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Archiv "Nobelpreis auf dem Zweiten Bildungsweg: Zum 150. Geburtstag von Wilhelm Conrad Röntgen" (24.03.1995)

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MEDIZIN

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öntgen kennt jedes Kind.

Nach Röntgen wurden unzäh- lige Straßen und Plätze be- nannt, die erste Röntgen- straße gab es noch zu seinen Lebzei- ten 1904 in Köln. Röntgen diente als Briefmarkenmotiv in vielen Ländern, zu Ehren seines 150. Geburtstags und zur Erinnerung an den 100. Jahrestag der Entdeckung der Röntgenstrahlen wird auch die Deutsche Bundespost im Jubiläumsjahr 1995 eine Briefmar- ke herausgeben. W.C. Röntgen wurde Ehrenmitglied in mehr als 50 wissen- schaftlichen Akademien und Gesell- schaften, er ist Ehrenbürger von Remscheid/Lennep (1896), Weilheim (1909) und Würzburg (1921), Ehren- doktor der Universitäten Würzburg (1896), der Technischen Hochschule München (1918) und der Universität Frankfurt am Main (1920). Nicht zu vergessen den ersten Nobelpreis für Physik, den W.C. Röntgen 1901 aus den Händen des Schwedischen Kron- prinzen in Stockholm entgegennahm.

Es gibt nur extrem wenige Wis- senschaftler, die einen solchen Lebens- lauf vorweisen können. Doch es hätte fürwahr auch anders kommen können.

Wilhelm Conrad Röntgen wurde am 27. März 1845 in der damals kreis- freien Stadt Lennep geboren (heute Remscheid-Lennep). Das Geburts- haus „Am Gänsemarkt 1" steht noch und ist jetzt Teil des Deutschen Rönt- gen-Museums der Stadt Remscheid.

Im gut erhaltenen Geburtshaus befin- det sich jetzt die große Bibliothek der Deutschen Röntgengesellschaft, die zusammen mit den Buch- und Zeit- schriftenbeständen des Deutschen Röntgen-Museums eine der größten Spezialsammlungen darstellt (10 000 Bände, 150 Zeitschriften) (Abbil- dung. 1).

Röntgens Vater, Friedrich Con- rad Röntgen, stammte aus einer alten Lenneper Familie, er war Kaufmann und Tuchfabrikant wie viele seiner Vorfahren. Die Mutter war in Am-

KURZBERICHT

sterdam geboren, kam ebenfalls aus einer Kaufmannsfamilie und war mit Friedrich Conrad Röntgen verwandt.

Bereits 1848, Deutschland wurde von der 48er Revolution geschüttelt, siedelte die Familie nach Apeldoorn (Holland) über. Der junge Wilhelm Conrad verlebte dort offensichtlich eine sehr unbeschwerte Jugend. Als er viel später, 1869, an der Universität Zürich seine Doktorarbeit einreichte,

Abbildung 1: Geburtshaus von W. C. Röntgen in Rem- scheid/Lennep Foto: Stadt Remscheid

stand auf der Titelseite „vorgelegt von Wilhelm Röntgen aus Apeldoorn (Holland)".

Nach der Grundschule im ländli- chen Apeldoorn wechselte der junge Röntgen mit 17 Jahren an eine Privat- schule mit technischer Ausrichtung in Utrecht. Diese technische Schule führte nicht zur Hochschulreife, da- her haben Röntgens Biographen ver- schiedene Mutmaßungen angestellt, warum seine Eltern und er diesen Weg einschlugen. Es wurde speku- liert, der junge Willi sollte etwas „Or- dentliches" lernen und für die väterli- che Firma vorbereitet werden. Nach anderer Lesart war die Schule in Apeldoorn nicht die optimale Vorbe- reitung für ein Gymnasium, und

schließlich gibt es durchaus auch die Vermutung, daß der junge Mann kein besonders guter Schüler war.

