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Notizen und Correspondenzen.
Ans einem Briefe des Herrn Prof. Gildemeister
an den Herausgeber.
Bonn, Aug. 1876.
Ich schicke Ihnen zwei Schriftstücke, welche mir
vor einigen Jahren Lassen bei Sichtung seiner Papiere unter
anderen Abscbriften und Zeichnungen mitgetheilt hat, und die ich
um sie vor zufälligem Verlorengehen zu bewahren, den Sammlungen
unserer Gesellschaft einverleibt zu sehn wünsche.
Das eine ist ein Octavblatt, auf dem unten 'inscription en
Pehlevi, sur un vase d'argent cisel6 d'ancien ouvrage Persan', oben
'k Son Exc. Mr. Frähn &c. 17 Fevrier 1834' und auf der Rück¬
seite von Frähns Hand 'p. M. le Prof Rosen ä Londres' zu lesen
ist. In der Mitte befindet sicb ein etwas unregelmässiger, wahr¬
scheinlich durch Nachziehen des Umrisses eines darauf gesetzten
Cylinders gebildeter Kreis von c. 85 Millimeter Durchmesser und
in der oberen Hälfte desselben die Inschrift:
..:....) xo./'^bTT-^ocbr"''
M VD^ '••) OPs-ir^' QJ ^ cv:^::Ä.
^^^H-^Hf-ciMj
■"■ / /
deren Schrift der der spätesten Münzperiode angehört, aber einige
eigenthümliche Formen und Ligaturen zeigt. Auf den ersten Blick
liest man in der Mitte der zweiten Zeile das Wort ^y>^, aber
fttr das Ganze finde ich keine befriedigende Erklärung und will
die unsicheren Möglichkeiten der Lesung einzelner Wörter nicht
erörtern. Ueber die Herkunft lässt sich nichts sagen, als was die
obigen Aufschriften vermuthen lassen; das Gefäss könnte in Russ¬
land, es könnte in Persien gewesen sein, und es ist fraglich, ob es
5 2
Notizen und Correspondenzen. 743
je wieder zn Tage komm!. Ich habe desshalb die Inschrift in Holz
schneiden lassen nnd wünsche, dass der Block bewahrt und wenn
einmal jemand ihn für ein auderes Buch zu benutzen wünscht, ihm
der Gebrauch oder das Nehmeu eines Gliche gestattet werde.
Das zweite , fünf Folioseiteu umfassend , enthält den Bericht,
welchen Ilawlinson über seine Keilschriftstudien aus Teheran am
1. Januar 1838 an die Royal Asiatic Society gerichtet hat, in einer
von Sir Gore Ouseley besorgten Abscbrift mit dessen eigenhändiger
Adresse: „Pour Monsr. Le Professeur Lassen a Bonn avec les
compliments de Le Chevalier Gore Ouseley Conseiller privö actuel
de Sa Majeste Britannique et president de la Comite de Traduction
Orientale d'Angleterre". Dieser Bericht ist das einzige Actenstück,
welches noch fehlt, um die Geschichte der Entzifferung der Achae-
menidischen Keilschrift, die in ihrem regelmässigen Fortschritt durch die einzelnen sich allmählich gleichsam mit Nothwendigkeit ergeben¬
den Stufen so ungemein lehrreich ist, vollständig verfolgen zu können.
Es ist derselbe, auf welcheu Rawlinson, dem er damals nicht mehr
zugänglich war, in der Schilderung seiues Verfahrens im Jonrn.
