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Notwendige Anpassungen

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Academic year: 2022

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von Bernd Eisenblätter

W

ill die deutsche Entwick- lungspolitik den Heraus- forderungen nach dem 11.

September 2001 angemessen begeg- nen, muss sie sich vor allem mit den Auswirkungen der Globalisierung auseinander setzen. Sie war im Laufe der Jahrzehnte immer wieder Anpas- sungsnotwendigkeiten ausgesetzt – aufgrund praktischer Erfahrungen sowie Veränderungen des Umfelds.

Anpassungen des Politikfelds haben sich verständlicherweise immer auch auf seine Umsetzungsstrategien aus- gewirkt: sei es bei der anfänglichen Modernisierungstheorie mit dem Technologietransfer, bei der nachfol- genden Grundbedürfnisstrategie mit der Ausformulierung von Sektorpoli- tiken, bei der Erkenntnis der Armut als entscheidendem Entwicklungs- hemmnis mit der Zielgruppenorien- tierung oder bei der Auseinanderset- zung über die Bedeutung der Rah- menbedingungen mit der Hervorhe- bung von „good governance“.

Die Globalisierungsdebatte hat die bisherigen Erfahrungen einbezogen und die Interdependenz in der Einen Welt verdeutlicht. Folglich setzt man zusätzlich auf das Verhandeln inter- nationaler Regime für eine globale Strukturpolitik, Stärkung der Zivilge-

sellschaft und die Entwicklungspart- nerschaft mit der Wirtschaft. Spätes- tens nach dem 11. September gibt es außerdem einen erweiterten Sicher- heitsbegriff, d.h. militärische Sicher- heitsstrategien und entwicklungs- politische Krisenprävention und -bewältigung werden zunehmend als sich ergänzende Ansätze gesehen.

Seit dem Beginn des Rio-Prozesses 1992 existiert zudem das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung für die Entwicklungspolitik, das in der prak- tischen Entwicklungszusammenar- beit eine verstärkte Befassung mit Umweltthemen zur Folge hatte. Au- ßerdem ist „capacity development“

als unerlässlicher Bestandteil nach- haltiger Entwicklung anerkannt.

In den vergangenen vier Jahrzehn- ten hat sich in der deutschen Ent- wicklungszusammenarbeit ein unge- wöhnlicher Reichtum an praktischen Erfahrungen angesammelt. Dabei war die Struktur dieser Entwicklungs- zusammenarbeit besonders hilfreich:

ein eigenständiges Ministerium, das eine profilierte Entwicklungspolitik ausformulieren konnte, sowie eine breit gefächerte, pluralistische Durch- führungsebene mit spezialisierten Vorfeldorganisationen, die in ihren jeweiligen Kompetenzbereichen eige- ne Erfahrungen in der praktischen Arbeit sammeln konnten.

Das Neben- wie das Miteinander von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), politischen Stiftungen,

Notwendige Anpassungen

Entwicklungspolitik im Zeichen des Multilateralismus

Dr. Bernd Eisenblätter, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Technische

Zusammenarbeit (GTZ), Eschborn.

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kirchlichen Hilfswerken, halbstaatli- chen (z.B. Deutscher Entwicklungs- dienst/DED, Carl Duisberg Gesell- schaft/CDG, Deutsche Stiftung für in- ternationale Entwicklung/DSE) und staatlichen Durchführungsorganisa- tionen (z.B. Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft/DEG, Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit/GTZ, Kreditanstalt für Wiederaufbau/KfW) führt dazu, dass eine Vielzahl von praktischen Er- fahrungen vorliegt – auf den unter- schiedlichen Ebenen (Makro-, Meso-, Mikroebene) – mit unterschiedlichen Akteuren (Politik, Staat, Wirtschaft, Zivilgesellschaft) und unterschiedli- chen Instrumenten (z.B. Beratung, Fi- nanzierung, Fortbildung, Veranstal- tung, Managementunterstützung, Ersatzvornahme).

Die deutsche Praxis

Die deutsche Entwicklungszusam- menarbeit zeichnet sich gegenüber an- deren nationalen und internationalen Entwicklungsansätzen durch ihren starken Praxisbezug aus, der – richtig genutzt – auch zu einer überzeugenden und realistischen Konzeptionsarbeit auf der politischen Ebene führt. Die (möglichst partizipative) Konzeption von (möglichst umfassenden) Ent- wicklungsstrategien für einzelne Län- der und Sektoren steht hier im Vor- dergrund und verlässt sich in der Umsetzung auf die „ownership“ der Partnerländer, also den Entwick- lungswillen, die Eigenverantwortung und die Fähigkeit der Partnerregie- rungen, diese Eigenverantwortung auch inhaltlich wahrzunehmen.

