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Archiv "Schwindel ist eine Domäne des Kalziumantagonisten Flunarizin: Forschungsschwerpunkt: Hirnischämie" (03.09.1987)

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PHARMAFORSCHUN

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Zehntausend bis hunderttau- send Gehirnzellen sollen tagtäglich zugrundegehen und nicht mehr nachgebildet werden können. Diese Theorie, die eine plausible Erklä- rung liefert für die Größenabnahme des Gehirns mit zunehmendem Al- ter, hat sich lange Zeit hartnäckig gehalten, doch diese Theorie ist falsch. Wie Prof. Dr. med. Dieter Platt, Institut für Gerontologie der Universität Erlangen-Nürnberg, bei einer von der Firma Janssen gespon- serten Fortbildungsveranstaltung Mitte März in Erlangen erläuterte, ist nach dem heutigen Verständnis vielmehr eine Abnahme der Nerven- zell-Verzweigungen für die Ge- wichtsreduktion verantwortlich. Die Anzahl der Neuronen bleibt annä- hernd konstant, wobei von Mensch zu Mensch erhebliche Unterschiede bezüglich der Zelldichte bestehen.

Auch noch aus einer anderen Ecke wurden bei dem Erlangener Symposium interessante Ergebnisse der Grundlagenforschung präsen- tiert: Prof. Dr. med. Thies Peters, Institut für experimentelle Medizin der Firma Janssen in Neuss, berich- tete über die Pathophysiologie der Ischämie. Mittels feinster Elektro- den, die ins Hirngewebe eingesto- chen werden, kann man tierexperi- mentell zeigen, daß infolge einer Mangelperfusion charakteristische Ionenbewegungen zwischen Intra-

und Extrazellulärraum stattfinden.

Nach Umstellen der Beatmung von Sauerstoff auf Stickstoff erhöht sich die extrazelluläre Kaliumkonzentra- tion, zunächst langsam und dann bei einem gut reproduzierbaren Schwel- lenwert schlagartig, so daß es zu ei- ner Depolarisation der Nervenzellen kommt.

Der nächste Schritt der patho- physiologischen Kettenreaktion ist ein potentialabhängiger Einstrom von Kalziumionen in die Zellen, wo- durch deren Stoffwechsel massiv ge- schädigt wird. Besonders fatal ist die

„selbstmörderische" Aufnahme von Kalzium durch die Mitochondrien.

An der glatten Gefäßmuskula- tur erhöht der Anstieg der extrazel- lulären Kaliumkonzentration, der sowohl bei akutem wie subakutem Sauerstoffmangel zu beobachten ist, die spontane Vasoaktivität. Die un- ter Umständen provozierten Vaso- spasmen schließen einen Teufels- kreis: Das extrazelluläre Kalium er- höht sich infolge der Ischämie, die Gefäße kontrahieren infolge des Ka- liumanstiegs, die Ischämie wird ver- stärkt.

Der zerebral wirksame Kalzi- umantagonist Flunarizin (Sibeli- um®) greift in dieses Geschehen sinnvoll ein. Durch Gabe von Fluna- rizin erhöht sich nachweislich die Schwellenkonzentration, bei wel- cher es zu dem geschilderten schlag- Schwindel ist eine Domäne des Kalziumantagonisten Flunarizin

Forschungsschwerpunkt: Hirnischämie

artigen Anstieg der extrazellulären Kaliumkonzentration kommt. Das heißt, der Kalziumantagonist verlän- gert den Zeitraum, über den hinweg eine Ischämie schadlos toleriert wer- den kann.

Wie Dr. med. Bernhard Hoffer- berth, Neurologische Universitäts- klinik Münster, beim Symposium in Erlangen ausführte, ist der Schwin- del eine Domäne von Flunarizin, nämlich Schwindel als Hauptsym- ptom der vertebrobasilären Insuffi- zienz (VBI). Dr. Hofferberth be- richtete über eine offene Multizen- ter-Studie an mehreren tausend Pa- tienten sowie über zwei Doppel- blind-Studien, die eine gegen das schwachpotente Neuroleptikum Sul- pirid, die andere gegen den hämo- rheologischen Wirkstoff Pentoxifyl- lin. Beiden Vergleichssubstanzen war der Kalziumantagonist überle- gen: Er reduzierte den VBI-Score deutlich stärker und war auch besser in der Lage, die pathologisch ent- hemmte Nystagmusfrequenz zu nor- malisieren.