RAS X, 1846, p. 7 sich bezieht und der diese in einigen Puncten
ergänzt. Der verdiente Forscher erzählt hier, wie er in seiner
literarischen Abgeschiedenheit zuerst selbständig die Namen Darius
und Xerxes und das Wort „khshuahya a king" gelesen, aber lange
Zeit nicht habe weiter zu gelangen vermocht. Dann habe er Grote-
fends Arbeit erhalten, jedoch aus dessen übrigen Lesungen keinen
Nutzen ziehen können. Im Jahre 1837 sei ihm Saint-Martins
Alphabet in Klaproths Apercu de l'origine des diverses 6critures
Par. 1832 mitgetheilt worden. Der erste Januar 1838 und die
gleich mitzutheilende Probe fallen also in die Zeit, in welcber er
zwar Saint-Martin, aber noch nicht die bereits in Europa erschienenen
Werke kannte, da er erst etwas später, im Sommer 1838, Burnoufs
Memoire, im Herbst 1838 den Commentaire sur le Yagna und An¬
fang 1839 Lassens Resultate durcb einen von dem Vicepräsidenten
der R. As. Soc, ohne Zweifel dem genannten Sir Gore Onseley,
vermittelten Brief Lassens keunen lernte. Beigefügt sind die beiden
ersten Paragraphen der grossen Inschrift von Bisutün, die aus
dieser Abschrift Lassen bereits Zeitschr. f d. Kunde d. Morg. VI
1845 S. 164 mitgetheilt, aber in seine eigne Lesung umgeschrieben
hat, wobei er, wie Rawlinson a. a. 0. meint, „has been misled in
several passages by the conjectural restorations as well as by the
inaccuracies of the original". Die Mittheilung der ursprünglichen
Vorlage ist desshalb wohl auch jetzt noch nicht überflüssig. Sie
lantet in genauer Copie:
Udm Duraioosh , khshuahya izre , khshuahya khshuahanum,
khshuahya Pursya, khshuahya Mudya, Gshtuspüau pootr, Urshumüau
npa, ükhumnyshya. Hutya Duraioosh, khshuahya mnu, pytu Gshtusp
Gshtuspüau, pytu Urshum ürshumüau, pytu Uryaurumn üryaurnm-
nüau, pytu Tuyshpuysh pitu Ukhumnysh.
744 Notizen untt Correiipondenzfin.
The man? Darius, the fire-worshipping king, king of kings,
king of Persia, king of Media, son of Hystaspes, grandson of Ar¬
sames, of the race of Achaemenes. Darius is the heavenly king,
sprung from Hystaspes, Hystaspian, sprung from Arsames, Arsa-
mian, sprung [from] Ariaramnes, Ariaramnian, sprung from Teispes,
sprung from Achaemenes.
Das hei dieser Lesnng zu Grunde gelegte Alphabet ist somit,
verglichen mit dem jetzt geltenden nach Spiegels (Altpers. Keilinschr.
p. 142) Umschreibnng und dem Saint-Martins (bei Klaproth p. 65),
folgendes :
Sp. SM. Rawl.
1 M f ad a u 12 'TTT
2 7r i y y 13
3 <rf u ou 00 14 =T
4 T= k e e 15
-TE
M<TT kk kh kh 16 +
n
6 c e tu 17
TE 7 =TTf
8 KT
' 1!
t th d
t h d
t h d
18 lf»
<<
T"T 20
<f<
''f^ P P P
21
11 r< n m n
Sp.
m y
r V v{{) 9 s z h tr
SM. 1
a ,
« I
r \
1
»■ I I
!
« I
Sh\
e i
I oü\
n ■
Rawl.
m a r i 9 s ah z ü tr
Bei acht Buchstaben, die sämmtlich schon Grotefend richtig
gefunden, 3. 5. 7. 9. 10. 14. 17. 18, stimmen alle drei überein-,
in vier Fällen 11. 12. 19. 21 hatte Rawlinson Saint-Martins Lesnng
beriebtigt, in sieben Fällen 2. 4. 6. 8. 13. 15. 20 dessen falsche
Bestimmungen beibehalten oder nicbt verbessert, in zweien 1 nnd 16
Saint-Martins Lesung sogar verschlimmert. —
Vielleicht ist Ihnen erinnerlich, dass vor reichlich zehn Jahren
zwei höchst achtungswerthe deutsche Gelebrte, Schubring (Akrä-
Palazzolo 1864 S. 670) und Hartwig (Augsb. Allg. Ztg. 1866
20. Febr. N. 51 Beilage) eine Nachricht über phoenikische In¬
schriften auf Sicilien veröffentlichten, die ihnen von dem Dr. jur.
Gaetano Italia Nicastro zn Palazzolo, einem durch seine Geßllligkeit
um reisende Archaeologen sehr verdienten Manne, mitgetheilt war.
Sie lautete dabiu, dass in den ersten Decennien des Jahrhunderts
der Baron Jndica in der Nähe von Palazzolo westlich von Syracus
am Berge Piuita, genauer noch auf dem acrocoro detto della Torre'
phoenikische Gräber geöffnet und darin 288 Vasen, sehr viele
Schalen u. dgl., phoenikische Frescomalereien , eine Schale mit
phoenikischer Inschrift, zwei Tische' von Kalkstein mit 7 und 11
Notizen und Correspondenzen, 745
phoenikischen Zeilen entdeckt habe. Obgleich seit dieser Zeit nichts
mehr von der Sache verlautet hat, so lag bei der optima fides der
Berichterstatter doch kein Grund vor, sie für ganz aus der Luft
gegriffen zu halten, uud als archaeologische Forschungen meinen
Collegen nnd Freund Prof. Reinhard Kekulö im vorigen Jahre in
die Gegend führten, ersuchte ich ihn, gelegeutlich zu erkunden,
was etwa daran sein möge. Er hat sich in der That die Mühe
gegeben und den Spuk, der seinen Weg schon in den Baedeker ge¬
fnnden, gründlich aufgedeckt. Aus seinen an Ort und Stelle ge¬
machten Aufzeichnungen darf ich das Wesentlichste mittheilen.
