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Erst dessen und der Johanna Gräfin von Klenau, Freiin von Jannowitz Sohn, der Vater Karls von Amira, erlangte in Bayern die Naturalisation und wurde 1833 in die bayrische Adelsmatrikel eingetragen

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Karl von Amira.

In Bayerns nordwestlicher Ecke, auf fränkischer Erde, wurde Karl von Amira am 8. März 1848 in Aschaffen- burg geboren, wo sein Vater als k. b. Kreis- und Stadt- gerichtsassessor lebte. Auch seine Mutter hatte dort ihre Heimat, eine Tochter des Aschaffenburger Schuldirektors Conrad Wüst. Aber die Vorgeschichte der väterlichen Familie weist über Bayerns Grenzen weit hinaus. Der Ur- großvater, Georg Alexander Amira, war Kaufmann auf Lesbos, zuletzt in Warschau, der Großvater, in Konstan- tinopel geboren, in Warschau erzogen und im Kantschen Königsberg akademischer Bürger, diente unter Napoleon im französischen Heere und wurde als chevalier de l'empire geadelt. Erst dessen und der Johanna Gräfin von Klenau, Freiin von Jannowitz Sohn, der Vater Karls von Amira, erlangte in Bayern die Naturalisation und wurde 1833 in die bayrische Adelsmatrikel eingetragen.

Im Jahre 1852 wurde der Vater zum Richter in München ernannt, und die Familie siedelte in die Stadt über, die mit nur einer Unterbrechung Karl von Amiras Wohnsitz sechzig Jahre hindurch wurde, durch ihre bestimmte nationale Eigenart sowie durch ihr reiches geistiges Leben eine be- deutungsvolle Ergänzung des reichen rassischen Erbguts, das in ihm vereinigt war. In München kam Amira zur Volks- schule, dann auf das humanistische Gymnasium. Der Tod des Vaters, 1861, veranlaßte seine Mutter, ihn dem könig- lichen Erziehungsinstitut für Studierende, dem sogenannten holländischen Institut zu übergeben. Schwere Mißstände in dieser Anstalt führten aber nach zwei Semestern zu einem plötzlichen Wechsel, und so hat Amira im August 1867 die Reifeprüfung am Wilhelmsgymnasium als zweiter unter siebzehn mit der Note „sehr gut" bestanden.

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Die Wahl des Studiums war nicht einfach. Innere Nei- gung sprach f ü r das Studium der Geschichte, materielle Gründe wiesen einen anderen Weg von größerer Sicherheit f ü r die Zukunft. Kein Geringerer als Ignaz von Döllinger hat damals den Schwankenden beraten, und unter seinem Einfluß h a t sich Amira, wie er selbst sagte, entschlossen,

„eine Vernunftheirat mit der Juristerei einzugehen, u m später in den Justizdienst oder in die Anwaltschaft zu treten". Von da aus gedachte er „allenfalls noch" die „histo- rischen Liebhabereien befriedigen zu können". So begann er im Wintersemester 1867/68 das juristische Studium in München mit dem üblichen philosophischen Semester und blieb seiner Heimatuniversität bis zu dessen Abschluß treu.

Windscheid wurde sein Lehrer im römischen Recht neben E. A. Seuffert. Bei Paul R o t h hörte er deutsches Privatrecht und Handelsrecht, bei Planck Strafrecht und Prozeß, deutsche Rechtsgeschichte bei Berçhtold. Nur langsam gewöhnte er sich an den Erstgenannten, da ihn dessen

„dürre und rein dogmatische Art beinahe zur Verzweiflung"

brachte. Sie h a t ihn beinahe veranlaßt, der Jurisprudenz wieder den Rücken zu kehren. Die Rettung k a m von Roth.

Zwar war er einer „der wunderlichsten akademischen Leh- rer", sein Vor trag „formell so abschreckend wie möglich, durchaus seine Gleichgültigkeit gegen die Zuhörer wider- spiegelnd", aber u m so bedeutender der Gehalt seiner Worte, die mehr als einen seiner Hörer zu germanistischen Studien anregten und auch Amira der Rechtswissenschaft und dem deutschen Recht im besonderen gewannen. Erst spät, im Sommersemester 1870, wurde Amira Schüler von Konrad Maurer, bei dem er in diesem Semester Altnordisches Kirchenrecht hörte, in den nun folgenden Altnordische Rechtsquellen, Altnordisches Staatsrecht und Öffentliches Recht des isländischen Freistaates. Zu vermuten ist, daß er auch später noch, vom Ende seines juristischen Studiums bis zum Beginn der eigenen akademischen Laufbahn, unter den Wenigen war, die den Semester f ü r Semester statt- findenden nordischen Vorlesungen dieses Lehrers anwohnten.

Die Liebe zur Geschichte bestimmte die Auswahl der nichtjuristischen Vorlesungen. Schon im ersten Semester

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hörte er Kirchengeschichte bei Döllinger, der ihm „als das erste Muster des echten Historikers" erschien, und als

„das vor allen andern leuchtende" dauernd von ihm dank- bar verehrt wurde. Neben ihm zog ihn Carl Adolf Cornelius in Vorlesungen über Reformationsgeschichte und Revo- lutionsgeschichte besonders an, während ihn Giesebrechts

Geschichte der römischen Kaiserzeit durch die „affektierte Vortragsweise" und die „äußerliche Geschichtsauffassung"

abstieß.

Ende Juli 1871 bestand Amira das Referendarexamen und begab sich dann seinem Plane gemäß in den juristischen Vorbereitungsdienst, den er allerdings vorzeitig im Mai 1873 verließ. Denn inzwischen hatte das geschichtliche Interesse sich übermächtig durchgesetzt, die Erkenntnis des richtigen Weges sich gefestigt, klare Einsicht in die eigene Kraft und ein erster Erfolg auf wissenschaftlichem Gebiet den Mut gestärkt, auf freier Bahn vorwärts zu schreiten. Am 16. März

1873 hatte Amira cum nota eminentiae das Rigorosum ab- gelegt, und am 28. Juni 1873 fand unter dem Dekanat von Paul Roth die öffentliche Promotion statt. Als Disser- tation diente, durch Thema wie durch Umfang den üblichen Rahmen überschreitend, das altnorwegische Vollstreckungs- verfahren. Die Quaestio behandelte die Formen der Ver- festung. Von den aufgestellten Thesen war nur eine dem nordischen Recht entnommen und betraf eine richtig ge- sehene Interpolation in der Gula]pingsbók. Die meisten behandelten, schon in die Zukunft weisend, Fragen der Erbenfolge und Verwandtschaftsgliederung, zwei solche des römischen Rechts.

Nicht ein Jahr verging bis zur Habilitation, die auf Grund der Arbeit über Erbenfolge und Verwandtschafts- gliederung am 30. Mai 1874 unter dem Dekanat von Alois Brinz stattfand. Die Probevorlesung wurde gehalten über

„Die Entstehung des Lehnwesens", offensichtlich ein von Roth gestelltes Thema, dessen Ausarbeitung innerhalb der kurzen nach Münchner Ritus zur Verfügung stehenden Frist keine kleine Aufgabe war. Die Thesen waren rein rechtsgeschichtlich, zeigten aber in ihrem Ausgreifen auf verschiedenste Gebiete, auf Lex Salica, altnordisches,

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angelsächsisches und friesisches Gebiet die schon gewonnene Weite des Gesichtskreises u m so deutlicher, als sie sich keineswegs auf den Problembereich der Habilitationsarbeit beschränkten.

Wenig erfolgreich begann im Winter 1874 das erste Vor- lesungssemester. Für das angekündigte Kolleg „Rechts- geschichte I. Teil" fand sich, sehr begreiflich, kein Hörer.

Besser wurde es mit dem im Sommer 1875 gelesenen deut- schen Privatrecht. Aber noch in diesem J a h r e endete Amiras erste Münchner Lehrtätigkeit. Zwei Möglichkeiten eröffneten sich zu gleicher Zeit. Mit einem Angebot von Bern, das Gareis verließ, traf ein Ruf auf das bisher von von Martitz innegehabte Ordinariat in Freiburg i. Br. zu- sammen, den Amira annahm. Die 17 J a h r e an der badischen Universität waren f ü r ihn eine „Leidenszeit", und er h a t sie auch später nicht anders einzuschätzen vermocht. Es waren in seinen Augen, wie er nach Erhalt des Münchner Rufes im Freiburger Sprechzimmer sagte, „verlorene J a h r e " . Für den, der Amiras Leistungen in dieser Zeit ins Auge faßt, und der ermessen kann, was ihm Freiburg an ideellen Werten geben konnte, ein ungerecht scheinendes Urteil.

Und doch ist es verständlich für den, der nicht die Leistung wertet, sondern Leistenkönnen und Leistenwollen. Denn die Universität „war klein und kümmerlich ausgestattet"

und „mit der Bibliothek war für unser Einen fast nichts anzufangen". Die Spannung zwischen der wissenschaft- lichen Weite und der örtlichen Enge war zu groß. Dazu kamen persönliche Schwierigkeiten, die sich aus dem aller- dings reichlich unbegründeten, nur für die geistige Enge der Andern kennzeichnenden Verdacht ultramontaner Ge- sinnung ergaben, und die nicht so unbegründete Besorgnis einer Aufhebung der damals sehr schwach besuchten Hoch- schule.

