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Archiv "Der Na +/H+ -Antiport" (29.07.1994)

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Der Na +/H -Antiport

Grundlagen und klinische Bedeutung eines Membran-Transportproteins mit zentraler Funktion bei der Regulation von Zellvolumen und intrazellulärem pH-Wert

Rainer Düsing 1 Dieter Rosskopf 2 Winfried Siffert

N

ahezu alle Zellfunktionen sind in hohem Maße vom intrazel- lulären (zytosolischen) pH- Wert (pH i) abhängig. Dieser liegt bei einem physiologischen extrazellulä- ren pH-Wert von 7,4, in den meisten Zellen bei etwa 7,0 bis 7,2 (24). Mu- rer et al. (57) beschrieben 1976 erst- malig ein Ionentransportsystem, das intrazelluläre H+ -Ionen gegen extra- zelluläre Na + -Ionen elektroneutral in einem Verhältnis von 1:1 aus- tauscht. Es wird daher als Na±/E1+ - Austauscher oder Na +/H+ -Anti- port(er) bezeichnet.

Während die Erstbeschreibung an Membranen von Nieren- und Darmmukosazellen erfolgte, konnte mittlerweile ein ubiquitäres Vorkom- men dieses Transports gezeigt wer- den (35, 54). Treibende Kraft für den Austausch ist der nach zelleinwärts gerichtete Na +-Gradient, der durch die Aktivität der Na + /K + -ATPase aufrechterhalten wird. Neben Na+

und H+ akzeptiert der Antiporter auch Li+ und NH4 + (7). Man speku- liert daher, daß der vornehmlich an Erythrozyten beschriebene Na+ /Li + - Austauscher (26) einen anderen Transportmodus des Na +/H + -Anti- porters darstellt (9). Die Hemmbar- keit der Funktion des Na+ /H+ -Aus- tauschers durch Amilorid und seine Derivate ist ein weiteres wichtiges Charakteristikum (44), sie bedingt je- doch nicht die diuretische Wirkung dieser Pharmaka (17).

1 Medizinische Poliklinik (Direktor: Prof.

Dr. med. Hans Vetter) der Universität Bonn

2 Institut für Pharmakologie (Direktor: Prof.

Dr. med. Karl Heinrich Jakobs) des Univer- sitätsklinikums Essen

Na ±/H +-Austauscher sind Proteine in der Zellmembran, welche H +-Io- nen (Protonen) aus der Zelle heraus und Natrium (Na Ilonen in die Zel- le hinein transportieren. Dieser Transportmechanismus ist in allen Geweben nachgewiesen, und die zu- gehörigen Transportproteine sind kloniert. Hauptaufgabe ist die Regu- lation von intrazellulärem pH und Zellvolumen ; NHE-1 („Na +/H + ex- changer") kann durch Amilorid und Derivate gehemmt werden. Die Akti- vität dieser Isoform ist durch humora- le Substanzen stimulierbar. Es ist na- heliegend, dem NHE-1 eine Rolle bei der intrazellulären Signaltransdukti- on zuzuschreiben. Weitere Isoformen, die in Niere, Magen und Darm vor- kommen, sind am renalen und inte- stinalen Elektrolyttransport beteiligt.

Die derzeitige Forschung zur klini- schen Bedeutung der Antiporter kon- zentriert sich auf die essentielle Hyper- tonie, die Gewebs-lschämie, Reperfusi- on besonders des Myokards und Ne- phropathie bei Diabetes mellitus.

Sardet et al. publizierten 1989 die Sequenz des humanen Antipor- ters (77). Dieses Protein mit einem Molekulargewicht von 110 kD, das mit NHE-1 („Na + /H + exchanger") bezeichnet wird, konnte in allen bis- lang untersuchten Geweben nachge- wiesen werden. Mittlerweise sind Isoformen des NHE-1 kloniert wor- den: NHE-2, NHE-3 und NHE-4 (12,

58, 91, 92, 96). Das Vorkommen die- ser Formen beschränkt sich im we- sentlichen auf Niere, Darm und Ma- gen, wo ihnen vermutlich eine Be- deutung für die Reabsorption von NaC1 und Bikarbonat zukommt. Zur Hemmung der Transportaktivität von NHE-2 und NHE-3 bedarf es im Vergleich zum NHE-1 deutlich höhe- rer Konzentrationen an Amilorid (13, 91, 92). Die Aufklärung der ge- nauen Funktion und der exakten Lo- kalisation dieser Isoformen ist Ge- genstand aktueller Forschung.

