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Archiv "An der Algarve: Phantasien in portugiesischen Gärten" (12.03.1987)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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REISE

Magazin

An der Algarve:

Phantasien in

portugiesischen Gärten

D

ie Einführung der De- mokratie in Portugal hat an der Algarve im Süden des Landes die sprich- wörtlich, historisch-trauma- tisch lastende „saudade"

(Schwermut) vertrieben und aus dem Küstenvolk wuseli- ge, umtriebige Unternehmer gemacht. Die Lust am Bauen explodiert in fast beängsti- gender Weise. Hotels, Vil- len, neue Stadtteile legen sich um die Altstadtkerne. Aber behördliche Auflagen und Respekt vor der Tradition zü- geln die stürmische Entwick- lung und passen den Fort- schritt der Landschaft an:

Die Architekten richten je- den Entwurf am maurisch- arabisch beeinflußten Baustil aus, das Hochhaus bleibt auf einige Städte beschränkt, die schönsten Teile der Küste sind (und bleiben hoffentlich) unverbaut.

Eine sauber konstruierte Küstenstraße verbindet das Cabo S. Vicente und Sagres mit den geschichtsträchtigen Städtchen Lagos, Portimao, Albufeira, Faro, Tavira und S. Antonio an der spanischen Grenze (das Ufer des Lan-

desnachbarn ist nur per Boot erreichbar . . .). Der „At- lantico" brandet an die wei- ßen und roten Steilwände, vor denen sich saubere Sand- strände dehnen. Zerklüftete Riffs bauen mit ihren Toren bizarre Phantasielandschaf- ten, abenteuerliche Spitzen, Zinnen und Tabernakel, und auf den Kuppen liegen die Hotels, Dörfchen und Villen wie weiße Traumschlösser.

Gemächlich ziehen die Wol- ken. Eine etwas altertüm- liche Eisenbahn knarrt behä- big durch die üppig wuchern- de Uferlandschaft. Auf den Hügeln halten ehemalige portugiesische und arabische Seefestungen geisterhafte Wache. Pinienwälder, Kork-

eichen, Eukalyptushaine, Oleander, Feigenbrot-Bäu- me, Rosengärten und Föh- rengruppen vereinigen sich zu einer fulminant wuchern- den Flora. Mich begeistern immer wieder die üppigen Bougainvilleas: Sie schillern

— nein: sie glühen dunkelrot, weiß und rosa. Die Gärtner haben oft verschiedenfarbige Stauden in- und übereinan- der gepflanzt, und schließlich wachsen regenbogenfarbene Blüten-Symphonien zu einem betörenden optischen Rausch zusammen

An die Algarve ist, wie gesagt, mit der Befreiung der politischen Kräfte und einer gewissen wirtschaftlichen Prosperität auch der über

den Flughafen Faro sich ab- wickelnde Tourismus gekom- men. Es muß aber gesagt werden, daß diese Elemente die Landschaft nicht über Gebühr belasten. Wer Kultur und Menschen kennenlernen will, genießt — immer noch — eine pittoreske Zone mit ei- ner reichen Geschichte, mit liebenswürdigem Klima und einer leckeren, vom Fisch be- stimmten Küche. Star unter den Weinen ist der „vinho verde", der grüne Wein, ein alkoholarmes, erfrischendes Getränk, mit dem man ge- trost schon am späten Vor- mittag die Tour erheitern kann.

Die alte Bausubstanz in den Städten hat es schwer, und manche alte Villa, man- ches Gehöft, einst im Glanz wohlhabender Besitzer, starrt verlassen mit leeren Fensterhöhlen, von Gras und Stauden überwachsen. Aber man sieht keine Autofriedhö- fe, verwahrloste und ihrer Funktion beraubte Palazzi, in deren Parterre sich — wie in Italien so oft — Automobilsa- lons und Supermärkte einge- nistet haben; die Innenstädte Dt. Ärztebl. 84, Heft 11, 12. März 1987 (69) A-663

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Ein typisches Dorf im sonnendurchglühten portugiesischen Hin- terland. Ganz dicht neben der Armut stehen die oft üppig ausge- statteten Kirchen Fotos (3): Helga Michel werden nicht von Motoren-

höllen zerknattert, und die Mauern bröseln noch nicht unter dem Benzingestank.

Wir sitzen an einem schönen Nachmittag auf dem Markt- platz von Portimao vor einem Kaffeehaus. Wir wundern uns, warum der Straßenver- kehr so ruhig abrollt. Plötz- lich entdeckt einer, warum:

Kaum eines der Autos hupt!

