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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
ann immer sich Karl Jung, Ministerialdirek- tor im Bundesarbeits- ministerium, zu Wort meldet, empfiehlt es sich, besonders auf- merksam hinzuhören. Späte- stens seit den Erfahrungen mit der Vorbereitung und Umset- zung des Gesundheits-Reform- gesetzes weiß man nämlich: Jung rammt jene Pflöcke ein; die den verbleibenden Handlungsspiel- raum für die Akteure der ge- setzlichen Krankenversicherung markieren.
Jetzt ist der enge Mitarbei- ter von Norbert Blüm von Bonn nach Berlin gewechselt — als Lei- ter der dortigen Außenstelle des Bundesarbeitsministeriums. Und auch an seiner neuen Wirkungs- stätte macht er von sich reden.
Auf einer Pressekonferenz für Journalisten ostdeutscher Zei- tungen erörterte der Ministerial- direktor kürzlich die Lage des Gesundheitswesens in den fünf neuen Bundesländern. Was er dabei einer Nachrichtenagentur
Polikliniken
Karl Jung und
ein Mißverständnis
zufolge über die Zukunft der Po- likliniken gesagt haben soll, ließ die berufspolitischen Seismogra- phen in seinem alten Wirkungs- bereich sofort heftig ausschla- gen.
Es sei vielleicht möglich, wird Karl Jung zitiert, „die Po- likliniken in der Ex-DDR zu ei- ner leistungsfähigen Alternative zur ambulanten medizinischen Betreuung durch frei niederge- lassene Ärzte zu entwickeln". In geringfügig veränderter Form könnten sie sogar ihre Chancen im Westen haben — als „Modell fürs ganze Bundesgebiet", wie die „Volksstimme Magdeburg"
ihren Artikel über die Jungsche Pressekonferenz überschrieb.
Hat Karl Jung das wirklich gesagt? Eine Sprecherin des
Bundesarbeitsministeriums de- mentiert dies entschieden. Der Ministerialdirektor sei mißver- standen worden. Tatsächlich ha- be er erklärt: Die Polikliniken stellen derzeit eine hochlei- stungsfähige Alternative zu der noch geringen Zahl niedergelas- sener Arzte dar. Es dürfe daher kein Kahlschlag unter den Poli- kliniken stattfinden. Wenn man bestehende Strukturen zerschla- ge, müsse man wissen, was dann noch da sei.
Allerdings — und vielleicht beruht darauf die Fehlinterpre- tation der Nachrichtenagentur — hielt es Jung auf der Pressekon- ferenz durchaus für denkbar, daß auch nach der gesetzlich festgeschriebenen Übergangs- frist von fünf Jahren noch Poli- kliniken bestünden, über deren Aufgaben und Zukunft man nachdenken müsse. Nachdenken wird man sicherlich müssen.
Wohl auch darüber, wie Karl Jung das alles nun wirklich ge- meint haben könnte . . . JM
G
emeinsam kämpfen der Berufsverband der Prak- tischen Ärzte und Ärzte für Allgemeinmedizin Deutsch- lands (BPA), der Fachverband Deutscher Allgemeinärzte (FDA) und die Deutsche Ge- sellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) unverdrossen für ei- ne Anerkennung und Veranke- rung sowie die nachhaltige fi- nanzielle Förderung des Faches Allgemeinmedizin an den Uni- versitäten.Bei diesen Aktivitäten sind inzwischen einige sichtbare Fortschritte erzielt worden: Seit 1970 sind an den westdeutschen Hochschulen und Universitäten rund 120 Lehraufträge für Allge- meinmedizin eingerichtet wor- den, die ausnahmslos von prakti- zierenden Allgemeinärzten wahrgenommen werden. An ei- nigen Medizinischen Fakultäten gibt es bereits mehrere allge- meinmedizinische Lehraufträge, so zum Beispiel in Frankfurt (acht). Viele der Lehrbeauftrag- ten sind inzwischen zum Hono- rarprofessor ernannt worden.
Allgemeinmedizin
Langsam aufwärts
Nachdem es lange Zeit in der alten Bundesrepublik nur ei- nen Lehrstuhl für Allgemeinme- dizin, und zwar an der Medizini- schen Hochschule Hannover (MHH), gab (Lehrstuhlinhaber war der inzwischen verstorbene Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Haehn), gibt es jetzt weitere Lehrstühle für Allgemeinmedi- zin beziehungsweise Professuren an den Universitäten Gießen, Göttingen und Marburg. In Ber- lin ist für das Winter-Semester 1990/91 eine C 4-Professur aus- geschrieben worden. An der Me- dizinischen Fakultät der Univer- sität Frankfurt leitet der Frank- furter Allgemeinarzt und Hono- rarprofessor Dr. Klaus Jork seit zwei Jahren ein Institut für All- gemeinmedizin. In Aachen ste- hen seit dem Sommersemester 1990 für das Lehrgebiet Allge- meinmedizin Drittmittel zur All-
gemeinmedizin-bezogenen For- schung und zur Einrichtung von Rotationsstellen für Allgemein- ärzte zur Verfügung.
Erstaunlich ist, daß es in der ehemaligen DDR bis heute nur an der Akademie für ärztliche Fortbildung in Berlin (Ost) ei- nen Lehrstuhl für Allgemeinme- dizin gibt. An den übrigen Uni- versitäten und Hochschulen wird das Fach mehrheitlich von Internisten vertreten, wiewohl die vormalige DDR eine obliga- torische Pflichtweiterbildung für Fachärzte für Allgemeinmedizin kennt (im Gegensatz zur alten Bundesrepublik).
Die Allgemeinärzte-Ver- bände BPA, FDA und die Fach- gesellschaft plädieren unverän- dert dafür, das Fach Allgemein- medizin in Forschung und Lehre und damit als gleichberechtigten Studiengang an den Hochschu- len zu etablieren. Lehrstühle und/oder Institute müßten als gleichwertige Einrichtungen wie bei den übrigen Gebieten der Medizin etabliert und anerkannt werden. HC
Dt. Ärztebl. 87, Heft 45, 8. November 1990 (1) A-3481