Der genannte Dr. Italia sagt in seinen Ricerche per l'istoria
dei populi Acrensi ordinate dall' avv. G. Italia Nicastro. Comiso 1873.
(der erweiterten Bearbeitung seiner früheren Ricerche per l'istoria
dei p. A. anteriori alle colonie EUeniche. Messina 1856) p. 63:
... e perdita incalcolabile la tazza con figure bacchiche nel di
cui fondo era un tripode con due righe d'iscrizione fenicia, le lar
pide iscritte nella stessa lingua, e tra esse quella ove leggeasi
Isosphotin Isychoi interpretata dal dotto danese Birgerus Thorlacins
populi indices placide quiescentes'. und bernft sich da¬
bei auf Jndica Antichitä di Acre p. 25 a 34 uud p. 118, auf
einen Bericht Judica's an Monsignore Airoldi und auf einen Brief
von Thorlacins an Jndica vom 26. Juni 1827. Von beiden besass
Italia Abschriften, deren Gebrauch er bereitwillig Kekuie gestattete.
Thorlacins schrieb: 'De nomine IhOhffOTIM timidiuscule et
modeste meam qualemcunque opinionem proferam. Crediderim, Puni-
cum hic latere vocabulum, quod sic intelligo hOhMOHM • Lego
sosphotim pntoque esse id vocabulum Punicum in plurali,
quod Graecorum APX0[iTE2 (archontes) exprimebat. B esse
literam aspiratam f (ph) Barthelemyus, Eckhel et alii, ni fallor,
probarunt. Apud Hebraeos, quorum lingna communem cum Punica
habebat originem, magistratus iura in vulgus dispensans vocabatur
Suf et im, in sing. Suphet. In bibliis Hebraicis liber Judicum
titulum babebat Dtbiib (sufetim), suphetae |erant populi indices.
Leviuscula pronuntiationis varietate id in inscriptione Tua expressum
est Sosfetim. I in initio appositus est articulus quem orientales
vel hodie servant. Sic ex monte Tabor faciunt, credo, Eltabor cet.
Docet ergo inscriptio, quod satis memorabile, archontes s. magi¬
stratus bic sepultoE esse. Videris ipse, vir praestantissimo, num
baec interpretatio loco conveniat, ubi lapis fuit inventus'. Von
einer andern Insebrift bemerkt er: 'Nec minus veneranda mihi
videtur inscriptio canae antiqnitatis /^yVOI • Pnto legendum
esse H2YX0I (fiovxoi, quieti)'. Irrig hat also Italia die beideu
Inschriften zu einer verbunden, und es braucht nicht auseinander
gesetzt zu werden, dass Thorlacins das Fragment einer altgriechischen
Inschrift, welches nach Kekuld etwa Sohn und Vaternamen ... laog
lid. .XXX. 49
5 2 *
746 Notizen und Correspondenzen.
d Tifl ... oder dgl. enthielt, für phoenikisch angesehen hat. Danach
ist schon zu vermuthen, was es mit den übrigen phönikischen In¬
schriften auf sich hat, die nur auf der Autorität des Barons Judica
beruhen. Wie man aus der Art, wie Thorlacins ibm die luschriften
erklärt und aus seinem mit fremder (des Francesco di Paola Avelio)
Hülfe veranstalteten Werke Le antichitä di Acre sehen kann, wird
er kaum das griechische Alphabet verstanden habeu. Sein Bericht
an Airoldi, uach Dr. Italia von der Hand seines Secretair's, eines
in alten Sprachen unwissenden Geistlichen, geschrieben, giebt eine
kurze Aufzählung der von 1809 bis 1823 gefundenen Alterthümer.
