A3518 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 51–52⏐⏐24. Dezember 2007
P O L I T I K
M
it einer gewissen Sorge se- hen die Mitglieder der Arz- neimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) dem neuen Jahr entgegen. „Eine EU-Richtlinie könnte das Werbeverbot für ver- schreibungspflichtige Arzneimittel aufheben“, sagte der im vergange- nen Jahr neu gewählte AkdÄ-Vorsit- zende, Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig. Es gebe Bestrebungen in- nerhalb der Pharmaindustrie und der Europäischen Kommission, die auf einen solchen Schritt hindeute- ten, berichtete der Onkologe.Bisher ist in Europa direkte Wer- bung für verschreibungspflichtige Arzneimittel außerhalb der Fach- kreise verboten. Doch Mitte 2008 könnte die EU-Kommission einen Gesetzentwurf auf den Weg brin- gen, um dies zu ändern. Vordergrün- dig geht es dabei um eine Verbesse- rung der Information von Patienten.
In ihrem „draft report 2007“ habe die EU-Kommission das Patienten- recht auf Information betont und der Pharmaindustrie die Rolle des
„Schlüsselinformanten“ zugespro- chen, erklärte Prof. Dr. jur. Benedikt Buchner, Direktor des Instituts für Gesundheits- und Medizinrecht der Universität Bremen, auf der Mit- gliederversammlung der AkdÄ am 7. Dezember in Berlin. Obwohl es rechtlich schwierig sei, dem eu- ropäischen Leitbild des „mündigen Verbrauchers“ zu widersprechen, sieht auch der Jurist eine Lockerung des Werbeverbots kritisch. „Den mündigen Patienten gibt es allen- falls in Grenzen“, sagte Buchner.
Für Patienten sei es sehr schwierig, Informationen rational und fehler- frei zu verarbeiten und Medikamen-
ten mögliche Nebenwirkungen zu- zuordnen. Zudem könnten Infor- mationen von Unternehmen nur zur Mündigkeit von Patienten beitra- gen, wenn sie qualitativ hochwertig, vollständig und in angemessenem Umfang präsentiert würden. Darauf sei jedoch die Marktstrategie der Pharmaunternehmen nicht ausge- richtet. „Noch ist es ein weiter Weg zum mündigen Patienten“, sagte Buchner. „Deshalb muss sich das Heilmittelwerberecht an den Tat- sachen orientieren und das Werbe- verbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel beibehalten werden.“
Ziel: Rational informieren und über Risiken aufklären
Dies fordert auch die AkdÄ. Ihr Ziel ist es generell, Ärztinnen und Ärzte unabhängig von Pharmainteressen über eine rationale Arzneimittelthe- rapie zu informieren und über Risi- ken aufzuklären. Im Rückblick auf dieses Jahr zog Ludwig eine posi- tive Bilanz. Sowohl die drei veröf- fentlichten Therapieempfehlungen (zu Tumorschmerz, Kreuzschmerz und der Therapie der chronischen Herzinsuffizienz) als auch die The- rapiesymposien seien bei den Ärz- ten auf große Resonanz gestoßen.Angenommen würden aber auch die anderen AkdÄ-Publikationen: Be- sonders an niedergelassene Ärztin- nen und Ärzte wendet sich die vier- teljährlich erscheinende Zeitschrift
„Arzneiverordnungen in der Praxis“
sowie der gemeinsam mit der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung herausgebene Flyer „Wirkstoff ak- tuell“. Er informiert vor allem über neu eingeführte, sehr häufig verord- nete oder besonders kostenträchtige
Arzneimittel. Im Jahr 2007 lagen zwölf Ausgaben dem Deutschen Ärzteblatt bei.
Großen Anteil hatte die AkdÄ auch an der Erstellung von Nationa- len VersorgungsLeitlinien, den Emp- fehlungen für eine antivirale Thera- pie bei einer Influenzapandemie sowie am „Aktionsplan 2008/2009 zur Verbesserung der Arzneimit- telsicherheit in Deutschland“, den das Bundesgesundheitsministerium jüngst der Öffentlichkeit präsentier- te (DÄ, Heft 49/2007).
Einem weiteren Ziel konnte die AkdÄ in diesem Jahr gerecht wer- den: „Im Hinblick auf die Positio- nierung der AkdÄ neben dem Insti- tut für Qualität und Wirtschaftlich- keit im Gesundheitswesen (IQWiG) war es unser Anliegen, die Berater- tätigkeit für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) fortzuset- zen. Dies ist uns gelungen“, erklärte Ludwig. Im August sei die entspre- chende Kooperationsvereinbarung unterzeichnet worden. Seitdem er- stellt die AkdÄ wieder Gutachten für den G-BA, die diesem beispiels- weise als Grundlage für die Bildung von Festbetragsgruppen dienen. In- tensiviert habe sich auch der Kon- takt mit dem IQWiG, berichtete Ludwig. Erstmals habe sich eine Arbeitsgruppe etabliert, die die AkdÄ bei Anhörungen vertritt und konstruktive Kritik an der Arbeit des Instituts leistet.
Ein weiterer Tätigkeitsschwer- punkt der AkdÄ ist nach wie vor die Pharmakovigilanz. Ein neues System soll das Melden von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) künf- tig vereinfachen. „UAW-Verdachts- berichte können jetzt direkt in die Datenbank eingegeben werden. Elek- tronisch werden sie dann an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gesendet“, berich- tete Ludwig. Auch UAW-Berichte von Patienten könnten jetzt aufge- nommen werden, wenn diese ein Arzt bestätigt habe. Verstärken will die AkdÄ im kommenden Jahr ihre Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Ju- gendheilkunde. UAW im Kindes- und Jugendalter sollen künftig ge- meinsam ausgewertet werden. I Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann