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Archiv "Erfahrungen mit einem computergestützten Konzept zur ärztlichen Aufklärung" (24.09.1993)

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(1)

DIE ÜBERSICHT

Erfahrungen mit einem

computergestützten Konzept zur ärztlichen Aufklärung

S

teigende Zahlen von "Kunst- fehler-Gutachten", Bescheide der Gutachterkommission und von staatsanwaltschaftli- ehen Ermittlungen in den letzten Jahren signalisieren wohl kritischer gewordene Mitbürger.

Ein vermuteter Behandlungsfeh- ler ist für den beweispflichtigen Pa- tienten häufig nur schwer zu verifi- zieren. Da liegt es nahe, den Vorwurf der Aufklärungspflichtverletzung als Auffangtatbestand zu benützen. Im Unterschied zum Behandlungsfehler- vorwurf hat der Arzt die Beweislast für eine korrekte Aufklärung zu tra- gen.

Damit entsteht für den Arzt die Gefahr, daß er bei Eintritt von schicksalsmäßigen Komplikationen wegen unzureichender Aufklärung in die Haftung genommen wird. Häufig sind aus organisatorischen Gründen zudem Behandler und aufklärender Arzt nicht identisch.

Deshalb wurde nach einem Kon- zept gesucht, das mit hoher Wahr- scheinlichkeit die gebotene Aufklä- rung, vor allem über die Risiken und bestehenden Alternativen, ein- schließlich beweissichernder Doku- mentation, sicherstellen soll (5).

Anforderungen an die Aufklärung

Entscheidend ist zunächst das eigentliche Aufklärungsgespräch zwi- schen Arzt und Patienten. Dabei soll der Patient erfahren, in was er ein- willigt (3,8) und welche Alternativen bestehen. Während von der Recht- sprechung in den fünfziger Jahren noch die Komplikationshäufigkeit herangezogen wurde, sind heute wichtig:

Reinhold T. Müller

Die Schwachstellen ärztlicher Aufklä- rung - Vergessen, Verwendung von Fachwörtern, unzureichende Erläute- rungen und mangelhafte Dokumen- tation - können durch Einsatz eines Computers als kleines Expertensystem angegangen werden. Damit werden für jeden Patienten individuell enge- paßte Unterlagen für die Aufklärung erstellt, die nach dem Gespräch, ge- gebenenfalls handschriftlich ergänzt, als Protokoll dienen. Die über fünfjäh- rigen Erfahrungen mit dem System zei- gen, daßtrotzdeutlicher Risikodarstel- lung eine nicht vertretbare Beunruhi- gung des Patienten ausbleibt.

~ die speziell dem geplanten Eingriff anhaftenden, also typischen Risiken (10);

~ patientenspezifische Hinwei- se zur Tragweite des Eingriffs, das heißt eine "patientenbezogene Auf- klärung", die auch die berufliche und private Situation des Patienten be- rücksichtigt (8);

~ eine vollständige Berücksich- tigung auch seltener Risiken, die, wenn sie sich verwirklichen, die Le- bensführung schwer belasten und trotzihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch und für den Laien überra- schend sind (8,2);

~ die echten Alternativen mit gleichwertigen Chancen, aber ande- ren Risiken (10);

Orthopädische Universitätsklinik Essen (Direktor: Prof. Dr. F. Löer)

A1-2462 (38) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 38, 24. September 1993

~ die Sicherung einer sachge- rechten Nachbehandlung (Sicher- heitsaufklärung);

~ die Verständnissicherung.

Dabei muß sich der Arzt durch fortlaufend gezieltes Studium der Fachliteratur entsprechend informie- ren. Da Formvorschriften fehlen, liegt es im Ermessen des Arztes, wie er die erfolgte Aufklärung beweis- rechtlich sichert. Die über viele Jahre gebräuchlichen und auch heute noch in manchen Kliniken anzutreffenden allgemeinen Formulare, die nur teil- weise freien Raum für zusätzliche Einfügungen enthalten, erlauben kei- nen Nachweis einer ordnungsgemä- ßen Aufklärung über ein bestimmtes Operationsrisiko. Der Beweis kann nur angetreten werden, wenn das sich verwirklichende Risiko in das Aufklärungsformular Eingang gefun- den hat.