In ihm heisst es: Iscrizioni. 1. Tavola (,Platte', also nicht ,Tisch' wie Schubring wollte) di pietro calcare con due linee d'iscrizione
in lettera Fenicia. 2. Tavola di pietra calcare cou due (also nicht
sieben, resp. elf) linee d'iscrizione in caratteri Fenici. (^ueste due
tavole sono stato scoverte uel sepolcreto chiamato della Pineta, di¬
stante settecento passi dalle mnra di detta antica cittä. Und unter
den Vasi di terra cotta: n. 9. Tazza con figure bacchiche all' intorno
e nel fondo un tripode con due linee d'iscrizione Fenicia, ritro-
vata nei sepolcri Fenici, della larghezza di dieci poUici di diametro
e deir altezza di aei'. Diese Schale ist weder unter den von
Judica publieirten, uoch fand sie Kekule unter den traurigen Resten
des Museo Judica; sie kann allerdings längst gestohlen oder von
dem Besitzer verkauft sein. Aber er glaubt mit Sicherheit an¬
nehmen zu dürfen, dass die Inschrift auf einer Schale mit Dreifuss
und bacchischen Figuren, eben so wie obige, aus griechischen Buch¬
staben bestand, deren etwas alterthümliche Form Judica und seinen
Helfern fremd war und deshalb phoenikisch schien. Ob das ver¬
meintliche Wort l^jOhMOTIM auf einer der beiden in dem
Bericht an Airoldi erwähnten Platten stand, oder auf einem erst
nach der Zeit des Berichts gefundeneu Stein, kann nicht ausgemacht werden. Aber aucb in letzterem Falle habeh jene beiden Inschritten
keinen Anspruch darauf für phoenikisch zu gelten, sondern sie wareu
ohue Zweifel alterthümliche griechische. Ueberhaupt konnte Dr.
Italia keiu einziges Stück irgend einer Art, weder aus Palozzolo,
noch aus der Neki'opolis der Pineta aufzeigen, dessen Ursprung
sich nach Kekule's Urtheil aus archaeologischen Gründen als phoe¬
nikisch erweisen oder auch nur wahrscheinlich machen liesse. Die
in Palazzolo phoenikisch genannten Vasen gehören der bekannten
Sorte mit Thierüguren an, welche man früher als 'ägyptisch oder
pseudoägyptisch', jetzt gewöhnlich als ,orientalisirende altgriechische
oder korinthische' zu bezeichnen pflegt, und die Jahn Vaseusamml.
K. Ludwigs p. (JXLIV bespricht. Die Frescomalereien Schubrings
müssen übrigens auf Irrthum beruheu, da von solchen weder bei
Judica etwas vorkommt noch Italia wusste.
Diethe Fabel ist also durch Kekulö's Bemühungen für immer
abgethan. Es kommt aber noch etwas Anderes hinzu. Hartwig
berichtet im weiteren'Verlauf des obigen Artikels S. 842 N. 51
5 2 *
Notizen und Correspondenzen. 747
anf Grund eines Briefes von Dr. Italia vou einem in ziemlicher
Entfernung von Palazzolo in der Richtung nach Noto bei dem Ort
Sparano gelegenen Bauwerk, in dessen Substructionen eine Wand
theilweise mit Schriftzeicheu bedeckt sei. Von diesen habe ihm
Italia eine Abzeichuung geschickt und sowohl er, Hartwig, als auch
Henzen sie als dem phönikischen Alphabet angebörig zu erkennen
geglaubt. Hier sprechen also bessere Autoritäten, aber der Unstern
hat gewollt, dass jener auf schlechtem Papier geschriebene Brief,
wie mir Hartwig freundlich mitgetheilt bat, durch Quarantaine-Be-
bandlung dermassen zugerichtet war, dass er sich bald in seine
Atome auflöste. Auch Kekule hörte durch Italia von der Inschrift,
als an einem Fels oder Bergabhang befindlich, worin nicht unbedingt
ein Widerspruch liegt. Beide Reiseude konnten wegen Unsicherheit
des Weges oder Hinderniss der Jahreszeit nicht zu dem Orte ge¬
langen; Italia batte letzterem im Sommer einen Abklatsch zu senden
versprochen, da dieser aber weder im vorigen, nocb in diesem
Jabre eingetroffen ist, so wird man einstweilen die Thatsache bloss
zu verzeiebnen haben, bis einmal ein der Aufgabe gewachsener
Reisender den nach Hartwigs Beschreibung sehr merkwürdigen Bau
untersucht. Vorläufig gehört also auch dies noch in das nicht
kurze Capitel von den gescheiterten Versuchen, aus entfernten
Gegenden Copien von Inschriften zu erhalten, aus welchem Sie mir
erlauben wollen, noch eine andere Seite aufzuschlagen.