Dabei muss berücksichtigt werden, dass die praktische Umsetzung über Erfolg oder Misserfolg eines Konzepts mit entscheidet. Deshalb hat die Welt- bank folgerichtig „Implementierung“

zu einem vorrangigen Thema der Zu- kunft gemacht. Und ebenso eindeutig ist die Erfahrung der deutschen Vor- feldorganisation, dass unsere Partner in den Entwicklungs- und Transfor- mationsländern in aller Regel für die Durchführung partizipativ geplanter Vorhaben externe Unterstützung be- nötigen; das gilt sowohl für den in- haltlichen wie den finanziellen Teil der Umsetzung.

Der Erfolg versprechende Umset- zungsbereich der Entwicklungszu- sammenarbeit hat häufig andere Fra- gestellungen als die politische Kon- zeptionsentwicklung und erfordert deshalb eine eigene Professionalität.

Er muss sich mit der jeweiligen aktu- ellen Realität in den Partnerländern auseinander setzen, die vom üblichen Interessenpluralismus über konkrete Zielkonflikte bis hin zu korrumpier- ten Strukturen reicht.Außerdem stellt sich immer wieder die Frage nach den kulturellen Besonderheiten, die zu be- achten sind: Der Beratungsansatz für die wirtschaftliche Transformation Chinas ist eben ein anderer als der für partizipative Gemeindeentwicklung im Nordosten Brasiliens oder die Ein- führung eines effizienten Berufsbil- dungssystems in Ägypten. Die per- sonenbezogene Politikunterstützung der politischen Stiftungen folgt ande- ren Grundmustern als die auf bilate- raler staatlicher Vereinbarung beru- henden Programmbeiträge von GTZ und KfW. Schließlich spielen persönli-

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che Interessen beteiligter Akteure eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der erfolgreichen Umsetzung von Ent- wicklungsvorhaben,umso mehr,je ge- ringer die Transparenz der politischen Entscheidungsfindung und die

„checks and balances“ im politischen System des jeweiligen Landes aus- geprägt sind.

Neue Beziehungsmuster

I

n der Entwicklungszusammen- arbeit ist durch die Globalisierungs- debatte ein Suchprozess angestoßen worden, der durch die Ereignisse des 11. Septembers noch einmal deutli- cher und damit verschärft wurde und der, je nachdem in welche Richtung man geht, zu einem Paradigmen- wechsel führen kann. In der Entwick- lungspolitik vor der Globalisie- rungsdebatte war der Gedanke vor- herrschend, die internationale Solida- rität gebiete es, dass die reichen Länder den armen Ländern helfen.

Zusätzlich wurde argumentiert, dass eine solche Hilfe mittelbar auch im Interesse der reichen Länder liege, vor allem bei globalen Risiken wie Um- weltverschmutzung, Migration, Dro- genhandel oder AIDS, aber wegen der marginalen Bedeutung der Entwick- lungsländer weniger in Fragen der Weltwirtschaft. Zudem wurde die Entwicklungszusammenarbeit für die Stärkung der eigenen Position im Ost- West-Konflikt nutzbar gemacht. Das Ende dieses Konflikts hat diesen ent- wicklungsfremden Begründungszu- sammenhang aufgehoben, so dass die entwicklungspolitischen Fragestel-

lungen eigentlich erst jetzt uneinge- schränkt zum Tragen kommen kön- nen (die Unterstützung einer Dik- tatur, nur weil sie gegen den Kom- munismus ist, reicht nicht mehr aus).

Die heutige Betrachtungsweise hat sich dramatisch verändert. Die alten Beziehungsmuster zwischen Ent- wicklungs-, Transformations- und Industrieländern sind aufgehoben. Es ist schon länger bekannt, dass be- stimmte Politiken in den Indus- trieländern erhebliche Auswirkungen auf Entwicklungschancen in den Ent- wicklungsländern haben, z.B. die Kürzung der öffentlichen Entwick- lungshilfe oder hohe Zollschranken für Agrarprodukte aus Entwicklungs- ländern.

