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Archiv "Arzneimittelreport: Ohne kritische Distanz" (28.09.2012)

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Das Leser-Forum

KREB SFRÜHERKENNUNG

In Zukunft sollen auch organisierte Krebsfrüherken- nungsprogramme für Gebärmutter- halskrebs und Darmkrebs durchge- führt werden (DÄ 29–30/2012: „Krebs- plan-Umsetzungsgesetz: Screening und Register gegen den Krebs“ von Thomas Gerst).

Mehr Schaden als Nutzen

Dass unser Gesundheitsminister mehr für die Krebsvorsorge tun und die Krankenkassen in eine aktivere Rolle drängen will, ist löblich und notwendig . . . Der Plan jedoch, alle Versicherten zu Früherkennungsun- tersuchungen einzuladen, weist in eine falsche Richtung.

Verfolgt man konsequent die zu- grundeliegende Vorstellung größe- rer Heilungschancen bei frühzeiti- ger Karzinomerkennung, so zwingt dies zum Einsatz sensitiverer Unter- suchungsmethoden als bislang. Statt Mammographie müssten die Kern- spintomographie, statt Hämoccult® die wesentlich empfindlicheren mo- lekularen DNA-Stuhltests, statt di- gital rektaler Untersuchung das PSA und molekulargenetische Tests eingesetzt werden. Abgesehen von den Nachteilen des hiermit verbun- denen hohen finanziellen Aufwands würden wir Onkologen uns noch stärker als bislang mit zwei wesent- lichen Problemen konfrontiert se- hen, nämlich dem Problem der falschpositiven Krebsbefunde und dem sich aus der Überdiagnostik er- gebenden therapeutischen Dilemma.

Je höher die Sensitivität einer Früh- erkennungsmaßnahme, desto größer das Risiko falschpositiver Befunde mit unnötigen Nachuntersuchungen und im schlimmsten Fall auch un- nötigen Therapien. Bekanntlich ist die Rate falschpositiver Befunde bei Kernspintomographien noch hö- her als bei der Mammographie; er-

fahrungsgemäß liegt bei weniger als einem Viertel der Untersuchten mit

„pathologischem“ PSA-Wert tat- sächlich ein bösartiger Befund vor, und die molekularen DNA-Stuhl- tests zur Früherkennung des Darm- krebses sind ebenfalls mit einer sehr hohen Rate falschpositiver Be- funde belastet.

Die Überdiagnostik und daraus re- sultierende Überbehandlung ist eine prinzipielle Schwäche aller „effi- zienten“ Krebsfrüherkennungspro- gramme. So schön es sein mag, dass sich die Empfindlichkeit von Krebsfrüherkennungsmaßnahmen zunehmend verbessert, so proble- matisch ist für uns Onkologen die Therapieentscheidung bei diesen in der „Vorsorge“ vorzeitig erkannten Tumoren. Deren Aggressivität ist nämlich in der Regel noch weitge- hend unklar. Wir würden uns in Zu- kunft noch viel häufiger mit dem noch ungelösten Therapieproblem latenter (schlafender?) Karzinome konfrontiert sehen.

Schon jetzt handelt es sich mehr- heitlich bei den im Mammographie- screening erkannten Karzinomen um DCIS- beziehungsweise CLIS- Tumoren, von denen sich nur ein geringer Prozentsatz zu invasiven Tumoren entwickelt . . .

Die Krebsfrüherkennung ist ein wichtiger Teil der Krebsprävention, deren Förderung eine wichtige Auf- gabe ist. Damit sie jedoch erfolg- reich und auch finanzierbar ist, be- darf es erheblicher Veränderungen.

Ebenso wie in der Krebstherapie ist ein individualisiertes Vorgehen not- wendig, nämlich das einer je nach Risiko angepassten Frühdiagnostik;

diese muss stärker therapierelevant sein. Die diagnostischen Maßnah- men müssen bei Risikopatienten nicht nur sensitiver, sondern auch spezifischer sein. Dringend notwen- dig ist in diesem Zusammenhang die Unterstützung von Forschungs- bemühungen, die Aussagen zur Ag- gressivität der vorzeitig erkannten Tumoren erlauben.

Wichtiger als die weitere Verfol- gung der bisherigen Vorsorgestrate- gien ist jedoch eine stärkere Verla- gerung zur primären Prävention.