Das computergestützte Aufklärungskonzept Eigene Untersuchungen haben vorwiegend nachfolgende Schwach- stellen ergeben:

~ Die möglichen Risiken wur- den nicht vollständig genannt, weil der eine oder andere Punkt verges- sen worden war.

~ Gewohnheitsmäßig und des- halb unbemerkt wurden, bei der Dia- gnose beginnend, immer wieder Fachwörter verwendet, die in der Re- gel auf der Patientenseite zu Ver- ständnisschwierigkeiten führen müs- sen (zum Beispiel "Sudeck").

~ An sich verständliche Begrif- fe, wie zum Beispiel "Entzündung"

wurden ohne die notwendigen weite- ren Erläuterungen gegeben. "Ent- zündung" für sich allein reicht nicht

(2)

aus, weil der Patient damit im allge- meinen die Vorstellung einer vor- übergehenden und alsbald zu behe- benden Entzündung ohne schwer- wiegende Folgen verbindet (1). So muß beispielsweise bei einer intraar- tikulären Injektion auf die Gefahr der Gelenkversteifung als Folge ei- ner Entzündung hingewiesen werden (1) .

..,.. Bei der Fülle der genannten Risiken fehlt dem Patienten am En- de des Gespräches beim Überdenken des Gehörten der Überblick.

..,.. Die Dokumentation von ein- zelnen Punkten fehlte oder bestand nur aus Schlagwörtern.

Ausgangspunkt war die eigene Situation an einer großen orthopädi- schen Klinik, die eine Fülle unter- schiedlicher Eingriffe anbietet. Eine Zusammenstellung der für 88 Ein- griffe an neun Regionen in Frage kommenden Risiken kam auf 312 maximal fünf Zeilen umfassende Formulierungen. Dies machte klar, daß ein dauerndes vollständiges Be- reithalten aller dieser Punkte den durchschnittlichen ärztlichen Mitar- beiter überfordern muß. Die vor fünf bis sechs Jahren aufkommende Ver- breitung der Personalcomputer führ- te zu der Idee, die Verwaltung der Risiken dem Computer zu übertra- gen.

Mit Hilfe des erstellten Saft- wareprogramms kann der Arzt im Dialog in wenigen Minuten am Per- sonalcomputer nach Eingabe des Pa- tientennamens und der vorgesehe- nen Operation ein auf den Patienten und den geplanten Eingriff zuge- schnittenes Schriftstück anfertigen.

Da auf einem Feld die für den ge- wählten Eingriff in Frage kommen- den Risiken, unter Umständen auch Alternativen und Punkte zur Sicher- heitsaufklärung, am Bildschirm ange- zeigt werden, muß jeweils nur ge- prüft werden, ob dieses aufgenom- men werden soll (Abbildung I bis 3).

Unvollständigkeit durch Vergessen scheidet damit weitgehend aus. Da- neben wird jede Komplikationen auf maximal fünf Zeilen allgemein ver- ständlich formuliert und beschrieben (siehe Beispiel). Dadurch wird dem Patienten nach dem Gespräch das Überdenken der möglichen Folgen erleichtert.

DIE ÜBERSICHT

i ,.

chulter (t)

Ellbogen, Unterar• und Htndgelenk (b)

1nd (c)

nlegelenk (e)

nterschenkel,Sprungelenk (f)

Abbildung l: Anwahl der gewünschten Region

HUFTGELE HK

TEP Dyapltale Cb) r Wechsel (c) Uatellung Cd) ntapannung Cl) Glrdleatone Cg) rthrodese Ch) hltrl Cl) u10rprothese (z)

Abbildung 2: Nach Auswählen der Region Hüftgelenk werden die derzeit gespeicherten Eingriffe ange- zeigt

Die jeweils angewählte, vom Rechner vorgesehene Beschreibung erscheint zunächst auf dem Bild- schirm. Sie wird, soweit es der vorlie- gende Fall erfordert, mit Hilfe der Tastatur entsprechend geändert. Je- derzeit können weitere Hinweise auf Komplikationen, die nicht vom Pro- gramm zur Verfügung gestellt wer- den, zusätzlich eingegeben werden.

In das Schriftstück können ne- ben den Risiken auch sonstige not- wendige Einwilligungen, wie zum Beispiel zur Knochenspende bei Ver- wendung des Femurkopfes als Kno-

chentransplantat mit den entspre- chenden Blutuntersuchungen, insbe- sondere bezüglich AIDS, aufgenom- men werden.

Der Ausdruck des Schriftstücks bereitet bei Schreibgeschwindigkei- ten von 150 bis 300 Buchstaben pro Sekunde (Matrix- und Laserdrucker) keine Schwierigkeiten.

Anband der zusammengestellten Komplikationen, die im jeweiligen Fall genannt werden sollen, wird das Aufklärungsgespräch geführt. Sollten sich während des Gesprächs noch weitere Gesichtspunkte ergeben,

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 38, 24. September 1993 (39) Ar2463

(3)

Komplikationen: TEP

Infektion ,t) =MIM .2£11=1.1.M7

te) 3,11,1.1113 la .(f)

eirent1.4 "

=.

21211101.1 Eigenblutspende(k)

11ULI4 I 4TIM

neen miL <HET,, andere Region <Ctrl/RET>

(k) EIGEM$I.IITSPEMDE

Durch Blutverlust kann eine Bluttransfusion erforderlich werden. Es besteht die MOglichkeit vor der Operation BLUTROMSEWER DES EIGENEM BLUTES Kn gewinnen. Die Mutwendigkeit von FREMDBLUTethen wahrend oder nach der

Iperation kann so erhehlich VERRINGERT werden (und damit die GEFAHR, dabei KRAMKHEITEM mit 71 UBERTRAGER (z.B.GELBSHCHT, AIDS).

Abbildung 3: Beispiel Totalendoprothese (TEP): Anzeige der gespeicherten spezifischen Komplikationen, alternativen Methoden und sonstiger Punkte (hier Einwilligung zur Knochenspende des Femurkopfes und der serologischen Spenderuntersuchung). Der ausgewählte Punkt wird jeweils im Klartext im unteren Bildschirmviertel angezeigt und kann bei Bedarf mittels der Korrektur- und Löschtaste weiter bearbeitet werden.

Alle Abbildungen: Computerschirmbilder während des Programmablaufes MEDIZIN

werden diese handschriftlich nachge- tragen. Damit entsteht ein Protokoll, das den Inhalt des Gesprächs wieder- gibt. Dieses beinhaltet durch einen entsprechenden Zusatz zugleich das Einverständnis des Patienten. Das Schriftstück verbleibt zunächst bei dem Patienten, bis dieser seine Ent- scheidung getroffen hat. Mit seiner Unterschrift bestätigt er dann den In- halt des Aufklärungsgespräches und sein Einverständnis zu dem vorge- schlagenen Eingriff.

Die entscheidende Änderung gegenüber anderen Konzepten liegt in der Nutzung moderner Technik als Speicher und Hersteller von Schrift- stücken. Alles dies kann man, wenn- gleich mit hohem Zeitaufwand, per Hand erledigen. Aus einer Kompli- kationsliste wählt man aus, formu- liert, bespricht dies und fixiert das Ausgewählte dann im Krankenblatt.

Ergebnisse der

fünfjährigen Einsatzzeit

Die Akzeptanz seitens der Ärzte wurde zunächst durch die Zahl der vorhandenen Computer beschränkt;

heute ist dies kein Thema mehr. Das Programm lief nur auf einem Gerät.

Dadurch bedingte zum Teil längere Wege hielten meist nicht davon ab, von der neuen Möglichkeit Gebrauch zu machen.

Nach einer Kurzeinweisung wa- ren alle interessierten Kollegen in der Lage, das Programm auch ohne weitere Computerkenntnisse zu be- dienen und einen Patientenbogen auszudrucken. Von allen der ärztli- chen Aufklärung konstruktiv gegen- überstehenden Kollegen kam unein- geschränkte Zustimmung.

Die patientenseitige Akzeptanz wurde in einer eigenen Untersu- chung überprüft. Neben einer Über- prüfung des Erinnerungsvermögens an den Inhalt des Gesprächs wurde in 102 Fällen vor allem der Frage nachgegangen, welchen Eindruck das Aufklärungsgespräch und der an- schließend vorgelegte Bogen beim Patienten hinterläßt.

Von zwei Patienten wurde, rechtlich möglich, die Aufklärung ab- gelehnt, wobei dann nur der Verzicht sauber zu dokumentieren ist. Hin-

DIE ÜBERSICHT

weise auf die Notwendigkeit von In- formationen für die persönliche Ent- scheidung konnte in diesen beiden Fällen an der Entscheidung nichts ändern.

Die Zusammensetzung des Pro- tokolls und damit die Zahl der ge- nannten Risiken schwankte zwischen vier und elf, durchschnittlich wurden 7,7 Komplikationen ausgewählt.

Der Vergleich mit einem ergänz- baren Formular, in das alle Risiken handschriftlich eingetragen wurden, zeigte, daß mit der individuellen Auf- listung der Risiken als Grundlage, das Gespräch ausführlicher ausfällt.

Dies betraf nicht nur die Zeit des Ge- sprächs, die sich bis auf das doppelte verlängerte, sondern auch die Zahl der genannten Risiken.

39 Prozent der 100 postoperativ befragten Patienten gaben an, bereits vor dem Gespräch das Risiko des Eingriffs in etwa gekannt zu haben, 61 Prozent hatten dagegen nicht ge- dacht, daß ihre Operation so weitrei- chende Komplikationen nach sich ziehen könne.

Bei vier der Befragten löste das Gespräch Angst, bei weiteren vier große Angst vor der Operation aus.

Dabei handelte es sich teilweise um

außergewöhnlich schwere Eingriffe.

12 Patienten äußerten spontan, sie hätten durch das Gespräch „Vertrau- en gewonnen" oder „das Gefühl der sorgfältigen Behandlung" gehabt.

Innerhalb der letzten fünf Jahre hatten sich zwei Patienten nach der Aufklärung gegen die vorgeschlagene Operation entschieden.

90 Prozent der Befragten hielten es für richtig und wichtig, daß alle wesentlichen Risiken genannt wur- den. Die restlichen 10 Prozent waren der Meinung, es wäre besser gewe- sen, wenn die „Gefährlichkeit" der Operation nicht so deutlich vor Au- gen geführt worden wäre. Nur fünf Patienten bewerteten das Protokoll als mäßig oder schlecht.

Die Erfassung des Erinnerungs- vermögens an den Gesprächsinhalt hatte gezeigt, daß ein Großteil zwei Wochen postoperativ im Patienten- gedächtnis „gelöscht" worden war.

Auch nach nochmaligem Nennen der Komplikationen konnten sich die Pa- tienten in 43 Prozent der Fälle nicht mehr erinnern, diese schon einmal gehört zu haben.

Der Zeitbedarf für die Erstel- lung eines Protokolls am Computer betrug nach Kurzeinweisung etwa ei- A1-2464 (40) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 38, 24. September 1993

(4)

Aufklärung am Beispiel Implantati- on einer zementierten Hüftgelenks- totalendoprothese

1.1. Derzeit gespeicherte Ein- griffe am Hüftgelenk:

TEP (Totalendoprothese) TEP Dysplasie

TEP Wechsel Umstellung Winkelplatte Entspannung Girdlestone Arthrodese Chiari

Tumorprothese

1.2. Nach Anwahl TEP ange- botene Risiken spezifischer Art:

(die mit * gekennzeichneten Punkte treffen für eine zementierte TEP in der Regel nicht zu)

Infektion Gefäß-Nervenv.

Beinlängendiff.

Lockerung Luxation Spongiosaplast.*

Fraktur introp.*

Myositis oss.

zementl. unmögl.*

1.3. Nach Anwahl TEP ange- botene alternative Methoden:

Gelenkerhalt* (durch Umstellung, kommt nur bei besonderer Gelenk- situation in Frage)

Eigenblutspende 1.4. Sonstiges:

Knochenspende AIDS-Folgen

(Verwendungserlaubnis für den re- sezierten Femurkopf in der Kno- chenbank, Einwilligung zur serolo- gischen Spenderuntersuchung, ins- besondere auf HIV)

1.5 Risiken allgemeiner Art:

(werden automatisch mit aufge- nommen)

Thrombose, Embolie, Herz- und Kreislaufversagen, Entzündungen von Luft- und Harn- wegen,

Restrisiko der Virustransmission bei Fremdblutgabe

(entfällt bei handchirurgischen Ein- griffen)

1.6. Risikobeschreibung in laienverständlicher Formulierung im Ausdruck:

(entsprechend den oben genannten Punkten)

Diagnose: Hüftgelenksverschleiß rechts

Therapie: künstliches Hüftgelenk rechts

1. Eine oberflächliche Ent- zündung heilt meist unter Behand- lung ab. Die TIEFE ENTZÜN- DUNG, Häufigkeit bis 2 Prozent, gefährdet das Kunstgelenk. Es bil- det sich u. U. Eiter, das Gelenk lok- kert sich. Eine HERAUSNAHME des KUNSTGELENKS mit lang- wieriger Behandlung (Gefahr der chronischen KNOCHENEITE- RUNG, LAUFEN OHNE GE- LENK) ist dann nicht mehr zu ver- meiden.

2. Die nahe des Hüftgelenkes vorbeiziehenden Nerven und Gefä- ße sind verletzungsgefährdet. Die Folgen können LAHMUNGEN, GEFÜHLS- und DURCHBLU- TUNGSSTÖRUNGEN sein.

3. Nach Einsetzen des Kunst- gelenkes wird sich die BEINLÄN- GE meist verändern, so daß ein entsprechender Schuhausgleich ge- tragen werden muß.

4. Kunstgelenke sind bis heu- te in ihrer Haltbarkeit beschränkt.

In ungünstigen Fällen kann sich die Prothese frühzeitig LOCKERN, dies macht einen Wechsel der Pro- these und damit eine neuerliche Operation nötig.

5. Manchmal wird das Bein nicht kräftig genug in der Gelenk- pfanne gehalten. Es kann HER- AUSSPRINGEN. Nach Wiederein- richten muß vorübergehend Bettru-

he eingehalten oder eine Gipshose getragen werden.

6. Verkalkungen, die sich nach der Operation in der Musku- latur ausbilden können, führen u. U. zu BEWEGUNGSEIN- SCHRÄNKUNGEN bis hin zur EINSTEIFUNG. Auch eine Kalk- entfernung durch Operation bringt dann nicht immer Besserung.

7. Durch Blutverlust kann ei- ne Bluttransfusion erforderlich werden. Es besteht die Möglichkeit, vor der Operation BLUTKONSER- VEN DES EIGENEN BLUTES zu gewinnen. Die Notwendigkeit von FREMDBLUTgaben während oder nach der Operation kann so erheb- lich VERRINGERT werden und damit die GEFAHR, dabei KRANKHEITEN mit ZU ÜBER- TRAGEN (z. B. GELBSUCHT, AIDS).

8. Ich bin damit einverstan- den, daß der durch das Kunstgelenk wegfallende Knochen als KNO- CHENSPENDE verwendet wird und dafür notwendige BLUTUN- TERSUCHUNGEN (u. a. AIDS) bei einer normalen Kontrolle mit durchgeführt werden.

9. Ein positiver AIDS-Nach- weis kann für den Betroffenen weit- reichende Folgen haben. So kann es z. B. durch Unkenntnis und Unver- ständnis von Mitbürgern zur sozia- len Abgrenzung kommen.

