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Archiv "Zahnärzte: Fortschritte der Prophylaxe im Ausland: Weltkongreß der FDI in Hamburg" (16.10.1980)

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Aufsätze • Notizen TAGUNGSBERICHT

Als bei der Eröffnung des Weltkon- gresses der Föderation Dentaire Internationale sich unter den 93 teil- nehmenden Nationen auf der Tribü- ne des Hamburger Congreß-Cen- trums die polnische Flagge präsen- tierte, brandete unter den 4000 Gä- sten des Auditoriums minutenlanger Beifall auf. Ovationen nicht nur für die polnischen Kollegen, sondern auch für die Danziger Werftarbeiter und Staatsbürger, die für das wo- chenlang kämpften, was vom 2. bis 7. September ein paar hundert Kü- sten-Kilometer weiter westwärts an- dere wie selbstverständlich prakti- zierten: Freien Gedankenaustausch und freie Fortentwicklung des in freier Tradition agierenden Verban- des. Die Föderation Dentaire Inter- nationale (FDI), 1900 gegründet, gilt als der zweitälteste internationale heilberufliche Wissenschafts- und Hilfs-Verband („Doyen" ist das Inter- nationale Rote Kreuz).

Am letzten Tag des Kongresses, am 7. September, zertrümmerte kurz vor Beginn des Großen Festballs eine (Plastik?-)Bombe an einer Rolltrep- pe zu einem Keller-Geschoß des Congreß-Centrums Geländer, Dek- ken und eine Halleneinrichtung, glücklicherweise ohne Menschen zu verletzen. Der Vorgang wurde so ge- schickt geheimgehalten, daß die Nachricht den gesellschaftlich glän- zenden Abschluß nicht störte und nur Kennern und Sicherheits-Orga- nisationen bekannt blieb.

In den wissenschaftlichen Gremien, die seit Jahrzehnten praktisch jedes Jahr das zahnheilkundliche Wissen fokussieren und filtern, setzte sich die Trinkwasser-Fluoridierung als ei- nes der Hauptinstrumente der zahn- heilkundlichen Prophylaxe durch.

Als international akzeptierte Prä- ventions-Trias kann gelten: Mundhy-

giene, eiweißhaltige, vitaminreiche und zudem zuckerarme Kost, Fluori- dierung in jeder Form, sei es über die Wasserwerke, in Pasten und Ta- bletten oder in Tafelsalzen. Die Gre- mien analysierten, prüften und son- dierten in fast unendlicher Geduld die Nachrichten über vermeintliche und tatsächliche Nebenwirkungen und kamen zum Ergebnis, daß eine präzise dosierte Fluoridierung keine gesundheitsschädigende Auswir- kung haben kann. Die von den Kü- stenbewohnern und Touristen ohne Schaden genossenen Früchte und Tiere des Meeres enthalten mehr na- turbedingtes Fluorid als von der Schweiz in den dortigen Wasserwer- ken zugelassen und von der Wissen- schaft als Toleranzmarge einge- räumt.

Vorsorge-Erfolge in der Schweiz Prof. Dr. Louis Baume, Präsident der FDI, referierte über die Fluoridie- rungspraxis in der Schweiz: Die prinzipiell so pingeligen und reform- bedächtigen Eidgenossen haben es in 25jähriger Praxis geschafft, die Karies derart zu verdrängen, daß an den Universitäten in der Zahnheil- kunde die Studienpläne umgestellt werden müssen, weil die Prothetik mehr und mehr in eine wissen- schaftliche Randexistenz gerät. Das Schwergewicht der theoretischen und praktischen Zahnheilkunde in der Schweiz liegt in der Prophylaxe

— ein in der Bundesrepublik und Westberlin von den Bundesorgani- sationen der Zahnärzte sehnsüchtig anvisiertes Fernziel. Der Kariesbefall in den Gebissen der 5jährigen ist in der Schweiz sechsmal geringer als hierzulande, wo Zahnersatz immer noch großzügig von den Kranken- kassen bezuschußt (und wo, wie scharfe Zungen sagen, Zahnzerfall

immer noch großzügig von der RVO belohnt) wird. Die Trinkwasser-Fluo- ridierung, unter Kennern kurz

„TWF" genannt, wird aber vorläufig Fata Morgana bleiben. Die Umwelt- diskussion ist derart explosiv, daß entsprechende Antragssteller sofort in das Trommelfeuer umweltschüt- zender Demagogen kämen. Die Emotion ist auch hier durch die Ra- tio nicht zu schlagen.

