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Archiv "Wilhelm Conrad Röntgen verändert die Medizin: Durchblick seit 100 Jahren" (24.03.1995)

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Wilhelm Conrad Röntgen veräncert die Medizin

Durchblick seit 100 Jahren

Röntgenstrahlen sind heute aus der medizinischen Diagnostik und Therapie nicht mehr wegzudenken. Keine Entdeckung hat die Medizin mehr beeinflußt als die Röntgentechnik und die daraus entwickelten bildgebenden diagnosti- schen Verfahren. Grundsätzlich sind alle Körperstrukturen röntgenologisch dar- stellbar, sofern sie genügend große Absorptionsunterschiede für die Strahlung aufweisen. Computertechnik und ausgefeilte Konstruktionen senken heute die Strahlenexposition des Patienten auf ein Minimum. Einen Überblick über Ent- wicklung und Stand der Röntgenologie wurde anläßlich des Jubiläums an der Universitätsklinik auf einer Pressekonferenz München-Großhadern gegeben.

Mit der abgebildeten Apparatur ließen sich Thoraxaufnahmen in zehn Sekunden anfertigen — eine für das Jahr

1906 beachtliche Weiterentwicklung Foto: Siemens AG

THEMEN DER ZEIT

Am 8. November 1895 entdeckte der deutsche Physiker Professor Wil- helm Conrad Röntgen am Physikali- schen Institut der Universität Würz- burg die später nach ihm benannten Strahlen, die er selbst als X-Strahlen bezeichnet hat. Die Röntgenstrahlen

sind wie das Licht elektromagnetische Wellen (Photonen), jedoch mit einer kürzeren Wellenlänge, die im Bereich unterhalb von 10 nm (10 -8m) liegen.

Diese entsprechen höhere Frequen- zen und größere Quantenenergien.

AUFSÄTZE

Letztere hat einen Wert von 10 keV bei einer Wellenlänge von 12,4 nm.

Am 22. Dezember 1895 fertigte Röntgen die erste Röntgenaufnahme an: Die Hand seiner Frau. Damit war der Weg in die medizinische Anwen- dung der Röntgenstrahlen gewiesen.

Heute werden für diagnostische Zwecke weiche Röntgenstrahlen (Wellenlänge um 10 - ' nm), für thera- peutische Zwecke aber harte Rönt- genstrahlen (Wellenlänge um 10 -3

nm) eingesetzt. Die Strahlung wird in

Glühkathodenröhren erzeugt, die aus einem hoch-evakuierden Glaskolben besteht, in die zwei Elektroden einge- schmolzen sind.

Durch Aufheizen der Kathode auf etwa 2 000 Grad Celsius werden Elektronen frei, die durch Anlegen einer Spannung beschleunigt und zur Anode gelenkt werden. Beim Auf- treffen auf die Anode werden sie durch positiv geladene Atomkerne des Anodenmaterials (beispielsweise Wolfram) abgebremst, wobei Energie in Form von Röntgenstrahlung („Bremsstrahlung") frei wird. Die Strahlungsausbeute beträgt nur rund ein Prozent der freiwerdenden Ener- gie, der Rest wird in Wärme umge- setzt.

Die Stirnfläche der Anode wird Brennfleck genannt. Um scharfe Röntgenbilder zu erhalten, muß er möglichst klein sein — kleiner als 1 mm2. Das bedeutet eine hohe ther- mische Belastung. Tellerförmige Dreh- anoden mit mehreren tausend Um- drehungen pro Minute haben dieses Problem gelöst.

Im Körper werden die Röntgen- strahlen durch Absorption und Streu- ung in Abhängigkeit von den vorhan- denen Elementen geschwächt. Auf- grund dieser gewebespezifischen Schwächung der Röntgenstrahlen werden Durchleuchtungsbilder erhal- ten, auf denen sich unterschiedliche Strukturen differenziert darstellen:

Knochen erscheinen wegen starker Absorption im Nativbild weiß, mittel- stark absorbierende Organe und Was- ser grau, Luft und Fett stellen sich schwarz dar.

Umwandlung in digitale Bilder

Bei der klassischen Röntgentech- nik werden die vom Gewebe durchge- lassenen Photonen auf einem Film aufgenommen, bei neueren Verfah- ren werden sie von Detektoren regi- striert und in digitale Bilder umge- wandelt. Röntgenbilder können heu- te auch invers dargestellt werden, die Knochen erscheinen dann schwarz.

Bei allen konventionellen Techniken überlagern sich jedoch die abgebilde- ten Strukturen, so daß ein sogenann- tes Summationsbild entsteht.