Auch bei peripher-vestibulärem Schwindel zeichnen sich mit Flunari- - zin gute Behandlungserfolge ab, die derzeit in einer kontrollierten Studie überprüft werden. Worauf genau die therapeutische Wirksamkeit des Kalziumantagonisten beim Schwin- del beruht, ist noch nicht geklärt Diskutiert werden in dem Zusam- menhang ein zerebrovaskulärer Ef- fekt ebenso wie ein direkter Effekt am vestibulären System, durch den mutmaßlich die Erregungsschwelle heraufgesetzt wird. ❑

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ie alte Theorie, daß die Salz- säure bei Magen- und Zwölf- fingerdarmulzera der wich- tigste pathogenetische Faktor ist, hat sich nicht halten können — zu- mindest nicht, was das Magenulkus anbelangt. Während bei der Mehr- zahl der Patienten mit Ulcus duode- ni tatsächlich eine erhöhte Magen- säuresekretion zu finden ist, liegt die Säuresekretion bei Patienten mit Ul- cus ventriculi häufig sogar unterhalb der Norm. Diese Erkenntnis hat die Erforschung des genauen Pathome- chanismus in den letzten Jahren er- neut angekurbelt.

Magenulkus:

Welche Rolle spielen Gallensäuren?

Eine wichtige Rolle bei der Ent- stehung von Magenulzera spielt nach dem heutigen Verständnis der duodenogastrale Reflux von Gallen- säuren und Lysolecithin. Anders als Patienten mit Ulcus duodeni, bei de- nen die Magenmotilität verstärkt und die transpylorische Säurepassa- ge beschleunigt ist, weisen Patienten

mit Ulcus ventriculi eine verminder- te Magenmotilität bei erhöhter Nei- gung zu duodenogastralem Reflux auf. Gallensäuren können die Ma- genschleimhaut auf vielfältige Weise schädigen. Sie vermindern einerseits die Durchblutung der Mukosa und erhöhen andererseits deren Permea- bilität. Daß Gallensäuren Erosionen an der Magenschleimhaut hervorru- fen können, ist im Tierexperiment unter Streß- und Schockbedingun- gen mehrfach nachgewiesen wor- den. Wie Dr. med. Winfried Kurtz, Frankfurt, bei einer Fachpressekon- ferenz der Firma Byk Gulden — Her- A-2344 (84) Dt. Ärztebl. 84, Heft 36, 3. September 1987

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was wahrscheinlich die Ursache der tierexperimentell belegten (ko)kar- zinogenen Wirkung dieser Gallen- säure ist.

Die These, daß aggressive Gal- lensäuren bei der Entstehung des Magenulkus eine Rolle spielen, wird durch die folgenden Beobachtungen gestützt: Erstens ist bei Patienten mit Ulcus ventriculi die Gesamtkon- zentration der Gallensäuren in der Magenmukosa erhöht, und zweitens

— und dies dürfte noch bedeutsamer sein — verschiebt sich das Gallensäu- respektrum klar zu den toxischen Substanzen hin: Polare und damit relativ harmlose Gallensäuren sind vermindert, der Anteil der hochtoxi- schen Lithocholsäure dagegen ist drastisch erhöht.

Ins Bild paßt auch, daß Magen- ulzera in der Regel im Bereich einer

chronischen Antrumgastritis nahe der Grenze zur Korpusschleimhaut entstehen, und zudem gibt es Hin- weise auf eine Inkompetenz des Py- lorus bei Patienten mit Ulcus ventri- culi. Schließlich sprechen auch die therapeutischen Effekte des Gastro- kinetikums Metoclopramid einer- seits und der Antazida andererseits für die Bedeutung des Gallensäure- reflux bei der Genese des Magenul- kus. Daß die Al/Mg-haltigen Ant- azida Gallensalze sowie das eben- falls membrantoxische Lysolecithin zu binden vermögen, ist bekannt.

Kürzlich konnte Professor Dr.

med. Siegfried Miederer, Bielefeld, nachweisen, daß Antazida mit ei- ner Neutralisationskapazität von nur einhundert mmol pro Tag gleich effektiv sind wie ein hochpotenter

H2-Blocker. ❑

steller des Schichtgitter-Antazidums Magaldrat (Riopan®) — anläßlich des diesjährigen Internistenkongresses Ende April in Wiesbaden berichte- te, ist es ihm und seinen Mitarbei- tern gelungen, den Mechanismus der Gallensäureschäden weiter zu entschlüsseln: Gallensäuren — und zwar insbesondere die apolaren — dringen in den apolaren Teil der Zellmembranen ein, sprengen ihn auf und machen ihn durchlässiger.