Auf der Suche nach Goldersatz Etwas neidvoll registrierten die deut- schen Zahnarztkollegen die Fort- schritte der Prophylaxe in den Über- seeländern: Prof. Wong berichtete, daß in seinem Stadtstaat Singapur Zahnpflege in den Schulen quasi Pflichtfach geworden ist. In der Bun- desrepublik dagegen versackt die Jugendzahnpflege in einem Ge- strüpp von Zuständigkeiten, in ei- nem bürokratischen, von Land zu Land verschiedenen Geflecht, wo je- der mit dem Finger auf den andern zeigt, wo auch noch so präzis er- probte Präventionsprogramme der wissenschaftlichen zahnärztlichen Organisationen am Behördenrigo- rismus scheitern.

Intensive Forschungsarbeit gilt auch der Substitution der Edelmetalle im kostenträchtigen Zahnersatz. Die Not des boomartig gestiegenen Gold- und Silberpreises setzt eine bisherige zahnheilkundliche Grund- regel, nämlich daß Gold das korro- sionsbeständigste, verarbeitungs- freundlichste und verträglichste Er- satzmaterial ist, unter stärksten Druck. Die Forschungsansätze ste- hen seit dem Preisboom um die Jah- reswende freilich noch in den Anfän- gen. Den Dentalwerken Ivoclar (Schaan/Liechtenstein) scheint ein guter Start gelungen: In Zusammen- arbeit mit dem israelischen Zahnarzt Dr. ltzhak Shorer (Tel Aviv) und sei- nem Techniker Whiteman konnten Haft- und Aufbrenntechniken ent- wickelt werden, die in der Metallke- ramik z. B. zu Verringerungen des Goldgewichtes bis zu 40 v. H. führen.

Die neuen Haft- und Verbundtechni- ken machen in der Metallkeramik, wo bisher fast ausschließlich nur

Zahnärzte: Fortschritte

der Prophylaxe im Ausland

Weltkongreß der FDI in Hamburg

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2500 Heft 42 vom 16. Oktober 1980

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Aufsätze • Notizen Zahnärzte: Prophylaxe

aufwendige Edelmetalle verwendet werden konnten, den Weg frei für

„Sparmetalle" wie Silberpalladium (per anno werden 87 Tonnen Zahn- gold in der Welt verbraucht, davon kommen auf die Bundesrepublik und Westberlin fast 32 Tonnen, auf die USA etwa ebenso viel). Der sprachgewandte, temperamentvolle Prof. Louis Baume hat während sei- ner Präsidentschaft die FDI ge- strafft: Die Föderation wurde zu ei- nem lebhaften wissenschaftlichen Verbund, der auch kräftig die Nord- Süd-Kontakte pflegt. Zahlreiche wis- senschaftliche Aktivitäten kristalli- sierten sich heraus, um die Erkennt- nis und Praxis der modernen Zahn- heilkunde auch in die Dritte Welt zu übertragen, wo Zahnmedizin bisher nur im Griff zur Extraktionszange (wenn überhaupt vorhanden) be- steht. Ekkhard Häußermann

ZITAT

Sachverständigenrat

„Wir benötigen im Gesund- heitswesen eine Bedarfspla- nung, genau wie wir sie bei der Bearbeitung des Bil- dungsgesamtplanes gehabt haben. Und wir haben in der Wirtschaft mit dem Sachver- ständigenrat ebenfalls ein Instrument, das politische Entscheidungen zu verbes- sern hilft oder alternative

Entscheidungsmöglichkei- ten aufzeigt. Wir brauchen einen Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen, der unabhängig Perspekti- ven und Lösungen anbietet.

Es fehlt jedoch bis heute so- gar eine Analyse des Ist-Zu- standes im gesamten Ge- sundheitswesen."

