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Archiv "Keine Spekulationen und keine Sensationen" (28.11.1974)

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Academic year: 2022

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

KUNSTMARKT

Die Deutsche Kunst- und Antiquitä- tenmesse, Münchens vielleicht glanzvollstes Jahresereignis, ein ausgesprochener Anziehungspunkt für zahllose Ärzte-Sammler, ist vor- über. Daß trotz des miserablen Herbstwetters, trotz Wahlen und Geldknappheit wenigstens 20 Pro- zent mehr Besucher als irn Vorjahr registriert werden konnten, allein dies setzte schon in Erstaunen; sol- cher Publikumserfolg darf ange- sichts der Invasion von Kunstmes- sen aller Art und Güte heute nicht mehr als Selbstverständlichkeit an- gesehen werden. Daß diese Besu- cher keineswegs ausschließlich aus Bajuwaren bestanden, sondern aus allen Teilen der Bundesrepublik, voran dem Rheinland und Ham- burg, aber auch aus der Schweiz und Österreich, kamen, spricht ent- schieden für die Bedeutung der Münchner Messe, die nach wie vor an der Spitze der nationalen Kunst- messen steht, nicht nur dank des erlesenen, streng geprüften und ständig überwachten Angebots ausgesucht guter Stücke, sondern zu einem erheblichen Teil auf Grund des besonderen, einfach nicht kopierbaren Fluidums, das ihr zu eigen ist. Bei allem Glanz, allem Luxus, aller kalten Pracht oder Er- habenheit — ein „bisse) Herz ist immer dabei", ganz so, wie Messe- begründer Johannes Keller es vor 19 Jahren anregte. Und das gerade macht diese Messe in der bayeri- schen Metropole so anziehend und liebenswert, selbst für den, der gar nichts auf ihr kauft.

Keine Spekulationen!

Doch es wurde gekauft! In den er- sten Tagen schon hatten manche Kojen „das ganze Geschäft" ge- macht, andere zumindest die rei- nen Unkosten glatt heraus, und das will, angesichts der horrenden

Preise für Stand, Katalog, Wer- bung, Reise und zehntägigen Auf- enthalt sowie Transport bei Gott etwas heißen.

Es gab keine Sensationen, keine Spekulationen. Aber es gab sehr viel nüchterne Überlegungen, sehr vorsichtiges Abwägen, lange Ver- kaufsgespräche, die oft erst im Verlauf des nächsten Tages zum Abschluß führten. Man war vorsich- tig, aber nicht abstinent. Die gewis- se Flaute um die Messe-Halbzeit herum wich einem erneuten Käu- feransturm in den letzten Tagen, offensichtlich begünstigt durch die Senkung des Diskontsatzes.

Was bevorzugten die Sammler?

Gekauft wurde in der Regel vor al- lem die „gehobene Klasse" in den Sammlersparten Silber, Gemälde, Porzellan, hochwertiges Kunstge- werbe, dekoratives Mobiliar. Reine Spitzenstücke mit sechsstelligen Preiszahlen bildeten auch in Mün- chen die Ausnahme. Daß eine Röntgen-Poudreuse, ein um 1600 entstandener schwer vergoldeter Büttenmann, ein Van-der-Neer- und ein Wouvermann-Gemälde, alle weit jenseits der Hunderttausend- markgrenze gelegen, schon am er- sten Tage neue Besitzer fanden, war zwar für die Veranstalter ein spektakulärer Auftakt, der sich schnell herumsprach, ließ jedoch glücklicherweise nicht unbremsba- re Euphorie aufkommen!

Die Auskünfte über die zustande- gekommenen Geschäfte sind ohne- hin nur mit gewisser Vorsicht zu genießen und immer recht unter- schiedlicher Art. Sie reichen prak- tisch vom „Über-Erwarten-gut"

über ein breites „Vollauf zufrieden"

bis hinab zu „kein Stück verkauft".

Auch das gab es nämlich, und es nahm, Stand und Angebot genau unter die Lupe genommen, nicht

unbedingt wunder: Überteuerte Objekte hatten so gut wie keine Chance. Man war durchaus bereit, zu zahlen, sich beraten zu lassen, aber man wollte nicht geschröpft werden!

Das ebenso interessierte wie ver- sierte Münchner Publikum schob da entschieden einen Riegel vor!

Sehr gefragt und sehr hoch bezahlt wurde das gehobene Gebrauchs- möbel deutscher und französischer Provenienz. Wer, wie ein Münchner und ein Wiesbadener Spitzenhänd- ler, in solcher Güte so haargenau das anzubieten vermochte, was der Interessent in München sucht, der brauchte um Anklang und Absatz nicht zu bangen. Die bestechend schönen Braunschweiger, Dresd- ner und süddeutschen Barockmö- bel, ergänzt durch eine wahre Fülle der momentan noch immer so be- liebten Genre- und Landschaftsbil- der des 19. Jahrhunderts, zumeist Münchner und Düsseldorfer Schu- le, wechselten so schnell den Be- sitzer, daß das Auffüllen der Kojen mit der mitgebrachten Reserve fast problematisch wurde.

An den prominenten Ständen er- wies sich von neuem, daß gerade der hochspezialisierte Kunsthänd- ler es heute nicht mehr ganz so einfach hat, seine Kundschaft in der rechten Weise zu bedienen und wirklich zufriedenzustellen: Viele Sammler, die sich seit Jahr und Tag intensiv mit ihrem Gebiet und allem, was damit zusammenhängt, beschäftigen, haben sich im Laufe dieser Zeit zu ausgesprochenen Kennern entwickelt, die man nicht mehr unterschätzen darf. Sie stell- ten und stellen detaillierte Fragen und Ansprüche an das Objekt (Er- haltungszustand, Alter, Provenienz, Historie und „Lebensweg"», die manchen Händler in Verlegenheit bringen können. Mit anderen Wor- ten: Die kritischen Sammler lassen sich nicht mehr ohne weiteres ein X für ein U vormachen! Eine gute Entwicklung, die auf ihre Weise sehr wohl zur „Marktsäuberung", zur Trennung der Spreu vom Wei- zen, beitragen kann.

Britta Steiner-Rinneberg

Keine Spekulationen und keine Sensationen

Eine kritische Würdigung der Kunst- und Antiquitätenmesse München

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 48 vom 28. November 1974 3519

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