Ein Modell der vermuteten mo- lekularen Struktur des NHE-1 ist in Abbildung 1 dargestellt, die anderen Isoformen unterscheiden sich hier- von nur unwesentlich. Die Dichte der Transportproteine auf der Zellober- fläche ist vergleichsweise niedrig, sie beträgt je nach Zelltyp zwischen 500 und 2 000 Transporter pro Zellober- fläche (15, 70).

Physiologie des Na +/H +- Antiporters (NHE-1) Regulation des

intrazellulären pH-Wertes In nicht stimulierten Zellen be- sitzt dieses Transportsystem eine nur geringe Aktivität. Ansäuerung des Zellinneren führt zu einer starken Aktivierung des Antiporters, der bei einem pHi von etwa 6,0 sein Trans- portmaximum erreicht. Protonen werden hierbei nicht nur transpor- tiert, sondern stimulieren durch Bin- dung an einer weiteren Stelle des Proteins den Transport (allosterische Regulation [6]). Somit kommt dem Na +/11 -Antiport eine wesentliche Rolle bei der Konstanthaltung des in- trazellulären pH-Wertes zu. Als zu- sätzlichen Schutz besitzen viele Zel- len noch weitere Mechanismen der A-2036 (32) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 30, 29. Juli 1994

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t'1 11

7 VZI

NH2

O

Amilorid

6 2 3 4 5 5a 5b

COOH

7 8 9 10

0

Phosphorylierung

zellulären pH-Regulation, so unter anderem Protonen-ATPasen und Bi- karbonat/Chlorid-Austauscher (54).

Untersuchungen an Probanden unter experimentell mit NH 4C1 indu- zierter metabolischer Azidose und an Patienten mit Niereninsuffizienz und metabolischer Azidose ergaben, daß die Aktivität des lymphozytären An- tiports gesteigert ist (67). Dies ist ver- mutlich Folge einer verstärkten Neu- bildung an Transportprotein (64, 67).

Regulation des Zellvolumens Da der an den Auswärtstrans- port von H+ gekoppelte Einstrom von Na + mit einer osmotisch beding- ten Aufnahme von Wasser in die Zel- le einhergeht (Protonen sind osmo- tisch nicht aktiv), können Aktivitäts- änderungen des Antiports mit Ände- rungen des Zellvolumens einherge- hen. Osmotisch bedingte Zell- schrumpfung geht in vitro bezie- hungsweise ex vivo mit einer Zunah- me der Antiport-Aktivität einher (36, 74). Auch in vivo ist die Aktivität des Antiports nach akuter Infusion einer hypertonen Kochsalzlösung mit An- stieg der Plasmaosmolalität signifi- kant gesteigert (22). Der Antiport wirkt bei extrazellulärer Hyperosmo- larität so einer Zellschrumpfung ent- gegen. Dies könnte erklären, warum hyperosmolare Zustände mit einer in ihrer Pathogenese bis dato unklaren metabolischen Azidose (des Extra- zellularraumes) einhergehen können (99). So ist zum Beispiel für das hy- perosmolare diabetische Koma eine begleitende metabolische Azidose auch bei negativem Ketonkörper- nachweis beschrieben worden (4).

Über welche Mechanismen Zellen Volumenänderungen wahrnehmen und in eine Aktivitätssteigerung des Antiports umsetzen, ist bis heute noch nicht geklärt

Häussinger und Lang (38) haben darüber hinaus für die Leber gezeigt, daß nach Nahrungsaufnahme und als Folge von Stoffwechselprozessen Zellvolumenänderungen durch Neu- bildung oder Abbau osmotisch akti- ver Substanzen (zum Beispiel Ami- nosäuren im Proteinstoffwechsel, Glukose-Phosphat im Glykogenstoff- wechsel) auftreten. Dieser Volumen- regulation, an der ebenfalls der Anti-

porter beteiligt ist, kommt eine wich- tige Kontrollfunktion im Intermedi- ärstoffwechsel, beispielsweise bei der Insulinwirkung, zu (38).