Neu ist die Erkenntnis, dass Ereig- nisse in Entwicklungsländern kurz- fristig und unmittelbar erhebliche Auswirkungen auf die Industrieländer haben können.Anschauliches Beispiel ist die Finanzkrise Asiens. Noch scho- ckierender für die Industrieländer ist die Erfahrung, dass ein in einem rück- ständigen Entwicklungsland geplan- ter terroristischer Akt wie der des 11.

Septembers eine weit gehende Neuori- entierung westlicher Außen- und Si- cherheitspolitik herbeiführt. Mit er- schreckender Deutlichkeit ist der Welt vor Augen geführt worden, wie ver- letzlich sie überall und jederzeit ge- worden ist. Globale und nationale, äu- ßere und innere Sicherheit sind unteil- bar. Tiefe Unordnung und Aufruhr haben die Welt erfasst. Vielleicht wird die Geschichtsschreibung den 11. Sep- tember einmal als Ausgangspunkt für die Errichtung einer neuen Weltord- nung beschreiben.

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Für die Entwicklungspolitik be- deutet die zunehmende Interdepen- denz in einer globalisierten Welt, dass ihre Wirksamkeit erheblich stärker als vorher angenommen von anderen Politikfeldern abhängt. Aber es ist auch eine andere Entwicklung zu be- obachten: Nahezu alle Politikfelder nehmen Anteil an der internationalen Zusammenarbeit. Dabei befassen sich die internationalisierenden Ressorts in wachsendem Maße mit Themen, die schon seit langem von der Ent- wicklungspolitik bearbeitet werden.

Wenn es z.B. der Wirtschaftspolitik um ein investitionsfreundliches Um- feld in Entwicklungsländern und die Beachtung ökologischer und sozialer Standards für den Import aus diesen Ländern geht, so lässt sich sagen, dass diese Fragestellungen schon seit vie- len Jahren in der Entwicklungspolitik mit vielfältigen Programmen und Projekten angegangen werden.

Wenn die Sicherheitspolitik sich um „Ruheräume“ für den Terroris- mus sorgt und überlegt, wie man den Nährboden für Terrorismus aus- trocknen kann, so stößt sie rasch an Probleme wie krasse soziale Dispari- täten, kulturelle Entwurzelung, Per- spektivlosigkeit für ganze Generatio- nen von jungen Menschen, Ver- letzung von Menschenrechten, Kor- ruption und ein Ohnmachtgefühl gegenüber ausländischen Einflüssen.

Dies ist ein insgesamt hochexplosives Gemisch, das aufnahmebereit für selbst ernannte Heilsbringer ist, die durch fundamentalistische Verände- rungen die Wiederherstellung einer geordneten und harmonischen Welt versprechen. Die vielfältigen Ansätze

der Armutsbekämpfung in der Ent- wicklungspolitik sind darauf gerich- tet, diese Situation zu entschärfen.

Und wenn die Innenpolitiker sich Gedanken machen, wie man bei der notwendigen Zuwanderung die rich- tigen Fachkräfte erreicht, so sorgt die Entwicklungspolitik mit ihren Aus- bildungsprogrammen in den Ent- wicklungsländern sowohl dafür, dass das Potenzial gut ausgebildeter Fach- kräfte steigt, aber auch dafür, dass der schon immer bestehende „brain drain“ für die Entwicklungsländer verträglich gemacht werden kann.

Zwei Optionen

V

or dem Hintergrund einer wach- senden gegenseitigen Bezogen- heit von Politikfeldern und einer rasch zunehmenden internationalen Zusammenarbeit hat sich die Ent- wicklungspolitik mit zwei Heran- gehensweisen auseinander zu setzen:

Sie kann versuchen, nachhaltige Entwicklung mit der weltweiten Ar- mutsbekämpfung als zentrale Auf- gabe zu erreichen, indem sie kontra- produktiven Auswirkungen anderer Politikfelder mit der Durchsetzung des Kohärenzgebots entgegenwirkt, wobei sie im Einzelfall entscheiden muss, wie kohärente Politik auszuse- hen hat. Diese Option birgt vor allem zwei Gefahren: die Entwicklungspoli- tik weist sich mit der weltweiten Ar- mutsbekämpfung eine Aufgabe zu, die sie allein nicht bewältigen kann.

Und zweitens muss bezweifelt wer- den, dass es der Entwicklungspolitik gelingt, ihre Kohärenzvorstellungen

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gegenüber den anderen Politikberei- chen durchzusetzen.

