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Archiv "Beiträge zum derzeitigen Stand der Hämatologie und Onkologie" (20.12.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KONGRESS-BERICHT

A

us den Hunderten von Hauptreferaten, Einzelvor- trägen, Diskussionskreisen, Posters ließ sich ein ausgezeich- netes Bild über aktuelle Erkennt- nisse und Trends bei den Erkran- kungen der blutbildenden Organe und beim Blut als allgemeinem Krankheitsspiegel ermitteln, von denen wir unseren Lesern ver- ständlicherweise nur wenige Er- gebnisse, sozusagen punktuell, vermitteln können. Im Hinblick auf die praktische Wichtigkeit be- schränken wir uns bevorzugt auf die malignen und semimalignen Prozesse.

Insgesamt haben Hämatologie und Onkologie einen Stand er- reicht, in dem die Methoden so differenziert geworden sind, daß nur noch die Zusammenarbeit mit einem oder mehreren Speziali- sten die für eine optimale Be- handlung, Prognose und Thera- piekontrolle wichtige Klassifizie- rung ermöglicht. Grob ausge- drückt, kann man das Methoden- spektrum mit einer Art Treppe vergleichen: Die ersten zwei bis drei Stufen liegen hinter uns, am weiteren Fortschritt wird intensiv gearbeitet. Die Stufen der ge- nannten Treppe wären in etwa:

Morphologie — Cytochemie — Durchfluß-Cytophotometrie — Cy- togenetik (rund 95 Prozent An- omalien bei den Leukosen!) — mo- noklonale Antikörper für die Mem- branen und den Zellinhalt — mole- kular-biologische Untersuchun- gen und genetische Rekombina-

tionen. Umgekehrt konnte der Re- zensent in Warschau an über 400 unbehandelten akuten Leukosen zeigen, daß so einfache Bestim- mungen wie die Leukozytenzahl und die Erythrozytenzahl zusam- men eine akute Leukämie mit einer Irrtums-Wahrscheinlichkeit von unter 3 Prozent ausschließen, wenn beide gleichzeitig normal sind.

Nach Kokhlova/Moskau (War- schau) steigt die lnzidenz zur Zeit deutlich an, stärker bei Männern als bei Frauen. Dabei bestehen beträchtliche ethnische und geo- graphische Unterschiede. Ein Kontakt zu leukämiekranken Rin- dern oder anderen Tieren ließ epi- demiologisch bisher keine Ge- fährdung des Menschen erken- nen. Die Leukämien verhalten sich zu den malignen Lymphomen in der Sowjetunion wie 63:37.

Thiel/München berichtete in War- schau und in Wien über die Diffe- renzierung und Therapiewahl akuter Leukosen mittels Cytoche- mie und monoklonaler Antikör- per, besonders gegen Membran- spezifische Antigene leukämi- scher Zellen. Er unterschied akute nicht lymphatische Leukämien, akute undifferenzierte Leuk- ämien, akute lymphatische Leuk- ämien, unter denen der progno- stisch ungünstigere „common type" und die T-Zelt-Leukämien (letztere mit häufiger Remission, aber raschen Rezidiven) überwie- gen (siehe auch „FAB-Klassifika-

tion" Brit. J. Haem. 33, 451 [1976]).

Die prognostisch wichtigsten Pa- rameter sind die Masse der leuk- ämischen Zellen zu Beginn der Behandlung (hohe Leukozyten- zahl prognostisch schlechter!) und die Reaktion auf die erste Re- missionsinduktion. Auch Kranke mit sogenannten „Auer-Stäb- chen", mit Eosinophilie und/oder mit invertiertem Chromosom 16 überleben länger (Mertelsmann/

New York—Wien).

Von den Kindern, die auf das be- kannte, aus acht bis zehn Kompo- nenten bestehende und neuer- dings durch Etoposid ergänzte Schema von Riehm/Hannover gut angesprochen hatten, waren im internationalen Durchschnitt nach sechs Jahren über 50 Prozent noch am Leben, bei den Erwach- senen (mit kürzerer Studiendau- er) unter 50 Prozent (Hoelzer/

Frankfurt — beide in Wien).