Beteiligung bei der

Signaltransduktion und der Zellproliferation

Der NHE-1 wird durch eine Vielzahl humoraler Faktoren stimu- liert. Ein intrazellulärer pH-Anstieg erfolgt innerhalb weniger Minuten nach der Stimulation mit Wachs- tumsfaktoren (37) und wird durch ei- ne Phosphorylierung des NHE-1 aus- gelöst (78). Dies führt zu einer effi- zienteren 1314- Regulation, die ange- sichts eines verstärkten Anfalls von Protonen nach Zellaktivierung für die Funktionsfähigkeit der Zelle be- deutsam ist.

Daneben führt die Alkalinisie- rung des Zytosols in verschiedenen Zellen zu einer verstärkten Kalzium- freisetzung und zu einem größeren Kalziumeinstrom nach Stimulation;

das heißt der Antiporter ist in der

Abbildung 1: Modell der molekularen Struktur des NHE-1, wie sie aus der Aminosäuresequenz und Untersuchungen mit spezifischen Antikörpern ab- geleitet wurde. Die Rechtecke (1-10) stellen die membranspannenden Domänen dar; hieran schließt sich ein etwa 300 Aminosäuren langer, in- trazellulär gelegener Anteil an. Der lonentrans- port und die Wirkung des spezifischen Hemmstoffs Amilorid sind den membrandurchsetzenden Do- mänen 4, 5a und 5b zuzuordnen. Glykosylierungs- stellen sind durch grüne Verzweigungen darge- stellt. Die Regulation der Aktivität des Antiporters erfolgt durch den im Zytosol gelegenen Anteil.

Hierzu werden verschiedene Serinreste phosphory- liert (P). In der Zellmembran bilden wahrschein- lich zwei Antiportermoleküle ein Dimer.

Lage, auf die Signaltransduktion mo- dulierend einzuwirken (83, 84).

Essentielle Hypertonie

Hypertonie und zellulärer Membrantransport

Die Ausbildung der primären oder essentiellen Hypertonie hängt sowohl von hereditären Einflüssen als auch von Umweltfaktoren ab. Die A-2038 (34) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 30, 29. Juli 1994

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Tatsache, daß der arterielle Blut- druck in großen Populationen uni- modal verteilt ist, weist darauf hin, daß mehrere Gene beteiligt sein kön- nen. Diese Sicht der Hypertonie als polygenetisches Syndrom entspricht dem Konzept der multifaktoriellen Hypertoniepathogenese, das 1949 erstmals von Page vorgestellt wurde (59). 1952 wurde bei essentieller Hy- pertonie erstmals eine erhöhte intra- zelluläre Na +-Konzentration be- schrieben (89). In der Folgezeit ist dieser Befund wiederholt bestätigt worden (3, 8, 27, 39, 60). Daraus ist das Konzept abgeleitet worden, daß bei der essentiellen Hypertonie eine Störung des Membrantransports be- teiligt ist.

Gesteigerte Antiport-Aktivität bei Hypertonie

Eine Reihe von Untersuchungen hat bei einer Gruppe von Patienten (etwa 40 bis 50 Prozent) mit essenti- eller Hypertonie eine gesteigerte Ak- tivität des Antiporters dokumentiert.

Seit der Erstbeschreibung dieses Be- fundes (52) ist eine gesteigerte Akti- vität des Na +/H+ -Antiports mittler- weile an allen zirkulierenden Blutzel- len (72) und in vivo im Skelettmuskel nachgewiesen worden (16). Detail- lierte Untersuchungen haben bei der essentiellen Hypertonie zwei kineti- sche Abnormalitäten der wahr- scheinlich generalisierten Antiport- aktivierung gefunden: Eine höhere maximale Transportkapazität (ge- steigertes Ni max) und höhere Trans- portraten bereits bei geringem Anfall von Protonen (entsprechend einem niedrigeren Hill-Koeffizient der An- tiportaktivierung durch intrazelluläre Protonen) (10, 73). Die letztere Ab- normalität führt dazu, daß bereits ge- ringe Mengen intrazellulär anfallen- der Protonen mit hoher Effektivität aus der Zelle eliminiert werden. Die- se Veränderungen persistieren in im- mortalisierten Lymphozyten essenti- eller Hypertoniker in der Zellkultur, so daß eine direkte, hypertoniebe- dingte, humorale Beeinflussung aus- zuschließen ist. Vielmehr sprechen diese Befunde für eine intrinsische, möglicherweise genetisch determi- nierte Fixierung der Transportabnor- malität (73). An glatten Gefäßmus-

kelzellen von Ratten, die an einer ge- netischen (spontanen) Hypertonie erkranken, bestehen im Vergleich zu normotensiven Kontrolltieren glei- che kinetische Veränderungen der Antiportaktivität wie bei der essenti- ellen Hypertonie (40).