In einer zweiten Option akzeptiert die Entwicklungspolitik das wachsen- de internationale Zusammenwirken der übrigen Politikbereiche nach den ihnen jeweils zugrunde liegenden In- teressen und Überlegungen. Die Ent- wicklungspolitik definiert sich als Kompetenzzentrum für nachhaltige Entwicklung, was sie aus jahrzehnte- langer praktischer Erfahrung zweifel- los sein kann. Sie bietet ihre Kompe- tenz den übrigen Politikbereichen an, damit deren Ziele nachhaltig erreicht werden können. Da nachhaltige Ent- wicklung im Kern sowohl Armuts- minderung als auch Berücksichtigung der Eigeninteressen der Entwick- lungsländer, also Partnerschaft- lichkeit, beinhaltet, bedeutet dies für alle Politikbereiche, dass sie diese Grundaspekte, vermittelt durch die Entwicklungspolitik, angemessen be- rücksichtigen müssen, um in der in- ternationalen Zusammenarbeit er- folgreich zu sein.

Die Entwicklungspolitik bewahrt sich ihre Kompetenz auch dadurch, dass sie weiterhin die Zuständigkeit für die Erstellung und Fortentwick- lung der politischen Konzepte und die politische Steuerung der praktischen Entwicklungszusammenarbeit in den Entwicklungs- und Transformations- ländern hat. Diese Option setzt vo- raus, dass sich die Entwicklungspoli- tik als einer von mehreren Bestandtei- len einer letztlich auf nationale Inte- ressen ausgerichteten internationalen Zusammenarbeit versteht. Damit wäre sie ein eigenständiger Teil der ge- meinsamen deutschen Außenpolitik,

allerdings mit gleichberechtigter Be- rücksichtigung und damit der Ein- bringung von Eigeninteressen der Entwicklungs- und Transformations- länder (deshalb konsequenterweise auch von der Entwicklungspolitik als

„Partnerländer“ bezeichnet) in den politischen Prozess. Entwicklungs- politik grenzt sich damit nicht als eigenständiges Politikfeld ab, das möglichst viele Themenzuständigkei- ten beansprucht, sondern öffnet sich gegenüber den anderen Politikfeldern und bietet Komplementarität an.

Diese zweite Option birgt ebenfalls eine Gefahr, nämlich die der Über- dehnung des Entwicklungsbegriffs und somit die Gefahr der „Allzustän- digkeitsfalle“. Sie eröffnet aber die Chance, die Relevanz der eigenen In- halte über die anderen Politikbereiche zu transportieren und zu verstärken.

Auf der praktischen Durchfüh- rungsebene finden sich inhaltlich beide obigen Alternativen wieder. Die NGOs, insbesondere die Kirchen, beziehen ihre Legitimation aus der Pflicht zur Fürsorge für die Armen auf Grund der internationalen Solidarität oder/und des christlichen Menschen- bilds. Die besondere Stärke ist dabei die Basisnähe und die unmittelbare Einwirkung auf und die Zusammen- arbeit mit der Zielgruppe der armen und unterprivilegierten Bevölke- rungsteile. Dieser Ansatz hat ins- gesamt allerdings keine ausreichend relevanten Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen. Um dennoch bei der Gestaltung der Globalisierung und der Friedenssicherung über Ein- zelfälle hinaus wirksam beteiligt zu sein, bedienen sich die NGOs einer

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Verteidiger- und Wächterrolle. Sie stellen für die Situation und die Be- lange ihrer Zielgruppen Öffentlich- keit her und versuchen, Einfluss auf die Entscheidungen zu gewinnen, die Rahmenbedingungen gestalten.

Praktische Umsetzung

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ie staatlichen Durchführungs- organisationen sehen sich äu- ßerst komplexen Fragestellungen ge- genüber: Zum einen müssen sie sich mit der Gleichzeitigkeit von Un- gleichzeitigkeiten auseinander setzen, sei es zwischen den Partnerländern, sei es innerhalb der Gesellschaft von Partnerländern.

Zum andern sind in Ländern wie Bosnien-Herzegowina oder Afgha- nistan, in denen es um einen Neuauf- bau von Staat und Gesellschaft geht, andere Ansätze der praktischen Zu- sammenarbeit erforderlich als in den osteuropäischen Beitrittsländern der Europäischen Union. Während im ersten Fall protektoratsähnliche Strukturen mit einem großen Anteil von Ersatzvornahmen und die Her- stellung einer einigermaßen leis- tungsfähigen physischen Infrastruk- tur im Vordergrund stehen und

„ownership“ ein noch in weiter Ferne liegendes Ziel ist, geht es im zweiten Fall beispielsweise um Vermittlung von Strukturen und Wirkungsweisen administrativer und politischer Insti- tutionen und Prozesse gegenüber einem leistungsfähigen, selbstbewuss- ten Partner.