Herbert Brückner, Senator für Gesundheit und Umwelt- schutz, Bremen, Bundesvor- sitzender der Arbeitsgemein- schaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG), in: „Wirtschaftswoche", Heft 38/1980, Seite 16

In seinem kürzlich erschienenen Ro- man „Wir heißen euch hoffen" ver- spricht Erfolgsautor Johannes Mario Simmel eine Auseinandersetzung mit dem Thema Rauschgift, speziell der Suchtbekämpfung durch Medi- kamente. So jedenfalls verkündet es der Klappentext. Was dann aber auf 638 Seiten folgt, wird dem Titel kei- neswegs gerecht.

Das Drogenproblem ist sicher gera- de für einen Millionenautor wie Simmel attraktiv und erfolgverspre- chend. Allerdings nützt es den Süch- tigen, und allen an der Bekämpfung der Sucht Beteiligten wenig, wenn in einer Auflage von 200 000 Exempla- ren Ansichten verbreitet werden, die mit der Realität nur wenig zu tun haben.

Hätte Simmel einen echten Tatsa- chenbericht auf den Markt gebracht, so hätte er auch – kraft seines Na- mens – einen wertvollen Beitrag zur sachlichen Information leisten kön- nen. Er hat es hingegen vorgezogen, weniger auf sachliche Argumenta- tion, denn vielmehr auf Effektha- scherei aufzubauen.

Die wirklichen Verhältnisse in der Rauschgiftszene – schon gar nicht die in Berlin – kennt er offenbar nicht. Wenn er den Eindruck erwek- ken will, daß es hauptsächlich Intel- lektuelle sind, bei denen Rauschgift- konsum große Mode ist (und dies auch noch zeremonienhaft hochsti- lisiert), ist Simmel falsch informiert:

74 Prozent der Heroinsüchtigen be- sitzen bestenfalls Volksschulbil- dung, 80 Prozent stammen aus Fa- milien mit niedrigem Einkommen.

Das sind nur zwei Zahlen aus Berli- ner Statistiken. Eine Quelle, die auch für Simmel gesprudelt hätte.

Auch mit einer anderen Behauptung geht der Autor an der Realität vor- bei. Er stellt fest, daß Berlin eines

DER KOMMENTAR

der Zentren für den Rauschgifthan- del sei. Richtig ist lediglich, daß in der Stadt der Rauschgiftkonsum und die Drogenkriminalität in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen haben.

Genauso falsch ist auch Simmels Zahl von den Drogentoten in Berlin.

Sie ist schon hoch genug. Es wäre nicht nötig gewesen sie noch weiter zu dramatisieren.

Beim zentralen Thema seines Bu- ches bleibt Simmel weit hinter den geweckten Erwartungen zurück. Er beschreibt die Suche nach einem Mittel gegen die Sucht und baut auf der Antagonistentherorie auf. Aber schon der Ansatz ist heute umstrit- ten. Sucht und Suchtbekämpfung sind nicht etwas ausschließlich

„Chemisches". Sucht kann also auch nicht auf ein Medikament redu- ziert werden, sie hat immer etwas mit der Persönlichkeitsstruktur des Süchtigen zu tun.

Wie umstritten die Antagonisten- theorie ist, beweist ein Blick in die Literatur. Sucht wird in Simmels Ro- man unmittelbar mit der Zahl der Rezeptoren im Gehirn und deren Blockierung in Verbindung ge- bracht.

Die Arbeiten von Albert Herz, Direk- tor am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, besagen et- was anderes. Herz kommt zu dem Schluß, daß die Zahlen der Bin- dungsstellen nicht unmittelbar in Zusammenhang mit einer langan- dauernden Opiat-Einwirkung ste- hen. Vielmehr befindet man sich heute auf der Suche nach Verände- rungen des den Rezeptoren in den Zellen folgenden Systems. Anhalts- punkte dafür liefert die Beteiligung des Enzyms Adenylat-Cyclase, das die Bildung von CAMP katalysiert.

Dieses Enzym ist häufig an Prozes-

Ziemlich hoffnungslos

Der neue „Simmel" zum Thema Rauschgift

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 42 vom 16. Oktober 1980 2501

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