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Archiv "Ungelöste Probleme bei der Inkorporierung von radioaktiven Substanzen: Stellungnahme" (19.11.1986)

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Academic year: 2022

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

AUSSPRACHE

Z

u dem Beitrag hat uns Herr Prof.

Dr. Volf aus dem Institut für Ge- netik und Toxikologie von Spalt- stoffen des Kernforschungszen- trums Karlsruhe einen Leserbrief gesandt, den wir in seinem sachli- chen Teil unverändert und unge- kürzt wiedergeben. Prof. Graul hat auf das ihm zustehende Schluß- wort verzichtet, da seine Auseinan- dersetzungen mit den Angaben von Prof. Volf wiederum den Um- fang eines Originalartikels errei- chen würden, da wir ferner nach zahlreichen und meines Erachtens informativen Publikationen über die ärztlichen und die strahlenbio- logischen Aspekte von Tscherno- byl diese Diskussion vorläufig schließen wollen. Prof. Graul be-

hält sich ausdrücklich vor, auf eini- ge Hinweise von Prof. Volf in einer späteren Originalarbeit zurückzu- kommen. Rudolf Gross

1. Zur Verteilung und Wirkung von inkorporierten Radionukli- den:

1.1 Im Gegensatz zu 90Sr und

239PU hat 137Cs eine relativ kurze biologische und effektive Halb- wertszeit von etwa 70 Tagen und kann nicht als in den Organen festgebundenes Radionuklid be- trachtet werden.

1.2 Die Marshall-Insulaner haben wenige Stunden nach einer AB- Testexplosion außer 131 J auch viel an kurzlebigen Radiojodisotopen mit höherer biologischer Wirk- samkeit inkorporiert. Von diesen haben die Deutschen einige Tage nach dem Reaktorunfall in Tscher- nobyl aber nur einen vernachläs- sigbaren Bruchteil des aus 132Te

entstehenden 132J aufnehmen kön- nen. Dies bedeutet a priori ein niedrigeres Risiko als bei den Marshallesen.

1.3 Es trifft nicht zu, daß das im Knochen aus 90Sr entstandene, trägerfreie 90Y sich „wie alle Kollo- ide im RES ablagert". Auch das ins Blut resorbierte 239 Pu verhält sich nicht wie das intravenös inji- zierte kolloidale Th0 2 (Thorotrast).

Die Induktion von Osteosarkomen infolge der Einwirkung der osteo- tropen Nuklide 90Sr-90Y und 239 PU ist bei verschiedenen Säugetieren längst nachgewiesen.

2. Zur Dosimetrie

inkorporierter Radionuklide:

2.1 Die Äquivalentdosis (rem, Sv) ist nur für Strahlenschutzzwecke anwendbar. Sie wird mit Hilfe von Qualitätsfaktoren beziehungswei- se Berücksichtigung weiterer Fak- toren für andere modifizierende Einflüsse berechnet, die von der Internationalen Strahlenschutz- kommission (ICRP) allgemein fest- gesetzt werden. Deshalb kann man nicht „von Gewebe zu Gewebe be- ziehungsweise Organ zum Gesamt- organismus für dieselben Strahlen unterschiedliche Werte anneh- men", und man muß nicht „bei dichtionisierender Strahlung ...

noch das zur Diskussion stehende Gewebe oder Organ zur Charakte- risierung nennen". Es gibt also keine „von Geweben zum Orga- nismus unterschiedlichen rem- Werte". Zum Gesamtrisiko tragen natürlich verschiedene Organe mit unterschiedlichen Anteilen bei;

dem wird durch entsprechende Wichtungsfaktoren bei Gesamt- schätzungen Rechnung getragen.

2.2 In der Forschung wird nur die Energiedosis, das heißt die pro Masseneinheit absorbierte Ener- gie (rad, Gy) bestimmt. Erst die so gewonnenen experimentellen Er- gebnisse über relative biologische Wirksamkeit ionisierender Strah-

lung aus verschiedenen Quellen und unter verschiedenen Bedin- gungen ermöglichen eine Festset- zung und eventuell Korrektur der für den Strahlenschutz nützlichen Faktoren, die zur Berechnung von rem, Sv, usw. dienen.

2.3 „Die Werte nur in Becquerel anzugeben, denn im Bereich der Zellen verlieren das Gray und auch das Sievert an Bedeutung", wäre nicht „besser", sondern würde beim derzeitigen Stand der radio- biologischen Forschung über Schäden durch inkorporierte Ra- dionuklide einen Schritt zurück bedeuten. Die „neuen Methoden der Mikrodosimetrie" zur Berech- nung der Energiedosis (Gy) wer- den bei kritischen Zeltpopulatio- nen bereits eingesetzt (auch in der Bundesrepublik Deutschland!).

Die Angabe von Strahlenäquiva- lentdosen (Sv) kommt für die For- schung sowieso nicht in Frage.

3. Zur Dekorporierungstherapie:

3.1 Chelattherapie nach Inkorpo- rierung von Plutonium ist keines- wegs „noch im tierexperimentel- len Stadium". Die von Graul er- wähnten Chelatbildner EDTA und BAETA sind heute für diesen Zweck obsolet. Dagegen wurde Ca-DTPA zum Mittel der Wahl für Dekorporierung von Plutonium und vielen anderen Radionukliden beim Menschen; es ist in der Bun- desrepublik über jede Apotheke erhältlich (Ditripentat®).

