DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
AUS DE11 INDUSTRIE
Diphosphonat bei Morbus Paget und heterotopen Ossifikationen
E
in Diphos-Work- shop von Boehrin- ger Mannheim in Grainau-Eibsee gab einen Überblick über die Therapieerfahrungen mit dem Diphosphonat Etidron- säure (EHDP = Ethylenhyd- roxydiphosphonat), die als das Antihyperkalzetikum Di- phos® verfügbar ist.Prof. Dr. R. Ziegler, Me- dizinische Poliklinik Heidel- berg, referierte zur Diagno- se, Klinik und Therapie des Morbus Paget des Skeletts.
Die in erster Linie morpholo- gische Diagnostik des Mor- bus Paget mittels Röntgen- bild und Szintigraphie wird durch biochemische Diagno- stik ergänzt. Bester Aktivi- tätsparameter ist die alkali- sche Phosphatase (AP), die nach Ausschluß einer Leber- krankheit und im Zusam- menhang mit einem patho- gnomonischen Röntgenbild als hochspezifisch gilt.
Ein Paget-Befund allein stellt allerdings noch keine Behandlungsindikation dar.
Patienten mit Werten um 300 AP (Normbereich 170 bis 200) haben nach Prof. Zieg- lers Erfahrungen eine milde Krankheitsaktivität und sind
nur selten behandlungsbe- dürftig. Bei Aktivitäten im Bereich 600 bis 800 AP kann auch ohne Symptome bereits eine Therapie diskutiert wer- den, bei Werten um 2000 bis 3000 Einheiten ist die Thera- pie in der Regel indiziert, da die meisten Patienten dann auch Beschwerden haben.
Bei deformierten Knochen, Frakturen und Nervenläsio- nen wird man mit der Thera- pie nicht zögern.
Als Therapiealternativen stehen dem Arzt die Hemm- stoffe der Hormone der Ne- benschilddrüse, nämlich Cal- citonin und das Diphospho- nat Etidronsäure, zur Verfü- gung. Der positive Einfluß ist am AP-Abfall erkennbar. Al- lerdings benötigen die Pa- tienten gelegentlich Schmerz- mittel, wenn Sekundärverän- derungen (etwa Arthrosen) vorliegen, die vom therapeu- tischen Effekt am Paget- Herd nicht erreicht werden.
Die Therapie kann nach Pau- sen von sechs Monaten bis ei- nigen Jahren erneut phasen-
weise wiederholt werden. Bei besonders schwerem Krank- heitsverlauf entschließt sich Prof. Ziegler bei ungenügen- dem Ansprechen auf eine Monotherapie oder auch bei der Primärbehandlung be- sonders schwerer Fälle zu ei- ner Kombinationstherapie mit Calcitonin und Etidron- säure.
Ein besonderes Problem, so Prof. Dr. L. Zichner, Or- thopädische Universitätskli- nik, Frankfurt, stellen die he- terotopen Ossifikationen dar.
Krankhafte Verknöcherun- gen, die in fast allen Gewe- ben auftreten können. An- ders als beim Morbus Paget kann der fertige Knochen bei pathologischen Ossifikatio- nen therapeutisch nicht be- einflußt werden. Medika- mentös beeinflussen läßt sich lediglich die Ossifikation der Knochenmatrix. Insbesonde- re Ossifikationen nach Trau- men können in diesem Stadi- um noch therapeutisch durch Etidronsäure beeinflußt wer- den. Bei allen Patienten mit
Morbus Bechterew, hyper- throphen Osteoarthrosen und solchen mit vorausgegan- genen heterotopen Ossifika- tionen empfiehlt Prof. Zich- ner eine prophylaktische me- dikamentöse Therapie vor ei- ner Operation sowie drei bis sechs Monate postoperativ.
Auch bei der Verdachts- diagnose „heterotope Ossifi- kation" sollte sofort mit der Therapie begonnen werden, um den Circulus Schmerz, Verspannung, weitere Ossifi- kation zu durchbrechen.