Liebenswürdige kleine Mirakel portugiesischer Ar- chitektur sind die bemalten Kacheln. Keramik-Kacheln als Straßenschilder in den Mauern der Altstädte. Halte- schilder für Busse („Para- gern") als graphisch hübsch modellierte Sympbole; die Werbeplakate, Anschläge und Verkaufsangebote haben künstlerischen Pfiff und Schliff und sind noch nicht auf die mitteleuro- päisch-amerikanische kalte funktionale Zweck-Rationa- lität ausgerichtet. Solche Kleinigkeiten sind ein Indiz, daß der Alltag noch eine kräftige Spur des Verspielten hat und noch nicht vom Mahlstrom der Hektik über- rollt ist. Es gibt in den Städ- ten noch den Mittelstand, den Handwerker, den Künst- ler in der ersten Etage, im Parterre. Wir sehen noch die quirligen Werkstätten und Ateliers, die in so vielen, wenn nicht in den meisten, norditalienischen Städten schon ausgestorben sind und hinter verstaubten Bretter- wänden tot und verlassen lie- gen.

Wenige Kilometer neben dem Flughafen von Faro, auf dem die Jets ihre Gäste aus dem Norden mit einer großen Schleife über dem Meer ein- fliegen, liegt die Altstadt, in der sich das Leben noch un- gebrochen wie vor Jahrzehn- ten traditionell abzuspielen scheint. Wir geraten an Fron- leichnam in die Kathedrale und feiern mit den Besuchern des Gottesdienstes die Erst- kommunion mit. Die Ge- meinde hat sich in dem weih- rauchduftenden und mit Goldschmuck überladenen barocken Kirchenschiff ver- sammelt; ein Chor am Altar

singt zu Flöten- und Gitar- renbegleitung die von der Fa- do-Kultur beinflußten Lieder

— sie sind so ernst, fast düster, und packen sofort Herz und Sinn. Mädchen, wie kleine Bräute gekleidet, mit weißen Schleifchen im Haar, und Jungen im schwarzen Anzug, einige in schwarzer Weste, gehen in feierlicher Zweier- reihe durch den Mittelgang nach vorne. Eines der Kinder trägt in einem Korb Ähren und Weinlaub. Eine schwarz gekleidete, streng blickende Matrone wacht über den Aufzug. Die Mütter und Vä- ter, in den Bänken knieend, sehen stolz auf die Prozes- sion. Ein alter Mann sitzt in einer Seitenkapelle, sieht zu den Kindern und betet ver- sunken. Die Glocke auf dem mit Hahn gezierten Turm hämmert dazu.

Die Armut ist in Portugal leider noch nicht besiegt, und bettelnde Kinder sind nicht selten. Die Kirchen sind, so- fern sie das furchtbare Erd- beben von 1755 unbeschadet überstanden haben, aus der Konquistadoren-Zeit üppig ausgestattet, mit Gold und Keramik, Edelhölzern und Marmor, Stukkaturen und Skulpturen, und sie präsen- tieren, wie in Santo Antonio in Lagos und in Santa Maria zum Kastell in Tavira, die beiden Größen, an denen Portugal heute noch hängt:

Die Gottesmutter und das Andenken der Eroberer.

Künstler malten viele portu-

giesische Könige und stellten sie mit bloßen Haupt dar, die Krone auf einem Kissen ne- ben sich: Die Regenten ha- ben sie aus Ehrfurcht vor der Madonna nie aufgesetzt.

Saudade ist das portugie- sische Wort für Schwermut.

Sobald man vom lebhaften Küstenland in die sonnen- durchglühte Provinz kommt, scheint Schwermut auf dem Land zu liegen wie ein un- sichtbarer Schatten. Die von den französischen Königen verfolgten, fast ausgerotteten Christus-Ritter kämpften ge- gen die Araber, drängten sie in jahrhundertelangen Kämpfen Schritt für Schritt aus dem Land. Die Konqui- stadoren brachten sagenhafte Reichtümer ins Land, die Dynastien lebten bemessene Zeit in Saus und Braus. Nach der Verwirtschaftung des Geldes legte 1755 ein Erdbe- ben Lissabon und die meisten Küstenstädte des Südens in Schutt und Asche, ein Ter- min, der sich den Portugiesen eingegraben hat wie den Deutschen das Jahr 1945, wie den Japanern Nagasaki und Hiroshima.

Der Schock sitzt wie eine tiefe Wunde und ist Mark- stein der Zeitrechnung

„post" und „ante". Er scheint die Kräfte erschöpft zu haben, erst recht nach dem Verlust der Kolonien.

Viele Zonen scheinen wie Museen. Wir stehen im For- taleza am Cabo San Vicenta an der Südwestspitze Euro-

Die Zierkamine mit den durch- brochenen Aufsätzen sind ein maurisches Wahrzeichen pas, wo Heinrich der Seefah- rer, portugiesischer Infant (1394 bis 1460), eine nauti- sche Schule für den Beitrag seines Landes zur Entdek- kung der Welt einrichtete, praktisch das erste Cap Cana- veral. Von asketischem Bau- stil die Offiziersmesse, das Wohn- und Sterbehaus des Gründers, die Verteidigungs- anlagen. In der Kapelle, wo die Entdecker vor ihrer Aus- fahrt beteten, ist es so düster wie unter dem bleifarbenen Himmel draußen, in einem Seitenflügel brennt unter ei- ner Muttergottes ein Kerzen- licht. Von den paar Bussen abgesehen, die ihre Gäste zu schneller Besichtigung brin- gen und wieder abtranspor- tieren, ist Touristen-Rummel unbekannt. Man kann in der herbschönen Landschaft den Alltag vergessen und zur Ru- he kommen In den Gasthö- fen gibt es Langusten, Fisch- gerichte, den erstklassigen Tischwein, die Tafel, die mit Port oder/und Madeira ab- schließt.

