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Zusatzqualifikationen als Antwort auf die neuen Anforderungen des Arbeitsmarktes

Laut dem deutschen Berufsbildungsgesetz (§ 49 BBiG) sind Zusatzqualifikationen hauptsächlich Wahlangebote seitens der Ausbildungsbetriebe im dualen Berufsbil-dungssystem. Bei den ZQ handelt es sich um standardisierte Einheiten von Fähigkei-ten, Kenntnissen und FertigkeiFähigkei-ten, die über die in den Verordnungen beschriebenen Ausbildungsberufsbilder hinausgehen (DIHK, 2018). Ausgehend davon lassen sich in Anlehnung an deutsche Erfahrungen (Bläsche et al., 2017) drei Teilbereiche von Zu-satzqualifikationsprogrammen unterscheiden:

1. innerbetriebliche Fort- und Weiterbildung,

2. individuelle berufliche Aus- und Weiterbildung sowie

3. berufliche Fortbildung für Arbeitsuchende und von Arbeitslosigkeit bedrohte Be-rufsgruppen im Rahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik.

Abbildung 1:

Die Umsetzung der jeweiligen Teilbereiche der ZQ ist stark branchen- und regional-spezifisch und hängt beispielsweise vom Digitalisierungsgrad der Produktion in einem Betrieb ab.

Je nach Ausbildungsstand und Vorhandensein beruflicher Erfahrung sind ver-schiedene Zielkomponenten beim Erwerb von ZQ zu unterscheiden. Das ist zum einen die Weiterbildung im Sinne einer Verbesserung und Aktualisierung fachlicher Kompetenzen. Zum anderen steht der Erwerb metakognitiver Kompetenzen hinsicht-lich des „Lernen Lernens“, Gruppenarbeit, Konfliktbewältigung und -vermeidung so-wie des kreativen Denkens usw. im Fokus. Die Gestaltung von Zusatzqualifikationen zur Vertiefung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Kontext von Industrie 4.0 lässt sich beispielsweise in folgenden vier Blöcken darstellen (Fostec & Company, o. J.):

1. Kommunikation und Verständigung (im Sinne von Industrielles Internet der Dinge, Cloud und Cybersicherheit usw.);

2. Daten, Intelligenz und Analyse (Big Data und Analytics, künstliche Intelligenz);

3. Mensch-Maschine-Interaktion (beispielsweise AR/VR/MR) sowie 4. Advanced Manufacturing (Robotik, additive Verfahren).

Die in diesen Blöcken ausgebildeten Hard Skills sind durch den Erwerb von interdis-ziplinären Soft Skills zu ergänzen, die sich auf die wichtigsten beruflichen Cluster (Bhatti, 2017) konzentrieren und betriebswirtschaftliche, technologische und informa-tionstechnische Fähigkeiten umfassen (Führungsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Problemlösung mittels Technologieeinsatz, Entwicklung technologischer Innovatio-nen zur Steigerung des Profits und der Produktivität etc.). Dieser Ansatz bietet den Lernenden zusätzliche berufliche Wettbewerbsvorteile und sorgt für eine bessere Ab-stimmung der Lehrpläne auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes.

Zur Steigerung der Attraktivität sollten ZQ-Programme gut strukturiert, techno-logieorientiert ausgerichtet und mit operationalisierbaren Ergebnissen versehen sein (ТАСС, 2021). Dabei sollen Anregungen aus zukunftsträchtigen Branchen, technolo-gische, soziale, demografische und andere Veränderungen (siehe Abb. 1, Du & Liu, 2020) sowie die Karriereerwartungen und -präferenzen der Auszubildenden berück-sichtigt werden. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Lernenden For-men, Methoden, Ort und Zeitpunkt des Lernens selbstbestimmt wählen können und im ständigen Austausch mit den Ausbildenden stehen (Stahl, 2020). Der Erfolg eines solchen Ansatzes hängt weitgehend davon ab, dass eine geeignete Methodik und ein wirksames Instrumentarium zur Verfügung stehen, die den sich ständig verändern-den Anforderungen an fachliche Qualifikationen und Kompetenzniveaus, verändern-den Krite-rien der Beschäftigungsfähigkeit, der Anwendung moderner Lerntechnologien und dem Bildungsmarketing Rechnung tragen. Daher sollten Programme für ZQ Ler-nende aller Altersgruppen, in allen Kontexten und zu jedem Zeitpunkt ihres Lebens erreichen, über die traditionellen Zielgruppen hinausgehen und Menschen dabei un-terstützen und befähigen, aktiv an der Gesellschaft teilzunehmen.

