. Sie werden insbesondere bei Herbiziden benötigt. Synergisten sind Stoffe oder Zubereitungen, die keine oder nur eine schwache Wirkung besitzen aber die Wirkung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffes verstärken.

Safener und Synergisten werden nach der zukünftigen EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln den Wirkstoffen gleichgestellt und unterliegen damit vergleichbaren Anforderungen an die toxikologische Bewertung.

Bei- und Hilfsstoffe gehören zu den Stoffen, die die Anwendungssicherheit und -eigenschaften be- stimmen. Sie werden den PSM beigefügt, um die Stabilität und Haltbarkeit zu erhöhen, die Mi- schungs- und Hafteigenschaften zu optimieren und Schutzmaßnahmen zu gewährleisten. Die Sum- me aller Stoffe einer Anwendungsformulierung wird als Pflanzenschutzmittel bezeichnet.

Nachfolgende Darstellung illustriert die Zusammensetzung von PSM.

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Tab. 2 Zusammensetzung von Pflanzenschutzmitteln

Stabilität, Haltbarkeit : Antioxidans, Konservierungsmittel,

Stabilisator, Frostschutzmittel, Puffer

Abschreckung:

Brechmittel (Emetikum) Riechstoff (Repellent) Mischungs- und Hafteigenschaften

Emulgator, Lösungsmittel, Fließmittel, Netzmittel, Dispersionsmittel, Haftmittel,

Schaumverminderer, Treibgas,Trägerstoff, Bindemittel,

Antiverbackungsmittel, Verdickungsmittel sonstige Eigenschaften Farbstoff, Parfum, Schmiermittel,

sonstiges

Wirk- eigenschaften

Wirkstoff Safener Synergisten Dünger, Nährstoff

Anwendungs- eigenschaften/

sicherheit

3.2 Chemische Eigenschaften von Pflanzenschutzmitteln

Die chemischen Eigenschaften eines PSM insbesondere des Pflanzenschutzmittelwirkstoffes sind entscheidend für die Wirkung gegen Schadorganismen, die Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt. Bedeutend sind hier vor allem [67]

die Löslichkeit in verschiedenen Lösungsmitteln, z.B. Wasserlöslichkeit als Maß für die Fähigkeit zur Verlagerung in das Grundwasser bzw. Adsorption an Bodenteilchen,

der Kow als Ausdruck der Lipophilie und damit Fähigkeit der Anreicherung in Organismen,

die sterischen Eigenschaften, als Voraussetzung für spezifische molekulare Wirkungen an Transportern, Ionenkanälen, Enzymen, Rezeptoren und anderen biologischen Strukturen.

Durch die Formulierung des PSM werden die Wirkeigenschaften von Pflanzenschutzmittel- wirkstoffen durch Safener, Synergisten, Bei- und Hilfsstoffe verändert.

3.3 Toxikologische Effekte von Pflanzenschutzmitteln

Die derzeitigen Pflanzenschutzmittelentwicklungen gehen dahin, dass spezifische Stoffwechselwe- ge und Signalwege der Schadorganismen als Zielstruktur von PSM genutzt werden, die keine oder eine abgewandelte Entsprechung in Nichtzielorganismen haben. Diese Entwicklung führt dazu, dass weniger toxische PSM auf den Markt kommen. In der gärtnerischen Praxis kommen dadurch eine erhöhte Anzahl unterschiedlicher selektiver PSM zum Einsatz, was sich z.B. in der Zunahme von Mehrfachrückständen in und auf Lebensmitteln ausdrückt und zu einem erhöhten Risiko von Resis- tenzen der Zielorganismen gegen PSM führt, da die Wirkung oft nur auf einer Zielstruktur (Enzym, Rezeptor) beruht, die durch Mutationen oder adaptive Prozesse schneller überbrückt werden kann.

Weiterhin werden zunehmend PSM mit einer hohen akuten Toxizität gegen PSM mit geringerer akuter Toxizität abgelöst. Dies hat zu einer größeren Aufmerksamkeit gegenüber chronischen, un- spezifischen und endokrinen Effekten geführt.

Man unterscheidet reversible und irreversible Effekte. Irreversible Effekte basieren in der Regel auf kovalenten Bindungen eines Pflanzenschutzmittelinhaltsstoffes mit biologischen Strukturen inner-

(11)

halb und außerhalb der Zelle. Irreversible Effekte sind entwicklungstoxische Effekte und Genmuta- tionen als ein Ausgangspunkt der Krebsentstehung. Reversible Effekte sind z.B. die Induktion von fremdstoffmetabolisierenden Enzymen. Für die Reversibilität der Effekte sind der Fremdstoffmeta- bolismus und Reparatur- und Schutzmechanismen der Zelle und die Regenerationsfähigkeit der Zielorgane von entscheidender Bedeutung. So ist die Schädigung von Lebergewebe durch das hohe Regenerationsvermögen der Leber gut kompensierbar, eine Schädigung von nicht regenerationsfä- higen Nervenzellen jedoch vom Organismus nicht ausgleichbar. Auf der Ebene der Zelle kommen neben dem Fremdstoffmetabolismus, DNA-Reparatursystemen und Systemen zum Schutz vor frei- en Radikalen eine entscheidende Rolle für das Überleben der Zelle zu.

Die Effekte von PSM auf Schadorganismen und die Auswirkungen auf Mensch, Tier und Pflanze beruhen auf molekularen und biochemischen Wirkungen innerhalb und außerhalb von Zellen. Die- se spiegeln sich auf den Ebenen der Organe, des Organismus, der Population und des Ökosystems wider.