Und doch waren gerade die Freiburger J a h r e tief bedeut- sam. Sie waren es wissenschaftlich, sie waren es auch und besonders in persönlicher Beziehung. I n Freiburg lernte Amira seine Lebensgefährtin kennen, eine Tochter des preu- ßischenSchulmannes und Schulorganisators Ferdinand Stiehl, mit der er sich am 2. Oktober 1876 vermählte. Freiburg

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wurde die Geburtsstadt seiner Kinder. Dort knüpften sich langjährige Freundschaften und Beziehungen mit Hermann Paul, Fridolin Eisele und Gottfried Baist. Auch fehlte es nicht an äußerer akademischer Anerkennung durch eine Reihe von Berufungen. Schon im Sommer 1878 traf ein Ruf nach Breslau ein, das durch den Wegzug S e r m a n n v. Schulzes nach Heidelberg v a k a n t geworden war. Rücksichten auf seine Familie, deren Gesundheit das Breslauer Klima un- zuträglich gewesen wäre, und auf die Arbeit am zweiten Band des Obligationenrechts ließen Amira diesen Ruf trotz eines erheblichen Überangebots von Berlin ablehnen. Da- gegen scheiterte 1887 ein Ruf nach Würzburg als Nach- folger Böhlaus äußerlich daran, daß die Würzburger Fakul- t ä t auf Amiras an sich sehr berechtigte Gehaltsforderungen hin ihren Vorschlag zurückzog und das Ministerium die Berufung zurücknahm. Der letzte Grund aber waren per- sönliche Widerstände in der Würzburger Fakultät, die Amira schon am Tage vor dem Eintreffen des ministeriellen Schreibens veranlaßt hatten, der badischen Regierung sein Verbleiben in Freiburg mitzuteilen. I m nächsten J a h r zerschlug sich eine Berufung nach Prag.

Gleich zwei Berufungen brachte das J a h r 1892. Zuerst kam die nach Wien als Nachfolger von Tomaschek, die Amira nach kurzer Überlegung grundsätzlich annahm. Aber schon bei Eintreffen dieses Rufes hatten in München die Beratungen der Berufungskommission für die Nachfolge von Paul R o t h begonnen, die aus Sicherer, K. Maurer, Planck und Berchtold zusammengesetzt war. Das Ergebnis entsprach allerdings nicht den Wünschen Amiras, da Kom- mission und F a k u l t ä t seiner Berufung in dem Bericht an das Ministerium ausdrücklich widersprachen. Immerhin mußte die F a k u l t ä t in diesem Berichte zugeben, daß Amira sachlich der am meisten geeignete Kandidat sei und nur persönliche Gründe seiner Berufung im Wege ständen.

Das Ministerium hielt die sachliche Eignung f ü r das Wesent- liche, und am 11. November 1892 traf die Berufung ein, der am 13. die Annahme, am 16. die Ernennung folgte.

Allerdings hat sich die Wiener Fakultät nicht abhalten lassen, 15 J a h r e später noch einmal den Versuch zu machen,

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A mii'a zu gewinnen. Aber auch das glänzende Angebot des Jahres 1907 konnte Amira nicht mehr von München trennen.

Mit der Übersiedelung von Freiburg nach München be- ginnt in Amiras Leben eine neue Epoche, die der Vollendung, der gegenüber die vergangene Zeit nur Vorgeschichte war und Vorbereitung. Mit dem Münchner Ordinariat h a t t e Amira das einzige, nur scheinbar äußere Ziel erreicht, das er mit Beharrlichkeit und ungeduldiger Erwartung an- gestrebt hat. Nicht u m materieller Vorteile willen, nicht im Hinblick auf das größere Auditorium, allein aus der Überzeugung heraus, daß nur die größeren Verhältnisse an der Isar die volle Entwicklung seiner wissenschaftlichen Persönlichkeit ermöglichen würden. Die Folgezeit h a t dieser Überzeugung recht gegeben. Erst in München hat sich Amiras Persönlichkeit zur vollen Größe entfaltet. Erst in dieser Zeit ist der wissenschaftlichen Mitwelt die volle Erkenntnis dieser Größe geworden. Es waren J a h r e reichster geistiger Anregung, die Amira in München verlebte. Und nicht nur in München selbst. Von dort aus lernte er zum erstenmal, schon gut in den Fünfzigern, auf mehrfachen Reisen die Wunderwelt von Italiens Natur und Kunst kennen, ein erhebendes und erschütterndes Erlebnis f ü r den Natur- freund und f ü r den Kunstkenner, um so intensiver genossen, als ihn frühere Reisen durch ganz Deutschland und seine Kunstschätze nicht minder vorbereitet hatten wie ein gründ- liches Vorstudium alles Sehenswerten und Wissenswerten.

Aber auch schwere Schicksalsschläge brachte ihm diese Zeit. Am 17. J a n u a r 1925 verlor er die Gattin, die ihm fast ein halbes J a h r h u n d e r t treu zur Seite gestanden hatte.

Wenige Monate darauf, im September des Jahres, n a h m ihm eine Netzhautablösung die Sehkraft des einen Auges.

I m J u n i 1928 brach er einen Oberschenkel und mußte sich einem monatelangen Krankenlager fügen. So war es kein heiterer Lebensabend, den ihm das Schicksal beschied.

Was ihn äußerlich hielt, war neben seiner zähen Natur und der Kunst des Arztes die geistige Frische und Aufnahme- fähigkeit, nicht zuletzt die sorgsame treue Pflege und Hilfe, mit der ihn seine ältere Tochter umgab und unterstützte.

Am 22. J u n i 1930 ist er ruhig entschlafen.

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Daß es Amira auch an den äußeren Anerkennungen der akademischen Welt nicht gefehlt hat, könnte man versucht sein zu verschweigen, wenn nicht auch Vollständigkeit eine Pflicht des Biographen wäre. Denn bei Gelehrten seines Schlages vermögen sie am Bild nichts zu ändern und nichts zu ergänzen, und die Ehrenden ehrten sich nicht minder als ihn. Als erste nahm unmittelbar nach dem Erscheinen des ersten Bandes des Obligationenrechts die Akademie Upsala den noch nicht Vierzigjährigen in ihre Reihen auf.

Noch ehe die Münchner Berufung erfolgt war, tat es 1892 die historische Klasse der Münchner Akademie, aus der Amira 1896 austrat, um 1901 in die philosophisch-philolo- gische Klasse gewählt zu werden. Es folgten Christiana (1896), Berlin (korresp. Mitglied 1900, auswärtiges 1925), Stockholm (1905), Kopenhagen (1907), Wien (korresp.

Mitglied 1912, Ehrenmitglied 1917), Göttingen (1922), Leipzig (1929). Das Ehrendoktorat der Rechte erhielt Amira von Christiania (1911) und Prag (1918), das der Staatswissenschaften von Wien (1923) und Innsbruck (1928). Mit dem Dr. phil. h. c. ehrte Leipzig beim Uni- versitätsjubiläum 1909 den Herausgeber des Sachsen- spiegels.

In der Tat übergehen aber kann man die Ehrungen durch Orden und Titel, die Amira wenig bedeuteten, so wenig, daß er bei Ablehnung des zweiten Wiener Rufs ausdrück- lich bat, von einer Titelverleihung Abstand zu nehmen und 1895 der norwegischen Regierung den Olafsorden zurückgab, weil ihm die übersandte Klasse nicht ent- sprechend schien. Nur ein Orden hat ihm eine innere Freude bereitet, der Maximiliansorden für Kunst und Wissenschaft.

Solche Ehrung gereichte ihm „zur hohen Genugtuung und Ermutigung, weil sie ihm von unanfechtbaren, urteils- fähigen und ihrer Verantwortlichkeit bewußten Männern"

zuging. ,,Auf andere Auszeichnungen Gewicht zu legen", hätte er „für eines Wissenschaftsmannes oder Künstlers unwürdig erachtet". Infolgedssen hat er auch in der Anrede den Titel „Professor" vorgezogen, und wenn ein Brief - Schreiber ihn als „Meister" ansprach, so war dies an die falsche Adresse gerichtet.

Zeitschrift für Rechtegeschichte. LI. Germ. Abt. Π

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Ruhig und einfach war der Rahmen des äußeren Lebens, das sich an nur zwei Universitäten abspielte, beide in Süd- deutschland gelegen. Bewegt und vielseitig wurde es ge- lebt, auch hierin bis zum letzten ein deutlicher Widerschein der ungewöhnlichen Persönlichkeit. Sie ist von vielen miß- verstanden worden, nicht immer aus Nichtwollen, zumeist aus Nichtkönnen. Denn nicht nur fehlte so manchem der Maßstab, vielmehr den meisten der Einblick. Amira war kein Mann, der den in sein Inneres sehen ließ, von dem er sich nicht schon intuitiv verstanden glaubte, mit dem ihn nicht auch eine innere Beziehung verband. Er war eine ver- schlossene Natur, offen nur für die Nächststehenden, auch da nur sehr allmählich bereit, das in ihm lebendige Miß- trauen dem Vertrauen weichen zu lassen.

Doch nur für ein letztes Verständnis lagen so die Schwie- rigkeiten in Amira selbst. Kaum bedurfte es eines öfteren Zusammenseins, um den Reichtum seiner geistigen Per- sönlichkeit zu erkennen. Es gab, wie nicht anders möglich, auch bei ihm Grenzen des Wissens, aber nicht des Erkennen- wollens. Er war eine aufgeschlossene Natur, die auf allen Gebieten zu lernen und zu erkennen suchte, zugänglich allem geistigen Fortschritt. Schon als Schüler ein eifriger Sammler der Flora in Münchens Umgebung, hat er auf der Universität naturwissenschaftliche Vorlesungen mit Freude und Gewinn besucht und auch auf diesem, seiner eigenen Arbeit so fernliegenden Gebiet die Weiterentwick- lung verfolgt. Überwältigend aber war die Fülle seines Wissens und die Sicherheit seines Urteils im Bereiche der Geisteswissenschaften. Auch hierfür waren die Grund- lagen schon in frühen Jahren gelegt worden. Noch als Gymnasiast hatte er Mommsens Römische Geschichte als erstes wissenschaftliches Werk in seine Bibliothek gestellt, Ranke mit Begeisterung gelesen, die Schätze der Münchner Museen durchforscht. Die üblichen Sprachstudien am Gymnasium ergänzte er in den oberen Klassen durch Erlernung des Hebräischen, das ihn sofort zur Bibelkritik führte. Ausgesprochene philologische Begabung hat es ihm später leicht gemacht, die dem Germanisten nötigen Sprachen jedenfalls lesen zu lernen, die älteren nordgermani-

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sehen Dialekte zu beherrschen. Nur den slawischen Spra- chenkreis hat er nie selbständig betreten. Aber die Sprache war ihm nicht nur das unentbehrliche Mittel des Lesens, sondern er sah auch in ihr immer das Werdende. Wort- geschichte, ja sogar Lautentwicklung fesselten ihn, ohne daß ein gegenwärtiges Bedürfnis es erforderte. Und nur deshalb konnte er in den unteren Klassen kein Verständnis zu den antiken Sprachen gewinnen, sondern nur Abneigung gegen sie hegen, weil ihm der Unterricht keine Einsicht in die Kausalzusammenhänge gab und in einem Lernen toten Materials erstarrte. Mit Leichtigkeit konnte er bei solcher Veranlagung den Quellenkreis der germanischen Rechts - geschichte im weitesten Sinn schon in den Anfängen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit und später immer wieder durchforschen. Auf westnordischem und schwedischem Gebiet gab es, die Urkundenbücher eingeschlossen, nichts, Was er nicht gelesen hatte. Aber auch die kontinentalen Quellen hatte er bis in die Neuzeit durchforscht, soweit sie nur einigermaßen von Bedeutung waren. Dabei gab es keine ängstliche Abgrenzung der Rechtsquellen. Auch die historischen Schriftsteller und die Dichtung des Mittel- alters waren ihm aus eigener Kenntnisnahme geläufig.

Zog er hier keine Grenzen, so eben überhaupt nicht innerhalb des kulturellen Lebens. Durchdrungen von der Funktion des Rechts als eines von den „Faktoren des Kulturlebens", von seinem Wesen als einer Seite der Kultur, hat er das Recht auch nur im Gesamtbild der Kultur sehen können und nur aus diesem Zusammenhang verstanden.

So wurde ihm das Studium der Volkskunde nicht minder zu einer Notwendigkeit wie das der Religion und der Völkerpsychologie. So war er immer bemüht, den Rechts- satz in seiner wirtschaftlichen Verknüpfung und Auswirkung zu begreifen, ohne aber den juristischen Begriff einem System der wirtschaftlichen Begriffe einordnen zu wollen.

Stütze und Bereicherung war ihm bei diesem Streben nach Umfassen der gesamten Kultur die enge Beziehung, in der er zur Kunst stand, zunächst zur darstellenden.

Amira war selbst ein tüchtiger Zeichner, der auf seinen Reisen mehr als ein Skizzenbuch zu füllen wußte. Schon

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dies, noch mehr seine Kenntnis der zeichnerischen und male- rischen Technik und ein fein entwickelter Farbensinn er- möglichten ihm ein für den Nichtfachmann ungewöhnliches Verständnis für alte wie neue Kunst, einen sicheren Blick für Stil und Schule. Auch dies hat er nicht erst in späteren Jahren erworben. Schon ein Reisetagebuch von 1872 zeigt ein reges Interesse für Architektur und Plastik und ergeht sich in Vermutungen über geschichtliche Zugehörig- keit der besichtigten Gemälde. Dieses Kunstverstehen bewahrte ihn auch in der Blütezeit seines rechtsarchäo- logischen Arbeitens vor der Gefahr, das Werk des Künst- lers nur in seiner Bedeutung für die rechtsgeschichtliche Erkenntnis zu sehen, schützte ihn auch vor einer rein wissenschaftlichen Betrachtungsweise ohne gefühlsmäßige Erfassung, die ja dem häufigen Besucher der Münchner Pina- kotheken und des Kupferstichkabinetts nicht fehlen konnte.

Nahe verbunden war Amira auch der Musik, für die er schon in den ersten Jahren der Mittelschule lebhaftes Interesse hegte. Sein Klavierspiel überstieg den dilettan- tischen Durchschnitt, sein Verständnis musikalischer Werke erreichte das des Fachmanns. Er gehörte zu den regel- mäßigen Besuchern nicht nur der großen Konzerte der Akademie der Tonkunst, sondern auch, sehr charakteri- stischerweise, der Schülerkonzerte, wo man zwar nicht immer reife Leistungen zu hören bekam, aber manches selten gespielte Werk, im besonderen auch der barocken und der klassischen Zeit. Deren Schaffen hat Amira wohl am meisten innerlich berührt, was aber nicht hinderte, daß er auch den späteren und den neuesten Richtungen des musikalischen Schaffens Anteilnahme entgegenbrachte, mehr allerdings der Richtung von Brahms und der künstlerischen Persönlichkeit Bruckners als der expansiven Nachromantik von Liszt und Wagner. So gehörte er mit vollem Recht seit 1899 dem musikalischen Sachverständigenverein an und wurde 1902 vom Ministerium in die neu gebildete

Sachverständigenkammer berufen.

Der Fülle des Wissens paarte sich die Tiefe des Verstehens.

Amira kam es nie darauf an, etwas zu lernen um des Wissens willen. Ihn reizte nur das Erfassen und das Verknüpfen.

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Er war eben nicht Antiquar, sondern Historiker. So konnten ihm allenfalls Einzelheiten ungegenwärtig sein, die, ohne zu den ausgefallenen Tatsachen zu gehören, für die Gesamt - auffassung einer Institution oder Epoche neue Züge nicht zu geben vermochten, wie er andererseits den scheinbar geringfügigsten Erscheinungen nachzugehen verstand, wenn sie ihm Erkenntniswert zu haben versprachen. Er hatte ein selten irrendes Gefühl für das Wesentliche. Dieses aber fügte sich ihm zum klaren Gesamtbild dank einer ungewöhnlichen Intuition, dank einer lebendigen, aber auch vom Verstände streng beherrschten Phantasie. Diesem Können stellte sein ruheloser Erkenntnistrieb dauernd neue Aufgaben, Probleme über Probleme. In seinem schaffenden Denken gab es keine Pause bis in hohes Alter.

Ein solcher Geist war auf sich selbst gestellt. Er be- durfte einer geistigen Luft, um in ihr zu atmen, aber nicht

eines Geistes, der sein eigenes Schaffen befruchtete. Wohl konnte Amira diskutieren und verstand auf fremde Ge- dankengänge einzugehen. Es machte ihm Freude, über Pro- bleme zu sprechen, aber er konnte darauf verzichten, ohne die Lücke zu sehr zu empfinden. Darin liegt einer der Gründe für das ausgeprägte Selbstbewußtsein und Selbständig- keitsstreben, das Amira auszeichnete. Schon der Abiturient hat die ihm vom Leiter der Schule diktierte, von ihm zu haltende Abschiedsrede durch eine eigene ersetzt. Der junge, siebenundzwanzigjährige Freiburger Ordinarius hat in seiner Antrittsrede ein rechtsgeschichtliches Programm entworfen, dessen Kühnheit nur eben durch seine Originali- tät übertroffen wurde. Das Wissen um den eigenen Wert beherrscht den Schriftwechsel bei Berufungen nicht minder wie den mit Herausgebern und Verlegern. Denn Amira forderte auch dessen Anerkennung von Dritten, ohne je eingebildet zu sein. Es eignete ihm die dem echten Gelehrten eigene Mischung des Gefühls für das eigene Maß und die Bescheidenheit, die aus der Ehrfurcht vor der Größe des Unerforschten entspringt. Er war sich bewußt, daß

„auch für den gründlichsten Gelehrten alle Forschung und alles Wissen Stückwerk" bleibt.

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So mußte der äußere Kreis um Amira immer ein kleiner sein. Enge Beziehungen verknüpften ihn mit seinem Lehrer Konrad. Maurer und dessen Frau, die in einem bis in das Ende des Jahres 1892 reichenden Briefwechsel gepflegt wurden und auch in der Münchner Zeit sich fortsetzten, wenngleich Maurers Ablehnung von Amiras Berufung die alte Herzlichkeit nicht mehr aufkommen ließ. Immer gleiche Freundschaft verband ihn mit Theodor Löwenfeld und Philipp Lotmar bis zu deren Tod und mit F. Jodl. Gedenkt man noch seines alten Freundes, des Malers Gronwold, und Ludwig Wahrmunds, dem er in seinem Kampfe um die Lehrfreiheit ein treuer Helfer gewesen ist, und schließ- lich der näheren Schüler, so ist die Reihe derer geschlossen, die sich seine Freunde nennen durften. Für diese aber war er ein Freund von unerschütterlicher Treue, von steter Hilfsbereitschaft, ein ebenso ruhiger wie klarer Berater auch in persönlichsten Angelegenheiten, wenn man seinen Rat erbat. Ihn ungefragt zu geben, hätte seinem Takt- gefühl widersprochen.