Bekanntlich gab der verstorbene Friederich 1857 im XXVI Bde.
der Verhaudel. v. h. Batav. Genootsch. und in besonderem Abdruck
(Over Inscriptien van Java en Sumatra) zwei auf Sumatra befind¬
liche Steininschrifteu in Abzeichnung mit einer Erklärung heraus,
nachdem er schon früher eine noch unvollkommnere Deutung in
dieser Zeitschrift X 1856 S. 594 ohne Abbild raitgetheilt. Er las
in ibnen von sachlich bedeutsamen Wörtern unter andern die Namen
Rishabhadvaja und Qimbhu — Qiva, Sugata uud Svayambhü —
Buddha, dhärani als magische Formel, snäta als Bralunanenstufe,
prathama Yava, das erste oder vorderste Java als Name Sumatras
und fand in der eiuen derselben das Datum Qaka 578 = 656 Chr.
Lassen, welcher jene Arbeit Ztschr. XIH, 1859 S. 310 receusirte,
einige gar zu weit vom Sanskriv abliegende Formen aus dem Kopfe,
ohne auf die Scbriftzeichen viel Rücksicht zu uehmen, zu verbessern
suchte, im Uebrigen in die Richtigkeit der Eutzifferuug und nament¬
lich jener Wörter kein Misstraueu setzte (wie er denu überhaupt
bei der Massenhaftiglieit des Stoffes, weicbe Einzeluntersuchungen
zu weit zu verfolgen uicht iraraer gestattete, leider uur zu oft un¬
philologischen Vorlagen in Geschichte uud Geographie uubesehen
allzubereitwillig Glauben zu scbenken pflegte), hat daraus iu der
Ind. Alterthurask. IV, 1861 S. 463. 517 ein neues Stück Geschichte
geschaffen. Im siebenten Jahrhundert ist dauach der Buddhismus
uud zwar eine der Nepalesischen verwandte Form, in der Adibuddha
als Svayambhü verehrt wird und die Dbärani eine Rolle spielen,
49»
us Notizen und Correspondenzen^:
in der Weise in Java und Sumatra eingedrungen, dass er die
Oberlierrschaft besitzt, aber die brähmanischen Götter, namentlich
deu Qiva, wenn auch zu zweitem Rang herabgesetzt, anerkennt und
ibre Verehrung fördert, auch in toleranter Weise brahmanische
Kastenverhältnisse, die ägrama, duldet u. dgl. m. Aber das ganze
Gebäude fällt zusammen, da von jenen Ausdrücken, auf die es sich
gründet, auch uicht ein einziger in den Inschriften steht und sie
ihr Dasein bloss der wilden Entzifferungsmanier Friedericb's ver¬
danken, der sich wenig um palaeographiscbe Strenge kümmerte,
Interpunctionszeicben für Buchstaben ansah, die so sehr vor Aus¬
schreitungen sichernden metrischen Formen nicht erkannte und noch
manches Andere vermissen lässt. Auf die Gefahr hin durch Weit¬
läufigkeit beschwerlich zu werden, kann ich doch nicht umhin, dies
im Einzelnen nachzuweisen.
Der Anfang der Inschrift II bietet, was Friederich nicht bemerkt
hat, einen epischeu Qloka. Sein Rishabhadvaja verdankt seinen
Ursprung den ersten Worten desselben: dväre rasha (für rahi)
bhuje rüpe, in deneu, wie schon Weber Ztschr. X S. 602 ver¬
muthete, eine Jahrzahl steckt, nämlich 1279. Die Gesetze des
Metrums werden in diesen Inschriften sehr genau beobachtet {dvärä
z. B. hätte desshalb nicht stehen können), wogegen die sanskritische
Syntax ihren Verfassern nicht geläufig gewesen uud die Worte be¬
liebig ira Thema oder in Casusforraen gesetzt zu sein scheinen.