Die praktische Erfahrung, dass nur das Zusammenwirken der verschiede-

nen Ebenen in einer Gesellschaft Vo- raussetzungen für erfolgreiche Ent- wicklung schafft, verlangt von den staatlichen Institutionen Durchfüh- rungskompetenz sowohl auf der ge- samtstaatlichen, die Rahmenbedin- gungen setzenden Makroebene, wie auf der vermittelnden institutionellen Mesoebene, ebenso auf der Mikro- ebene der einzelnen Aktivitäten an der Basis.

Außerdem muss die staatliche Ent- wicklungszusammenarbeit berück- sichtigen, dass die Zusammenarbeit von Staat zu Staat nicht ausreichend ist, sondern dass in den Programmen und Projekten die übrigen relevanten Akteure von Entwicklung, nämlich privatwirtschaftliche und zivilgesell- schaftliche, einbezogen werden müs- sen. Zudem ist die ganze Breite der Sektorfachlichkeit gefragt, aber nicht nur der entsprechenden Tiefe, son- dern vor allem in ihrem interdiszipli- nären Bezug. HIV/AIDS ist eben nicht nur ein Problem der Gesundheit, son- dern ebenso eines der Bildung, der Wirtschaft und der wachsenden Mo- bilität. Schließlich muss die staatliche Entwicklungszusammenarbeit in Zei- ten knappen Geldes der Öffentlichkeit noch stärker als bisher nachweisen, dass die Mittelverwendung wirt- schaftlich geschieht und die Program- me und Projekte auch einen relevan- ten Beitrag zur beabsichtigten Ent- wicklung leisten, also nachhaltig wirksam sind.

Ihre langjährigen Erfahrungen er- möglichen es der deutschen bilatera- len staatlichen Entwicklungszusam- menarbeit, die neuen Herausforde- rungen erfolgreich anzugehen. Dabei

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steht nicht nur die Frage: was ist zu tun, sondern immer häufiger die Frage: wie ist etwas zu tun, im Mittel- punkt des Interesses und damit der daraus folgenden Aktivitäten. Die so beschriebene Kompetenz der staatli- chen Durchführungsinstitutionen führt dazu, dass ihre praktischen Dienstleistungen jeder Form der in- ternationalen Zusammenarbeit die- nen können, die sich auch Nachhal- tigkeit zum Ziel gesetzt hat.

Globalisierung und die Ereignisse des 11. Septembers haben auch zur Folge, dass sich die Bedeutung multi- lateraler Entwicklungszusammenar- beit erhöht hat. Die Erkenntnis wächst, dass globale Probleme nicht unilateral, sondern nur multilateral zu lösen sind und dass eine multilate- rale Gestaltung der Globalisierung anzustreben ist. Dies kann neben der Verhandlung internationaler Regime einmal durch die Stärkung der multi- lateralen Institutionen, zum andern durch mehr Koordination und Kom- plementarität bilateraler Entwick- lungspolitiken geschehen.

Hebelwirkung

G

erade bei den „bad performers“

oder „failing states“, denen man sich zuwenden muss, falls man den Nährboden des Terrorismus aus- trocknen will, ist wegen der tief grei- fenden notwendigen Veränderungen die starke Hebelwirkung multi- lateraler Organisationen notwendig.

Koordinierung und Komplemen- tarität der europäischen bilateralen Entwicklungspolitiken erfolgen über

die Europäische Union. Dabei gibt es noch ein erhebliches Verbesserungs- potenzial. Auf der Durchführungs- ebene haben sich mit dem Konsorti- um EUNIDA (European Network of Implementing Development Agen- cies), einem Zusammenschluss wichtiger europäischer Durchfüh- rungsorganisationen der Technischen Zusammenarbeit, und mit der Part- nerschaft der deutschen und franzö- sischen Finanzierungsinstitutionen KfW und Allocation de fonds de droit (AFD) viel versprechende Ansätze entwickelt, die dem Ziel von Koordinierung und Komplementari- tät ebenso dienen wie der Stärkung der Durchführungskompetenz der Europäischen Kommission.