Tab.3 Wirkung von Pflanzenschutzmitteln [31]

Zellorganellen / Zelle Organsysteme /

Regelmechanismen Organismus Population /

Gemeinschaft / Ökosystem Biochemische und

molekulare Prozesse Morphologische und physiologische Veränderungen

Verhaltensveränderungen,

Wachstum, Entwicklung Alters-und Größenstruktur, Spezieszusammensetzung Hemmung von Enzymen,

Transportern, Ionenkanälen, Rezeptoren - dadurch Beeinflussung von Zell- teilung, Genexpression, Differenzierung und Wachstumsvorgängen, Störung durch Reaktion mit biologischen Strukturen - Lipidperoxidation, DNA- Addukte

Organtoxizitäten

insbesondere Nervensystem Immunsystem, hormonelle Regelungsmechanismen, Reproduktion, Entwicklung von Tumoren

Erhöhte

Krankheitsanfälligkeit durch verringerte Immunantwort, Störung der

Fortpflanzungsfähigkeit – Verweiblichung, verringerte Fertilität durch

hormonaktive Substanzen, Verhaltensänderung – Flucht, Nahrungssuche

Verlust von Arten, Instabilität von Ökosystemen

Durch die Kompartimentierung der Zelle sind die Reaktionsräume für die unterschiedlichen Stoff- wechselvorgänge innerhalb der Zelle getrennt. Die Stoffwechselvorgänge werden durch Enzyme katalysiert, durch verschiedenste Rückkopplungsmechanismen und übergeordnete Signal- und In- formationssysteme gesteuert und der Stofffluss durch die Membranen geregelt. Alle diese Prozesse stehen miteinander in Zusammenhang und können durch PSM gewollt (Schadorganismus) oder un- gewollt gestört werden.

Enzyme katalysieren anabole und katabole Stoffwechselwege und Transportprozesse im Organis- mus. Durch die spezifische und unspezifische Hemmung von Enzymen kommt es zur Störung von Stoffwechselwegen und Transportprozessen. Bei der unspezifischen Hemmung sind die Zielstruktu- ren in der Regel die SH- und Fe-, Zn- und Cu-tragenden Gruppen in den katalytischen Zentren der Enzyme oder Disulfidbrückenbindungen. [31, 54] Beispiel dafür sind Multi-site-Fungizide wie Di- thiocarbamate oder Kupferpräparate. Spezifische Wirkungen von Enzymen beziehen sich selektiv auf ein Enzym und blockieren einen Stoffwechselprozess. Beispiel dafür ist die Hemmung des Ci- tronensäurezyklus durch Fluoroacetat.

Weiterhin können zelluläre Signaltransduktionswege gestört werden. Durch die Bindung von spezi- fischen Liganden an Rezeptoren der Zellmembranen werden Signalwege der Zelle aktiviert oder in- aktiviert, die Zellteilung, Genexpression, Differenzierung und Wachstumsvorgänge regulieren. Ein Beispiel dafür ist DDT, das durch die Bindung an den AH-Rezeptor die Genexpression und damit die Induktion von Cyp1A1 bewirkt. In der Ökotoxikologie kommt der Ca-Homöostase der Zelle als

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Bioindikator eine große Bedeutung zu, da durch eine erhöhte Ca-Konzentration als einem zentralen Regulationsmechanismus, die Apoptose eingeleitet werden kann. Viele Enzymaktivitäten sind über die Ca-Konzentration gesteuert.[31]

PSM können die Funktion von Zellmembranen durch die Bildung von freien Radikalen stören. Ein Beispiel dafür ist Paraquat. Paraquat stört den Elektronentransport an den Mitochondrien- und Chloroplastenmembranen. Durch Übernahme von Elektronen aus der Elektronentransportkette der Atmungskette entstehen reaktive Sauerstoffspezies, die mit ungesättigten Fettsäuren der Mitochon- drien- und Chloroplastenmembranen reagieren und eine sich fortsetzende Lipidperoxidation in Gang setzen können.[67]

Schwache organische Säuren können als Entkoppler der oxidativen Phosphorylierung wirken indem Protonen unter Umgehung der energiegewinnenden ATPase von der inneren zur äußeren Mitochondrienmembran geschleust werden. Durch die Entkopplung läuft die Atmungskette im

„Leerlauf“ und es findet keine Produktion von ATP statt und energieabhängige Prozesse kommen zum Erliegen.[67]

Narkotische Wirkungen werden durch die Lösung lipophiler Substanzen in der Zellmembran hervorgerufen, die auf der Veränderung der Membraneigenschaften beruhen. Narkotische Wirkung spielen in der aquatischen Ökotoxikologie eine große Rolle. Die narkotische Wirkung ist eng mit dem Kow korreliert, der ein Ausdruck der Lipophilie ist. Narkotische Wirkungen werden durch verschiedenste Kohlenwasserstoffe ausgelöst. Neben der narkotischen Wirkung können spezifische Wirkungen, wie die Schädigung von Nerven durch z.B. Alkohol, hinzukommen.

Die DNA ist der Träger der genetischen Information. Für die erfolgreiche Reproduktion und das Aufrechterhalten der Lebensfunktionen ist die fehlerfreie/fehlerarme Weitergabe der genetischen Information wichtig. Elektrophile Substanzen können die DNA durch Reaktion mit derselben unter Bildung von Addukten schädigen. Durch freie Radikale können Einzel- oder Doppelstrangbrüche erzeugt werden. Bei vielen Substanzen tritt die schädigende Wirkung erst infolge der Aktivierung durch metabolisierende Enzyme, insbesondere CypP450-Enzyme auf. Durch die Schädigung der DNA kann es zu Punktmutationen (Fehlpaarungen der Nukleotide) kommen und und eine fehlerhafte Information kann an die Tochterzellen weitergegeben werden. Strangbrüche können zu Chromosomenaberrationen führen, die eine Fehlpaarung von Chromosomenabschnitten bedeuten.

Wenn durch Mutationen wichtige Regelmechanismen des Zellzyklus oder Mechanismen des programmierten Zelltodes gestört werden, können Tumoren entstehen. Neben den direkten Karzinogenen gibt es Tumorpromotoren, die keine genotoxische Wirkung besitzen, aber die Zellproliferation fördern. Da auch im „normalen“ Leben einer Zelle Mutationen oft auftreten, besitzt die Zelle Reparaturmechanismen. Nur bei Erschöpfung dieser Mechanismen und der Deregulation des programmieren Zelltodes bei irreversiblen Schäden ist eine Initiation der Kanzerogenese möglich. Die zukünftige EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln schließt die Zulassung von krebserregenden Stoffen der Kategorie 1 und 2 als WS aus oder definiert sie als mögliche Substitutionskandidaten.