Lutz/Wien (Wien) fand allerdings für die verschieden ausgeprägten Oberflächenantigene keine signi- fikanten Unterschiede in den The- rapieerfolgen (Behandlung mit dem sogenannten TAD-Schema oder Modifikationen). Nach Bet- telheim/Wien (Wien) gibt es bei rund 10 Prozent der Kranken ver- schiedene Klone leukämischer Zellen, ja Varianten auf der glei- chen Zelle („biklonale Leuk- ämien"), die unterschiedlich auf die Behandlung ansprechen.

Das aplastische Syndrom (Heim- pel/Ulm — Warschau) ist unverän- dert eine Krankheit mit schlechter Prognose, die aber wesentlich durch Zahl und Art der Stammzel- len bestimmt wird. Bei schweren Verläufen sind nur die alloge- ne Knochenmarktransplantation oder eine intensive Immunsup- pression von erwiesener Wirk- samkeit.

Büchner/Münster (Wien) hat bei akuten Leukosen der Erwachse- nen die Kombination von Cytosin- Arabinosid, Thioguanin und Dau- norubicin auf neun Tage ausge- dehnt und erreichte damit rund 40

Beiträge zum derzeitigen Stand der Hämatologie und Onkologie

Berichte über den

8. Internationalen Hämatologen-Kongreß (Euro-African Division) in Warschau vom 8. bis 13. September 1985

(Vorsitzender: Professor W. Rudowski/Warschau) und die 30. bzw. 15. Jahrestagung der Deutschen sowie der

Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie in Wien vom 6. bis 9. Oktober 1985

(Vorsitzender: Professor A. Stacher/Wien)

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 51/52 vom 20. Dezember 1985 (45) 3849

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Hämatologie und Onkologie

Prozent komplette Remissionen;

auch ältere Leute können so (mit Reduktion der Daunorubicin-Do- sis) behandelt werden. Nach Er- zielung einer Vollremission erga- ben sich für die Prinzipien „no further treatment" — Erhaltungs- therapie — „Re-cycling" keine si- cheren Unterschiede. In Betracht kommt in dieser Phase nach der Münsteraner Gruppe (Wien) vor allem die Immunstimulation mit Neu raminidase-vorbehandelten leukämischen Zellen nach dem Verfahren von Bekesy und Clark- son.

Von Riehm's/Hannover (Wien) 483 Kindern seiner ersten und zweiten kooperativen Studie mit früher in- tensiver Polychemotherapie wa- ren 76 Prozent nach acht Jahren noch am Leben. Von den rund 25 Prozent Versagern mußten etwa 5 Prozent als iatrogen angesehen werden. Henze/Berlin (Wien) be- richtete über die Behandlung von Rückfällen (Knochenmarkrezidi- ve, ZNS-Rezidive, je etwa hälftig).

Die ungünstigere Situation der Er- wachsenen, vor allem mit akuter myeloischer Leukämie, ging aus dem Referat von Hoelzer/Frank- furt (Wien) hervor: Rund 9 Prozent primäre Resistenz, rund 25 Pro- zent Aplasie des Knochenmarks ohne Regeneration (leukämischer Genese? therapiebedingt?). Kri- tisch sind die ersten vier bis acht Behandlungswochen. Eine große Zellmasse sollte vor der Induk- tionsbehandlung, etwa mit dem TAD-Schema, reduziert werden (zum Beispiel durch Vincristin und Prednisolon).

