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Archiv "Australien: Medibank muß sparen" (08.04.1976)

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Academic year: 2022

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Bericht und Meinung DER KOMMENTAR

Zwar ist die Labour-Regierung, die so etwas Ähnliches wie einen Ge- sundheitsdienst einzuführen ver- suchte, nach dramatischem Hin und Her in einer unprogrammäßi- gen Wahl mit Aplomb gestürzt worden — doch der neue konser- vative Premierminister Malcolm Frazer kann die Entwicklung nicht mehr vollständig rückgängig ma- chen: „Medibank", eine Sozialkas- se, die allen Australiern den Zu- gang zu ärztlicher und Kranken- hausbehandlung ermöglichen soll, wird wohl zu einer bleibenden In- stitution werden.

Wahl zwischen Kostenerstattung und Sachleistung

Medibank besteht seit dem 1. Juli des vergangenen Jahres. Die Kas- se vergütet die ärztlichen Einzellei- stungen bis zu 85 Prozent der Sät- ze der von einem unabhängigen Ausschuß erlassenen Gebühren- ordnung, sie trägt ferner die Kran- kenhauskosten in den „public beds", also der allgemeinen Sta- tion. Eine Besonderheit des austra- lischen Systems ist es, daß die Ärz- te die Wahl zwischen zwei ver- schiedenen Abrechnungsmethoden haben: Sie können direkt mit der Kasse abrechnen, erhalten aller- dings nur die Kassensätze, also 85 Prozent der Gebührenordnung. Die Labour-Regierung hielt dies für at- traktiv genug — trotz des fünfzehn- prozentigen Abschlages: Den Ärz- ten, die dieses System des „bulk billing" wählen, ist eine schnelle und vollständige Auszahlung si- cher; sie brauchen sich nicht um die Eintreibung von Honoraren zu bemühen. Die Ärzte können aber auch mit den Patienten abrechnen,

wobei sie im allgemeinen Honorar- sätze verlangen, die einer Gebüh- renordnung der Australian Medical Association entnommen sind wel- che höher liegt als die Gebühren- ordnung von Medibank. Der Pa- tient bekommt den Kassensatz zu- rückerstattet. Die Australian Medi- cal Association hat die Ärzte auf- gefordert, sich nach Möglichkeit für die direkte Abrechnung mit dem Patienten zu entscheiden; sie befürchtet, daß das „bulk billing"

zu einer übermäßigen Inanspruch- nahme der Ärzte führen würde.

Trotzdem dürften es jetzt etwa 44 Prozent der Patienten sein, für die die Ärzte direkt mit Medibank ab- rechnen. Vor allem diejenigen Ärz- te haben das Verfahren gewählt, die in gewissen Industrievierteln und in den Badeorten mit vielen Altersrentnern tätig sind. Dazu kommt die Behandlung der „Abori- gines", also der australischen Ur- einwohner. Es handelt sich hier also meist um diejenigen Patien- ten, die früher kostenlos oder über Sozialeinrichtungen behandelt wur- den.

Kostenlose Behandlung als Konkurrenz

Die Schwierigkeiten, die heute existieren, sind auf ganz unerwar- tete Weise entstanden. Die Labour- Regierung hatte nämlich, um der Werbung der Australian Medical Association für das Kostenerstat- tungssystem entgegenzuwirken, versuchsweise staatliche Poliklini- ken gegründet (Medical Centres), die mit angestellten Ärzten besetzt werden sollten. Sie sollten den frei- beruflich niedergelassenen Ärzten Konkurrenz machen. Dazu kam,

daß schon seit jeher die Ärzte, die in den Krankenhäusern die „public beds" versorgen, zusätzlich dazu in Krankenhausambulanzen Patien- ten frei behandelten. Diese Ärzte aber waren es, die nun nicht einsa- hen, daß sie kostenlos arbeiten sollten, während andere Ärzte für die Behandlung der gleichen Per- sonen neuerdings ein Honorar be- kommen, und sie bestanden des- halb auf Bezahlung ihrer Leistun- gen in gleicher Weise. Weder die Krankenhausträger noch der Staat wollten sich darauf einlassen.

So kommt es, daß in dem reichli- chen halben Jahr seit Einführung des „Medibank"-Systems die freie Behandlung in den Krankenhäu- sern weitgehend ein Ende gefun- den hat.

. .

aber die Ärzte machen nicht mehr mit

Die Ärzte legten ihre Tätigkeiten in den Ambulanzen nieder und forder- ten die Patienten auf, in die priva- ten Sprechstunden zu kommen — natürlich mußten die Ärzte sich hier auf das „bulk billing" einlas- sen. Für die Patienten war das üb- rigens recht vorteilhaft: Die langen Wartezeiten, die es bisher in den Ambulanzen gab, insbesondere für technische Leistungen, sind erheb- lich reduziert. Andererseits bekla- gen sich die australischen Univer- sitätskliniken darüber, daß sie in den Polikliniken kaum mehr Pa- tienten haben, die sie den Studen- ten vorführen können.

So scheint alles im Augenblick ei- nigermaßen friedlich zu laufen — nur ist sich jedermann darüber klar, daß die wirklichen Probleme erst auftauchen werden. Zum einen das finanzielle: Die stark gestiege- ne Inanspruchnahme der Ärzte, vor allem durch Patienten, die früher nichts kosteten, treibt die Ausga- ben in die Höhe. Als Bremse ist in- zwischen bereits eine Rezeptge- bühr eingeführt und gleich darauf erhöht worden; sie liegt jetzt bei zwei australischen Dollar (etwa sieben DM).