Die gesteigerte Aktivität des An- tiporters korreliert nicht mit Dauer und Schweregrad der arteriellen Blutdrucksteigerung. Auch führt eine arterielle Blutdrucksenkung, zum Beispiel mit einem ACE-Inhibitor nicht zu einer Veränderung der Anti- portaktivität (71). Diese Befunde un- terstreichen, daß die gesteigerte An- tiportaktivität kein Epiphänomen ei- nes erhöhten arteriellen Blutdruckes darstellt.

Ob und wie eine gesteigerte An- tiportaktivität einen Blutdruckan- stieg vermitteln oder begünstigen könnte, ist derzeit noch unklar. Ein Anstieg der intrazellulären Na +- Konzentration und eine hierdurch bedingte Hemmung des Na +/Ca2 + - Austausches über die Zellmembran könnte die zytosolische Ca 2 + -Kon- zentration erhöhen und so Tonus und Ansprechbarkeit des Gefäßmus- kels auf vasokonstriktorische Reize steigern.

Bei hypertensiven Patienten ist wiederholt ein gesteigerter erythro- zytärer Na +/Li+ -Austausch beschrie- ben worden, der mit einer erniedrig- ten renalen Lithium-Clearance ein- hergehen kann (5, 98). Unter der Voraussetzung, daß dieser Befund eine Aktivierung des renal-tubulären Antiporters anzeigt, könnte dies das Substrat der eingeschränkten renalen Ausscheidungsfunktion darstellen, die bei Patienten mit primärer Hy- pertonie wiederholt beschrieben wurde. Dieses Konzept wird dadurch kompliziert, daß es sich bei dem Na +/H+ -Antiportmechanismus im proximalen Tubulus mit großer Wahrscheinlichkeit um die Isofor- men NHE-2 und NHE-3 handelt, während sich die Ergebnisse an zir- kulierenden Blutzellen auf den NHE-1 beziehen. Ob es gleichsinnige Veränderungen aller Isoformen in diesem Zusammenhang gibt, ist bis- lang unklar.

Attraktiv erscheint weiterhin das Konzept, welches eine Beteiligung des Na + /H+ -Antiports am Zell-

wachstum, beispielsweise der glatten Gefäßmuskelzellen, favorisiert. Da- mit könnte eine gesteigerte Antiport- aktivität mitverantwortlich für struk- turelle Umbauvorgänge im Bereich der Widerstandsgefäße sein, denen in der Pathophysiologie der Hyperto- nie eine Schlüsselrolle zukommt (18, 19). Inwieweit die gesteigerte Anti- portaktivität in diesem Zusammen- hang als intrazellulärer Messenger des Wachstumssignals fungiert und/

oder Proliferationsvorgänge unspezi- fisch bei effektiverer pH,-Homöo- stase akzeleriert, bleibt Gegenstand aktueller Forschung.

Ob im Na +/H+ -Austauscher selbst ein struktureller, genetisch de- terminierter Defekt vorhanden ist, wurde durch erste genetische „Link- age"-Analysen eher in Frage gestellt (50) und durch direkte Sequenzie- rung der NHE-1 cDNA nachfolgend ausgeschlossen (73). Alternativ kön- nen dem Antiporter vorgeschaltete Regulationssysteme, zum Beispiel unterschiedliche Kinasen oder Phos- phatasen, verändert sein (1, 2).

Hypertoniepathogenese und Kochsalz: Ist der Antiporter beteiligt?

Chronisch hohe Zufuhr von NaCI gehört zu den exogenen Fakto- ren, denen für die langfristige Blut- druckregulation und die Entwicklung einer Hypertonie eine mögliche Rol- le zukommt (42). Warum eine hohe Kochsalzzufuhr bei („salzsensitiven") Individuen zu einem Blutdruck- anstieg führt, ist derzeit noch unklar.