Unter Letzterer sind Vorbeugemaß- nahmen zu verstehen, die die Ag- gressivität von Krebsvorstufen re- duzieren helfen. Allein die Reduzie- rung von Risikofaktoren wie die ei- ner körperlichen Inaktivität, der Adipositas, des Alkoholkonsums, der fett- und fleischreichen Ernäh- rung und des Rauchens führt bei Krebsvorstufen zu einer Reduktion des invasiven Krebswachstums von bis zu 50 Prozent . . .

Durch die passive Vorsorgediagnos- tik erhöhen wir die Anzahl der Krebspatienten, durch die aktive Vorbeugung vermindern wir sie.

Prof. Dr. Hermann Delbrück, 42369 Wuppertal

S Ü

I a K n f h D führt werden (DÄ 29

A RZNEIMITTELREPORT

Frauen erhalten zwei- bis dreimal häufiger psychotro- pe Arzneimittel als Männer (DÄ 27–28/

2012: „Zu viele Psy- chopharmaka“ von Falk Osterloh).

Ohne kritische Distanz

Der Arzneimittelreport der Kran- kenkasse wird unkommentiert refe- riert. Tranquilizer, Antidepressiva und Schlafmittel werden in einem Atemzug genannt und kurz darauf berichtet, dass diese Medikamente alle abhängig machen würden. Eine Differenzierung zwischen Antide- pressiva und Tranquilizern sollte im DÄ schon gelingen! Ebenfalls un- kommentiert wird übernommen, dass pflanzliche Arzneimittel weni- ger riskant seien. Es fehlt ein Ver- merk etwa zu Thrombembolien marcumarisierter Patienten unter Johanniskraut. Auch fehlt ein Hin- weis darauf, dass depressive Er- krankungen bei Frauen tatsächlich

F z h p M 2 c F

Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 39

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28. September 2012 A 1933

B R I E F E

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A 1934 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 39

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28. September 2012 häufiger vorkommen, ebenso wie

ein Hinweis auf die psychische Er- krankung, die bei Männern wesent- lich häufiger vorkommt, nämlich die Abhängigkeit von Alkohol . . .

Dr. med. Bernhard Heindl, 93059 Regensburg

Unkenntnis

Wenn Herr Professor Glaeske dar - auf hinweist, dass man „genau überlegen“ sollte, damit Arzneimit- tel „nicht als schnelle Lösung in der Praxis“ eingesetzt würden, dann sei ihm der Gebrauch dieses Topos aus seiner dezidiert pharmakologischen Sicht nachgesehen.

Wenn aber der Leser bereits im Un- tertitel der Überschrift erfährt, dass

„Experten . . . pflanzliche Arznei- mittel und Beratungen als Alternati- ve“ vorschlagen, dann zeugt dies von einer grandiosen Unkenntnis

alltäglicher psychiatrischer Arbeit.

Wir dürfen, wenn wir eine rasche und bestmögliche Genesung anzie- len, unseren oft schwer kranken Patienten moderne, leistungsfähige und nebenwirkungsarme Medika- mente nicht vorenthalten, nur weil diese gelegentlich komplizierter zu handhaben und kostenträchtiger sind als die Phytotherapeutika; wel- che in der Regel zwar wenig wirk- sam sind, aber teilweise durchaus problematische Wechselwirkungen verursachen.

Und wir bemühen uns stets, die Be- ratung nie zu kurz kommen zu las- sen – auch wenn der Psychiater für seine Gesprächsleistungen für ein gesamtes Quartal deutlich weniger Honorar erhält als ein Psychothera- peut für eine einzige Sitzung!

Dr. med. Dr. phil. Reinhard Platzek, 63741 Aschaffenburg

PRÄ NA T ALDI AGNO STIK

Der Test auf Trisomie 21 aus dem Blut von Schwangeren könn- te zu einem Paradig- menwechsel in der Pränataldiagnostik führen (DÄ 25/2012:

„Paradigmenwechsel“ von Wolfram Henn und Dagmar Schmitz).

