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Annette Weber: Packende Geschichten für Lesemuffel © Auer Verlag
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Die Christuskinder
„Des Herrn Worte sind wahrhaftig, und was er zusagt, hält er gewiss.
Des Herrn Worte sind wahrhaftig, und was er zusagt, hält er gewiss.
Des Herrn Worte sind wahrhaftig …“
Eva wiegte sich im Rhythmus der Worte hin und her. Neben ihr taten es die anderen ebenso. Der ganze Raum war erfüllt vom Gesang der Bibelverse.
Eva spürte, wie ihr warm wurde. Hier war sie Zuhause. Hier gehörte sie hin.
Hier war ihre wirkliche Familie.
„Eva Berger, erhebe dich!“, war nun die Stimme des Anführers zu hören.
Eva stand auf. Ihre Knie zitterten. Alle Blicke waren auf sie gerichtet.
„Eva Berger, du hast uns sechs Wochen lang gezeigt, wie sehr du dich für uns einsetzt. Wir wollen nun wissen, ob du endgültig zu uns gehören willst.“
Eva schluckte. Eine Gänsehaut kroch über ihren Rücken. Sechs Wochen lang hatte sie das Gelände überhaupt nicht verlassen dürfen. Sie war Tag und Nacht bewacht worden. Hatte noch nicht mal allein aufs Klo gehen dürfen.
Ununterbrochen hatte sie die Gebote des Propheten David gelernt. Selbst im Schlaf hatte sie sie noch gemurmelt.
„Eva Berger, wenn du zu uns gehören willst, dann komm zu mir nach vorne.
Ich werde dich segnen.“
Eva traten die Tränen in die Augen. Sie war so glücklich wie noch nie in ihrem Leben. Endlich würde sie ganz dazu- gehören! Langsam trat sie nach vorne.
Der Anführer legte seine Hände auf ih- ren Kopf. „Bist du bereit, für immer bei uns zu bleiben, Eva Berger?“, fragte er sie mit klarer Stimme.
„Versprichst du, dein altes Leben für uns aufzugeben? Deine Eltern? Die Schule?
Deine alten Freunde?“
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Die Christuskinder Die Christuskinder
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Vor Evas Augen schien sich ein Film selbständig gemacht zu haben. Sie sah plötzlich das kleine Reihenhaus in Köln vor sich, in dem sie aufgewachsen war. Und dann ihre Eltern. Und da waren noch Stefanie und Katharina, ihre beiden Schwestern. Auch die beiden hatte sie total vergessen.
„Hallo?“, fragte der Typ höflich, „bist du noch da?“
Evas Gedanken kehrten aus weiter Ferne zurück.
„Ja“, brachte sie mühsam heraus, „ich heiße Eva Berger. Ich komme aus Köln.
Meine Eltern …“ Sie schluckte. Ihre Stimme versagte.
Der Typ wartete geduldig.
„Ich habe schon lange nichts mehr von ihnen gehört“, flüsterte Eva, „ich weiß nicht mal, ob sie noch leben.“
Der Typ sah jetzt echt besorgt aus. „Hör zu“, flüsterte er, „sag niemandem was von mir. Ich versuche, dir zu helfen, ja? Ich komme heute Abend zu eurer …“
Er hielt inne. Eva blickte sich erschrocken um. Johannes stand plötzlich hinter ihr. „Es ist echt total interessant, was mir dieses Mädchen von euch erzählt“, wandte sich der Junge nun an Johannes. „Ich möchte gerne zu eurer Bibel- stunde kommen.“ Johannes nickte, aber er sah Eva mit wachsamen Augen an.
„Heute Abend, 20.00 Uhr.“ Johannes drückte dem Typen die Hand. „Wir freuen uns auf dich, mein Freund.“ Dann wandte er sich Eva zu. „Gute Arbeit, weiter so!“
Eva bemühte sich, ihn nichts von ihrer inneren Unruhe merken zu lassen.
Voller Spannung wartete sie auf den Abend.
Er kam wirklich zur Bibelstunde. Evas Herz machte vor Freude einen riesigen Sprung. Sie wollte natürlich mit ihm reden. Aber der Anführer wandte sich dem Neuen zu und beschäftigte sich den ganzen Abend mit ihm.
Erst am Ende des Abends gelang es dem Typen, sich dicht in Evas Nähe zu stellen. Ein kurzer Händedruck. Dann spürte Eva ein Stück Papier in ihrer Hand. Sie trug es in ihrer Handfläche wie einen Schatz. Erst unter der Bett- decke fand sie Gelegenheit, die Nachricht zu lesen.
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Die Christuskinder
Die Christuskinder M 1
Lies genau!
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Gesamtpunktzahl
Punkte
1. Evas Nachname ist
a) Berger. b) Steinmeier.
2. Eva lebt in der Sekte schon seit
a) einem Jahr. b) sechs Wochen.
3. Eva lernt die Verse des Propheten
a) David. b) Moses.
4. Eva wird auf dem Weg nach draußen begleitet von a) Matthias. b) Johannes.
5. Evas Gruppe lebt
a) in Hannover. b) in Bielefeld.
6. Evas Eltern leben in
a) Köln. b) Freiburg.
7. Der Gottesdienst beginnt um
a) 20.00 Uhr. b) 15.00 Uhr.
8. Der Junge, der zu Eva Kontakt aufnimmt, heißt
a) Markus. b) Marco.
9. Sein Vater fährt einen grünen
a) Kombi. b) Kleinbus.
10. Im Kofferraum liegt eine
a) Decke. b) CD.
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Die Christuskinder
Die Christuskinder M 2.2
f) Warum schließen sich – deiner Meinung nach – einige Menschen einer Sekte an?
g) Mit welchen Mitteln arbeiten Sekten, um Jugendliche für sich zu gewinnen?
h) Warum können ihre Mitglieder die Sekte nicht mit kritischen Augen betrachten?
i) Wie kann der Ausstieg aus einer Sekte gelingen?