Neuere Untersuchungen konnten zeigen, daß sowohl bei chronisch ho- her Kochsalzzufuhr als auch nach akuter Infusion von NaC1 der lym- phozytäre Antiporter aktiviert ist (20, 22, 34). Ein möglicher Mechanismus der Aktivierung des NHE-1 könnte darin begründet sein, daß sowohl akute als auch chronische Kochsalz- zufuhr eine milde metabolische Azi- dose induzieren können (32, 33, 68, 82, 97). Dieses Konzept, demzufolge hohe Zufuhr von Kochsalz den NHE-1 über Änderungen im Säure- Basen-Haushalt aktiviert, eröffnet ei- ne neue Sicht der bis dato unerklär- ten Beziehung von Kochsalzzufuhr und langfristiger Blutdruckregulati- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 30, 29. Juli 1994 (35) A-2039

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Na+

Na+

Na+

Kontrolle pH 7,4

Na+

Na+ H2O

Na+

Ca2+ H2O

pH 7,0 akute

Ischämie

chronische Ischämie

Na+ Na Na,

®

Cal+

Ca

0

0

Ca

pH 6,5

pH 6,0

pH 7,4 Reperfusion

on. Der veränderte Membrantrans- port induziert dann die beschriebe- nen funktionellen und strukturellen Änderungen der Widerstandsgefäße, die langfristig einen Blutdruckanstieg hervorrufen.

Linksherzhypertrophie bei Hypertonie

Strukturänderungen des Myo- kards im Sinne einer Hypertrophie des linken Ventrikels können bei

Abbildung 2: Bedeutung des Na+/H+-Austau- schers bei Ischämie und Reperfusion.

Schematisch dargestellte Zeltgröße sowie die Aktivi- täten von Membrantransportsystemen und die in- trazellulären lonenkonzentrationen in Mykardzel- len unter Normalbedingungen (Kontrolle), bei akuter und subakuter/chronischer Ischämie, sowie nach Reperfusion. Bei akuter Ischämie verzögert der Na±/H +-Austauscher zunächst die Ausbil- dung einer massiven intrazellulären Azidose. Es kommt zu einer geringgradigen Veränderung in- trazellulärer Ionen und zu einer mäßigen Zell- schwellung. Die weitgehend erhaltene Homöostase bedingt jedoch die jetzt bereits einsetzende Ener- gieverarmung der Zellen. Bei subakuter/chroni- scher Ischämie hemmt die extrazelluläre Azidose den Na +/H +-Austauscher, und der zelluläre pH- Wert sinkt stark ab. Zellvolumen und intrazellulä- re Konzentrationen von Na +- und Ca2 +-Ionen nehmen weiter zu. Es kommt zu einem starken Abfall der energiereichen Phosphate. Die sprung- hafte Normalisierung des extrazellulären pH-Wer- tes unter Reperfusion führt zu einer starken Reak- tivierung des Na+/H +-Auslauschers. Der ATP- Mangel verhindert eine Elimination der in die Zel- le einströmenden Na +-Ionen. Es kommt zu einer massiven, osmotisch bedingten Zellschwellung.

Gleichzeitig führt die hohe intrazelluläre Na+- Konzentration zu einer Hemmung oder Umkehr der Arbeitsrichtung des Na +/Ca 2 + -Austauschers, was einen massiven Anstieg der intrazellulären Ca2 +-Konzentration bewirkt. Dies führt am Her- zen zu Reizbildungs- und Erregungsleitungsstö- rungen und gegebenenfalls zum Zelltod.

Hypertoniepatienten nachgewiesen werden und zeigen eine schlechte Prognose des Krankheitsbildes an.

Zusätzlich zur Druckbelastung des Myokards sind weitere Faktoren für Auftreten und Schweregrad der Linksherzhypertrophie mitverant- wortlich. Dazu gehören Alter, Rasse und Heredität sowie neurohormona- le Wachstumssysteme (29). Eine chronisch hohe Kochsalzzufuhr ist ein weiterer Faktor, der die Entwick- lung einer Linksherzhypertrophie bei Hypertonie begünstigt, ohne daß die- se Verknüpfung über Blutdruckän- derungen erklärbar ist (51, 79, 85, 86). Wie Änderungen der Kochsalz- bilanz das Wachstumsverhalten von Kardiomyozyten beeinflussen, ist derzeit noch unklar. Der Befund ei- nes in seiner Aktivität gesteigerten Na±/H+-Antiports zirkulierender Blutzellen bei chronischer Kochsalz- belastung stellt ein erstes Konzept zur Erklärung dieses Zusammen- hanges zur Verfügung. Demzufolge A-2040 (36) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 30, 29. Juli 1994

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würde eine generalisierte Aktivie- rung des NHE-1 in Myokardzellen mit einer gesteigerten Wachstums- neigung einhergehen und so die Ent- wicklung einer Linksherzhypertro- phie begünstigen.

