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Archiv "Gegensätzliche Meinungen über „Legasthenie“: Der erste „Legasthenie-Kongreß“" (24.06.1976)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Situation legasthener Kinder (Angaben in Prozent)

Die legasthenische Störung des Kindes bemerkten zuerst

die Eltern 61,3

der Lehrer 24,0

der Arzt 2,9

der Psychologe 11,9

Unterricht in der Schule erhalten 19,6

(davon regelmäßig) (81,5) (davon nicht regelmäßig) (18,5) Unterricht auf Kosten der Eltern erhalten 34,9 Unterricht aus Mitteln öffentlicher Kostenträger erhalten 21,3 Einen Zuschuß aus öffentlichen Mitteln erhalten 5,1

Keinerlei Unterricht erhalten 19,1

Quelle: Schriftliche Umfrage des Bundesverbandes Legasthenie e. V. unter seinen rund 4000 Mitgliedern; Rücklaufquote 51,6 Prozent.

TAGUNGSBERICHT

Gegensätzliche Meinungen über

„Legasthenie"

Der erste „Legasthenie-Kongreß"

Kurt-Gerhard Islar

Legasthenie — ein Unfug? Über dieses Thema entspann sich auf dem ersten Legasthenie-Kongreß, zu dem der „Bundesverband Leg- asthenie e. V." eingeladen hatte, eine angeregte Podiumsdiskussion.

Karl Sirch, Oberinstitutsrat an der Universität Augsburg, Verfasser des 1975 in Stuttgart erschienenen Buches „Der Unfug mit der Leg- asthenie" vertrat die Ansicht, daß teilweises oder völliges Mißlingen des Lesen- und/oder Rechtschrei- benlernens auf Grund mangelhafter Motivation oder fehlender didakti- scher Grundlegung der Methoden zustande komme, daß die von der Psychologie unternommenen Ver- suche erfolglos blieben, weil man von ungeprüften Voraussetzungen ausgehe und weil die heutigen Unterrichtsmethoden Legasthenie verursachende Faktoren beinhal- ten. Tatsächlich sind sich die Fachleute über Definition und Ur- sachen der Legasthenie noch nicht so recht im klaren. Im Gegensatz zu den von Sirch vertretenen The- sen hielt nämlich Prof. Dr. Wein- schenk, Marburg, die Legasthenie für anlagebedingt und erblich.

Dieses zur Erklärung für den weit- gespannten Bogen der Auffassun- gen und Ansichten, die in 22 Ver- anstaltungen von den Referenten und den rund 400 Kongreßteilneh- mern (Ärzten, Pädagogen, Psycho- logen, Eltern) vorgetragen wurden.

Diplompsychologe Volker Ebel be- mängelte demzufolge auch das Fehlen klarer Definitionen und Richtlinien. Legasthenie werde heute eigentlich nur durch Auswer- tung statistischer Werte von Tests festgestellt (oder auch nicht festge- stellt!) und niemand könne eindeu-

tig sagen, wo hier die Grenzen zu setzen seien, also wer noch Leg- astheniker sei und wer nicht. In der Praxis sähe das dann so aus, daß zwei Schüler, die in einer Klas- se nebeneinander säßen und beide 25 Fehler im Diktat gemacht hät- ten, verschieden beurteilt werden müßten, wenn der eine einen IQ von 91 und der andere einen von 89 hätte. Der erstere wäre „anerkann- ter" Legastheniker, seine Recht- schreibleistungen würden nicht zen- siert, und er genieße auch noch andere Vergünstigungen, während sein Platznachbar die „obligatori- sche" Sechs bekäme.

Der Kongreßveranstalter, der „Bun- desverband Legasthenie e. V.", ver- steht sich als eine Interessenver- tretung betroffener Eltern sowie al- ler, die dazu beitragen wollen, daß die gesetzlichen Grundlagen und praktischen Möglichkeiten für die schulische Förderung legasthener Kinder in allen Ländern der Bun- desrepublik geschaffen bzw. ver- bessert werden. Der erst vor etwa zwei Jahren gegründete Verband zählt heute nach eigenen Angaben rund 4000 Mitglieder. Die Bundes- geschäftsstelle befindet sich in 3452 Bodenwerder 2, Am Wein- berg 31, Telefon (0 55 33) 23 79. In vielen Orten der Bundesrepublik gibt es heute bereits Aibeits- bzw.

Förderkreise für legasthene Kinder.

Zum Selbstverständnis des Verban- des ein Zitat: „Alle Menschen der Bundesrepublik Deutschland ha- ben das Recht, lesen und schrei-

ben zu lernen. Ohne den Erwerb der Kulturfertigkeiten des Lesens und Schreibens ist das Grundrecht auf Bildung nicht zu verwirklichen ... Auch diejenigen, die Lesen und Schreiben nur unter erschwerten Bedingungen lernen können, ha- ben einen Anspruch, soweit wie ir- gend möglich gefördert zu werden.

Dazu gehört nicht nur eine fachlich gut funktionierende Schule und eine verantwortungsbewußte Leh- rerschaft, sondern auch Gesund- heits- und Sozialwesen sind aufge- rufen, ihren Teil an der Rehabilitie- rung der Geschädigten zu lei- sten ..." So lauten die wichtigsten Thesen einer Erklärung, die der Bundesverband anläßlich des Kon- gresses herausgegeben hat.

Der Verband vertrat auf dem Kon- greß die Ansicht, daß die Lehrer heute allgemein viel zu wissen- schaftlich und viel zu wenig praxis- bezogen ausgebildet würden. Man suchte die Ursachen der Lese- und Rechtschreibschwäche durchweg in den Unterrichtsmethoden der Grundschullehrer, und es wurde die Behauptung aufgestellt, daß al- lein auf den Orientierungsstufen in Niedersachsen (5. und 6. Klasse) 20 bis 30 Prozent der Kinder förde- rungsbedürftig seien. Derartig neu- rotisierte Kinder seien dann oft in den Praxen der Kinderärzte wie- derzufinden.

Anschrift des Verfassers:

Kurt-Gerhard Islar

Postfach 13 66, Bad Pyrmont

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 26 vom 24.Juni 1976 1763

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