A-828 (34) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 12, 24. März 1995

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Aus den Pioniertagen stammt das Klinoskop. Dieses kippbare Röntgengerät

kam 1907 auf den Markt Foto: Siemens AG

THEMEN DER ZEIT

Solche Bilder sind oft schwierig zu interpretieren. Erst die Röntgento- mographie erlaubte, einzelne Körper- schichten darzustellen. Die Weiter- entwicklung dieses Verfahrens ist die Computertomographie. Mit dieser Technik werden von einer ein bis 10 mm dicken Körper-Querschicht in ei- nem Winkelbereich von 180 Grad bis 360 Grad Röntgenbilder aufgenom- men. Aus den unter verschiedenen Winkeln erhaltenen Schwächungs- profilen wird mit einem mathemati- schen Verfahren die räumliche Vertei- lung der Schwächungswerte errech- net und daraus das Bild der Objekt- schicht überlagerungsfrei rekonstru- iert. Die Bildrekonstruktion liegt durch den Einsatz leistungsfähiger Rechner im Bereich unter einer Se- kunde.

Ausbildung von Gefäßen

Spiral-Computertomographie- Geräte wie das Somatomelus (Sie- mens Erlangen) ermöglichen heute die überlagerungsfreie Darstellung aller Thoraxorgane mit den umgeben- den Weichteilen in einer Zeitspanne einer kurzen Atempause. Knochen und Gelenke können geschichtet und in jeder beliebigen Projektion abge- bildet oder auch dreidimensional wie- dergegeben werden, erinnerte Prof.

Dr. M. Reiser, Direktor des Institutes für Radiologische Diagnostik, Klini- kum München-Großhadern.

Völlig bewegungsfreie Aufnah- men innerhalb von etwa 100 Millise- kunden erlaubt die Magnetresonanz- tomographie (MRT). Damit können auch Funktionen des menschlichen Körpers sichtbar gemacht und Ge- fäße abgebildet werden.

Auch die Computertomographie wurde schneller. Das von Siemens Er- langen entwickelte „Subsekunden- Spiral-CT", mit dem in 0,75 Sekunden eine einzelne Schicht „angefertigt"

wird, vermag in nur 30 Sekunden große Abschnitte des Körpers abzuta- sten.

Bei der „Interventionellen Ra- diologie" können mit Unterstützung der radiologischen Diagnostik durch bestimmte technische Modifikatio- nen verengte oder verschlossene Ge-

AUFSÄTZE

fäße wieder durchgängig gemacht, Abszesse entleert und Blutungen ge- stillt werden. Zum Beispiel lassen sich damit Blutungen aus Ösophagus-Va- rizen bei Leberzirrhose effektiv be- handeln. Dabei wird eine Kurz- schlußverbindung zwischen der Pfort- ader und den Lebervenen herge- stellt.

Trotz aller Fortschritte in der Röntgenologie ist die Frage einer möglichen Strahlengefährdung des Menschen unverändert aktuell, und sie wird leider häufig unsachlich dis- kutiert. Dabei ist es keineswegs er- wiesen, daß die niedrigen Strahlen-

dosen, die in der diagnostischen Ra- diologie angewendet werden, das Krebsrisiko erhöhen, berichtete der Physiker Dr. M. Schätzle, Institut für Radiologische Diagnostik, Klinikum München-Großhadern. Unbestreit- bar ist aber ihr medizinischer Nut- zen. Neuere Ergebnisse der Grund- lagenforschung weisen eher darauf hin, daß niedrige Strahlendosen für einzelne Zellen und für begrenzte

Zeit einen günstigen Effekt im Sinne einer adaptierten Reaktion provo- zieren.

Dosisreduktion von 70 Prozent

Außerdem wurde die für Rönt- genuntersuchungen erforderliche Strahlendosis in den letzten Jahrzehn- ten laufend reduziert. In den vergan- genen 30 Jahren konnte allein durch Einführung neuer Verstärkungsfolien der Dosisbedarf selbst der „einfa- chen" Röntgenanlagen von zirka 10

Gray auf etwa 3 Gray reduziert wer- den — das entspricht einer Dosisredukti- on von rund 70 Pro- zent. Andere tech- nische Maßnah- men, wie zum Bei- spiel die Vorfilte- rung an der Rönt- genröhre und die Abdeckung von Streustrahlen ha- ben dazu beigetra- gen, daß die soge- nannte Systemdosis von 10 auf 0,5 Gray gesunken ist.

Die digitale Radio- graphie mit Spei- cherfolien kommt mit noch kleineren Strahlendosen aus.

Bereits kurz nach Veröffentlichung der Forschungser- gebnisse Röntgens erkannten Physiker und Mediziner die phänomenale Be- deutung dieser Ent- deckung, für die Röntgen im Jahre 1901 den ersten Nobelpreis für Physik erhielt. Bemerkenswert ist die Tatsa- che, daß in der Folgezeit für wissen- schaftliche Arbeiten mit Röntgen- strahlen weitere 19 Nobelpreise ver- liehen wurden. Es ist abzusehen, daß selbst 100 Jahre nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen die medizinische Radiologie in ihrer Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist.

Siegfried Hoc A-830 (36) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 12, 24. März 1995

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