Der zweite Päda, in dem das Wort varsha erscheint, geht anf
Teärtihe aus, während F. den Verstheiier zum Buchstaben zieht und
kärtiko liest. Der dritte Päda lautet; suMa: pancatithis aome,
am Montag, wo F. das e oder vielmehr halbe o für da und ein
so sich ergebendes dassamo (p aus gleicher Veranlassung) für
daqamo hält. Der vierte Päda wäre nach F. räjrendradi sugam-
tasa zu lesen, was allerdings richtigen Vers, aber gar keinen Sinn
ergäbe, und aus diesem sugamta macht er seinen Sugatas, den schon
das Metrum zurückweist und der völlig aufzugeben ist. In den
beiden ersten Silben steckt wohl bhadre, aus den übrigen ist nichts
zu gewinnen und der Bruch uach dem halb sichtbaren Ä'(?) hat
vermuthlich deu Rest des Verses zerstört, so dass in den sugamta
sa gelesenen Silben ein subham astu steckt, in welchem nur das
untergesetzte t an falsche Stelle gerathen ist. Was sodann Friederich als (sa)Äa fajn(bhu :) liest, ist nichts als das luterpunctionszeichen,
das ara Ende der Inschrift wiederkehrt. Damit fällt zu dem Sugata
nun auch der Qambhu um. Es folgt, von F. nicht erkanut, eine
Qärdülavikridita-Strophe. In den ersten Worten bhu: (für bhü)
karne nava dan^.qane, welche völlig sicher zu leseu sind (F. hat
tayyor für karne), kann nur eine Jahreszahl stecken und da 2921
nicht passt, so wird iu ungewöhulicher Ordnuug 1292 zu lesen
sein. Die vier folgendeu Silben - - - - sind nur durch drei Fi¬
guren vertreten, daher verzeichnet; der Päda schliesst richtig ab:
j{;y)eshtfie i;a(ß mangalai (für mangale, am Dienstag? das ai hat
Notizen und Correspondenzen. 749
F. immer verkannt). Der zvfeite lautet : suJde shashti tithir nrpot-
tdmagunatr ädütyavarma(ä) nrpa :. Im Anfaug des dritten, vor
welchem der Verstheiier für aa angesehen ist, darf kahetrajna : als
durch das Metrum geschützt nicht verändert werden ; das zweite
Wort, das F. pUterd liest und auf die wunderlichste Weise zu
emendiren sucht, muss das Mass haben, ist aber auch ver¬
zeichnet; der untergesetzte Buchstabe gehört auf keine Weise her
und wahrscheinlich als i über die folgende Zeile zu va^tas, so dass
sich hier ein pravishtaa ergeben würde. Bald darauf liest F. dka-
rantnäm (die Caesur beschränkt das Wort auf dkarant) und findet
darin die Dhärini-Formeln ; da diese aber mit langem ä gescbrieben
werden, so treten auch sie von der Bühne ab. Bei suräväga
(aura-dväsa) ist darauf aufmerksam zu machen, dass dies der Name
des Ortes ist, in dessen Nähe sich der Stein befindet, einer ehe¬
maligen Residenz des Reiches Menangkarbau, Suruasa oder Suruvasa,
deren malayischer Name nach van der Tuuk's Anmerkung zu Lassens
Geschiedenis van den Indischen Archipel door A. W. de Klerck
Utr. 1862, 8. p. 87 die gleiche Bedeutuug Wohnsitz der Götter
hat. Den vierten Päda beginnt Friederich mit hägadkand, das für
den Instrumentalis stehe und den Monat äshädha nach seiner re¬
ligiösen Bedeutung' (p. 84) enthalte, was natürlich aus metrischen
und andern Gründen nicht zulässig ist; ohnehin steht so deutlich
wie möglich pägäno (päshäna: Stein) da. Für sein gädyam
möchte graphisch hhätyam (für -ämi) zu lesen sein. Den Schluss¬
vers hat F. als Qloka erkannt, aber verlesen. Er lautet ganz
deutlich : piishpakotisahagräni (eshäm gandham prthak prthak \
äd{ttyavarmmabhüpälahe(\\Qs ho)magandho samo bhavet (nicht
gandhopamo, was besser wäre), und ist, wenn man auf Sanskrit¬
syntax verzichtet, ziemlich verständlich. Die Inschrift III beginnt
mit einer Qärdülavikridita-Strophe, der eine in Vasantatilakä folgt.
Die ersten zerstörten Worte, von denen am Ende noch ein s übrig
ist, waren wohl ein Qri gubham astu; die Strophe fängt mit dem
Worte an, welches Friederich svayambhü las, das weder in das
Metrum passt, noch auch wirklich da steht; nach S. 36 variirt
hier gerade eine zweite Zeichnung sehr, so dass ungewiss bleibt was
der Stein bietet. Jedenfalls müssen wir also auch auf den Svayambhü
verzichten. Nach der Vasantatilakä scheint Z. 6 Prosa zu folgen.
Was Z. 7 gelesen ist sakalasnätajanapriya , ist ganz deutlich sa-
kalalokajanapriya. Also auch davon abgesehen, dass snäta nicht
snätaka und dies auch nicht — grhapati und die Bedeutung nicht
einmal passend ist, geht nunmehr auch dieses Wort den Weg der
übrigen. Die Inschrift III, die ohnehin viel uudeutlicher ist, in
dieser Weise weiter durchzugehen, würde, da zu durchgängigem
Verständniss nicht zu gelangen ist, fruchtlos und ermüdend sein.