AUSTRALIEN

Medibank muß sparen

Aber: Trotz Wahlniederlage der Labour-Regierung wird die staatliche Krankheits-Kasse bestehenbleiben

1002 Heft 15 vom 8. April 1976

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung

THEMEN DER ZEIT

Deutschland als Beispiel

Das andere Problem: Für die au- stralische Ärzteorganisation ist da- durch eine neue Situation eingetre- ten, daß sie quasi einen Monopol- partner hat. Und man befürchtet, daß ihr Einfluß auf die Gestaltung der Gebührenordnung schwinden wird — nicht zuletzt deswegen, weil die Ärzteorganisation auf frei- williger Mitgliedschaft beruht. An- gesichts der starken Position, die der Staat im Gesundheitswesen eingenommen hat, ist in Ärztekrei- sen der Gedanke entstanden, die Einrichtung einer Ärzteorganisation als Körperschaft öffentlichen Rechts zu verlangen. Eine Delega- tion der Medical Association des Bundesstaates New South Wales will deshalb die Bundesrepublik Deutschland besuchen und am Beispiel der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung studieren, wie Körper- schaften öffentlichen Rechts im Gesundheitswesen funktionieren.

Dr. Hanns Pacy Hough Street

Tea Gardens N.S.W. 2324

ZITAT

„Die Provinz des Menschen"

„Es ist sehr sonderbar zu denken, daß Leute unter uns herumlaufen, die Tag für Tag menschliche Körper in allen Einzelheiten besehen, häßli- che, unbekleidete, entstellte, jeden Geschlechts und Al- ters, und daß sie nie genug davon haben: Ärzte. In der Zwischenzeit sitzen sie unter uns, mit unschuldigen Ge- sichtern, und sprechen zu uns wie andere, und wir fürchten sie nicht, grüßen sie und geben ihnen freundlich die Hand."

Elias Canetti, „Die Provinz des Menschen. Aufzeichnun- gen 1942-1972".

Nicht erst zum Auftakt des Wahl- jahres wird die sozial- und gesund- heitspolitische Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland mehr denn je emotional geführt und ten- denziös-unsachlich argumentiert.

Die Öffentlichkeit wird zuweilen auch von höchsten Stellen mit recht fragwürdigen statistischen Angaben über Arzteinkommen falsch informiert. Nichts Neues ist es, daß weder ein Großteil der Presse noch die meisten Politiker die Begriffe Umsatz, Brutto- und Nettoeinkommen auseinanderhal- ten und die wachsenden Kosten der ärztlichen Praxen nicht ange- messen berücksichtigen oder völlig ignorieren. So ist es ein leichtes, der Ärzteschaft den Schwarzen Pe- ter zuzuschieben und ihr die Al- leinschuld für die seit Jahren zu verzeichnende überproportionale Kostenentwicklung im Gesund- heitswesen anzulasten.

Lektion

für Sozialpolitiker

Eine Lektion für den Umgang mit sozialstatistischen Daten bot das Gesundheits- und Sozialpolitische Seminar anläßlich des XXIV. Inter- nationalen Fortbildungskongresses der Bundesärztekammer (BÄK) in Davos (vom 8. bis 20. März 1976), das von BÄK-Hauptgeschäftsführer Professor J. F. Volrad Deneke, Köln, geleitet wurde. Nicht nur das berufspolitische Hauptreferat De- nekes sowie die daran anschlie- ßende Podiumsdiskussion bot den fortbildungsbeflissenen Ärzten in

Davos eine Menge Anschauungs- unterricht darüber, was es heißt, verantwortungsbewußt mit Zahlen umzugehen und das vermeintliche statistische Vakuum anzuzapfen.

Die sachlich fundierten Referate während des 14tägigen Seminars gaben den Ärzten darüber hinaus Daten und Argumente an die Hand, um in der gesundheits- und sozial- politischen Auseinandersetzung beweiskräftig bestehen zu können.

Sachinformationen und hieb- und stichfeste Argumentationen sind in der breiten Ärzteschaft gefragt; sie stoßen — gerade auch während großer medizinischer Fortbildungs- veranstaltungen — auf lebhafte Re- sonanz. Davos war ein Beweis da- für, daß es den Veranstaltern ge- lungen ist, die Sozial- und Gesund- heitspolitik durch zwei Parallelse- minare (auch der Verband der lei- tenden Krankenhausärzte veran- staltete wiederum sein berufspoliti- sches Seminar) in das Fortbil- dungsprogramm einzubinden.

Volkswirtschaftlich untermauerte Thesen

Im Gegensatz zü Ivan Illich, der vor Jahresfrist in Davos mit seiner These von der „Enteignung der Gesundheit" Furore machte, zog es Volkswirt Albert Schiefer, Köln, vor, seine Thesen zur Sozial- und Gesundheitspolitik volkswirtschaft- lich und mit sozialstatistischen Daten versehen zu untermauern.

Schiefer wies in seinem Referat unter anderem nach, daß es über-

Es gibt

keine systemimmanente Kostenexplosion

Neun Thesen zur aktuellen sozial- und gesundheitspolitischen Diskussion Internationaler Fortbildungskongreß in Davos

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 15 vom 8. April 1976 1003

Referenzen

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