Auf Organ- und Organismusebene spielen die Störung von übergeordneten Prozessen wie die Signalübertragung durch Nervenzellen im sympathischen, parasympathischen und zentralen Nervensystem eine besondere Rolle. Informationen werden über Aktionspotentiale, die sich entlang von Nervenzellen fortsetzen, übertragen. Dazu werden Na-, K- und Cl-Kanäle zur Polarisierung und Depolarisierung der Nervenmembran geöffnet und geschlossen. Die Informationsübertragung am Ende der Nervenzelle erfolgt über Synapsen mit Hilfe von Neurotransmittern. Durch Antagonisten und Agonisten von Neurotransmittern, die Störung des Abbaus von Neurotransmittern oder die Hemmung der Freisetzung der Neurotransmitter aus den Speichervehikeln der präsynaptischen Membran sowie die Störung der Ionenkanäle kann die Informationsübertragung beeinträchtigt oder unterbrochen werden. Dies entspricht einer hohen akuten Toxizität. Beispiele dafür sind

(13)

Organophosphate und Carbamate, die die Acetylcholinesterase hemmen, die den Abbau von Acetylcholin im synaptischen Spalt katalysiert. Ein weiteres Beispiel für die Störung von übergeordneten Prozessen ist Hemmung der Blutgerinnung durch Vitamin K-Antagonisten, die als Rodendizide eingesetzt werden.

Hormone regeln Fortpflanzung, Wachstum und Stoffwechselprozesse in Organismen. Durch die Störung des endokrinen Systems können o.g. Prozessen beeinträchtigt werden. Ursache können die Störung der Biosynthese und des Abbaus von Hormonen, die Imitation von Hormonen und Bindung an Hormonrezeptoren sein. Fortpflanzungsstörungen können durch die Dysbalance von weiblichen und männlichen Hormonen oder die Aktivierung oder Blockierung von Androgen- oder Östrogenre- zeptoren entstehen. Dabei ist die Schädigung in der Embryonalphase als Periode der Geschlechts- ausprägung besonders kritisch. Als Effekte treten Verweiblichung, Vermännlichung, geringe Fertili- tät und erhöhte Sterblichkeit der Nachkommen auf. In der Ökotoxikologie sind viele Beispiele von hormonwirksamen Substanzen bekannt, so sind die Pyrethroide estrogen wirksame Substanzen.[31]

Immuntoxische Wirkungen zeigen sich in der Immunsuppression oder fehlgeleiteten Immunantwor- ten wie Allergien oder Autoimmunreaktionen. So führt Dieldrin (nicht mehr zugelassen) zu einer Autoimmunreaktion gegen Erythrozyten und somit zu Anämie.

Die bisher dargestellten Mechanismen auf Zell-, Organ- und Organismusebene gelten in unterschiedlichen Gewichtungen für die Human- und die Ökotoxikologie. Die Wirkungen auf Populations-, Gemeinschafts- und Ökosystemebene werden in der Ökotoxikologie untersucht.

(14)

4 Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln

4.1 Institutionelle Verankerung

Die Bewertung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen erfolgt auf der Ebene der EU und wird im Rahmen eines Gemeinschaftsverfahrens durchgeführt. Dieses Verfahren wird von der Europäischen Kommission koordiniert. Im ersten Schritt notifiziert ein Unternehmen den Wirkstoff bei der Euro- päischen Kommission und reicht ein Dossier bei einem der Mitgliedstaaten der EU, dem Rapporteur Member State (RMS), ein. Das Dossier umfasst alle Studienberichte, Informationen und Unterla- gen, die in der RL 91/414/EWG verlangt werden (Annex II). Der RMS bewertet das Dossier und fasst die Ergebnisse in einem Bewertungsbericht (Draft Assessment Report, DAR) zusammen. In ei- nem Peer Review wird der DAR durch die Mitgliedstaaten der EU und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) diskutiert. Als Ergebnis einer positiven Bewertung wird ein WS in den Anhang I der RL 91/414/EWG aufgenommen [6].

PSM werden national zugelassen. Es können nur PSM zugelassen werden, deren Wirkstoff im An- hang I der RL 91/414/EWG aufgenommen wurde. Die Zulassung erfolgt auf der Grundlage des Pflanzenschutzgesetzes. Die Bewertung wird auf nationaler Ebene durch verschiedene Behörden durchgeführt und wird durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft (BVL) ko- ordiniert. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) untersucht die Auswirkungen auf die Ge- sundheit von Mensch und Tier, das Julius-Kühn-Insitut (JKI) prüft die Wirksamkeit, die Pflanzen- verträglichkeit sowie die praktische Anwendung und den Nutzen, das Umweltbundesamt (UBA) prüft die Auswirkungen auf den Naturhaushalt und das BVL ist zuständig für die Prüfung der Zu- sammensetzung und der chemisch-physikalischen Eigenschaften. Das BVL führt die Daten der be- wertenden Behörden zusammen und legt die Daten im Rahmen einer Anhörung dem Sachverständi- genausschuss für die Zulassung von PSM vor. Nach abschließender Bewertung aller Daten und Be- rücksichtigung des Votums des Sachverständigenausschusses für die Zulassung von Pflanzenschutz- mitteln wird das PSM vom BVL zugelassen oder eine Zulassung abgelehnt.[8]

4.2 Ansatz

Die zur Risikobewertung von PSM darzulegenden Daten und Bewertungskriterien gemäß Richtlinie 91/414/EWG untergliedern sich in folgende Bereiche:

Tab.4 Erforderliche Daten zur Risikobewertung

Wirkstoff (Annex II RL 91/414/EWG) Formulierung / PSM (Annex III RL 91/414/EWG)

1.Identität des WS 1. Identität des PSM

2.Physikalische und chemische Eigenschaften des WS

2. Physikalische, chemische und technische Eigenschaften des PSM

3. Angaben über die Anwendung 3.Weitere Informationen über den WS 4. Weitere Informationen über das PSM

4. Analyseverfahren 5. Analyseverfahren

6. Wirksamkeitsdaten 5. Toxikologische und Metabolismus-

Untersuchungen des WS 7. Toxikologische Untersuchungen 6. Rückstände in und auf behandelten

Erzeugnissen, Lebens- und Futtermitteln 8. Rückstände in und auf behandelten Erzeugnissen, Lebens- und Futtermitteln

7. Verbleib und Verhalten in der Umwelt 9. Verbleib und Verhalten in der Umwelt 8. Ökotoxikologische Untersuchungen 10. Ökotoxikologische Untersuchungen

(15)

Zum Antrag zur Aufnahme eines WS in den Annex I der RL 91/414/EWG muss eine repräsentative Anwendung mit dem beantragten WS eingereicht werden.

In den nachfolgenden Kapiteln wird eine Übersicht über die geforderten Studien der markierten Bereiche gegeben. Der überwiegende Teil der Studien wird mit den Wirkstoffen durchgeführt.

Wenn von den Daten der Wirkstoffprüfung nicht auf die formulierten PSM extrapoliert werden kann, werden Tests mit den PSM durchgeführt, z.B. durch Lösungsmittel, Fließmittel, etc. sind veränderte Eigenschaften zu erwarten. Bestimmte Grundlagentests werden grundsätzlich an WS und PSM getestet, z.B. Akuter Fischtest. Daten zur Anwenderexposition werden mit den PSM ermittelt.

Die Bewertungskriterien zur einheitlichen Bewertung und Zulassung von PSM sind in Annex VI der RL 91/414/EWG dargelegt und untergliedern sich in die Kapitel Bewertung und Entscheidungs- verfahren. Sie stellen die Grundlagen für die Risikobewertung dar und sind Richtschnur für notifizierenden Unternehmen und Bewertungsbehörden.

Der Prozess der Risikobewertung von PSM untergliedert sich in 4 Stufen:

Gefahrenidentifikation und Ermittlung der Dosis-Wirkungsbeziehung

Expositionsabschätzung

Risikobewertung

Risikomanagementmaßnahmen Tab.5 Prozess der Risikobewertung

Schutzgut Auswirkungen auf die Gesundheit von

Mensch und Tier Auswirkungen auf die Umwelt

Gefahren-

identifikation - Ermittlung relevanter Metaboliten, Abbau- und Reaktionsprodukten - Ermittlung des toxikologischen Profils

- Identifikation der relevanten toxikologischen Effekte - Aufstellung von Dosis-Wirkungsbeziehungen

Studien - ADME-Studie

- Kurzzeittoxizität - Genotoxizität

- Reproduktionstoxizität - Neurotoxizität

- Medizinische Daten von Menschen

- Abbauweg Boden, Wasser

- Wasserlebewesen (Fische, wirbellose Wasserlebewesen, Algen)

- Vögel - Arthropoden - Regenwürmer

- Nichtzielorganismen (Flora, Fauna) Toxikologische

Werte - Ableitung NOAEL

- Ableitung von Referenzwerten: ADI, ARfD und AOEL

- Ableitung von LC50, EC50, NOEC

Exposition - Exposition über Rückstände Lebens- und Futtermittel

- Anwenderexposition

- Ermittlung max. und mittlere Belastung

- Exposition im Boden, Wasser (Grund- und Oberflächenwasser), Luft

- Anreicherung im Boden und in der Nahrungskette

- Ermittlung PEC, ETE Risikobewertung - Abgleich ADI, ARfD und AOEL mit der

Exposition

- Bewertung ausschließender Gefährdungs- potentiale gemäß zukünftiger EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutz- mitteln

- Ermittlung TER, HQ und weitere zu bewertende Eigenschaften BCF, DT50, DT90

- Bewertung ausschließender Gefährdungs- potentiale gemäß zukünftiger EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutz- mitteln

Bewertung unter Zuhilfenahme aller verfügbaren Informationen, Zulassung von PSM

(16)

Schutzgut Auswirkungen auf die Gesundheit von

Mensch und Tier Auswirkungen auf die Umwelt

Risikomanage-

mentmaßnahmen Festlegung von Anwendungsbestimmungen (Aufwandmenge, Anzahl der Anwendungen, Wartezeiten, Mindestabstände zu Gewässern), Rückstandsdefinition für das Monitoring, Festlegung MRL, Sicherheitshinweise, sichere Verpackung

Mit Hilfe von toxikologischen und ökotoxikologischen Tests werden Gefährdungspotentiale und Wirkprofile von Wirkstoffen und PSM ermittelt. Dazu sind für die einzelnen Bereiche Standardtests festgelegt, die bei Identifikation von toxikologischen oder ökotoxikologischen Effekten um speziel- lere Tests ergänzt werden. In die Bewertung gehen die minimalen toxikologischen Werte, z.B. NO- AEL (No Observed Adverse Effect Level), NOEC (No Observed Effect Concentration) der sensi- belsten Tierart ein.

Die Exposition in den relevanten Kompartimenten wird aus zahlreichen Grundlagendaten in der Regel über die Anwendung eines Szenarios und einer mathematischen Modellierung ermittelt.

Dabei müssen Daten zu Ausbringungsarten hier insbesondere Abdriftdaten, Daten zum chemischen, physikalischen und biologischen Abbau, Daten zur Adsorption im Boden sowie Daten zur Bioakkumulation eingehen. Die Szenarios und Modellierungen sind abhängig vom betrachteten Schutzgut (Mensch, Vogel, Regenwurm, Fisch, Grundwasser). Es wird dabei in der Regel die maximal mögliche Expositionshöhe ermittelt und in die Bewertung einbezogen.