Es wäre sträflich, diese Landschaft in eiligem Sight- seeing zu durchhastri. Die Barock-Kirche von Estombar auf dem vom Abendlicht durchleuchteten Hügel, die schwarzgefiederten Störche in den Getreide- und Reisfel- dern unter der alten arabi- schen Festung von Alcacer do Sal, die Gänse-Scharen, A-664 (70) Dt. Ärztebl. 84, Heft 11, 12. März 1987

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die sich vor der zerfallenden Scheune die Federn putzen und sich gemächlich unter- halten, sind Bilder, die köst- lich zu genießen sind.

Orangen- und Zitronen- Haine im Innern des Landes.

Leider sind viele landwirt- schaftliche Kulturen zerfal- len, weil die Bewohner aus dem Binnenland an die Küste ziehen, weil dort der Touris- mus Chance zur Arbeit und zum Verdienst bietet. Die Europäische Gemeinschaft fordert das Land, mit allen Licht- und Schattenseiten des Fortschritts: Die Preise pas- sen sich leider dem mitteleu- ropäischen Zuschnitt an, das Land ist noch preiswert, aber nicht mehr billig. Die Infla- tionsrate beträgt zwischen 10 und 20 Prozent im Jahr, die Regierung will sie auf 10 Pro- zent bringen. Dazu werden 8 Prozent Mehrwertsteuer ge- schlagen, Phasen, die der Tourist im Geldbeutel spürt — und der Einwohner.

Ein Bild werde ich nie ver- gessen: Wir sind in Alte, im Bergland. Während wir den vinho verde genießen, die Wirtinnen im „Linie Foun- tain Inn" den Karnickel-Bra- ten mit gerösteter Polenta zu- bereiten, fegt ein kalter Wind durch die Pinien und Feigen- brotbäume, die zwischen den zerfallenen Weinbergmauern stehen. Die Gärten und Haine sind in opalfarbenes Licht ge- taucht, und über allem liegt ei- ne Stimmung wie über Böck- lins Toteninsel

Die jungen Portugiesinnen sind fast ausnahmslos schön.

Sie gehen selbstbewußt und Reisen nach Portu- gal bieten unter ande- rem alle TUI-Reisebü- ros.

Währung: Escudos.

Umtausch in Portugal günstiger als in der Bundesrepublik.

Die Sprache hat arabische Einschläge;

Selbstunterricht ohne Lehrer schwierig. Sehr hilfreich sind englische Sprachkenntnisse.

kleiden ihre straff-grazile Fi- gur mit den hellen Farben der Teenager-Mode aus den Wa- renhäusern der Städte. Die verheiratete Frau liebt die fri- schen hellen Farben Rot, Gelb, Grün. Je älter, desto dunkler die Farben. Die älte- ren Damen fast ausnahmslos Schwarz. Sie gehen, wenn ge- brechlich, meist in Begleitung ihrer Töchter und Schwieger- töchter, über dem zerfurchten Haupt den schwarzen Ga- zeschleier. Die letzte Farbe ist wieder das Weiß der Grabstei- ne, die im Laufe der Jahre un- ter der sengenden Sonne und dem Wind ins Vergessen zer- bröseln.

Wer die portugiesische Küche kennenlernen will, muß in die Fischerkneipen gehen. Es sind oft von Dampf und Holzkohlenrauch durch- qualmte Buden, in denen man aber herrlich essen kann. An den Wänden ver- gilbte Plakate von Stierkämp- fern. Der Holzkohlenbottich glüht, als habe der Teufel höchstpersönlich geheizt.

Der Hausherr grillt Krabben, Sardinen. Vorspeise: War- mes Brot, Tomatensalat, grü- ner Salat, Zwiebel, Knob- lauch, gebratene Fische, Fleisch am Spieß, Sardinen- paste, zum Nachtisch Oran- gen und Äpfel, ein Zucker- rohrschnaps schließt den Ma- gen. Hunde und Katzen ren- nen durch das Lokal. Im Hof kloppen Männer Kartenspiel vor Zementsäcken, eine Sen- hora schaukelt ihren Enkel im Wägelchen. Wie sagte Goethe: „Mir ist so kanniba- lisch wohl . . ." In gehobe- neren Gaststätten wird die Speisekarte abgerundet mit Truthahnspießen, Forelle mit Schinken und in der Pfanne gebackenen und mit Kraut durchkneteten Polenta-Wür- feln. Nun, es ist eine Küche, gedacht für den Seefahrer oder Fischer, Weingärtner und Handwerker, der 12 oder 14 Stunden im Freien anpak- ken muß — nicht für einen verhockten Büromenschen, der seinen degenerierten Kreislauf mit einer jämmer- lichen Kalorien-Diät pflegen will. Ekkhard Häusermann

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