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Archiv "Sind Polikliniken erhaltenswert?" (14.06.1990)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DER KOMMENTAR

Sind Polikliniken erhaltenswert?

Für den 17. Mai 1990 hatte der Ärztliche Direktor der Dresdener Poliklinik Stadtzentrum, Dr. Köstler, zu einer Veranstaltung geladen, an welcher etwa 200 bis 250 Vertreter von ambulanten staatlichen Gesund- heitseinrichtungen der gesamten DDR teilnahmen. Zielstellung der Veranstaltung sollte sein, Gedanken zu entwickeln, wie diese Einrichtun- gen zu erhalten seien.

Den einleitenden Worten des Gastgebers kann zunächst uneinge- schränkt zugestimmt werden:

„. . Polikliniken dürfen nicht das Asyl wettbewerbsunfähiger und ar- beitsunwilliger Mitarbeiter sein . . ."

Damit war aber wohl bereits das Grundproblem unterschwellig ange- sprochen worden, wonach es doch so zu sein scheint, daß die Polikliniken bisher nicht die notwendigen Vor- aussetzungen bieten, um Wettbe- werbsfähigkeit und Arbeitswilligkeit in hohem Maße zu stimulieren. Köst- ler schlug dann vor, einen Dachver- band „Polikliniken" zu bilden, um organisatorische Voraussetzungen zu schaffen, die grundlegende Ideen zum „ Wie" des Erhalts der Poliklini- ken zu entwickeln. Diese wiederholt vorgebrachte Aufforderung zu einer neuen Interessenverbandsgründung stieß auf wenig Gegenliebe, so daß die Abstimmung darüber ausgesetzt werden mußte.

Hoch schlugen die emotionalen Wogen zu den Ausführungen des ehemaligen stellvertretenden Ge- sundheitsministers Dr. Berndt Schir- mer in seinem Buch „Gesundheit für ein Deutschland" (Arnold/Schirmer:

Gesundheit für ein Deutschland, Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 1990;

dazu auch Heft 19/1990: „Deutsch- deutsche Gesundheitspolitik: In Etappen zur Einheit"). Dr. Günther, Ärztlicher Direktor einer Berliner Poliklinik, formulierte „Wut und Protest", weil Schirmer „. . einer der wesentlichen Schuldigen unserer Misere . ." ist.

Irritationen verursachten die Ausführungen von Professor Deppe aus Frankfurt/M., der für die Erhal- tung der Polikliniken plädierte und ihre Übernahme auch für die Bun-

desrepublik empfahl. Er verteidigte nachdrücklich die Modelle, die ver- einzelt in der Bundesrepublik ent- standen waren. Das Scheitern dieser Modelle im Westen Deutschlands rechnete er den gesellschaftlichen Verhältnissen ebendort zu Schulde.

Dr. Müller, Weimar, rechnete die limitierenden Faktoren auf, die einer Veränderung im ambulanten Gesundheitswesen entgegenstehen;

diese sind:

I> die fehlenden Krankenkas- sen,

> eine veraltete Gebührenord- nung,

I> zu wenige Praxisräume, I> mangelnde technische Aus- rüstungen und

I> fehlende selbstverwaltende Körperschaften.

Zum Abschluß der Veranstal- tung blieben beim Beobachter vor al- lem Fragen, Antworten hatte er nicht erfahren! Daß Polikliniken bis auf weiteres bleiben müssen, ist wohl weniger einem Votum der Arzte für diese Form ambulanter medizini- scher Betreuung anzulasten als dem

Zum kommenden Winterseme- ster 1990/91 werden die Studienplätze im Studiengang Medizin bundesweit um etwa 25 Prozent reduziert. Viele Abiturienten befürchten deshalb eine Verschlechterung der Zulassungs- chancen und ziehen ein Medizinstudi- um in der DDR in Betracht.

Die Studiengänge Medizin und Zahnmedizin werden an den Univer- sitäten Berlin, Dresden, Erfurt, Hal- le, Jena, Leipzig, Magdeburg und Rostock angeboten. Eine Nachfrage bei diesen Universitäten hat ergeben, daß die Studienplätze für das Stu- dienjahr 1990/91 und 1991/92 bereits vergeben sind.

Das ist auf die bisherige Rechts- lage zurückzuführen, wonach die Be- werbung bereits vor dem Abitur er- folgte. Man bewarb sich direkt bei der Universität oder Medizinischen Akademie unter Beigabe von Zensu-

großen Gefühl der Unsicherheit, wie denn nun eigentlich eine Niederlas- sung zu realisieren sei.