Die Risikobewertung erfolgt durch einen Vergleich der toxikologischen Werte und der Exposition.

Dazu werden die toxikologischen Werte mit Sicherheitsfaktoren multipliziert um mögliche Unsicherheit abzusichern, die aus Inter- und Intraspeziesunterschieden und der Güte der vorhandenen Daten resultieren. Wenn das Verhältnis der so abgesicherten toxikologischen Werte und Exposition positiv ist, wird das PSM als sicher betrachtet. Die konkreten Bewertungskonzepte und Bewertungsschemata innerhalb der Humantoxikologie und Ökotoxikologie unterscheiden sich jedoch stark.

4.3 Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln in Bezug auf die Auswirkungen auf Mensch und Tier unter Berücksichtigung von Rückständen von Pflanzenschutzmitteln

Die Grundsätze der Risikobewertung von PSM sind in der Richtlinie 91/414/EWG und hier insbe- sondere in den Anhängen II – Anforderungen an die Unterlagen zum Antrag auf Aufnahme eines Wirkstoffes in Anhang I, Anhang III – Anforderungen an die Unterlagen, die dem Antrag auf Zulas- sung eines Pflanzenschutzmittels beizufügenden Unterlagen und Anhang VI – Einheitliche Grund- sätze für die Bewertung und Zulassung chemischer Pflanzenschutzmittel dargelegt. Alle genannten Anhänge sollen gemäß des Entwurfes der zukünftigen EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln in eigenständige EU-Verordnungen übernommen werden.

In Annex II 5. und Annex III 7. sind die Untersuchungen festgelegt, die zur Abschätzung der Art und des Ausmaßes des Risikos von WS und PSM für Mensch und Tier durchzuführen sind. Annex II 6. und Annex III 8. listet den Untersuchungsumfang zur Bewertung von Rückständen in oder auf behandelten Erzeugnissen, Lebensmitteln und Futtermitteln auf.

Auf Grundlage der eingereichten Unterlagen können,

die toxikologischen Referenzdosen ADI (Acceptable Daily Intake), AOEL (Acceptable Ope- rator Exposure Level) und ggf. ARfD (Acute Reference Dose) abgeleitet werden,

die Exposition von Menschen und Tieren durch Rückstände des Wirkstoffes, seiner relevan- ten Metaboliten, Abbau- und Reaktionsprodukten in der Nahrung und Futtermitteln ab- schätzt werden,

die Exposition von Arbeitern, Umstehenden und Betriebspersonal mit dem Wirkstoff und

(17)

PSM abgeschätzt werden,

Bewertungen des Risikos von Arbeitern, Umstehenden und Betriebspersonals durch die Exposition mit dem Wirkstoff und PSM durchgeführt werden,

Bewertungen des Risikos für den Menschen durch Rückstände des Wirkstoffes, seiner relevanten Metaboliten, Abbau- und Reaktionsprodukten in der Nahrung durchgeführt werden,

die Entscheidung über die Aufnahme eines WS in Anhang I getroffen werden,

der Wirkstoff und das PSM hinsichtlich seiner Gefahr eingestuft und gekennzeichnet werden,

geeignete Erste-Hilfemaßnahmen festgelegt werden.

Nachfolgender Untersuchungsumfang ist gemäß den Anhängen II und III der RL 91/414/EWG durchzuführen:

Tab. 6 Untersuchungsumfang Toxikologie und Rückstände

Test WS PSM Zweck

Toxikologie / Metabolismus ADME

Untersuchungen von Absorption, Verteilung, Ausscheidung und Metabolismus bei Säugetieren

x Bewertung der Absorptionsrate und -menge, Verteilung im Gewebe, Ausscheidungsrate der Prüfsubstanz und relevanter Metabolite, Identifizierung der Metabolite und deren Stoffwechselverlauf

Akute Toxizität oral, dermal, inhalativ Haut- und Augenreizung Hautsensibilisierung

x x Einschätzung der Auswirkung einer einmaligen Exposition in Bezug auf die Toxizität, zeitlichen Verlauf, mögliche

Mechanismen, relative Gefahr der Aufnahme über verschiedene Expositionswege

Einschätzung des Haut- und Augenreizungspotentials Einschätzung des Hautsensibilisierungspotentials Kurzzeittoxizität

Oral Studie 28-Tage, orale Studie 90- Tage, dermale oder inhalatorische Studien

x Einschätzung der Auswirkung einer wiederholten Wirkstoffexposition, Dosis-Wirkungszusammenhang,

Wirkstofftoxizität, ggf. Ableitung des NOAEL, Identifikation von Zielorganen, zeitlicher Verlauf der Symptome, besondere toxische Wirkungen, ggf. Persistenz und Reversibilität der Vergiftung, relatives Risiko entsprechend den verschiedenen

Expositionswegen Genotoxizität

Mutagentitätstests (in-vitro Bakterienzellen, Säugerzellen) In-vivo-Untersuchungen mit somatischen Zellen oder Keimzellen

x Abschätzung der Genotoxizität, Früherkennung genotoxischer Substanzen, Ermittlung der Wirkungsweise einzelner

Kanzerogene

Langzeittoxizität und Kanzerogenität x Ermittlung schädlicher Folgen der Wirkstoffexposition und ggf.