Nur die wichtige Zeile 19 mag noch in Betracht gezogen werden.
Hier findet sich zunächst jenes von F. gelesene patamä yava, das
in prathama yava emendirt wird. Wenn man die Form des y in
750 Notizen und Correspondenzen^
ganz sicheren Stellen, wie Z. J griyd, Z. 7 priya, Z. 12 yad,
Z. 18 ägraya, Z. 21 nämadheyya in's Auge fasst, so wird es voll¬
kommen unverständlich, wie es möglich war, in dieser Figur, die
dem h in 12 mahima, 13 und 14 drohi ganz gleich ist, ein ?y zu
sehen. Es folgt ein in eigne luterpunctionszeichen eingeschlossener
Qloka, den F. als solchen nicht erkannt hat, welcher die von ihm
verlesene Zeitbestimmung enthält. Im Beginn findet er einen höchst
curiosen Segenswunsch: sthOiam astu, „dick sei es", worin wohl
subham astu stecken wird. Nach gäke folgt die Zabl und zwar
zuerst vasur muni. Zum Zeicben, wie genau die metrischen Ge¬
setze beobachtet werden, steht das eine Wort im Nominativ, das
andere im Thema, da das Versmass weder vasu muni nocb vadsur
munir leidet. Das darauf folgende Wort liest F. bhütam und fasst
es als „ftlnf"; aber lange erste Silbe passt nicht zum Metrum und
graphisch findet man nur ein kurzes tt. Mit bhü fängt nur das
Wort bhuja an und der zweite Akshara hat dieselbe Gestalt, wie
der vorletzte von Z. 6, der ein jä ist. So haben wir die Zahl
zwei. Das letzte Wort des Hemistichs endlich will F. sihüLam
lesen und hält dies für erneuten Segenswunsch: dick!, der docb
da die Datumbezeichnung unmittelbar durch vaigäkhe {ai von f! '
wieder nicht erkannt) pancadagake site fortgesetzt wird, in keinem i
Fall an diese Stelle gehört; ein langes ü ist ausserdem nicht da
und metrisch unmöglich. Hier muss die vierte Zahlbezeichnung i
sein, die Züge lesen sich sthalam, und dies muss als Synonym zui
bhümi, obschon sonst in den Listen der Zahlumschreibungen nicht'
aufgeführt, die Eins bezeichnen. So kommt 1278 neben dem 1279 j
der Inschrift II heraus; dass beide palaeographisch mit einander!
und beide mit der Idityavarma-Inscbrift vom Jahr 1Ö65, die soi
vortrefflich von Kiepert Ztschr. XVIII, 1864 S. 506 abgezeichnet'
ist, zusammengehören, ist klar, und somit haben wir aucb mit denl
unsrigen ans dem siebenten in die Mitte des vierzehnten Jahr-j
hunderts hinabzusteigen. i
Die Scbwierigkeit der Entzifferung hat zum Theil ihren Gründl
darin, dass die Art, wie die Javanen die Sanskritsprache handhaben,!
uns nicbt geläufig ist, vornehmlich aber in der Beschaffenheit den
Copien, welche die vielen schon im Original gar zu ähulichen Buch-i
staben nicht sicher unterscheiden lassen. Es kann nicht genug^
hervorgehoben werden, dass mit wenigen seltnen Ausnahmen aus'
freier Hand gezeichnete Abbildungen, die nicht von ganz Sachver-j
st&ndigen gemacht sind, für den wissenschaftlichen Gebrauch un-,
zureichend bleiben und nur unnützen Aufwand von Zeit und Mühej
verursacben, dass der Wissenschaft nur mechanische Copien dieneuj
können. Wir haben neuestens die Erfahrung gemacht, dass ein|
ganz vorzüglicher Kenner der arabischen Palaeographie au der Ent^
zifferung einer Inschrift, die ein medicinischer Laie mit Aufbietung gewiss alles Eifers abgezeichnet hatte, und die, ihm unbewusst, durch eine schon längst durch Rey veröffentlichte, offenbar auf mechanischerai
Notixen vnd Correspondenzen, 751
Wege gewonnene Copie controlirt werden konnte, vollständig ge¬
scheitert ist. Auch die Friederich'schen Inschriften sind (durch einen
deutschen Unteroffizier, s. Tijdschr. voor Ind. Taal-Laud- en Vol¬
kenkunde. Batav. III 185,5 p. XVI) sichtlich mit geübter Zeichen¬
hand nnd gewissenhafter Sorgfalt in grossem Massstabe, namentlich
N. II, während N. III schon zu klein ist, angefertigt; ihre Vor¬
züglichkeit sieht man auf den ersten Blick und namentlich, wenn
man die ganz unbrauchbare, obschon von einem berufsmässigen
Zeichner angefertigte Abschrift von N. III in den Bijdragen tot de
Taal-Laud- en Volkenkunde. IV. 1856 Taf. IX vergleicht, und
dennoch ist mit ihnen allein unmöglich zum Ziele zu gelangen.