Eine Garantie für den Erfolg der Behandlung kann nicht gege- ben werden. Bei jedem Eingriff be- steht ein allgemeines Risiko (THROMBOSEN der Beinvenen, Gefahr einer LUNGENEMBOLIE, HERZ- und KREISLAUFVERSA- GEN, ENTZÜNDUNGEN der Luft- und Harnwege). Falls erfor- derlich bin ich mit der Gabe von Blutkonserven einverstanden. Da- bei besteht das Restrisiko, daß trotz Testung Krankheiten (z. B. GELB- SUCHT, AIDS) übertragen werden können.

MEDIZIN

DIE ÜBERSICHT

Beispiel

A1 -2466 (42) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 38, 24. September 1993

(5)

ne, der Ausdruck benötigte weitere zwei Minuten; während dieser Zeit kann bereits am nächsten Protokoll gearbeitet werden.

Diskussion

Das Resümee Ehlers ( 4) in sei- ner Studie "Patientenaufklärung in Deutschland" daß "jeder, der bei den befragten Patienten durchgeführten Eingriffe rechtswidrig" gewesen sei, mag man unter seinen Maximalfor- derungen bewerten. Dagegen signali- sieren die Entscheidungen der Ge- richte Mängel bei der ärztlichen Auf- klärung mit Folgen.

Weissauer (11) sieht "die größte dieser Schwierigkeiten in der nahezu unlösbaren Aufgabe, vor jeder Stan- dardoperation erneut zu prüfen, wel- che eingriffsspezifischen Risiken der Aufklärung bedürfen". Von ihm stammt auch das einzige Konzept zur Verbesserung: die Stufenaufklärung (11). Sie arbeitet mit vorgedruckten Formularen (Merkblätter), die be- reits vor dem Gespräch an die Pa- tienten ausgegeben werden. Die Stu- fenaufklärung blieb nicht ohne Kri- tik, Wachsmuth und Schreiber (9) bezeichneten sie als ein "ärztlich und rechtlich verfehltes Modell".

Das computergestützte Modell trägt dieser Kritik Rechnung:

~ Schriftliche Informationen, die einen "darauf nicht vorbereiteten Kranken unnötig belasten und aus dem Gleichgewicht bringen" könn- ten, werden nicht gegeben.

~ Dem Patienten wird keine

"Fülle schriftlicher Informationen aufgedrängt", der Umfang der Auf- klärung wird individuell auf den Pa- tienten abgestimmt, gegebenenfalls noch während des Gesprächs ergänzt.

~ Es erfolgt ein Festhalten

"des wesentlichen Inhalts des Auf- klärungsgespräches in einer Doku- mentation".

Ein weiterer Nachteil der Stu- fenaufklärung wird, abgesehen von der Lagerhaltung, in der Vermi- schung von allgemeinen Informatio- nen mit der Risikoaufklärung gese- hen. Dies führt dazu, daß das Risiko, schon optisch nur einen kleinen Teil des Bogens einnehmend, eher in den Hintergrund tritt.

DIE ÜBERSICHT

Dagegen liefert das computerge- stützte Konzept ein Protokoll, in dem neben der Diagnose und der Thera- pie nur der Inhalt der Aufklärung enthalten ist.

Die fehlende Flexibilität stan- dardisierter Bögen kann sich bei ähn- lichen Eingriffen mit unterschiedli- chen Risiken auswirken. Bei einer Rezidivstruma wurde das Merkblatt über die Kropfoperation vorgelegt.

Da dieses, auf den Ersteingriff abge- stimmt, die Vorstellung erweckt,

"daß von der bevorstehenden Opera- tion keine ernstzunehmende Gefahr für die Stimmbänder zu erwarten sei"

(6), wurde der in Wirklichkeit hohen Komplikationsdichte bei Rezidiv- strumektomien nicht Rechnung ge- tragen.

Hingegen zeigt sich die Flexibili- tät des Computers nicht nur bei einer ständigen Softwarepflege anband der Rechtsprechung. Ergänzungen und Änderungen fließen bereits in die Routine des nächsten Tages ein. So- weit Risikostatistiken genannt wer- den, ist die geforderte Anpassung (8) an die jeweilige Klinik möglich.