Ischämie und Reperfusion Eine Ischämie führt je nach Dauer der Einwirkung zu schweren Funktionsstörungen auf Zell- und Organebene und schließlich zum Zelltod. Auch die Reperfusion eines zuvor ischämischen Gewebes kann mit schwerwiegenden Funktionsstö- rungen einhergehen (43). Beispiele sind die schweren Herzrhythmusstö- rungen, die nach erfolgreicher thrombolytischer Therapie eines Myokardinfarktes, nach Anlegen ei- nes koronaren Bypasses oder auch nach einem koronaren Vasospasmus auftreten können (53, 87, 93).

Die klinische Relevanz der zellu- lären Veränderungen während Ischämie und Reperfusion trifft die koronare Herzkrankheit auch gene- rell, da bei diesem Krankheitsbild spontane oder belastungsabhängige Gewebeischämien mit Reperfusion abwechseln (66).

Die Gewebeischämie läßt sich bezüglich einer Reihe von zellulären Veränderungen in eine akute (Phase I) und eine subakute/chronische Ischämiephase (Phase II) unterschei- den (Abbildung 2). Initial ist der Na + / H+-Antiport unter den Bedingungen einer Ischämie über die sich entwik- kelnde intrazelluläre Azidose akti- viert. Dies wirkt einerseits einem weiteren Abfall des pH, entgegen, andererseits kommt es zu einer Ak- kumulation von Na+ in der Zelle.

Dies bedingt eine Stimulation der Na +/K+ -ATPase, welche unter Ver- brauch von ATP Natrium aus der Zelle heraus transportiert. Diese vor- dergründig sinnvolle Verteidigung des pH; durch den aktivierten Anti- port bewirkt jedoch auch, daß die in- trazelluläre Hydrolyse von Adeno- sintriphosphat (ATP), die durch in- trazelluläre Azidose gehemmt würde, fortschreitet (75). Der verzögerte Abfall des intrazellulären pH begün- stigt demzufolge die intrazelluläre Verarmung an energiereichen Phos-

phaten in der Initialphase einer Ge- webeischämie. Dies limitiert den Na + -Auswärtstransport über die Na +/K+ -ATPase. Die daraus resul- tierende erhöhte zelluläre Na + -Kon- zentration induziert einen osmotisch bedingten Wassereinstrom in die Zelle und daher eine Zellschwellung.

Daneben wird durch den An- stieg der intrazellulären Na + -Kon- zentration der nach außen gerichtete Cal + -Transport über den Na+ /Ca 2 + - Austauscher gehemmt, woraus letzt- lich ein Anstieg des intrazellulären Ca2 + resultiert (30, 31, 48, 49, 62, 88).

Dieser Mechanismus ist insbesonde- re für das Myokard bedeutsam, da die Herzmuskelzellen über einen hochaktiven Na + /Ca' -Austauscher verfügen. Ca' akkumuliert in der Herzmuskelzelle und trägt zum wei- teren Energieverbrauch durch Stimu- lation des kontraktilen Apparates und von ATP-verbrauchenden Ca 2 + - Pumpen bei. In der Initialphase einer Ischämie (Phase I) kommt dem Na +/

H+-Antiport somit in mehrfacher Hinsicht eine pathogenetische Schlüsselrolle zu. Er trägt bei zur in- trazellulären ATP-Verarmung, zur Zellschwellung und zum Anstieg der intrazellulären Ca' -Konzentration (Abbildung 2).

Die subakute/chronische Isch- ämiephase II ist gekennzeichnet durch eine rasch sich entwickelnde extrazelluläre Azidose, die ab pH- Werten von etwa 6,5 zu einer zuneh- menden Hemmung des Na +/H+ - Austauschers führt (11, 30, 48, 95).

Hierdurch kommt es jetzt auch zu ei- nem deutlichen Abfall des mit weitgehendem Erliegen des Zell- stoffwechsels und des Verbrauches energiereicher Phosphate. Zellen sind jedoch in der Lage, eine be- grenzte Zeit unter den Bedingungen eines Minimalstoffwechsels zu über- leben.