Die Gallensäuren wirken also wie Detergenzien auf die lipidhaltigen Membranen, wobei die am stärksten apolare unter den beim Menschen häufigen Gallensäuren — die Litho- cholsäure — erwartungsgemäß die größte Toxizität besitzt. Die Litho- cholsäure scheint auch durch die Membran in die Zellen eindringen und die DNS schädigen zu können,

Bei entsprechender genetischer Prädispositon erhöht sich durch eine chronische Kochsalz-Belastung die Dichte der a-2-Adrenozeptoren, während gleichzeitig die Dichte der ß-2-Adrenozeptoren verringert wird. Die Folgen sind eine verstärk- te Vasokonstriktion der Wider- standsgefäße und eine — trotz der er- höhten Zufuhr — gesteigerte renale Natrium-Rückresorption. Mit dieser experimentell gut belegten Arbeits- hypothese brachte Prof. Dr. Falko Skrabal, Innsbruck, bei einer Fach- pressekonferenz der Firma Melusin Schwarz Mitte März in München neues Leben in die Diskussion um

„Kochsalz und Hypertonie", die sich bislang nur auf spärliche hand- feste Daten stützen kann.

Skrabal und seine Mitarbeiter untersuchten zunächst an über ein- hundert gesunden Medizinstudenten den Effekt einer Kochsalz-Restrik- tion auf die Blutdruckwerte, wobei die Probanden klassifiziert wurden nach einer positiven bzw. negativen Familienanamnese bezüglich der Hypertonie. Während sich der Blut- druck in der Gruppe der nicht prä- disponierten Testpersonen inert ver-

hielt, war bei den Prädisponierten per Langzeit-Monitoring ein leichter Blutdruckabfall zu verzeichnen.

Bei diesen Salzsensitiven fand sich zudem als wichtigstes diskrimi- nierendes Merkmal gegenüber den Salzresistenten eine erhöhte a-adre- nerge Empfindlichkeit, die — wie die Arbeitsgruppe um Skrabal kürzlich modellhaft an Blutzellen zeigen konnte — auf eine größere Dichte der a-2-Adrenozeptoren und eine gerin- ge Dichte der ß-2-Adrenozeptoren zurückzuführen ist. Zwischen der ß- 2-Rezeptordichte und der individu- ellen Salzempfindlichkeit besteht dabei eine negative Beziehung. Pro- banden, deren (3-2-Rezeptordichte über einem bestimmten Grenzwert lag, erwiesen sich als salzresistent.

In Abhängigkeit vom Salzgehalt der Nahrung verändert sich bei den Sensitiven die Rezeptordichte: Bei einer salzreichen Kost vermehren sich die a-2-Adrenozeptoren, und die (3-2-Adrenozeptoren nehmen ab

— bei einer salzarmen Kost ist es um- gekehrt.

Wichtiger noch als die absoluten Rezeptorzahlen ist das Verhältnis der beiden Rezeptortypen, die an

den peripheren Widerstandsgefäßen und wahrscheinlich auch an der Nie- re antagonistisch wirksam sind.

Skrabal führte deshalb den Begriff des „operativen a-21(3-2-Adreno- zeptor-Quotienten" ein und konnte schließlich nachweisen, daß ein Blutdruckanstieg nach Kochsalz-Be- lastung in der Tat mit diesem Quo- tienten korreliert.

Die „Plausibilitätsannahme" , daß eine chronische Kochsalz-Bela- stung — eine genetische Prädisposi- tion vorausgesetzt — per se ein er- höhtes Hypertonierisiko beinhaltet, ist durch diese experimentellen Da- ten wieder ein wenig sicherer gewor- den. Weitere harte Daten zu diesem Thema sind im Herbst 1987 zu er- warten, wenn die Ergebnisse der In- tersalt-Studie publiziert werden sol- len. Wie Dr. Ulrich Laaser, Biele- feld, bei der Fachpressekonferenz in München erklärte, wird diese in bei- spielhafter Weise international stan- dardisierte Untersuchung die schon lange fälligen epidemiologischen Fakten liefern. An mehr als fünfzig Populationen in 32 Ländern wird überprüft, ob sich ein Zusammen- hang zwischen der durchschnittlichen Kochsalz-Aufnahme und der Hyper- tonieinzidenz verifizieren läßt. ❑

Berichte:

Ulrike Viegener, Köln

Bei Kochsalz-Sensitivität verändert sich die Dichte der Adrenozeptoren

A-2346 (86) Dt. Ärztebl. 84, Heft 36, 3. September 1987

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