Aus den Wiener Referaten zum Multiplen Myelom (Bartl/Mü n- chen, Löffler/Kiel, Ludwig/Wien, Deicher/Hannover, Barlogie/Hou- ston) ging die schwierige Abgren- zung zum Immunocytom der Kie- ler Klassifikation hervor. Für die Diagnose eines Multiplen Mye- loms (nicht der meist auf einen Schleimhautteil beschränkten lo- kalisierten Plasmocytome!) müs- sen mindestens zwei der drei Kri- terien (Knochenmark über 20 Pro-

zent Plasmazellen, monoklonales Immunglobulin, Knochendefekte) erfüllt sein. Serumproteine und Zelltyp, 62-Mikroglobulin, Serum- kalzium geben die prognosti- schen Parameter. Am wichtigsten bleibt aber die mit mehreren Me- thoden zu prüfende Nierenfunk- tion, besonders das Serumkreati- nin (Löffler/Kiel). Die Überlebens- zeit im günstigsten Stadium A liegt bei sieben Jahren, in den Stadien B und C um zwei bis drei Jahre im Median.

Schmerzen am Schädel (40 bis 60 Prozent Befall!) sind selten, um so häufiger in der Wirbelsäule (Akti- vierung der Osteoklasten? Ludwig

— Wien).

Die moderne Kombinationsbe- handlung nach Durie und Salmon bringt in 30 bis 60 Prozent „kom- plette" Remissionen mit Vermin- derung der Tumormasse von 1 bis 2 log. Ob das Schema von Lee mit BCNU, Vincristin, Alkeran, Predni- solon mehr leistet als das bekann- te Salmon-Schema, blieb offen.

Extrem hohe Melphalan-Dosen (genannt wurden 1 x 140 mg/m 2 + Prednisolon) sind sehr wirksam, aber gefährlich (Deicher/Hanno- ver).

Auch Barlogie/Houston sprach sich für ein (relativ toxisches) ag- gressives Vorgehen aus (Vincri- stin + Adriblastin + Dexametha- son = VAD, Wiederholung alle vier Wochen). Er erzielte damit rund 65 Prozent „komplette" Remissio- nen gegenüber 33 Prozent mit ho- hen Dosen von Dexamethason al- lein. Nach einer (noch kleinen Zahl von Fällen) führt Interferon bei etwa 50 Prozent der Kranken zu einer Remission.

Zahlreiche Vorträge, über die hier nicht berichtet werden kann, gal- ten den malignen Lymphomen in Klassifikation, Prognose und The- rapie.

Den Abschluß soll eine Tabelle von Hossfeld/Hamburg (Wien) zum Hauptthema „Vertretbare Ri- siken bei Malignomen" machen.

Hossfeld schätzte die derzeitigen 5-Jahres-Überlebensquoten wie folgt ein (zu den Leukämien der

Kinder siehe oben):

• Chorionkarzinome rund 80 Prozent

> Hodenkarzinome rund 70 Pro- zent

• M. Hodgkin (alle Stadien) rund 50 Prozent

• Non-Hodgkin-Lymphome rund 40 Prozent

• Osteosarkome rund 40 Pro- zent

• Ewing-Sarkome rund 40 Pro- zent

• Akute lymphatische Leuk- ämien der Erwachsenen rund 35 Prozent

> Akute myeloische Leukämien der Erwachsenen rund 15 Pro- zent

• Ovarialkarzinome rund 10 Pro- zent

• Kleinzellige Bronchialkarzino- me rund 5 Prozent

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Rudolf Gross Haedenkampstraße 5 5000 Köln 41

NOTIZ

Wo man AIDS-Hilfe bekommt

Die Bundesvereinigung für Ge- sundheitserziehung e. V. hat eine

„AIDS-Adressenkartei" zusam- mengestellt. Die Kartei — tatsäch- lich eine Liste — nennt alle Stellen, die auf Bundes-, Länder- oder Kreisebene Informationsmaterial abgeben, ferner alle Stellen, die ärztliche Beratung und Hilfe an- bieten, sowie die zur Zeit existie- renden AIDS-Selbsthilfegruppen.

Insgesamt sind es fast hundert Adressen; damit ist eine konti- nuierliche Veröffentlichung in die- ser Zeitschrift nicht mehr möglich.

Die „AIDS-Adressenkartei" kann bezogen werden bei der Bundes- vereinigung für Gesundheitserzie- hung e. V., Bernkasteler Straße 53, 5300 Bonn 2, Telefon 02 28/

31 78 10. EB 3850 (46) Heft 51/52 vom 20. Dezember 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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