Ermittlung von Zielorganen, Dosis-Wirkungsbeziehungen, Veränderungen der beobachteten Vergiftungserscheinungen, Festlegung des NOAEL

Reproduktionstoxizität

Mehrgenerationenuntersuchungen

Prüfung auf Entwicklungstoxizität

x x

x

Störung der männlichen und weiblichen Fruchtbarkeit, Störung der normalen Entwicklung der Nachkommenschaft,

Auswirkungen der wiederholten Wirkstoffexposition für die Reproduktion, etwaige Steigerung der allgemeinen Toxizität in Bezug zu anderen Studien, Ermittlung der Dosis-

Wirkungsbeziehung, Festlegung NOEAL

Auswirkungen der wiederholten Wirkstoffexposition für die Embryonal- und Fötalentwicklung, Ermittlung der Dosis- Wirkungsbeziehung bei Muttertier und Nachkommenschaft, Festlegung NOEAL

(18)

Test WS PSM Zweck

Prüfung auf verzögerte Neurotoxizität x Klärung, ob ein Wirkstoff nach akuter Exposition verzögert neurotoxisch ist (Organophosphate)

Zusätzliche Prüfung (x) Toxikologische Prüfung von Metaboliten

erweitere ADME-Studien, Prüfung des neurotoxischen Potentials, Prüfung des immuntoxischen Potentials, Untersuchung sonstiger Verabreichungswege

Medizinische Daten x Bestätigung der getroffenen Schlussfolgerungen und

Übertragungen von Studiendaten auf den Menschen in Bezug auf die Zielorgane, die Dosis-Wirkungsbeziehung, die Umkehrbarkeit toxischer Wirkungen

Hautabsorption (x) Absorption des Wirkstoffs und der toxikologisch relevanten Verbindung durch die Haut

Exposition Pflanzenschutzmittelanwendung

Anwenderexposition x Ermittlung der Exposition durch Abschätzung der Anwenderexposition unter vorgesehenen

Anwendungsbedingungen unter Nutzung eines geeigneten Berechnungsmodells oder durch Messungen, ggf.

Hautabsorptionstests, subakute dermale Toxizität

Exposition umstehender Personen x Abschätzung der Exposition umstehender Personen unter vorgesehenen Anwendungsbedingungen unter Nutzung eines geeigneten Berechnungsmodells

Exposition Betriebspersonal x Ermittlung der Exposition durch Abschätzung der Exposition des Betriebspersonals unter vorgesehenen Anwendungsbedingungen unter Nutzung eines geeigneten Berechnungsmodells oder durch Messungen

Rückstände in oder auf behandelten Erzeugnissen, Lebensmitteln und Futtermitteln Metabolismus, Verteilung und

Berechnung der Rückstände in Pflanzen

x (x) Abschätzung der Gesamtrückstände in dem relevanten Teil der Kultur zum Erntezeitpunkt, Feststellung der Hauptbestandteile der Gesamtrückstände, Angabe zur Verteilung der Rückstände, Quantifizierung der Hauptbestandteile des Rückstandes und Ermittlung der Leistungsfähigkeit der Extraktionsverfahren für diese Bestandteile, Entscheidung über Definition und Berechnung eines Rückstandes

Metabolismus, Verteilung und Berechnung der Rückstände bei landwirtschaftlichen Nutztieren

x Feststellung der Hauptbestandteile der Gesamtrückstände in Futtermitteln, Quantifizierung der Abbaugeschwindigkeit, Ausscheidung in bestimmten tierischen Erzeugnissen (Milch und Eier), Verteilung im Tier, Quantifizierung der Hauptbestandteile des Rückstandes und Ermittlung der Leistungsfähigkeit der Extraktionsverfahren für diese Bestandteile

Rückstandsuntersuchungen x (x) Quantifizierung der höchstmöglichen Rückstandsgehalte in behandelten Kulturen zum Zeitpunkt der Ernte oder Entnahme aus dem Lager, realistisch ungünstigster Fall, Betrachtung verschiedener Anbauszenarien für die Anwendung und Kultur Fütterungsversuche an

landwirtschaftlichen Nutztieren

x (x) Bestimmung von Rückständen in Erzeugnissen tierischen Ursprungs, die von Rückständen aus Futtermitteln oder Futterpflanzen herrühren

Auswirkungen der industriellen

Verarbeitung x (x) Abschätzung des Auftretens von Abbau- oder Reaktionsprodukten mit toxikologischer Bedeutung, für die ggf. eine gesonderte Risikobewertung notwendig ist, quanitative Verteilung von Rückständen in Zwischen- und Endprodukten, Ermittlung von Übergangsfaktoren, realistische Abschätzung der Aufnahme von Rückständen mit der Nahrung

(19)

Test WS PSM Zweck

Rückstände in Nachbaukulturen x (x) Bewertung etwaiger Rückstände in Nachbaukulturen, durchzuführen, wenn>10% WS, Metaboliten, Abbauprodukte verbleiben im Boden oder Ernterückständen verbleiben jeweiligen chemischen Veränderungen

Wie bereits zu Beginn dieses Kapitel ausgeführt, setzt sich die Risikobewertung aus den Schritten der Gefährdungsidentifikation und Ermittlung der Dosis-Wirkungsbeziehung, der Expositionsab- schätzung und der Risikobewertung im engeren Sinne zusammen.

Das Gefahrenpotential und das Wirkprofil der WS und Metaboliten wird durch die in der RL 91/414/EWG geforderten Untersuchungen und ggf. weiterführende Studien ermittelt. Die Studien werden nach international anerkannten Richtlinien der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), den OECD Guidelines for the Testing of Chemicals Section 4: Health Ef- fects, Section 5: Other Test Guidelines und EU-Guidelines unter GLP-Bedingungen durchgeführt [56].

Dabei werden in den einzelnen Studien eine Vielzahl von toxikologischen Endpunkten erhoben und die Effekte durch Vergleich mit den Kontrollgruppen mit Hilfe statistischer Verfahren bestätigt.

In der Regel stehen ADME-Studien zu Beginn des Studiendesign. Mit ihnen wird ermittelt wie der Wirkstoff im Modellorganismus verstoffwechselt wird, welche Metaboliten entstehen, wie die Aus- scheidung aus dem Organismus erfolgt, in welchen Organen die höchsten Stoffgehalte zu erwarten sind. In den akuten Studien (einmalige Dosis) und den Kurzzeitstudien (28 Tage, tägliche 1 Dosis) werden akute Effekte, Zielorgane, ggf. Wirkmechanismen und Erkenntnisse über den Verlauf der Symptomatik, die Latenz und Rekonvaleszenz gewonnen. Die Kurzzeitstudien dienen weiterhin der Dosisfindung für die chronischen Studien und Reproduktionsstudien.