• Der Selbstfindungsprozeß ambulanter Ärzte hat sicher noch nicht den Punkt erreicht, der es ge- stattet, in Abwägung allen Für und Widers sich eigenständig für die op- timale Form zu entscheiden. Emp- fehlungen bundesdeutscher Heils- prediger, das Polikliniksystem beizu- behalten, scheinen entbehrlich zu sein. Wie ein Polikliniksystem funk- tioniert hat und wie es nicht funktio- niert hat, weiß wohl jeder Arzt von Arkona bis Zittau am besten selbst.

Daß es so wie bisher in keinem Fall weiter fortgesetzt werden kann, ist auch für jeden Arzt und Zahnarzt selbstverständlich.

• Demzufolge sind im Moment die Ratschläge aus dem Westen ge- fragt, die dahingehend beraten, wie Polikliniken in einer Übergangsform zur Niederlassung wirtschaftlich be- trieben werden können, wie man mit der eigenen Arbeit den Verdienst so beeinflussen kann, daß man gegen- über dem niedergelassenen Kollegen nicht ein deklassierend niedrigeres Einkommen hat.

Dr. Michael Burgkhardt, Leipzig

renspiegel, Lebenslauf und einer vom Klassenlehrer verfaßten Beur- teilung. Neben den Zensuren wurde auch auf „gesellschaftliche Aktivitä- ten", Leistungssport usw. geachtet.

Den Bescheid über die Zulassung zum Studium bekamen diejenigen, bei denen es geklappt hatte, etwa ein halbes Jahr vor dem Abitur.

Vor der Immatrikulation in den Fachrichtungen Human- und Zahn- medizin ist ein Vorpraktikum an ei- ner stationären Einrichtung für ein Jahr zu absolvieren. Bei Ableistung des Wehrdienstes verkürzte sich die Dauer des Praktikums auf fünf oder zwei Monate.

Das Studium ist in Studienjah- ren aufgebaut. Die Prüfung nach dem zweiten Studienjahr entspricht dem Physikum (ärztliche Vorprü- fung) des Studiums in der Bundesre- publik. Noch während des Studiums

Medizinstudium in der DDR

A-1950 (26) Dt. Ärztebl. 87, Heft 24, 14. Juni 1990

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ist eine Diplomarbeit anzufertigen.

Der akademische Grad „Diplom- Mediziner" ist Voraussetzung zur Erteilung der Approbation. Weitere medizinische Graduierungen sind die Promotion A (Dr. med.) und die Promotion B (Dr. sc. med.), letztere entspricht in der Bundesrepublik dem Dr. med. habil. Die Promotion B ist Voraussetzung für die Berufung als Hochschullehrer.

Die derzeitige Rechtslage be- züglich der Zulassung von Studenten der Bundesrepublik in der DDR ist unklar. Die Studienplätze sind je- doch bereits für die nächsten beiden Studienjahre an Bewerber vergeben,

Seit Jahren sinkt die kassenärzt- liche Leistungsvergütung durch Punktwertverfall sowie inflationäre Geldentwertung, verbunden mit lau- fend steigenden Personal- und Sach- kosten. Auch das Privathonorar nach der GOÄ wird künftig reduziert.

Beide Minderungen verstehen sich bei unverändertem Leistungsan- spruch des Bürgers an eine sich stän- dig fortentwickelnde Medizin mit noch vor Jahren ungeahnten diagno- stischen und therapeutischen Mög- lichkeiten, die ihren zusätzlichen Preis haben.

Noch haben wir in der Bundes- republik Deutschland eine Medizin, die den Vergleich mit dem Weltstan- dard auf keinem Gebiet zu scheuen braucht, doch droht sie mehr und mehr durch staatliche Reglementie- rung mit Hilfe von bürokratischen, nicht sachverständigen Eingriffen systematisch provinzialisiert und da- mit ins Abseits gedrängt zu werden.

„Transparenz" wird propagiert, die bereits jetzt kaum mehr zu über- bieten ist. Schon heute wird jede Lei- stungsnummer für sich ebenso wie die Gesamtleistung individuell erfaßt und mit dem Fachgruppendurch- schnitt mit Hilfe von minutiös er- stellten Computerlisten durchleuch- tet und verglichen. Der Personalbe- stand der Kassenärztlichen Vereini- gungen und weiterer Kontrollgre- mien muß weiter zusätzlich erhöht werden, um das durch das „Gesund-

die zum jetzigen Zeitpunkt teilweise noch nicht einmal das Abitur absol- viert haben. Ob die bereits erteilten Zulassungen zu Gunsten anderer Bewerber wieder zurückgenommen werden, ist wohl unwahrscheinlich.