Die Ausgabe eines Bogens vor dem Gespräch kann trotz Unter- schrift des Patienten nicht unbedingt den Nachweis der Aufklärung si- chern (3). So wurde eine Unterschrift zur Einwilligung in Erwartung eines noch folgenden Gesprächs geleistet.

Letztlich war nicht mit der erforderli- chen Sicherheit feststellbar, ob ein Gespräch stattgefunden hatte (7).

Ausschließlich handschriftliche Eintragungen in Bögen mit Leerzei- len können vor allem wegen der Un- vollständigkeit kaum mit dem Com- puter konkurrieren.

Die Software kann an die Be- dürfnisse und Wünsche unterschied- licher Abteilungen, Kliniken und Fachgebiete angepaßt werden. Die heute unglaublich billige Hardware dürfte über kurz oder lang auf jeder Station verfügbar sein.

Das vorgestellte Konzept zwingt indirekt zu entsprechenden ärztli- chen Gesprächen, weil die eindeutige Formulierung im Protokoll es letzt- lich nicht erlaubt, zu großzügig über einzelne Punkte hinwegzugehen. So kommt die bei der Dokumentation eingesparte Zeit dem eigentlichen Gespräch zugute.

Die Beunruhigung hält sich bei einem geeigneten Gespräch, trotz Nennung von weitreichenden Kom- plikationen, in Grenzen. Nur acht Prozent hatten Angst oder große Angst bekommen. Immerhin hat die Aufklärung bei 12 Prozent das Ver- trauensverhältnis sogar gefestigt.

Damit bietet sich die Chance, falsche Vorstellungen über Möglich- keiten und Grenzen der modernen Medizin ohne ein Obermaß von Angst zu korrigieren und damit eine überzogene Anspruchshaltung auf ein normales Maß zurückzuführen.

Für alle Beteiligten wäre dies von Vorteil.

Deutsches--- Ärzteblatt

90 (1993) A1-2462-2467 [Heft 38]

Literatur:

1. BGH 14. 2. 1989- VI ZR 65/88

2. Deutsch E., M. Hart!, Th. Carstens: Auf- klärung und Einwilligung im Arztrecht (ESA). Entscheidungssammlung deut- scher Urteile. Springer, Berlin/Heidel- berg/New York (1987)

3. Deutsch E.: Arztrecht und Arzneimittel- recht. 2. Auflage, Springer, Berlin (1991) 4. Ehlers, A. P. F.: Die ärztliche Aufklärung

vor medizinischen Eingriffen. Heymanns Verlag Köln/Berlin/Bonn/München (1987)

5. Müller R. T., H. Konermann, G. Schöppe:

Sicherung und Nachweis der einwandfrei- en Aufklärung. Zeitschrift für Orthopä- die, 127 (1989) 625-628

6. OLG Köln 10. 4. 1991, Rheinisches Ärzte- blatt 21 (1991) 866

7. OLG Köln 26. 11. 1984, 7 U 89/84 8. Steffen E.: Neue Entwicklungslinien der

BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungs- recht. RWS-Skript 137, Verlag Kommuni- kationsforum Köln (1990)

9. Wachsmuth W., H. L. Schreiber: Die Stu- fenaufklärung - ein ärztlich und rechtlich verfehltes Modell. Chirurg 53 (1982) 594-596

10. Wagner H. J:: Allseitige Patienten-Auf- klärung. Dt. Arzteblatt 83 (1986) 3198 11. Weissauer W.: Aufklärungspflicht des

Chirurgen. Langenhecks Arch. Chir. 345 (1977) 471; Erwiderung zu (9) Chirurg 53: 597-598

Anschrift des Verfassers

Priv.-Doz. Dr. Reinhold T. Müller Orthopädische Universitätsklinik Essen

Hufelandstraße 55 45147 Essen

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 38, 24. September 1993 ( 43) Ar2467

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