3.2 Das noch weniger toxische Zn-DTPA wurde in Karlsruhe be- reits vor zehn Jahren beim Men- schen eingesetzt, und vor einigen Jahren wurde damit in den USA ein schwerer 241 Am-Inkorpora- tionsfall durch mehrjährige Verab- folgung (insgesamt über ein Pfund Zn-DTPA i. v.!) erfolgreich behan- delt. Die Dekorporierungstherapie

Ungelöste Probleme

bei der Inkorporierung von radioaktiven Substanzen

Zu dem Beitrag von

Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Emil Heinz Graul in Heft 28/29, 1986, Seiten 2013 bis 2023

3298 (62) Heft 47 vom 19. November 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

(2)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

AUSSPRACHE

ist also heutzutage nicht nur eine

„Frühtherapie". Weder bei Zn- DTPA noch bei dem von Graul er- wähnten DFOA (Desferal®), das in Dauerinfusion bei Eisenspeicher- krankheit verabfolgt wird, handelt es sich um „Arzneimittel mit gerin- ger therapeutischen Breite, die nicht als Langzeittherapie ange- wendet werden dürfen".

3.3 Es wurde von Graul nicht ein- mal erwähnt, daß die Menge des nach Tschernobyl wieder aktuel- len 137Cs auch Monate nach Inkor- porierung mit oral verabfolgtem Berliner Blau (Ferrihexacyanofer- rat) im Körper herabgesetzt wer-

Stellungnahme I

Herrn Silber Dank für diese abge- rundete Basisdokumentation. Er- lauben Sie mir, kurz auf die Mög- lichkeiten hinzuweisen, die sich dem niedergelassenen Arzt noch bieten. Medikamentös kompen- siert erscheint mir der Koronar- kranke, wenn er die Basis- und An- fallsbehandlung beherrscht. Er benötigt dann zum Beispiel keine Schlafmittel mehr, weil er akut et- wa mit Isoket® 5 oder Nitrolingual®

Hilfe bei nächtlicher Unruhe be- kommt und wieder einschläft. Die medikamentöse Therapie der KHK ist sicher, nicht zuletzt dank der pharmazeutischen Industrie, in der Praxis ohne Probleme. Ein Herzinfarkt ist doch glücklicher- weise in der Allgemeinpraxis ein ausgesprochen seltenes Ereignis.

Es ist sicher Schuld des Gesetzge- bers, daß wir Ärzte uns nicht we-

den kann. Zur Unbedenklichkeit dieser Therapie gibt es ausrei- chend Erfahrung nach Behand- lung von Thallium-Intoxikationen, auch bei Kindern. Diese Substanz ist ebenfalls in jeder bundesdeut- schen Apotheke erhältlich (Radio- gardase®).

Literatur beim Verfasser Prof. Dr. Vladine Volf Kernforschungszentrum Karlsruhe

Institut für Genetik und Toxikologie Postfach 36 40 7500 Karlsruhe 1

sentlich um Gewichtsabnahme kümmern, denn diese Tätigkeit ist nicht als ärztliche anerkannt: es gibt keine Ziffer dafür in den Ge- bührenordnungen. Für eine Diät- schulung brauche ich eineinhalb Stunden, regelmäßige Nachschu- lungen (nicht einer schafft es allei- ne!). Die Kassen bedauern das.

Kann man doch nur durch Ge- wichtsreduktion viele wieder „ein- fach gesund machen"! So liege ich jetzt in der Arzneiverordnung zwischen 56 und 71 Prozent ge- genüber Fachdurchschnitt. Der Gesetzgeber aber lamentiert über die Kosten im Gesundheitssektor und gibt Forschungs- und Be- handlungsaufträge an (berufs- fremde) Psychologen. Leider.

Dr. med. Joseph Gottbrath Praktischer Arzt

Pinneberger Chaussee 137 2000 Hamburg 54

Stellungnahme II

Auch für einen Nicht-Kardiologen eine außerordentlich beeindruk- kende Arbeit. Erfolgsberichte liest man ja täglich, die in gutem Sinne kritisch wertende Übersicht wird leider selten geboten. Beeindruk- kend, wie die Fülle des Materials in knapper übersichtlicher Form dargestellt wird und das Verhält- nis von Aufwand zum Nutzen der verschiedenen Behandlungsver- fahren in einem klugen statisti- schen Denkansatz auf das tatsäch- liche, leider nicht gerade berau- schende Ausmaß reduziert wird.

„Umsonst" sind allerdings die operativen Eingriffe und medika- mentösen Behandlungen bei den Patienten, die statistisch hiervon nicht profitieren, keineswegs. Al- les kostet reichlich Geld. Sprach- lich und sachlich zutreffender wä- re wohl „vergeblich" oder „ohne Nutzen".

Mein Kompliment an den Autor.

Dr. August Hillemacher Leitender Arzt der

Neurologischen Abteilung Nervenkrankenhaus Cottenbacher Straße 23 8580 Bayreuth

Stellungnahme III

Dem Autor sei Dank für seine Auf- klärungsarbeit. Er hat mit seinem Artikel die Zahlenverwirrspiele der Pharmaindustrie ins rechte Licht gerückt. Würde auch nur ein ver- antwortungsbewußter Kollege ein Medikament verordnen, von dem er weiß, daß es nur in einem von 32 Fällen lebensverlängernd wirkt (was der vom Hersteller angegebe- nen 25prozentigen Senkung der Mortalität entspricht), wenn er an die zu erwartenden Nebenwirkun- gen und die Kosten denkt? — Und vor allem: Wer von uns Ärzten würde das Zeug selbst schluk- ken .. ?

Dr. med. Manfred Knoll Landsbergstraße 81 8000 München 2

Kann das Leben von Patienten

mit koronarer Herzerkrankung verlängert werden?

Zu dem Beitrag von Dr. med. Sigmund Silber in Heft 30/1986, Seiten 2084 bis 2090

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 47 vom 19. November 1986 (63) 3299

Referenzen

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