Wie dem auch immer sei, die Ent- scheidung für diese Schule in Utrecht stand unter keinem guten Stern. Im Jahre 1863 wurde er aus disziplinari- schen Gründen von der Schule ver- wiesen. Anlaß für diese harte Ent- scheidung war ein Schülerstreich, der unseren hart geprüften Pädagogen von heute nur ein verständnisvolles Lächeln abnötigen würde. Einer der Mitschüler hatte eine Karikatur des Lehrers angefertigt, an der die umste- henden Schüler offensichtlich ihren Spaß hatten. Der so verunglimpfte Lehrer kam unerwartet früh in den Klassenraum und griff sich den ersten besten, nämlich Wilhelm Conrad. Es begann der sattsam bekannte Dialog:

„Warst Du es? Weißt Du, wer es war?" Röntgen verneinte den ersten Teil der Frage offenbar zutreffend, verweigerte aber die Denunziation des Schuldigen. Das genügte für einen Schulverweis (vor fast 100 Jahren).

Röntgens Eltern haben ihm nach eigenem Bekunden aus dieser Affäre keinen Vorwurf gemacht, was er ih- nen ein Leben lang hoch angerechnet hat. Die Familie war zum Glück so be- gütert, daß sie dem jungen Wilhelm Conrad Privatunterricht erteilen las- sen konnte, um ihn als „Externen" auf das Abitur vorzubereiten.

Das Unglück wollte es jedoch, daß einer der Lehrer, die die Abitur- prüfung abnehmen sollten, kurzfristig erkrankte. Dessen Vertreter war eben jener Lehrer, der Röntgens unrühmli- chen Schulabgang veranlaßt hatte.

Auch in der zweiten Konfrontation zog Wilhelm Conrad den kürzeren: Er bestand das Abitur nicht. Das war ein harter Schlag. Ohne Reifezeugnis schrieb sich Röntgen als Gasthörer in der Philosophischen Fakultät der Uni- versität Utrecht ein. Nach zwei Seme- stern Gasthörertätigkeit mit ungewis- ser Zukunftsperspektive erfuhr er durch Zufall, daß das Eidgenössische Polytechnikum in Zürich (heute Eid- genössische Hochschule, ETH) Stu- denten ohne Abitur annimmt, wenn sie eine Aufnahmeprüfung bestehen.

Zum Wintersemester 1865 mel- dete sich Röntgen in Zürich und wur- de ohne Aufnahmeprüfung angenom- men. „Sein reiferes Alter von 20 Jah-

Nobelpreis auf

dem Zweiten Bildungsweg

Zum 150. Geburtstag von Wilhelm Conrad Röntgen

A-844 (52) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 12, 24. März 1995

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MEDIZIN

ren, seine vortrefflichen Zeugnisse, namentlich in den mathematischen Fächern der technischen Schule Ut- recht und sein einjähriger Besuch der Universität daselbst rechtfertigen wohl meinen Vorschlag, denselben als Schüler aufzunehmen und von der Prüfung zu dispensieren" (Schröter, zitiert bei Glasser 1959).

Heute nennen wir so etwas den

„zweiten Bildungsweg". Ein hohes Lob der freien Schweiz, die ganz wesent- lich dazu beigetragen hat, ein verirrtes Talent auf die richtige Spur zu setzen.

Von da beginnt die „Bilderbuch- karriere", die nun schon eher auf ei- nen künftigen Nobelpreisträger hin- deutet: Im Alter von 23 Jahren Di- plom als Maschinenbauingenieur, ein Jahr später Promotion an der Univer- sität Zürich, anschließend wissen- schaftlicher Assistent bei Prof. Kundt.

Die Folgen des Schülerstreiches sollten W. C. Röntgen jedoch noch einmal einholen. Sein Lehrer Kundt erhielt 1870 einen Ruf auf den Lehr- stuhl für Physik an die ehrwürdige Bayerische Julius-Maximilians-Uni- versität zu Würzburg. Kundt akzep- tierte die ehrenvolle Berufung und bat seinen Assistenten Röntgen, ihn an den neuen Wirkungsort zu beglei- ten, was dieser gerne annahm. Rönt- gens wissenschaftliche Entwicklung machte in der Zusammenarbeit mit seinem Lehrer sehr gute Fortschritte, so daß Kundt, der nur sechs Jahre äl- ter war als Röntgen, ihn zur Habilita- tion vorschlug.