Verwerflich

. . . Wo bereits jetzt circa 97 Prozent aller Kinder mit Down-Syndrom in Deutschland abgetrieben werden, ist das Unbehagen der Autoren mit Händen zu greifen. Henn und Schmitz bemerken nämlich zu Recht, dass die derzeitig praktizier- te Abwägung zwischen der Wahr- scheinlichkeit einer Trisomie 21 und der einer durch die Fruchtwas- serpunktion ausgelösten Fehlgeburt

„offenkundig inkonsistent“ ist, und stellen somit implizit die vorgeburt- liche Diagnostik an sich infra- ge. Dann aber bemängeln sie, dass der „Praenatest“ derzeit auf Triso- mie 21 begrenzt ist und etwa die Trisomien 13 und 18 ausschließt.

Später äußern die Autoren die be- rechtigte Befürchtung, dass durch den Test das Bild des Down-Syn-

droms als eine „Form von Behinde- rung . . . mit der ein Kind keines- falls geboren werden dürfte“, ver- festigt wird, und bemerken, dass diese Einstellung „medizinisch wie ethisch durch nichts begründbar“

ist. Später schreiben sie sogar, dass die „absehbare Erweiterung des In- dikationsspektrums“ . . . (die Ge- fahr) einer „kollektivistische(n) Strategie“ mit „neoeugenische(n) Züge(n)“ birgt, die „mit dem ärztli- chen Berufsethos unvereinbar“ wä- re. Das alles, um nur wenige Zeilen später darüber zu sinnieren, dass in bestimmten Fällen, etwa beim Vor- liegen eines „zu Trisomie 21 pas- senden Herzfehlers“ der Test von den Krankenkassen (also von der Allgemeinheit) bezahlt werden könnte.

An diesem argumentativen Slalom wird das Lavieren, das zum trauri- gen Signum der Postmoderne ge- worden ist, deutlich sichtbar. Auf solchem Treibsand kommen wir aber nicht weiter, weder als Ärzte noch als Menschen. Das Ausselek- tieren von „Menschen zweiter Klas- se“ – vor oder nach der Geburt und wie auch immer definiert – ist ver- werflich und mit dem ärztlichen Be- rufsethos nicht vereinbar. Unsere Aufgabe ist es, den Schwachen und D

2 S t m P f Paradigmenwechse

Behinderten beizustehen und nicht an der Verhinderung ihrer Existenz mitzuwirken.

Prof. Dr. med. Paul Cullen, 48163 Münster, Dr. Erwin Grom, 79206 Breisach am Rhein

R A NDNOTIZ

Die „AG Zukunft des Gesundheitswesen GmbH“ berichtete, dass kurativ tätige Ärzte fehlten, weil zu wenig Medizin- studierende Arzt würden (DÄ 27–28/2012: „Dafür ist mein Abi zu schlecht“ von Jens Flintrop).

Falsche Eliteauswahl

Der Kritik an dem unseligen Nume- rus clausus von Jens Flintrop möch- te ich vollauf zustimmen. Die Ein- schätzung des Geeignetseins als Arzt aufgrund einer überdurchschnittlich guten Gesamtnote des Abiturs ist eine falsche Eliteauswahl und führt nur zur Blockade der zum Medizin- beruf geeigneten jungen Menschen, die dadurch oft die besten Jahre ih- res Lebens in Wartestellung auf ei- nen Studienplatz vergeuden müs- sen. Dabei wären eine Abkehr vom Numerus clausus und gleichzeitig die Zusicherung eines Studienplat- zes mit einer befriedigenden Ge- samtnote und nicht Bestnote denk- bar einfach. Hat ein junger Mensch den Arztberuf zum Ziel, sollte sich als Pflicht für ihn ein Jahr Pflege- dienst in einem qualifizierten Kran- kenhaus ohne Einschränkung wie etwa Halbtagsdienst oder Ähnliches anschließen, was nach dessen Ab- solvierung die verlässliche Zusage zu einem Studienplatz bedeutet.

Das dürfte deswegen kein Problem sein, weil jeder, der dieses Jahr Pflegedienst durchhält, beweist, dass er zum Arztberuf geeignet ist, während die anderen vorher ab- springen. Er geht ja mit ganz ande- ren Voraussetzungen an das nach- folgende Medizinstudium heran . . . Darüber hinaus bringen damit die jungen Menschen grundlegende Kenntnisse im Umgang mit Kran- ken für ihre ärztliche Tätigkeit mit.

Prof. Dr. med. F. H. Franken, 79104 Freiburg

O

D G G d Ä z s würden (DÄ 27–28/2

B R I E F E

Referenzen

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