In den chronischen Studien werden Effekte ermittelt, die nach langer bzw. lebenslanger Exposition mit geringeren Dosierungen auftreten. Ziel ist es, das Wirkprofil der Substanz bei wiederholter Auf- nahme zu ermitteln. Die Dosierungen werden so gewählt, dass die Lebenserwartung der Versuchs- tiere durch die Applikation der Testsubstanz nicht verringert wird. Mit chronischen Tests können Ef- fekte ermittelt werden, die zur Ausprägung einer bestimmten Latenzzeit bedürfen, z.B. Tumorenbil- dung, Gewebeproliferation durch fortlaufende Reizung.

Es werden in den einzelnen Studien eine Vielzahl von Parametern abhängig vom Studienzweck er- hoben, dies sind unter anderem Körpergewicht, Futter- und Wasseraufnahme, Verhaltensparameter, Hämatologie, klinische Chemie (z.B. Enzym- und Hormonstatus), Urinuntersuchungen, Organge- wichte, anatomisch-pathologische sowie histopathologische Untersuchungen von Organen und Ge- weben, einschließlich Tumoranzahl und Inzidenz. Die histopathologischen Untersuchungen spielen in den chronischen Studien, Kanzerogenitätsstudien und Reproduktionsstudien eine besondere Rol- le. Neben der Ermittlung des Wirkprofils werden die Studien durchgeführt, um aus den Studien mit wiederholter Gabe den NOAEL – den No Observed Adverse Effekt Level abzuleiten. Der NOAEL stellt die höchste Dosis eines Stoffes dar, bei der gerade noch kein (schädlicher) Effekt feststellbar ist [63].

Von den in den verschiedenen Studien ermittelten NOAEL werden Referenzdosen abgeleitet. Es be- steht dabei ein Zusammenhang zwischen der Dauer der Studie und dem abzuschätzenden Expositi- onsszenario. So wird der ADI (Acceptable Daily Intake) aus dem NOAEL chronischer Studien, Kanzerogenitätsstudien oder Reproduktionsstudien, der AOEL (Acceptable Operator Exposure Le- vel) aus dem NOAEL subakuter oder subchronischer Studien und der ARfD (Acute Reference Dose) in der Regel aus der NOEL subakuter Studien und Ergebnissen akuter Studien abgeleitet.

ADI, ARfD und AOEL sind Referenzdosen, die toxikologisch abgeleitete Aufnahmemengen für den

(20)

Menschen festlegen und unterschiedliche Expositionsbereiche betreffen. [22, 26, 63]

Der ADI-Wert ist die Dosis, die bei lebenslanger Aufnahme als gesundheitlich unbedenklich gilt und bezieht sich auf die Aufnahme der Stoffe durch die Nahrung. Der ADI deckt das Risiko einer chronischen Belastung mit niedrigen Dosen ab. Manche WS und PS haben jedoch das Potential ei- ner akuten Gefährdung nach einmaliger Aufnahme. Dafür wurde das Konzept der Akuten Referenz- dosis entwickelt, das das akute Risiko nach einmaliger Aufnahme abdeckt. Die Akute Referenzdosis (ARfD) ist als diejenige Substanzmenge definiert, die ein Verbraucher innerhalb eines Tages ohne erkennbares Gesundheitsrisiko über die Nahrung (mit einer oder mehreren Mahlzeiten) aufnehmen kann [3].

Arbeiter, Betriebspersonal und Umstehende sind PSM direkt über die Luft (Aerosole, Stäube) oder über das Abstreifen von PSM von behandelten Flächen oder Pflanzen und Pflanzenteilen im Nach- ernteprozessen ausgesetzt. Der AOEL bezieht sich auf den Anwender von PSM und stellt die Dosis dar, die für das Szenario Pflanzenschutzmittelanwendung als unbedenklich gilt. Der AOEL bezieht sich auf die Hauptaufnahmerouten Lunge und Haut, wobei in der Regel von oralen Studien auf die inhalative Route extrapoliert wird. Für die dermale Exposition sind Hautabsorptionstest in der RL 91/414/EWG vorgesehen.

Die Ableitung der Referenzdosen erfolgt durch folgendes Schema:

niedrigster NOEAL der relevanten Studie * Sicherheitsfaktor = Referenzdosis

Sicherheitsfaktoren sind Extrapolationsfaktoren die Unsicherheiten durch Extrapolationen innerhalb der Spezies und von der Modellspezies zum Menschen absichern. Der Gesamtfaktor entspricht in der Regel 100 und setzt sich aus 10 für Interspezies-Unterschiede und 10 für Intraspezies-Unter- schiede zusammen. Die Sicherheitsfaktoren können variieren. Wenn eine unsichere Datenbasis vor- liegt oder wenn ein Wirkstoff schwerwiegende Effekte auslöst, wird der Sicherheitsfaktor erhöht.

Bei sehr umfassender toxikologischer Datenlage oder dem Vorliegen von Humandaten kann der Si- cherheitsfaktor auch gesenkt werden.[63] Durch die zukünftige EU-Verordnung über das Inverkehr- bringen von Pflanzenschutzmitteln haben sich in Bezug auf diese Bewertungspraxis Veränderungen ergeben, die in Kapitel 6 ausgeführt werden.