Leicht zu begreifen ist es, daß die Beziehungen zu den Fachgenossen, soweit sie nicht zum Freundeskreis gehörten, keine größere Ausdehnung gewannen. Nur mit Julius Ficker hat sich über fünfzehn Jahre, bis zu dessen Tod, ein Brief- wechsel über wissenschaftliche Fragen entsponnen, bei dem allerdings Amira fast ausschließlich der Gebende blieb, der Ficker nicht nur den Weg zum nordischen Quellenschatz wies, sondern ihn auch dauernd führte und mit Übersetzun- gen unterstützte. Und auch die Beziehungen zu Schröder und Pappenheim waren von einem warmen Ton erfüllt. Aber auch da, wo die Grenze des Konventionellen und sachlich gebotener Erörterung nicht überschritten wurde, erkannte Amira an, was ihm als echt und groß erschien. So hat ihn immer eine ehrliche Hochachtung vor Heinrich Brunner erfüllt, dessen großzügiger Meisterschaft er selbst in einem Nekrolog ein schönes Denkmal gesetzt hat. Mit Bewunderung verfolgte er das Lebenswerk Felix Liebermanns, mit innerer Freude genoß er die geistvolle Kraft von Karl Binding. Mit aufrichtiger Zustimmung begrüßte er noch in letzter Zeit Alfred Schultzes Freiteil. Dagegen beeinträchtigte ihm

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bei Rudolph Sohm der Ärger über methodische Fehler das Verständnis für dessen Bedeutung. Daß er auch Otto Gierke nicht ohne Bedenken gegenüberstand, hängt zum Teil mit dessen Arbeitsgebiet und Arbeitsweise zusammen, mag aber auch auf der ablehnenden Haltung beruhen, die Kon- rad Maurer dem Genossenschaftsrecht gegenüber einnahm und in früher Zeit äußerte.

Daß die persönliche Einwirkung Amiras keinen größeren Kreis erfaßte, hat aber seinen Grund nicht nur darin, daß er sich selbst genug sein konnte. Es würde gerade ihm nicht entsprechen, wollte man verschweigen, daß es nicht einfach war, ihm näher zu treten, und auch nicht immer leicht, nicht sein Mißfallen zu erregen. Nicht als ob er im land- läufigen Sinne unverträglich gewesen wäre. Diese häufig gegen ihn ausgestreute Behauptung, die in der Zeit der Berufungen seinen Gegnern gute Dienste getan hat, zeugt nur von einer oberflächlichen Wertung. Die Gründe lagen tiefer und waren andere. Amira war vor allem eine sehr zurückhaltende Natur, teils aus seinem Selbstbewußtsein heraus, teils aus einem starken Mißtrauen, der natürlichen Schutzwehr seiner großen Sensibilität. Wie alle Menschen dieser Art legte er denen, die ihm in den Weg traten, die Beweislast auf. Und der Beweis konnte nur mit zwei Mitteln geführt werden. Nur die Leistung, in erster Linie, wenn auch nicht allein, die wissenschaftliche, konnte ihn zunächst überzeugen, und ein ehrliches, charaktervolles Verhalten.

In seinen Augen ging dies allerdings Hand in Hand. Daß ein schlechter Charakter wissenschaftlich etwas leisten könne, erschien ihm unmöglich, und ganz folgerichtig pflegte er den Arger über schlechte Kritiken damit zu erklären, daß sich die Betroffenen in ihrem Charakter angegriffen fühlten.

Hatte man Amira fürs erste gewonnen, so war aber damit noch nicht alles gewonnen. Je enger die Berührungspunkte waren, desto größer war auch die Gefahr, daß zunächst gute Beziehungen verflachten oder geradezu ins Gegenteil umschlugen. Auch hierbei wirkten verschiedene Momente zu- sammen, Eigenschaften, die den Konfliktskeim in sich bargen.

Amira war in sachlichen Fragen von einem starken Streben nach unbedingter Sachlichkeit erfüllt, nach streng-

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ster Objektivität. Er ging von der Überzeugung aus, daß das Gedeihen des Staates, wie jedes anderen Verbandes, der Universität wie anderer wissenschaftlicher Institutionen von der Einhaltung der rein sachlich bestimmten Linie abhänge. In dieser Grundeinstellung nun hat er sich gewiß mit der überwiegenden Mehrzahl derer getroffen, mit denen ihn persönliche und berufliche Beziehungen verbanden.

Er schied sich aber wiederum von der überwiegenden Mehr- zahl durch die Festigkeit, mit der an dem für richtig Er- kannten festhielt. Die Unbedingtheit seines Charakters kannte kein Kompromiß. Das mangelnde Bedürfnis, sich anzupassen, dies Korrelat seiner Selbständigkeit, ließ ihn Kompromisse auch nicht wünschen. So mußten sich Meinungsverschiedenheiten mit Notwendigkeit da ergeben, wo ein Zusammenarbeiten nach der Sachlage erforderlich war, in Fakultät, Universität, Akademie. Sie wären Mei- nungsverschiedenheiten geblieben, wenn Amira immer hätte einsehen können, daß auch für den dem seinen ent- gegengesetzten Standpunkt ehrliche, sachliche Gründe maß- gebend sein konnten. Dies aber gelang ihm nicht immer.

Er argwöhnte zu leicht und zu oft beim Gegner unsachliche Gesichtspunkte, weil er von der Schlüssigkeit seiner eigenen Erwägung so stark überzeugt war, daß ihm ein Anders- denken sachlich unmöglich schien. Es konnte seiner An- nahme nach nur auf bösem Willen oder böser Absicht beruhen. Demgegenüber aber antwortete er mit empörter Ablehnung. Und so ergab sich zu häufig das tragische Bild des plötzlichen Abbruchs guter, auch langjähriger Be- ziehungen aus Gründen, die dem nüchtern wägenden Dritten von wesentlich geringerem Gewicht zu sein schienen. So erklärt es sich auch, daß alle dauernden Freundschaften Amiras Personen galten, mit denen er nicht in sachlicher Zusammenarbeit stand.

Eine Natur, die jedes Kompromiß verwarf, mußte nach außenhin gelegentlich schroff erscheinen, und die Empfin- dung der Unnahbarkeit haben Wohl die meisten gehabt, die Amira erstmals gegenübertraten. Wer ihn näher kennen- lernte, nahm, mit Überraschung vielleicht, wahr, daß in der mächtigen Gestalt und hinter der rauhen Außenseite

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ein zartes und weiches Gefühl lebte. I n der Verbindung des warmen Innenlebens mit dem harten Willen und der Stärke des Charakters war er gerade so typisch germanisch, und der Gedanke liegt nicht fern, daß die Heroen der is- ländischen Sagen, mit denen schon der Student sich liebe- voll beschäftigte, auf sein Wesen nicht ohne Einfluß ge- wesen sind. Ein inniges Gefühl der Dankbarkeit bewahrte er zeitlebens seiner väterlichen Großmutter und vor allem seiner Mutter, den zwei Frauen, denen er nach seinem eigenen Bekenntnis so außerordentlich viel f ü r seine Charakter- bildung verdankte. Mit zärtlicher Sorgfalt begleitete er die Entwicklung seiner Kinder, und dem, der das Glück hatte, öfter in seinem Hause, auch in kleinem Kreise zu Weilen, mußten die Symptome treuer, umhegender Liebe des Hausherrn f ü r Gattin und Kinder eine bleibende Er- innerung werden. Mit Interesse und ernster Anteilnahme verfolgte Amira auch die Schicksale seiner Freunde und ihrer Familien.

Amira war kein guter Menschenkenner, und er war kein Künstler der Menschenbehandlung. Infolgedessen fehlte ihm auch die Kunst der Politik. Wo es im Universitätsleben darauf ankam, mit Energie einen Standpunkt zu vertreten und durchzuhalten, da stand er seinen Mann, und so konnte einer seiner Freiburger Kollegen, mit dem ihn freundliche Beziehungen verknüpften, einmal sagen, die Fakultät hätte ihn so gut als Sturmbock verwenden können. Wenn es aber darauf ankam, eine gute Sache durch geschicktes Vor- gehen zum Siege zu führen, so stand er vor einer ihm nicht gemäßen Aufgabe, und in solchen Lagen hat er die schwersten Enttäuschungen seines akademischen Lebens erlitten. Um so seltsamer erscheint es auf den ersten Blick, ihn aus freien'

Stücken auf der politischen Bühne zu sehen.

Als im J a h r e 1907 Graf Hoensbroch den Antiultramon- tanen Reichsverband ins Leben gerufen hatte, t r a t er ihm nicht nur bei; er nahm 1911 die Gründung einer Münchner Ortsgruppe in die Hand, arbeitete deren Satzungen aus und wurde ihr Vorsitzender, wie er auch dem Vertreter- ausschuß des Reichsverbandes angehörte. Was ihn dazu bewog, war nicht Feindschaft gegen die Kirche. Allerdings

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hatten ihn schon seine bibelkritischen Studien und die Erfahrungen, die er im holländischen Institut gemacht hatte, völlig von der Kirche getrennt, und nur die Rücksicht auf seine M u t t e r ' h a t ihn den formellen Austritt bis lange nach deren Tod verschieben lassen. Aber er Wußte zu unterschei- den zwischen Kirche und Politik. Die treibenden Gründe lagen außerhalb von Kirche und Religion. Er bekämpfte die ultramontane Partei nach seinen eigenen Worten in der von ihm entworfenen Beitrittseinladung als „das stärkste, weil organisierte Hindernis alles geistigen und sittlichen Portschrittes, die gefährlichste, weil organisierte Bedrohung staatlicher Unabhängigkeit, die heftigste, weil organisierte Störung alles gesellschaftlichen Friedens". Die Berechtigung dieser Auffassung zu erörtern, ist hier nicht der Ort. Aber sie war seine innerste Überzeugung, und es ist bezeichnend, daß meine über ein Vierteljahrhundert währenden freund- schaftlichen Beziehungen nur da s eine Mal in eine gefährdete Lage kamen, als ich als Vertreter des Nichtordinarienvereins bei der Beerdigung eines dem Zentrum angehörigen Kollegen eine abfällige Bemerkung über den „katholischen" Ge- lehrten in der Presse zurückwies.

War dieser Kampf gegen den Ultramontanismus f ü r Amira ein Kampf für Freiheit des Geistes und der Persön- lichkeit, so auch seine Beteiligung an der Antiduelliga.

Auch hier drängte ihn das Vertrauen der Gleichgesinnten nicht minder wie das sein ganzes Leben beherrschende Streben nach Führung und rastloser Tätigkeit in den Vordergrund. Nicht nur gehörte er dem Vorstand an u n d leitete Juristenkonferenzen der Liga, er arbeitete auch die Petition aus, die 1912 dem Reichstag übergeben wurde.

Weitaus die umfangreichste Tätigkeit aber entfaltete Amira beim deutschen Hochschullehrertag, dessen Pro- gramm der Wahrung der Selbständigkeit der Hochschulen nach außen wie der Reformen nach innen seiner Gesamt- einstellung ganz besonders entsprach. Das Selbstbewußtsein des Gelehrten, das Selbständigkeitsstreben, die Forderung strengster Sachlichkeit im akademischen Leben, alles, was ihn als Akademiker bewegte, konnte hier in die Tat umgesetzt werden. In der Ehrlichkeit und Unbeirrtheit,

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mit der er sich in Vorschlägen, Resolutionen und Referaten f ü r dieses Programm einsetzte, wurde er von keinem seiner Mitarbeiter übertroffen, von wenigen erreicht. Er scheute sich nicht, Mißstände im Universitätsleben, zumal sie ja doch zumeist bekannt Waren, auch in der Öffentlichkeit zuzugeben, weil er auch den Willen und den Mut hatte, f ü r ihre Beseitigung einzutreten. So hat er noch auf dem f ü n f t e n und letzten deutschen Hochschullehrertag zu Straß - bürg über eine Reform des Promotionswesens referiert und Thesen f ü r diese aufgestellt. Daß darauf die „Wespen in Scharen auffliegen würden" konnte ihn nicht berühren, denn er war „von früher her gegen die Stiche solcher Wespen immun". Daß er seinen S t a n d p u n k t in dieser Frage gegenüber sachlichen Gründen nicht voll durch- setzen konnte, hat ihn berührt und war sachlich zu be- dauern.

Wie er hier Reformen vertrat, so zeigte er sich auch in sonstigen Fragen, mit denen sich der Verband und die Münchner Ortsgruppe beschäftigten, keineswegs dem Fort- schritt abgeneigt. Um starr am Alten festzuhalten, war er zu sehr echter Historiker, dem die Veränderung das Selbstverständliche, Wert und Unwert von Institutionen zeitlich und durch die Umstände begrenzt, vor allem aber der eigene Besitzstand nur so lange verteidigungswürdig war, als er einer gesunden Weiterbildung nicht im Wege stand. Daher gehörte er zu den damals nicht allzu häufigen Ordinarien, die sich f ü r die Stellung der Nichtordinarien nicht nur interessierten, sondern sie auch zu erweitern such- ten. Namentlich mußte ihm die nicht mehr zeitgemäße Lage von Assistenten und von Nichtordinarien in auto- kratisch geleiteten Instituten als schwerer Mißstand er- scheinen. Solche Haltung war bedeutsam, f ü r ihn wie f ü r die Sache in einer Zeit, in der noch d a r u m gekämpft werden mußte, daß der Münchner Senat mit der Nichtordinarien- vereinigung überhaupt nur in offizielle Beziehungen t r a t .

Das Gebiet der politischen Publizistik scheint Amira allerdings erst spät betreten zu haben und zunächst auch nur in akademischen Fragen. Als „Civis academicus"

hat er „Akademische Zeitläufe" 1908 in der Beilage der

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Münchner Neusten Nachrichten besprochen u n d 1911 zum Problem „Antimodernisteneid und Hochschule" das Wort ergriffen. Der Parteipolitik gegenüber war seine Haltung bestimmt durch seinen Antiultramontanismus und durch seine freiheitliche Einstellung, die ihn bei der vor dem Kriege in München herrschenden Parteigruppierung den Liberalen zuführen mußten. Außenpolitisch war er von engherzigem Chauvinismus so weit entfernt wie von einem utopischen Pazifismus. Vor beidem bewahrte ihn sein weiter Blick und sein historisches Verständnis. Damit war es aber durch- aus vereinbar, daß er dem Vorstand des Verbandes f ü r internationale Verständigung angehörte. Der Weltkrieg hat dann allerdings seinen Glauben an eine solche Ver- ständigung gründlich zerstört, und die internationale Zen- tralorganisation f ü r einen dauerhaften Frieden hat auf ihre Einladung zu einem internationalen Studienkongreß im J a h r e 1915 eine energisch ablehnende Antwort bekommen.

Scharfe Worte hat er 1916 gegenüber Förster gefunden.

In unbedingter Achtung vor der akademischen Lehrfreiheit, die, wie er damals sagte, „die Lebensluft des akademischen Lehrers ebenso wie die des Gelehrten" ist, hat er da doch ihren Mißbrauch bekämpft, denn „Lehrfreiheit ist nicht Narrenfreiheit ' '.

Die Zeit des Weltkrieges und die folgenden J a h r e brachten auch eine Reihe von Zeitungsaufsätzen. Sie betreffen immer einzelne Fragen, hinter deren Erörterung aber die allgemeine Einstellung sehr deutlich sichtbar wird. Schon 1916 war er f ü r den Abbau der politischen Zensur und gegen Rede- verbote eingetreten, denn sie seien nur darauf berechnet, den geborenen Führern des Volkes dessen Meinung zu ver- bergen und jene vom Volke abzusperren. E r beklagte es, daß die „ P a r t e i t a k t i k " den Reichstag u m jeden Einfluß auf die äußere Politik gebracht habe. Jenes aber sei ver- hängnisvoll in einem Staate mit allgemeiner Wehrpflicht und allgemeinem Wahlrecht. Über die politische Zweck- mäßigkeit dieser Vorschläge wird man verschiedener Mei- nung sein. Was hinter ihnen steht, ist die großzügige Vor- stellung der inneren Einheit des Volkes in der Zeit der Ge- fahr, die Einheit von Volk und Herrscher, die Selbstbestim-

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mung des Volkes. Im folgenden Jahr hat er sich dann zugunsten der Vaterlandspartei vernehmen lassen, deren Siegeswillen dem Manne zusagen mußte, der gewohnt war, sich selbst zu behaupten. Ihr riet er, die Auflösung des schon 1912 gewählten Reichstags zu fordern, vielleicht nicht ganz im Bilde über die Wirkung einer Neuwahl und ihre Durchführbarkeit. Jedenfalls zeigt diese parteiliche Stel- lungnahme deutlich, wo er politisch stand, und der zufällig mißglückte Versuch der Münchner Revolutionäre, sich seiner als Geisel zu bemächtigen, lehrt, wo ihn diese Macht- haber sahen.

Die Änderung der politischen Struktur des Reiches und der Länder hat er kaum mit grundsätzlicher Ablehnung bedacht. Hing es doch seiner Auffassung nach bei „solchen gewaltsamen Reaktionsformen" vom „Erfolg" ab, ob in ihnen „eine Selbstbehauptung des Rechts gefunden werden könne". (Vom Wesen des Rechts, 1906). Seiner Natur kam es mehr darauf an, daß charaktervoll, stark und ziel- bewußt regiert wurde, als auf die staatsrechtliche Form, zumal in diesen Jahren, in denen sich auch bei ihm die Ruhe des Alters bemerkbar machte. Wie er vor dem Kriege den getreuen Herrscher achtete, so lag es ihm jetzt fern, den neuen Machthabern grundsätzlich entgegenzutreten.

Wie er vor dem Kriege sich gutachtlich gegen die Beendigung der Regentschaft und die Absetzung des Königs in Bayern aussprach, so trat er jetzt gegen die Fürstenabfindung und für die Interessen des bayrischen Königshauses auf, gegen politischen Terrorismus und gegen den Staatsgerichts- hof zum Schutze der Republik, in dem er nur „ein aus- gezeichnetes Parteiinstrument" sah. Weit mehr Gefahr als in der politischen Veränderung sah er in der „voll- ständigen Dekadenz des akademischen Lebens, wie über- haupt in einer vollständigen und hoffnungslosen Dekadenz unserer gesamten Kultur". Hier blickte er schwarz, viel- leicht zu schwarz in die Zukunft.

Daß diese vielseitige politische und organisatorische Tätigkeit nicht immer das erreichte, was Amira wollte, ist begreiflich. Nicht alle, mit denen sie ihn in Berührung brachte, waren seiner Mitarbeit wert, und kleine und große

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Interessen haben sich seinen gutgemeinten Bestrebungen entgegengesetzt. Amira hat viel Zeit und Nervenkraft an diese Tätigkeit gewendet, und man könnte wünschen, auch sie wäre noch der Wissenschaft zugute gekommen.

Und doch war sie ihm unvermeidlich. Sie war im Grunde immer nur ein Kampf um Freiheit des Geistes und ein Kampf f ü r das von ihm als sittlich Richtige erkannte.

Der Unterdrückung des Geistes und der Herrschaft des Unsittlichen konnte seine lebensvolle, nach Entwicklung strebende Persönlichkeit nicht untätig zusehen. Persön- liche Vorteile anzustreben oder etwa gar eine Rolle zu spielen, das lag ihm so fern wie nur irgend einem.

Die Lehrtätigkeit Amiras war sehr ausgedehnt. Den germanistischen Fächern fügte er in Freiburg Handels- und Wechselrecht, Rechtsenzyklopädie und Kirchenrecht hinzu, dieses schließlich sogar sechsstündig. I n München t r a t an Stelle des Kirchenrechts Allgemeines Staats - recht und deutsches Reichsstaatsrecht, eine Vorlesung über Rechtsentwicklung in Bayern kam hinzu. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch wurde das deutsche Privat- recht durch die germanistischen Teile des bürgerlichen Rechts und Urheberrecht ersetzt. Das geschichtlich ge- wordene Privatrecht wurde mit der Rechtsgeschichte ver- bunden und jeweils bei den einzelnen Perioden behandelt.

Gering war die Zahl der von ihm gehaltenen Spezialvor- lesungen. In München h a t er einmal über englische Ver- fassungsgeschichte gelesen, auch über Geschichte der ger- manischen Rechtsdenkmäler. Der Freiburger Zeit gehört eine germanistische Exegese im Anschluß an die Vorlesung an und privatrechtliche Übungen. Dagegen h a t er Übungen über das jetzt geltende Recht nie abgehalten. Er h a t zwar keineswegs geleugnet, daß sie, in richtiger Weise abgehalten,

„das Studium in hohem Grade fördern" können, war aber doch der Meinung, daß sie nicht auf das abstellen, was f ü r die Hochschule die Hauptsache ist, „dem angehenden Juristen die Übersicht über sein Wissensgebiet und die Einsicht in dessen Zusammenhänge zu verschaffen". Vom ersten Semester an aber erscheinen germanistische Seminare über salfränkisches Recht, Germania, Sachsenspiegel und

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Richtsteig. Leider lassen sich die sonstigen Themata seiner Seminare nicht mehr feststellen. Den Edictus Rotari und die Urkunden von Keutgen hat er jedenfalls in München zugrunde gelegt. Für nordische Texte glaubte er wohl keine Interessenten zu finden. Ihre Lektüre erfolgte, wenn sich solche meldeten, ganz privatissime in seinem Hause.

Sie ist dem Vernehmen nach — ich habe sie nie kennen- gelernt — von besonderem Reiz gewesen. Erst von 1909 ab hat er ein Seminar über altnordische Texte regelmäßig angekündigt. Vorlesungen über nordisches Recht hat er nie gehalten.

Dem Vortrag lag ein sorgfältiges Manuskript zugrunde, aber Amira sprach völlig frei. Er war kein Meister der eleganten Eloquenz, der kunstvollen Rhetorik. In ruhigem Fluß kamen ihm die Worte aus dem Mund, doch mit starkem Akzent. Tatsachen mitzuteilen, war ihm nur Mittel zum Zweck. Worauf es ihm ankam, das war die Erklärung und die Verknüpfung. Mancher seiner Hörer wird sich noch der kausal verbindenden Formel „von hier aus begreift sich leicht" erinnern, die dies äußerlich zum Ausdruck brachte. Daher waren auch die Anforderungen nicht gering, die er an seine Zuhörer stellte. Diktiert wurde selbst- verständlich nicht. Aber auch die kleinen Hilfen, die in einer öfteren Wiederholung des Gesagten oder in einem ins einzelne gehenden Einteilungsschema liegen können, waren ihm fremd. Der Gebrauch der Tafel kam fast nicht in Frage, da er zu sitzen pflegte, nicht immer zugunsten der Formen, die die Termini der deutschen Rechtsgeschichte in den Heften seiner Hörer annahmen. In den Vorlesungen über geltendes Recht war es ihm vornehmlich um eine Kritik, nicht um einen Bericht zu tun. Über die „dogmatischen Orgien" des Bürgerlichen Gesetzbuches konnte er sich ehr- lich entrüsten. Hinter dem Ganzen aber stand immer die gewaltige Persönlichkeit, das selbständige Durchdenken, die Geschlossenheit der Auffassung. Darin lag der fesselnde Reiz seines Vortrags, der dem nur lernenwollenden Hörer nicht immer zugesagt haben mag, dem denkenwollenden Genuß sein konnte. Aufs Denken, nicht aus Wissen, pflegte er auch das Examen abzustellen. Ein Studium um des

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Examens willen war ihm nur ein Scheinstudium. Ein wahres Studium anerkannte er nur „um der Erkenntnis des Rechts willen". Wie dieses zu betreiben, h a t er in einem Vortrag

„Wie studiert man Rechtswissenschaft?" (1909) von hoher Warte aus gezeigt.

Das Seminar begann mit einer einleitenden Rede über die gestellten Anforderungen und einem sehr deutlichen Hin- weis darauf, daß der Besuch keine Bedeutung für das Examen habe. Der gewünschte Erfolg, die sachlich un- interessierten Mitläufer auszuschalten, t r a t in der nächsten

Stunde in Gestalt einer sehr verminderten Teilnehmerzahl ein. Wer noch erschien, wollte, mußte aber auch ernstlich mitarbeiten. Referate gab es nicht. Der Betrieb war rein exegetisch, ohne Vorbereitung, Wobei eine ausreichende Kenntnis der Sprache selbstverständlich Voraussetzung war.

So lernte man vor allem, Quellen zu lesen, lernte die Kunst einer Interpretation, die nichts in die Quelle hineinliest und doch alles aus ihr herausholt. Man gewann einen Einblick in die strenge nüchterne Methode, durch die die germanistische Wissenschaft des 19. Jahrhunderts groß- geworden ist. Auf umfassende Kenntnisse k a m es dabei nicht an, Wohl auf ein sicheres Fundament rechtsgeschicht- lichen Könnens, wie es die Vorlesung gab, vor allem auf Verständnis und Intuition. So war das Seminar immerhin auf Vorgerückte eingestellt, nicht auf Anfänger. Für An- fänger stellte Amira zu hohe Forderungen, und es lag ihm nicht, Begabungen zu suchen, aus vereinzelten Anzeichen zu vermuten und zu sich heranzuziehen. T r a t ihm eine rechtshistorische Begabung in den Gesichtskreis, so stand er allerdings f ü r Fragen und Diskussionen in reichem Aus- maß zur Verfügung. Man durfte ihn stundenlang damit behelligen, ohne sichtbare Zeichen der Ungeduld hervor- zurufen, und dies waren die Stunden, in denen er am meisten gab.

F ü r sich selbständig, ließ er aber auch seine näheren Schüler ihren eigenen Weg gehen, solange sie nicht seinen R a t erbaten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß er weder meine wissenschaftliche Lektüre noch erst recht meine wissenschaftliche Arbeit je beeinflußt hat. Eine Leitung,

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etwa gar unter dem Gesichtspunkt des Vorwärtskommens, überhaupt der Opportunität, kam für ihn so wenig in Frage wie eine selbsttätige Einmischung in Berufungsvorgänge.

Auch bei der Habilitation hat er mir weder zu- noch ab- geraten. Meine ziemlich formlos unter der Haustüre ge- machte Mitteilung, daß ich mich habilitieren wollte, wurde mit einem zur Kenntnis nehmenden „ S o " beantwortet, und von Pro und Contra wurde nie gesprochen. Kritik und Anerkennung wurden nicht allzu häufig geäußert.

Amiras wissenschaftliche Persönlichkeit spiegelt die Eigen- schaften wider, die ihn als Menschen des täglichen Lebens kennzeichneten. Im Vordergrund steht ihm allezeit das Problem, der Drang nach Erkenntnis, die Sache. Die Pro- bleme, die ihn reizten, verfolgte er um ihrer selbst willen ohne jede Rücksicht auf ihre Zweckmäßigkeit. „Die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit" so hatte er es bei Döllinger gelernt und so übte er seine Wissenschaft. In diesem Geist hat er dem Katalog seiner rechtsarchäologischen Sammlung die Worte Goethes als Motto gesetzt: „Bei jedem redlichen, ernstlichen Handeln, wenn auch anfangs Zweck und Beruf zweifelhaft scheinen sollten, finden sich beide zuletzt klar und erfüllt. Jedes reine Bemühen ist auch ein Lebendiges, Zweck sein selbst, fördernd ohne Ziel, nützend wie man es nicht vorraussehen konnte."

Ein eiserner Fleiß, eine unbeugbare Arbeitskraft und die Gabe starker Konzentration halfen ihm, eine Fülle von Ma- terial bewältigen, nicht nur in den ruhigen Freiburger Jahren, sondern auch in späterer Zeit, als ihn politische und organi- satorische Aufgaben nicht wenig beanspruchten. Da er am Abend nicht zu arbeiten pflegte und der Morgen durch Vorlesungen und einen sehr regelmäßigen Bibliotheksbesuch ausgefüllt waren, stand ihm während des Semesters über- haupt nur der Nachmittag zur Verfügung. Bedenkt man, wie sehr er zumal in den letzten Jahrzehnten mit eigenen schweren Erkrankungen und Sorgen in der Familie beschäftigt war, so wächst die Größe seines Werks und der Umfang des von ihm bewältigten Stoffes ins Erstaunliche.

Begreiflicher werden sie durch eine sehr durchgebildete Ökonomie seiner wissenschaftlichen Arbeit. Amira hatte

Zeitschrift für Rechtsgeschichte. LI. Germ. Abt. I I I

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einen angeborenen Sinn, nutzlose Umwege zu vermeiden, er sah, worauf es ankam, und welcher Weg am sichersten und raschesten zum Ziele führte. Er ließ sich nicht auf weitabführende Seitenwege locken. Diese Fähigkeit be- stimmte auch sein Verhalten zur Literatur. Werke, die nicht in seinem besonderen Interessengebiet lagen, Wurden „an- gelesen" bis zur Gewinnung eines Eindrucks von Absicht, Methode und Verwertungsmöglichkeit, aber nicht durch- gearbeitet. Infolgedessen gab es auch ein Zettelmaterial nur für bestimmte Gebiete.