Die Stärkung des multilateralen Bereichs ist ungleich schwieriger und wird auch unterschiedlich beurteilt.

Während ein Großteil der Entwick- lungsländer, aber insbesondere auch die nordischen Industrieländer, da- von ausgehen, dass es eine gemein- same Auffassung hinsichtlich der glo- balen Fragestellungen geben sollte und die Weltgemeinschaft wegen der gegenseitigen Abhängigkeit und aus internationaler Solidarität verpflich- tet ist, entsprechende Beiträge zu leis- ten, sehen insbesondere die USA, Frankreich, Japan und andere den multilateralen Bereich als das Forum an, auf dem die globalen Fragestellun- gen aus der jeweiligen nationalen Sicht und Interessenlage diskutiert, definiert und die Lösungswege dem- entsprechend ausgehandelt werden.

Diesen verschiedenen Betrach- tungsweisen liegt eine unterschiedli- che Perzeption der künftigen Weltord-

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nung zugrunde. Damit ist die Rich- tung der Einwirkung auf multilaterale Institutionen wie UN-Organisatio- nen, Weltbank und IWF auch unter- schiedlich.Während die einen, verein- facht gesagt, nationale Interessen möglichst ausgeklammert wissen möchten und die multilateralen Insti- tutionen als am „common sense“ eines weltumspannenden Gemeinwohls ausgerichtete Grundstruktur einer künftigen Weltordnung sehen, ver- suchen die anderen, die multilateralen Institutionen als Instrumente zu nut- zen, um ihre nationalen Interessen auf Weltebene zur Geltung zu bringen.

Für die Durchführungsebene spielt dieser unterschiedliche Ansatz bezüg- lich der multilateralen Ebene eine un- tergeordnete Rolle. Einerseits zeigt die Erfahrung, dass nachhaltige Entwick- lungserfolge in der Realität nur zu er- zielen sind, wenn die Interessen der Betroffenen ausreichend berücksich- tigt werden. Diese Erkenntnis wird umgesetzt durch partnerschaftlichen Umgang sowie partizipative Planung, Umsetzung und Monitoring der Entwicklungsvorhaben. Andererseits unterliegen auf der abstrakten Ebene erreichte Gemeinsamkeiten in der Regel dann, wenn sie konkret umge- setzt werden, einem Interessenkampf.

Es ist einfach nicht zutreffend, dass sich z.B. die Weltbank in konkreten inneren Interessenkonflikten der Empfängerländer – weil das Welt- bankstatut es erfordert – neutral ver- hält. Ihre Entscheidungen sind viel- mehr geprägt von den ökonomischen, politischen und kulturellen Einflüs- sen, denen man ausgesetzt ist, wenn der Sitz einer Institution in Washing-

ton ist. Die deutsche bilaterale staatli- che Zusammenarbeit richtet ihre konkrete Parteinahme darauf aus, wie das vereinbarte Ziel am ehesten er- reichbar ist. Die politischen Vorgaben der Bundesregierung sind auch ge- prägt von den deutschen ökonomi- schen, politischen und kulturellen Er- fahrungen und berücksichtigen die wohlverstandenen deutschen Natio- nalinteressen.

Die Notwendigkeit, den Anschein zu erwecken, nicht in die konkreten innenpolitischen Auseinandersetzun- gen der Entwicklungs- und Transfor- mationsländer einzugreifen und sich neutral zu verhalten, erklärt zum Teil die offensichtliche Schwäche multi- lateraler Organisationen bei der prak- tischen Umsetzung von Strategien und Politiken. Der Verweis auf den Anspruch der betroffenen Länder, die Vorhaben dann eben in eigener Ver- antwortung umzusetzen, greift zu kurz. Dies wird besonders bei Pro- grammen und Projekten zur Terroris- musbekämpfung deutlich, weil diese in der Regel Länder betreffen, bei denen die Voraussetzungen zur Über- nahme von Verantwortung noch gar nicht vorhanden sind, diese vielmehr erst noch geschaffen werden müssen.

Das gilt darüber hinaus aber ebenso für den Großteil unserer Partnerlän- der.

Die Stärke insbesondere deutscher bilateraler Durchführungsorganisa- tionen bei der praktischen Umset- zung ermöglicht ihnen deshalb, gera- de bei der Umsetzung der neuen Stra- tegien und Politiken im multilatera- len Bereich eine wichtige Rolle zu spielen.

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