Ein besonderes Problem ist es, heterotope Ossifikatio- nen nach Hüftgelenksersatz zu verhindern, vor allem bei zementfrei implantierten To- talendoprothesen mit latera- lem Zugang. Darauf wies Prof. Dr. H. 0. Dustmann, St. Josef-Krankenhaus En- gelskirchen, hin. In seiner Klinik wird seit 1984 allen Pa- tienten mit zementfrei im- plantierten Prothesen einen Tag präoperativ bis drei Mo- nate postoperativ routinemä- ßig Diphos® gegeben. Da- durch konnte die Ossifika- tionsrate in dieser speziellen Risikogruppe von 28 auf zwei Prozent gesenkt werden.
Dr. med. C. Herberhold
Kalziumantagonist Nisoldipin:
Antianginosum mit langer Wirkdauer
E
xperimentelle sowie klinisch gesicherte Ergebnisse mit dem neuen Dihydropyri- din-Kalziumantagonisten Ni- soldipin aus der Bayer-For- schung beschäftigten über hundert Kardiologen aus al- ler Welt auf dem 1. Interna- tionalen Nisoldipin-Symposi- um, das im Mai 1987 unter der Präsidentschaft von P. G.Hugenholtz, Rotterdam, und J. Meyer, Mainz, in Mainz stattfand. Ein antianginöses Arzneimittel, das sowohl ge- gen stabile, belastungsabhän- gige Angina pectoris als auch gegen Ruhe-Angina und in- stabile Formen wirkt, wird in erster Linie nach der Vermin- derung der belastungsabhän- gigen ST-Streckensenkung, der gesteigerten Belastungs- fähigkeit sowie der Reduk- tion von Häufigkeit und
Schwere der Angina-pecto- ris-Attacken beurteilt. Nach diesen Kriterien wurde auch Nisoldipin in zahlreichen Stu- dien an Patienten mit koro- narer Herzkrankheit und Myokardischämie geprüft. S.
Kazda, Bayer-Forschungs- zentrum Wuppertal, unter- strich die ausgeprägte Gefäß- selektivität von Nisoldipin.
Die Substanz erwies sich als drei- bis fünfmal wirksamer als Nifedipin und hat eine sehr lange Wirkdauer, erklär- te T. Godfraind, Brüssel.
Pharmakodynamische Stu- dien von K.-H. Graefe, Würzburg, bestätigten, daß Nisoldipin sich von anderen Dihydropyridin-Kalziumant-
agonisten vor allem durch seine hohe vasodilatatorische Potenz auf die Widerstands- gefäße unterscheidet. In den klinischen Studien änderte sich die Wirksamkeit von Ni- soldipin auch während langer Therapiedauer nicht. Bei Pa- tienten mit Variant-Angina, so H. Yasue, Kumamoto/Ja- pan, reduziert Nisoldipin die Anfallhäufigkeit signifikant.
Die sichere und lang anhal- tende Wirksamkeit fördert die Compliance der Koronar- kranken.
Über gute Erfolge mit Ni- soldipin bei Patienten mit in- stabiler Angina pectoris be- richtet H. Kishida, Tokio.
Durch die Medikation wurde
die pathologische ST-Strek- kensenkung signifikant redu- ziert (sowohl bei Angina-pec- toris-Symptomatik als auch bei stillen Ischämieepiso- den). Die Patienten wurden wieder aktiver und frei von Anfallsangst.
Bei der Behandlung der Herzinsuffizienz steigert Ni- soldipin die Linksherzfunk- tion, bessert die subjektiven Symptome und die Prognose.
Es senkt den mittleren Blut- druck durch verringerten pe- ripheren Widerstand und führt zu einer signifikanten Zunahme der linksventriku- lären Auswurffraktion, des Herzindex und des Schlagvo- lumens. Dieser günstige Ein- fluß geht nach H. Eichstädt, Berlin, auf eine Reduktion der pathologisch erhöhten Nachlast des Herzens durch Nisoldipin zurück. pri A-2898 (90) Dt. Ärztebl. 84, Heft 43, 22. Oktober 1987