Zu Fleiß und Energie gesellte sich eine seltene, ordnende und gestaltende Kraft, die es ihm ermöglichte, große Linien zu ziehen und ein in sich geschlossenes Gedankengebäude aufzuführen, auch dann noch von imposanter ästhe- tischer Wirkung, wenn man einzelnen Schlußfolgerungen oder auch dem Ergebnis nicht zu folgen vermochte. Mit dieser Möglichkeit hat er auch immer gerechnet und einen begründeten Widerspruch von einem Fachkollegen, den er als wissenschaftlich tüchtig ansah, hat er nie verübelt.

In all dem verkörperte er nur den echten Gelehrten.

Seine Eigenart lag in der Selbständigkeit seiner Forschung, in der umfassenden Beherrschung des gesamten Materials und in der Größe seiner Aufgaben. Inwieweit seine ersten größeren Arbeiten „Das altnorwegische Vollstreckungs- verfahren" (1871) und „Erbenfolge und Verwandtschafts- gliederung nach den altniederdeutschen Rechten" (1874) etwa auf Anregungen seiner Lehrer zurückgingen, ist un- bekannt. Beider Vorwort veranlaßt aber eher, die Frage zu verneinen, denn sie zu bejahen, unbeschadet dessen, daß namentlich die erste Arbeit die Förderung von K. Maurer genossen haben dürfte (vgl. dessen Besprechung, Krit. Vj.

Sehr. XVI). Dagegen könnte seine Quaestio inauguralis über

„die Formen der Verfestung in den oberbayrischen Rechts- quellen des 14. Jahrhunderts" (vgl. Oberbayrisches Archiv X X I I , 1873) auf Planck zurückweisen. Kein Zweifel aber kann bestehen gegenüber der bekannten Antrittsrede , ,Über Zweck und Mittel der germanischen Rechtsgeschichte"

(1876), in der er sich und seiner Wissenschaft das Programm aufstellt, das seine Arbeit bis zuletzt bestimmt hat. ,Es

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war darin nichts gesagt, Was ich heute nicht ebenso sagen möchte, nur hätte ich es nicht als Siebenundzwanzigjähriger sagen sollen". So urteilte er selbst über diese Schrift in der Zeit nach dem Kriege. Sie war eine Kampfansage an die historische Schule, insofern diese das geschichtliche Recht um des geltenden willen betrieb. Denn Amira ist die Geschichte um ihrer selbst willen da, „ein Zugehör zum Wissen vom Menschen als dem sittlichen und darum eben geschichtlichen Wesen", ein Gedanke, dem auch Heinrich Brunner Ausdruck verliehen hat (Deutsche Rechtsgeschichte I2 S. 25). Damit aber war sie auch eine Kampfansage gegen- über fast dem gesamten Kreis der Fachkollegen, und dies mag dem mutigen Streben mehr geschadet als genützt haben.

Von da ab gliedert sich Amiras wissenschaftliche Leistung in drei Epochen. Die erste ist dem nordischen Recht ge- widmet, die zweite bewegt sich um den Sachsenspiegel, die dritte ist beherrscht durch das Problem der Todesstrafe.

Bedenkt man, daß dieses auch in der Antrittsrede ent- wickelt wird, so zeigt schon dies, wie diese Epochen in- einandergreifen, und noch deutlicher wird es an einzelnen kleineren Arbeiten.

Das Nordgermanische Obligationenrecht, dessen erster Band (Altschwedisches Obligationenrecht) 1882 erschien, während der zweite (Westnordisches Obligationenrecht)

1892/95 folgte, ist ein Torso geblieben. Es fehlt die be- absichtigte Ergänzung durch die Darstellung des dänischen Rechts und die Zusammenfassung der Ergebnisse. Der Grund lag nicht in Amira selbst, sondern in der damals ungenügenden Ausgabe der dänischen Quellen, mit der sich das beabsichtigte Seitenstück schlechterdings nicht bewältigen ließ. Man wird dies mehr zu bedauern haben als das Fehlen der Zusammenfassung. Denn der dritte Band wird auch in Zukunft ungeschrieben bleiben, während er doch für die Zusammenfassung kaum grundsätzlich anderes zu den schon gewonnenen Ergebnissen beigesteuert hätte. Aber auch die vollendeten Bände sind eine ge- waltige Leistung, deren erstem kein Geringerer als Alois Brinz eine eingehende, vom Verfasser immer mit beson-

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derem Stolz erwähnte Besprechung gewidmet hat. Die Größe dieser Leistung läßt sich allerdings nur am Maßstabe ihrer Zeit richtig ermessen. Auf altschwedischem Gebiet gab es keinerlei Darstellung des Obligationenrechts, auf westnordischem nur Erörterungen über einige Schuld- verhältnisse. Brandts Forelsesninger und auch Maurers Vorlesungen, die Amira gehört haben mag, brachten nur Einzelheiten. Der einschlägige Band aber in dem bedeutend- sten deutschrechtlichen Werk, in Stobbes Privatrecht, be- ruhte so sehr auf neuzeitlichem, romanistisch beeinflußtem Material, daß er nicht zum Vorbild taugte. So handelte es sich darum, einen Neubau zu schaffen, zumal für den all- gemeinen Teil, der in beiden Bänden den größeren Um- fang hat und auch sachlich die größere Bedeutung. In der Art, wie das geschah, offenbarte sich nun mit größter Klar- heit die meisterhafte Kraft der Materialbewältigung, über die Amira verfügte, in der Erklärung und Verwertung der einzelnen Quellenstelle ein eminentes Sprachgefühl und die dem Historiker so unentbehrliche Kunst der Einfühlung.

Und doch hätte dieses Werk nicht gelingen können, wäre nicht noch ein Anderes ihm eigen gewesen, die dogmatische Schulung und Begabung. Nur wer unter einem Dogmatiker nur den des jeweils geltenden Rechts versteht, wird ange- sichts dieses Werkes zu bestreiten vermögen, daß ihm diese eigneten. War es ihm doch auch selbstverständlich, daß auch der Historiker zunächst „dogmatisch verfahren"

müsse, und War er zudem der Meinung, daß gerade aus der Beschäftigung mit der modernen Dogmatik „die besten Anregungen für historische Forschungen"' zu beziehen seien.

Daß die Berücksichtigung der Entwicklung dabei zu ihrem Recht kam, bedarf keiner Betonung, eher eines besonderen Hinweises, wie sehr es auch hier Amira im einzelnen wie in einem Gesamtüberblick darum zu tun war, den kulturellen Hintergrund aufzuhellen.

Die Lehre von Schuld und Haftung, der Teil, der von vornherein am unabhängigsten war vom nordischen Material, hat sich folgerichtig auch außerhalb dieses engeren For- schungsgebietes durchzusetzen vermocht. Sie gehört zum gesicherten Bestand unserer deutschrechtlichen Anschau-

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ungen, unbeschadet der im Grunde gar nicht so erheblichen Differenzen über einzelne Fragen, ist aber darüber hinaus, wie sattsam bekannt, auch für die Erkenntnis des antiken und orientalischen Rechts bedeutsam geworden. Wenn sie sich nicht in gleichem Maße die Dogmatik des geltenden Rechts zu erobern vermochte, so wird man andererseits nicht übersehen dürfen, daß sie doch auch da Boden ge- wonnen hat, und gegenüber etwa den feinsinnigen Aus- führungen von Siber kann ich mich persönlich des Ein- drucks nicht erwehren, daß die vorhandenen Meinungs- verschiedenheiten mehr solche der Betrachtungsweise sind.

Aber wie dem auch sei, der Impuls, der von dieser Lehre aus- ging, war so stark, daß ihr schon u m deswillen ein Ehren- platz in der Geschichte der Rechtswissenschaft gebührt.

Nach dem Obligationenrecht hat sich Amira mit dem nordischen Recht als solchem nicht mehr befaßt. Aber zwischen dem ersten und zweiten Band liegt eine Arbeit aus diesem Gebiet, die eine besondere Hervorhebung er- heischt, der Aufsatz „Zur Textgeschichte der FrostuJjings- b ó k " (Germania X X X I I , 1887). Ihrer Entstehung nach nur eine Vorarbeit für das Obligationenrecht und im Schluß- band von Norges gamie love bedauerlicherweise nicht er- wähnt, ist sie nur Skandinavisten näher bekannt. Es handelt sich dabei um einen Versuch, ein die ältere Wergeid- ordnung enthaltendes Blatt der als Ganzes nicht erhaltenen älteren Frostujaingsbok zu ergänzen, von dem ein gutes Drittel der Länge nach abgeschnitten war. Die erfolgte Textrestitution kann in Einzelheiten fehlgegriffen haben, und Amira selbst hat sie nur ,,für im allgemeinen h a l t b a r "

erachtet. An dem, um deswillen die Arbeit hier erwähnt wird, vermag dies nichts zu ändern, nichts nämlich an dem Scharfsinn und der Sprachbeherrschung, mit der Zeile für Zeile ergänzt ist. Von Wesentlich anderem Schlag war die einzige größere Textedition, der sich Amira unter- zogen hat, die Herausgabe des Endinger Judenspiels (1883), die in einer A r t von Atempause zwischen der Vollendung des ersten Bandes des Obligationenrechts und den Vor- arbeiten f ü r den zweiten entstanden ist. Sie betraf einen literarischen Text, dessen Überlieferung aber dem Editor

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keine erheblichen Schwierigkeiten bieten konnte. Was ihn daran reizte, war der juristische, rechtsgeschichtliche Gehalt der Fabel. Neben der Frage der Gerichtsbesetzung ist es vor allem die der Todesstrafe, die ihn, bezeichnenderweise, zu Bemerkungen im Vorwort veranlaßt.