Im übrigen dürfte eine solche Rück- nahme rechtlich problematisch sein, da die Zulassungen wohl aufgrund der früheren und derzeit noch gel- tenden Rechtslage erfolgten.

Nach alledem dürfte die Hoff- nung vieler Studenten, das Studium in der DDR beginnen zu können, nicht begründet sein.

Rechtsanwalt Albert Stegmaier, Sandhausen/Heidelberg

heits-Reformgesetz" (GRG) neu an- fallende Datenvolumen zu verkraf- ten. Die sich hieraus ergebenden Ko- sten werden anteilig auf jeden ein- zelnen Arzt abgewälzt und wirken somit noch zusätzlich umsatzmin- dernd.

Computer müssen in Praxen auf- gestellt werden, weniger aus freiem Entschluß der Praxisinhaber, son- dern im wesentlichen, um Unterstel- lungen von bereits eingerichteten und einzurichtenden Kontrollgre- mien widerlegen zu können, ohne dem zeitraubenden und arbeitskraft- absorbierenden Verwaltungsauf- wand zu unterliegen.

Karteikarten müssen dennoch in irgendeiner Form weitergeführt wer- den, allein um eine Ablagemöglich- keit für schriftliche Befundmitteilun- gen zu haben. Die Hard- und Soft- ware-Kosten sowie deren Pflege ge- hen ebenfalls zu Lasten der Praxen.

Es sind also nicht die den Verwal- tungsaufwand steigernden Patien- tenzahlen (diese fallen drastisch), sondern staatliche Mißtrauenseinrich- tungen, die für diese Entscheidung ausschlaggebend sind.

Bisher selbstverständliche Fort- bildung wird institutionalisiert, der Arztberuf wird verschult, seine Ver- antwortung gegen sich selbst und für seine Patienten glauben andere ihm abnehmen und kontrollieren zu müs- sen. Der so oft zitierte mündige Bür- ger bleibt hier auf der Strecke, er fin-

det sich nur auf der Seite der Institu- tionen.

Es werden neue „Krankenversi- cherungsscheckkarten" eingeführt, die vom Patienten ebenso wie die Krankenscheine vergessen werden.

Deren Informationen können nur mit speziellen Lesegeräten abgeru- fen werden, ihre Finanzierung er- folgt durch uns.

Wir, die betroffenen Ärzte, se- hen diese Entwicklung mit offenen Augen, doch jeder von uns — ein In- dividualist — wurstelt weiter vor sich hin und glaubt, seinen restlichen Freiraum erhalten zu können, und begreift nicht, daß er von Quartal zu Quartal mit Riesenschritten unfreier wird.

Wir alle sind aufgerufen, uns jetzt zu wehren, wenn die Qualität der medizinischen Versorgung unse- rer Patienten nicht auf sozialistisches Niveau sinken soll. Hier hilft nur Ei- nigkeit der Gesamtärzteschaft gegen die totale Verstaatlichung, sie ist schon viel zu weit gediehen, als daß wir es uns leisten können, still zu ver- harren und wie ein Kaninchen auf die Schlange zu starren.

Wir müssen uns als Treuhänder für die Menschen verstehen, für die wir unsere Aufgabe täglich erfüllen — für die Patienten, denn sie sind letzt- lich die noch schweigenden Opfer dieser ideologischen Gesundheitspo- litik, deren umwälzende Dimensio- nen sie zur Zeit noch gar nicht er- kennen können.

Wer zu spät kommt, den straft die geschichtliche Entwicklung.

Nicht die anderen, sondern wir, das heißt jeder von uns, muß etwas tun, um eine Entwicklung, die in die fal- sche Richtung läuft, zu wenden. Pro- testieren wir bei unseren eigenen Organisationen und Körperschaften, die dem Bundesarbeitsminister zu gefällig sind.

Dirigismus nützt keinem! Im Gegenteil, er nimmt die Freiheit.

Jegliche Unfreiheit jedoch lähmt er- wiesenermaßen jede positive Ent- wicklung und führt zwingend zu ih- rem Niedergang. Diese Gesundheits- politik läuft Gefahr, der Totengräber einer noch leistungsorientierten und damit leistungsstarken Medizin zu werden.

Dr. med. Wolf Nerger, Hannover

Medizin im Würgegriff

A-1952 (28) Dt. Ärztebl. 87, Heft 24, 14. Juni 1990

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