Bei Wiedereinsetzen der Durch- blutung wird die extrazelluläre Azi- dose des Interstitiums rasch ausge- waschen, der extrazelluläre pH steigt, die Hemmung des Na +/H + - Austauschers geht aufgrund der in- trazellulären Azidose in deutliche Aktivitätssteigerung über. Während der intrazelluläre pH angehoben wird, kommt es zu einer weiteren Aufnahme von Na+ und Ca" in die

Zelle, das Zellvolumen nimmt zu, au- ßerdem steigt der Energiebedarf ra- pide an (80, 81). Dieser extreme Wechsel, aus einem Minimalstoff- wechsel vorgeschädigter Zellen zu ei- ner starken Stimulation des ATP- Verbrauchs bei gleichzeitiger Zellak- tivierung durch das erhöhte intrazel- luläre Ca 2 + kann wesentlich zum Zelluntergang beitragen (90). Die veränderten Ionenkonzentrationen beeinflussen darüber hinaus am Myokard die Reizbildung und Erre- gungsleitung.

Entsprechend der zentralen Rolle des Na + /H+ -Antiports bei Ischämie und Reperfusion haben ex- perimentelle Untersuchungen ge- zeigt, daß pharmakologische Hem- mung des Antiports unter diesen Be- dingungen Zell- oder Organ-protek- tive sowie antiarrhythmische Wirkun- gen entfaltet (25, 55, 56, 80). Die Entwicklung von neuen, nicht vom Amilorid abgeleiteten Hemmstoffen des Na +/H+ -Antiports erscheint da- bei besonders zukunftsträchtig (81).

Diabetische Nephropathie

Die diabetische Glomeruloskle- rose ist eine der häufigsten Ursachen eines terminalen Nierenversagens und betrifft etwa ein Drittel aller Pa- tienten mit Typ-I-Diabetes (45). We- der Auftreten oder Ausbleiben die- ser Organkomplikation noch deren Progredienz kann ausschließlich durch die Qualität der Stoffwechsel- einstellung erklärt werden (14, 28, 94). Eine primäre Hypertonie und sogar eine positive Familienanamne- se bezüglich eines Hypertonus ohne eigene Blutdrucksteigerung steigern das Risiko von Patienten mit Typ-I- Diabetes, eine diabetische Nephro- pathie zu entwickeln (45, 46, 61).

In eigenen Untersuchungen ha- ben wir kürzlich gezeigt, daß der thrombozytäre Na+ /H + -Antiport bei Patienten mit Typ-I-Diabetes mit Nephropathie im Vergleich zu sol- chen mit mindestens zehnjähriger Diabetes-Anamnese ohne Hinweis auf eine Nierenbeteiligung signifi- kant gesteigert ist (23). Frühere Un- tersuchungen hatten ähnliche Befun- de bereits bezüglich des erythrozytä-

A-2042 (38) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 30, 29. Juli 1994

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ren Na +/Li +-Austausches und des leukozytären Na + /H -Antiports nachweisen können (21). Aktivierung des Na +/H+ -Antiports erweist sich diesen Untersuchungen zufolge als ein zelluläres Merkmal, das mit einer gesteigerten Schädigung der Niere bei Diabetes mellitus einhergeht.

Wie bei der essentiellen Hypertonie könnte die mit einem gesteigerten Antiport einhergehende effektivere pfli-Homöostase als langfristiger Ag- gravationsfaktor, in diesem Falle der mit dem Diabetes einhergehenden Organschädigung, wirksam sein.

Ausblick

Wachstum und Proliferation von Zellen ist mit Stoffwechselsteigerun- gen assoziiert, die einen gesteigerten Anfall intrazellulärer Protonen be- dingen. Verschiedene Untersuchun- gen haben gezeigt, daß die Prolifera- tion von Zellen bei intrazellulärer Azidose gehemmt wird und schließ- lich zum Erliegen kommt (41). Damit stellt der Abfall des pH i einen negati- ven „Feedback"-Mechanismus des zellulären Wachstums- und Prolife-