Schon während der zweite Band des Obligationenrechts zu Ende geht, schieben sich Arbeiten ein, die, unter sich verschieden, deutlich in die Zukunft weisen. Das eine ist ein Aufsatz von wenigen Seiten über „die Investitur des Kanzlers" (MIOeG. 1890), in dem Amira neben einem nordischen Beleg erstmals ein rechtsarchäologisches Denk- mal, den Heribertschrein zu Deutz, verwendet, da mit beiden „die guten Dienste von Quellenkreisen in Anspruch genommen werden, denen die Gunst der rechtsgeschicht- lichen Forschung seltener zutheil zu werden pflegt". Das andere ist der Aufsatz über „Thierstrafen und Thierprocesse"

(ebd. 1896), worüber er im März 1891 in der Wiener Juristi- schen Gesellschaft gesprochen hatte. Es ist Amiras erste rechtsvergleichende Arbeit, auch semitisches Recht ein- beziehend, sowie die arischen Rechte des Ostens, die erste, in der in breit ausholender Weise sakrale und magische Motive des Rechts aufgespürt und die Quellen der Volks- kunde nicht nur gelegentlich verwandt werden. So kündet sich in ihr die Methode der Todesstrafe an, wie in jener das Sachsenspiegelwerk.

Am 14. Juli 1900 stellte Lamprecht namens der Sächsi- schen historischen Kommission an Amira die Frage, ob er bereit sei, einen rechtssymbolischen Kommentar zu der Dresdner Bilderhandschrift des Sachsenspiegels zu ver- fassen. Amira war von Zallinger genannt worden, der die

Aufgabe übernommen, aber wieder abgegeben hatte. Die kunstgeschichtliche Wertung des Denkmals sollte damals noch Oechelhäuser durchführen. Eine eingehende Denk- schrift, die Amira am 15. November 1900 nach Leipzig ab- sandte, legte den Plan des Werkes fest und bildete die Grund- lage des im August 1901 mit der Kommission geschlossenen Vertrages. Als Oechelhäuser späterhin zurücktrat, über- nahm Amira, wenngleich nicht ohne Bedenken, auch dessen Arbeitsanteil. Schon 1902 erschien der erste Band, die

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Faksimileausgabe des Codex mit einer Einleitung des Herausgebers, dem der Kommentar in zwei Halbbänden 1925 und 1926 folgte.

Ungewöhnlich erscheint die Kürze der Zeit, innerhalb deren die Edition zustande kam, zumal wenn man bedenkt, daß Amira auch die technische Herstellung überwachte, daß in diese Zeit die Abfassung der Einleitung fällt und die mit größter Akribie an Text und Bildstoff der vier Bilder- handschriften durchgeführte Studie über „die Genealogie der Bilderhandschriften des Sachsenspiegels" (1902). Sie erklärt sich aus der inneren begeisterten Anteilnahme, mit der Amira an diese Arbeit ging, die geradezu für ihn erdacht erscheint, in der sich die Universalität seiner Bildung und sein künstlerisches Verstehen auswirken konnten wie kaum in einer anderen.

Die Einleitung bringt neben genauesten Handschriften- beschreibungen eine auch die kleinsten Anzeichen verwer- tende Erörterung über Entstehung, Alter und Heimat der Bilder, über ihren Zweck, den er, Goethe folgend, in der Befriedigung des Anschauungstriebes findet. Aber dies, wie die meisterhafte Einordnung in die Geschichte der Buchillustration, die später durch die Untersuchung der Willehalmillustration und deren Edition eine wertvolle Ergänzung gefunden hat, wird an Bedeutung übertroffen durch die feinsinnige Analyse des künstlerischen Schaffens des Zeichners, die, ohne diese Absicht zu verfolgen, zu einem Leitfaden der Rechtsarchäologie geworden ist, soweit diese mit bildlicher Darstellung zu arbeiten hat.

Die nun folgende Ausarbeitung des Kommentars führt zunächst zu zwei Vorarbeiten, zu den Abhandlungen „Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsen- spiegels" (1905) und „Der Stab in der germanischen Rechts- symbolik" (1909). Beide haben verdienstvolle ergänzende Besprechungen von Puntschart (MIOeG X X V I I I und X X X V ) , die zweite eine nicht minder wichtige von Gold- mann (D. Lit. Ztg. X X X I ) erfahren. Hat dabei Puntschart schon der Herleitung aller Stäbe im Rechtsleben aus dem Wanderstab nicht unbedingt zugestimmt, so hat sich an die der Wadiation gewidmeten Ausführungen die eingehende

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Polemik von Gierke geknüpft, die Amira zu einer seinen Standpunkt meines Erachtens sichernden Gegenschrift

„Die Wadiation" (1911) veranlaßte.

Der Kommentar selbst h a t durch Stutz (ZRG 2 XLVII) eine Besprechung erfahren, der kaum etwas hinzuzufügen ist. Die Erläuterungen zu den einzelnen Bildern schaffen, wie Stutz bemerkt, durch die Heranziehung der übrigen Bilderhandschriften erst die Möglichkeit, die ursprüngliche Fassung zu erkennen, auf die ja f ü r die Verwertung der Bilder alles ankommt. Ihre Bedeutung f ü r die weitere rechtsarchäologische Forschung läßt sich heute noch gar nicht ermessen, nur ahnen. Vom Allgemeinen Teil wird die Kunstgeschichte und Literaturgeschichte nicht weniger, eher mehr Gewinn ziehen als die Rechtsgeschichte. U m so bedeutsamer ist f ü r diese das Kapitel über die Ausdrucks- bewegungen, eine Fortsetzung und Erweiterung der Hand- gebärdenstudien, und das über die symbolischen Sachen, eine Ergänzung eines „der herrlichsten Kapitel" in Grimms Rechtsaltertümern, beide eine mächtige Beisteuer für eine künftige Rechtsarchäologie. Nicht ohne Bewegung wird man aber die „Empfindungen des Herausgebers" lesen, mit denen dieser am Schluß des zweiten Bandes den un- übertrefflich knappen und doch gehaltvollen Rückblick ein- leitet und von der Arbeit eines Vierteljahr hunder ts Abschied nimmt. Denn nirgends sonst in Amiras Schaffen läßt er bewußt so tief in sein Innerstes blicken, in diese Einheit von Mensch und Werk.

Mitten zwischen die Arbeiten am Sachsenspiegel fällt Amiras zweites Monumentalwerk „Die germanischen Todes- strafen" (1922). Es ist mit jenem nur in so fern in einem Zusammenhang, als in ihm die Rechtsarchäologie ihre ver- diente und gebotene reiche Verwertung fand. I m übrigen steht es an anderer Stelle. In ihm löste sich vielmehr f ü r Amira das Problem, das ihn seit frühester Zeit verfolgt und gepackt hat. Verband ihn hohe Begeisterung mit dem Illustrator des Sachsenspiegels, so bannte ihn der ernste Zauber dieses Problems, dessen Tiefe und Verzweigung seinem Forschungstrieb größte Auswirkung erlaubte, seiner Kombinationskraft ungewöhnliche Aufgaben stellte. So

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gibt es aber auch in der gesamten germanistischen Literatur kein Werk, das mehr als dieses den Anspruch erheben könnte, im vollen Sinne des Wortes ein germanistisches zu sein, keines, dem man auch nur in gleichem Maße

Souveränität in der Beherrschung des quellenmäßigen und literarischen Materials, der rechtsgeschichtlichen und rechts - vergleichenden Methode nachsagen könnte. Ein seltenes Ebenmaß regelt das Nebeneinander von Quellen aller ger- manischen Stämme, ein sicheres Gefühl bestimmt Un- germanischem und Unjuristischem den Raum, eine vollendete Ruhe und Klarheit liegt über Aufbau und Ausführung.

Man steht vor einem reifen Werk des Alters, im Frühling des Lebens geschaut, durch Jahrzehnte ernster Arbeit ge- worden.

Es liegt in Amiras Natur begründet, daß seine literarische Tätigkeit außerhalb der Probleme des Sachsenspiegels und der Todesstrafe nicht sehr umfangreich ist. Die Bemerkun- gen „Zur salfränkischen Eideshilfe" (Germania X X , 1875) sind eine Nebenfrucht der Erbfolgestudien, die Abhandlung über ,,die Neubauersche Chronik" (1918) gehört in den Bereich der Todesstrafe, „Das Femgerichtsbild des Soester Stadtarchivs" (1927) in den Bereich der Rechtsarchäologie.

F ü r sich allein steht der bekannte „Grundriß des germani- schen Rechts" (3. Aufl. 1913, zuerst erschienen 1890 als der Abschnitt „ R e c h t " im Grundriß der german. Philologie), nach Brunner „eine durch Stoffreichtum, durch eingehende Berücksichtigung und vollständige Beherrschung der Rechts- terminologie und durch selbständige Gedankenarbeit hervor- ragende Zusammenstellung der Denkmäler und der Alter- tümer des germanischen Rechtes in knappester Form".

Nicht ohne Bedeutung f ü r das Gesamtbild sind bei Amira die Besprechungen. Amira h a t nicht viel und nicht wahllos rezensiert. Wenn er es t a t , so beruhte das meist auf einem Zusammenhang des Objekts mit seinen speziellen Arbeitsgebieten. Infolgedessen t r a t er in der Regel als besonderer Sachkenner auf und konnte zur Bereicherung des Lesers beitragen. Ein Teil der Besprechungen beschäf- tigt sich mit rechtsarchäologisch bedeutsamen Arbeiten, so die über Jecht, Hamburger Stadtrecht, Fehr (ZRG. 2

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