Durch die abgeleiteten Referenzdosen stehen Daten zu kritischen Dosen zur Verfügung, die durch Expositionen aus der Nahrung und derjenigen im Rahmen der Ausbringung der PSM nicht über- schritten werden sollten. Um die mögliche Exposition von Verbrauchern, Arbeitern, Umstehenden und Betriebspersonal abzuschätzen wurden Expositionsmodelle entwickelt, die sich auf die Daten der in der RL 91/414/EWG geforderten Untersuchungen stützen. Die Daten zur Exposititon der Ar- beiter, des Betriebspersonals und von Umstehenden sowie Anwohnern werden in Rahmen der Zu- lassung der PSM gefordert. Es stehen dazu verschiedene Anwenderexpositionsmodelle zur Verfü- gung, z.B. für Spritz- und Sprühapplikationen, das deutsche Anwenderschutzmodell (BBA 1992) und das UK Predictive Operator Exposure Model (POEM). Für die Bewertung der der Anwender- exposition von Betriebspersonal (Exposition bei Wiederbetretung) und die Expositionsabschätzung von Umstehenden und Anwohnern sind Leitlinien entwickelt worden und auf den Seiten des BVL abrufbar. [7]

Die Bewertung des Risikos für Arbeiter, Betriebspersonal und Umstehende sowie Anwohner er- folgt durch den Abgleich des AOEL mit der ermittelten Exposition. Bei Überschreiten des AOEL durch die Exposition besteht die Möglichkeit der Verfeinerung der Datenlage durch weitere Studien, die zu höheren AOEL oder geringeren Expositionswerten führen. Weiterhin können Risikomini- mierungsmaßnahmen wie erweiterte Arbeitsschutzbekleidung, Änderung des Ausbringungsver- fahrens oder Verringerung der Ausbringungsmenge zur befriedigenden Datenlage führen.

Wie in Kapitel 4.1 ausgeführt, werden die Wirkstoffe auf der Ebene der EU und die PSM auf der Ebene der Mitgliedsstaaten bewertet. Zum Antrag für die Aufnahme eines WS in den Anhang I der

(21)

RL 91/414/EWG müssen Rückstandsstudien zu repräsentativen Anwendungen eines Wirkstoffs und eine repräsentative Beispielformulierung vorgelegt werden.

Die Abschätzung der Exposition der Verbraucher durch Pflanzenschutzmittelrückstände erfolgt durch die in der RL 91/414/EWG geforderten Studien. Es wird von den Metabolismusstudien in der Pflanze und im Tier ausgegangen, um zu ermitteln, welche Metaboliten in der Pflanze und im Tier gebildet werden und ob sie sich von den Metaboliten, die in den toxikologischen Studien insbeson- dere ADME-Studien identifiziert wurden unterscheiden und ggf eine separate Risikobeurteilung für relevante Metaboliten erfolgen muss. In den Rückstandsstudien und Verarbeitungsstudien werden mögliche Rückstandsgehalte ermittelt, die in Lebens- und Futtermitteln maximal auftreten können.

In den Verarbeitungsstudien wird weiterhin ermittelt, ob durch Verarbeitungsprozesse im Haushalt oder in der Industrie Abbau- und Reaktionsprodukte gebildet werden, die für die Risikobewertung relevant sind und ggf. separat bewertet werden müssen.[3]

Die Bewertung der Rückstände betrifft als erstes die Definition des Rückstandes, d.h. es muss die Entscheidung getroffen werden, welche Metaboliten, Abbau- und Reaktionsprodukte in die Rück- standsdefinition einbezogen werden. Die Entscheidung erfolgt auf Grund der toxikologischen Be- deutung der Stoffe, der wahrscheinlichen Gehalte und Anwendbarkeit für das Nachzulassungs- monitoring. Auf Grundlage der Rückstandsdefinition kann die Höhe der Rückstände in Lebensmit- tel ermittelt werden. Ausgehend von den in den Rückstandsstudien ermittelten maximalen Rück- standsgehalten können Maxium Residue Level (MRL) für einzelne Kulturen festgelegt werden. Da- bei sind die bereits festgelegten MRL anderer Kulturen zu beachten, d.h. in der Summe aller Rück- stände gemäß eines repräsentativen Warenkorbs darf der ADI nicht ausgenutzt sein und der ARfD nicht überschritten werden. Es wird dabei zwischen durchschnittlichen Verzehrmengen (Median der Rückstandsgehalte und mittlere Verzehrmengen), die zur Überprüfung der Ausnutzung des ADI- Wertes (chronisches Risiko) dienen und der maximalen Aufnahmemenge (höchster Rückstand, höchste Verzehrmenge) für die Überprüfung der Überschreitung des ARfD unterschieden.[3]

In der deutschen Bewertung wird überwiegend mit Daten der VELS-Studie gearbeitet, die das Ver- zehrverhalten von 2-5-jährigen Kindern als eine der sensibelsten Verbrauchergruppen beinhaltet.

4.4 Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln in Bezug auf die

Auswirkung auf die Umwelt unter Berücksichtigung des Verhaltens und Verbleibs in der Umwelt

In Annex II 7. und Annex III 9. der RL 91/414/EWG sind die Untersuchungen zum Verbleib und Verhalten in der Umwelt festgelegt. Annex II 8. und Annex III 10. der RL 91/414/EWG listet den Untersuchungsumfang zur ökotoxikologischen Bewertung auf.

Auf Grundlage der eingereichten Unterlagen besteht die Möglichkeit der

Beurteilung der Auswirkungen auf nicht zur Zielgruppe gehörenden Arten (Flora und Fauna),

Bewertung der Kurz- und Langzeitgefährdung der nicht zu den Zielgruppen gehörenden Arten, Populationen, Lebensgemeinschaften,

Entscheidung über die Aufnahme des WS in Anhang I der RL 91/414/EWG,

Beurteilung von Verbleib und Verhalten des WS, relevanten Metaboliten, Abbau- und Reaktionsprodukten in der Umwelt sowie Vorhersage der entsprechenden Zeitabläufe,

begründeten Abschätzung der erwarteten Konzentrationen (Predicted Environmental Concentration – PEC) von WS, relevanten Metaboliten, Abbau- und Reaktionsprodukten im Boden, im Oberflächenwasser, im Grundwasser und in der Luft (Kurzzeit, Langzeit),

Ermittlung von Zielorganismen, die auf Grund der Exposition gefährdet sind,

Festlegung von Maßnahmen, die eine Kontamination der Umwelt und Auswirkungen auf

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