rationsverhaltens dar. Die zentrale Funktion des NHE-1 bei der zellulä- ren pH-Homöostase bedingt, daß ihm damit auch eine mögliche Rolle bei Wachstums- und Proliferations- störungen generell zukommen könn- te. Obwohl das Wachstum von Tu- morzellen in bezug auf die zelluläre pH-Regulation noch wenig unter- sucht ist, gibt es Hinweise darauf, daß das kanzerogene Potential von antiporterdefizienten Zellen verrin- gert ist (47). Inwieweit pharmakolo- gische Hemmung des NHE-1 das Tu- morwachstum beeinflussen kann, ist derzeit ebenfalls ungeklärt. Auch die Atherosklerose ist neueren Konzep- ten zufolge durch Wachstums- und Proliferationsprozesse in der Gefäß- wand charakterisiert (69). So ist zum Beispiel bei den durch thrombozytä- re Wachstumsfaktoren (zum Beispiel platelet derived growth factor) indu- zierten Effekten auf glatte Gefäß- muskelzellen Antiportaktivierung nachweisbar (76). Inwieweit der NHE-1 in diesem Zusammenhang je- doch pathophysiologische und klini- sche Relevanz innehat, ist derzeit noch unklar.

Die Autoren widmen diesen Artikel Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Karl Julius Ullrich, dem langjährigen Direktor der Abteilung Physiolo- gie des Max-Planck-Institutes für Biophysik in Frankfurt, anläßlich seiner Emeritierung am 30. November 1993. Seit der Entdeckung des Na +/H+-Austausches an diesem Institut durch H. Murer im Jahre 1976 hat Prof. Ullrich auch die weitere Aufklärung an seinem Institut in- tensiv gefördert und sowohl materiell und or- ganisatorisch als auch durch seine Anregungen und Kritik unterstützt.

Deutsches Arzteblatt

91 (1994) A-2036-2043 [Heft 30]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Rainer Düsing Medizinische Universitäts-Poliklinik Wilhelmstraße 35-37

53111 Bonn

Wechsel und Stabilität von Patientenwünschen

Ärzte sind im Prinzip gehalten, die Wünsche ihrer Patienten hin- sichtlich der Intensität einer Thera- pie bei finaler Erkrankung zu berück- sichtigen. In den USA haben viele Menschen im voraus in einer oder anderer Form Verfügungen in dieser Hinsicht getroffen. Danis et al. un- tersuchten, wie subjektiv dauerhaft solche Patientenwünsche sind, oder wie häufig die Meinungen geändert werden.

Zu diesem Zweck wurden 2 536 ambulante Patienten einer Einrich- tung im Alter zwischen 65 und 99 Jahren hinsichtlich ihrer Vorstellun- gen befragt. 2 073 von ihnen konnten zwei Jahre später erneut befragt wer- den. Es zeigte sich, daß bei der zwei- ten Befragung der Anteil derer, die ihre Wünsche geändert hatten — sei es in der einen (von Minimal- zu Ma- ximalbehandlung) oder in der ande-

ren Richtung — gering war: 85 Pro- zent blieben nach zwei Jahren bei ih- rer zuvor geäußerten Auffassung. Al- lerdings gab es einige bezeichnende Abweichungen. So war unter denje- nigen, die zuvor Minimalbehandlung gewünscht hatten; der Anteil derer, die ihren Wunsch zur Maximalbe- handlung hin änderten, höher als der Durchschnitt, wenn sie in der Zwi- schenzeit im Krankenhaus behandelt worden waren, einen Unfall erlitten hatten, verstärkt unter depressiven Zuständen litten oder verringerte so- ziale Stützung erlebten. Andererseits blieb der Anteil derer, die zuvor eine Verfügung getroffen hatten, jedoch nach zwei Jahren davon abwichen, mit 14 Prozent gering. Diejenigen, die in ihrer Verfügung Minimalbe- handlung verlangt hatten, bleiben weitgehend bei diesem Beschluß. Un- terschiede gab es in allen Gruppen,

wenn man Bildungs- und sozialen Stand berücksichtigt, nicht jedoch zwischen weißen und schwarzen Stu- dienteilnehmern.

Die Autoren räumen unver- meidliche Schwachpunkte der Studie ein. Sie wagen jedoch die Empfeh- lung, daß vorhergegangene Willens- äußerungen in einem späteren Be- handlungsfall vom Arzt nicht unge- prüft übernommen werden sollten.

Vielmehr sollten die früher gegebe- nen Anweisungen, wenn möglich, routinemäßig hinterfragt werden. bt

Danis, M., J. Garrett, R. Harris, D. L.

Patrick: Stability of Choices about Life- sustaining Treatment. Ann. Int. Med.

120 (1994) 567-573.

Marion Danis, MD, Division of General Medicine, Department of Medicine, 5025A Old Clinic Building, University of North Carolina, Chapel Hill, NC 27599-7110, USA.

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 30, 29. Juli 1994 (39) A-2043

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