Da der junge Wissenschaftler W.C. Röntgen jedoch kein „ordentli- ches Abitur" vorweisen konnte und zudem die klassischen Sprachen („großes Latinum") nicht beherrsch- te, war an eine Habilitation in Würz- burg nicht zu denken. Ironie des Schicksals: Just jene Universität, an der er wenige Jahre später seine epo- chale Entdeckung machen sollte, ver- weigerte ihm den wichtigen Einstieg in die akademische Laufbahn.

Am 9. November 1995 werden der Freistaat Bayern und die Univer- sität Würzburg im Beisein des Herrn Bundespräsidenten Herzog den gro- ßen Sohn dieser Universität, den ehe- maligen Rektor (1894), den Ehren- doktor der Medizinischen Fakultät, zum 100. Jahrestag der Entdeckung der X-Strahlen gebührend feiern.

KURZBERICHT

Abbildung 2: Röntgen als Student

Abbildung 3: Prof. Dr. W. C. Röntgen um 1895/96 in Würzburg

Damit es dahin kommen konnte, war noch einmal ein Umweg erforder- lich. Kundt erhielt 1871 einen Ruf an die neugegründete Deutsche Univer- sität zu Straßburg. Das Physikalische Institut war offenbar besser ausge- stattet als das in Würzburg. Kundt wechselte nach Straßburg und nahm W. C. Röntgen wieder mit. In Straß- burg bewertete man die erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit des jungen Dr. Röntgen und achtete weniger auf die Jugendsünden. Nach erfolgrei- chem Abschluß des Habilitationsver-

fahrens erhielt W. C. Röntgen 1874 die venia legendi und wurde zum Pri- vatdozenten ernannt.

Ein Jahr später, im Alter von 30 Jahren, wurde W. C. Röntgen ordent- licher Professor für Mathematik und Physik an der Landwirtschaftlichen Hochschule zu Hohenheim.

Der Rest ist wieder wie im Bil- derbuch und wie man es von jeman- den erwartet, nach dem so viele Straßen benannt sind: 1876 Rückkehr nach Straßburg als außerordentlicher Professor, 1879 bis 1888 Lehrstuhl an der Universität zu Gießen, 1888 bis 1900 Lehrstuhl an der Universität Würzburg, 1895 Entdeckung der nach ihm benannten „Neuen Art von Strahlen", 1900 bis 1920 Lehrstuhl an der Universität München.

Nach einem erfüllten und unge- wöhnlich erfolgreichen Leben stirbt Wilhelm Conrad Röntgen am 13. Fe- bruar 1923 in München. Seine sterbli- chen Überreste wurden in einem Fa- miliengrab auf dem Friedhof in Gießen beigesetzt.

Die glanzvollen Seiten dieses Wissenschaftlerlebens werden im Ju- biläumsjahr 1995 an vielen Veranstal- tungen, in Büchern und in Fernseh- sendungen dargelegt. Diese etwas an- dere Biographie aus Anlaß seines 150.

Geburtstages widme ich allen Eltern, die gelegentlich an ihren Nachkom- men zweifeln, und allen Schülern, Studierenden und Wissenschaftlern, die gelegentlich an ihrem Fortkom- men zweifeln: auch über zweite Bil- dungswege und andere Umwege kann man sein Ziel erreichen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1995; 92: A-844-845 [Heft 12]

Literatur:

1. Glasser, 0.: Wilhelm Conrad Röntgen und die Geschichte der Röntgenstrahlen. Sprin- ger Verlag, Berlin, Göttingen, Heidelberg, 2.

Aufl. 1959

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med.Peter E. Peters

Direktor des Instituts für Klinische Radiologie-Röntgendiagnostik der Westfälischen

Wilhelms-Universität Münster Albert-Schweitzer-Straße 33 48129 Münster

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 12, 24. März 1995 (53) A-845

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