Die obigen und noch mehrere Ausstellungen und Verbesserungs¬
vorschläge hatte ich schon bald nacb Erscbeinen der Abhandlung
gemacht und dem Verfasser znr Verfügung gestellt, und als er in
den ersten sechziger Jahren in Bonn war, versprach er die Be¬
schaffung besserer Copien im Auge bebalten zu wollen; er glaubte,
dass er vielleicht selbst nach Sumatra kommen würde. Dies war
nicht geschehen, indess bei seiner Rückkehr nach Deutschland 1870
behauptete er, dass er sicbere Hoffnung habe, durcb einen Freund
zu .Abklatschen zu gelangen. Es ist indess nicbts erfolgt und jetzt
nach seinem Ableben ist von dieser Seite her nichts zu erwarten.
Bei der Seltenheit solcher Alterthümer auf Sumatra, die Sal. Müller
in den angeführteu Bijdr. IV, 114 ausdrücklich constatirt, bei dem
grossen, durch den bisher von ihnen gemachten (iebrauch nocb ge¬
steigerten gesebichtlichen Interesse der Inschriften und bei ibrer
verbältnissmässigen Zugänglicbkeit, da sie sich in der Nähe eines
holländischen Forts befinden, ist es nunmehr gewiss an der Zeit,
wenn an diejenigen holländischen Gelehrten in Indien, die dazu in
der Lage sind, in'unserer Zeitschrift die öffentliche Bitte gestellt wird, für die Beschaffung brauchbarer Abklatsche und deren gelebrte Bearbeituug zu sorgen.
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Bibliographische Anzeigen.
Kalilag und Damnag. Alte syrische Uebersetzung des
indischen Fürstenspiegels. Text und deutsche Uder-
Setzung von Gustav Bickell. Mit einer Einleitung von
Theodor Benfey. Leipzig: F. A. Brockliaus. 1876
— CXLVIl S. (Einleitung) und 127 S. (Text) und 132 S.
(Uebersetzung, Berichtigungen und Register). In Oct.
Auf Benfey's Untersuchungen über den Ursprung und die Ver¬
breitung der indischen Erzählungen kanu man unbedingt die oft
missbrauchten Ausdrücke „bahnbrechend" und „epochemachend" an¬
wenden. Er hat mit sicherem Blicke durch sorgsame Einzelforschung
Culturzusammenhänge nachgewiesen, von welchen man früher kaum
eine Ahnung batte, und damit eine bedeutende Perspective anf die
Ermittelung weiterer Uebertragungen von Culturelementen in die
fernsten Gegenden eröffnet. Besonderen Werth hatte der Nachweis
dass die dem „Pantsehatantra" und „Kalila und«Dimna" zu Grunde
liegende Sammlung ein buddhistischer Fürstenspiegel war. Benfey's
Hauptergebnisse sind allgemein anerkannt: für das Einzelne war,
wie er selbst nachdrücklich hervorhob, aus einem vermehrten Ma¬
terial noch manche Vervollständigung und Nachbesserung zu er¬
warten. Inzwischen ist wirklich viel neues Material beigebracbt,
aber keiu Stück desselbeu ist von der Wichtigkeit, wie die hier
von Bickell herausgegebene und übersetzte alte syrische Bearbeitung
„Kalilag und Damnag", welcher Benfey selbst eine inhaltreiche Ein¬
leitung beigegeben hat. Benfey hatte wiederholt znr Aufsuchung
dieses Buches angespornt; endlich gelang es Socin, im Orient eine
Handschrift davon aufzufinden, von der er eine Abschrift nehmen
lassen durfte; diese Abschrift liegt Bickell's Ausgabe zu Grunde.
Von dem syri»chen Buch Kalilag und Damnag ') berichtet
1) Ebedjesu gebraucbt den Nnmen 2silbig. Diu arabische: Puiatation mit (' o
(ikAA^) ist durcb deu Qämus bezeugt (worauf de Sacy hinweist; und schou in