Der Ansatz zur Implementierung von ZQ als Teil des lebenslangen Lernens ist untrennbar mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development

Goals) verbunden, die 2015 von den Vereinten Nationen beschlossen wurden (UNO, 2015). Diese sind wie folgt zusammengefasst (Bundesregierung, o. J.):

Ziel 1: Armut in jeder Form und überall beenden Ziel 2: Ernährung weltweit sichern

Ziel 3: Gesundheit und Wohlergehen Ziel 4: Hochwertige Bildung weltweit

Ziel 5: Gleichstellung von Frauen und Männern Ziel 6: Ausreichend Wasser in bester Qualität Ziel 7: Bezahlbare und saubere Energie

Ziel 8: Nachhaltig wirtschaften als Chance für alle Ziel 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur Ziel 10: Weniger Ungleichheiten

Ziel 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden Ziel 12: Nachhaltig produzieren und konsumieren Ziel 13: Weltweit Klimaschutz umsetzen

Ziel 14: Leben unter Wasser schützen Ziel 15: Leben an Land

Ziel 16: Starke und transparente Institutionen fördern Ziel 17: Globale Partnerschaft.

Beispielsweise haben die Ziele 1, 3 und 8, die sich auf die Schaffung nachhaltiger Beschäftigung mit angemessenen Löhnen, das Vermeiden von prekärer Beschäfti-gung und die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz beziehen, eine besondere Beziehung zum Bildungssystem und zum Arbeitsmarkt in jedem Land. Je flexibler ein Bildungssystem ist, desto besser passt es sich an indus-trielle Innovationen an und schafft damit die Voraussetzungen für die Verringerung systemischer Ungleichheiten (Ziele 4, 5 und 10). Ziel 17 erklärt die Notwendigkeit von globaler Zusammenarbeit und Partnerschaften. Greifbare Auswirkungen des lebens-langen Lernens auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung sind vor allem in europäi-schen Ländern, einigen asiatieuropäi-schen Ländern und den USA zu beobachten. In Indien zeichnet sich ein langsamer, aber stetiger Fortschritt ab. Überdies betrachtet Kasachs-tan die Umsetzung des Konzepts des lebenslangen Lernens als die wichtigste Voraus-setzung für innovative Bildungsaktivitäten. In dieser Hinsicht sollten Fragen der nachhaltigen Entwicklung auch in den Programmen der beruflichen und hochschu-lischen Bildung integriert sein.

Zweifellos wird die Umsetzung der Grundsätze nachhaltiger Entwicklung auch durch Industrie 4.0 beeinflusst (UNO, 2019), wobei das Verhältnis dazu derzeit sehr uneindeutig ist. So diskutieren die Expertinnen und Experten intensiv über die negati-ven Auswirkungen von Industrie 4.0 auf die Umwelt, den verschärften Wettbewerb zwischen Unternehmen und Ländern, Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt und den Verlust von Arbeitsplätzen. Gleichzeitig sind die entstehenden positiven Syner-gien nicht zu unterschätzen, die aus dem Einsatz intelligenter digitaler TechnoloSyner-gien

bei Entscheidungsprozessen in Wirtschaftskreisläufen und dem bedingungsspezi-fisch höchstmöglichen Wirkungsgrad der Ressourcenschonung resultieren.

Daraus erwachsen wiederum neue Ansprüche an die Ausbildung, und die zu-künftigen Anforderungen an die Fachkräfte werden ausgeweitet (BMWI, 2020). Daher sollte die Rolle der Bildung bei der Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung in der Kette „Bildungssystem – Arbeitsmarkt – Industrie 4.0 – nachhaltige lung – Wirtschaft – Gesellschaft“ betrachtet werden. In dieser hängen die Entwick-lungsperspektiven und eine für alle Beteiligten gewinnbringende Kooperation von ausgewogenen Entscheidungen und der kritischen Bewertung der Risiken, der nega-tiven Folgen und der Auswirkungen jedes Teils der Kette auf andere Teile und die gesamte Kette ab (UNO, 2019).

Dabei ist es wichtig, regionale, geografische, kulturell-demografische, sozioöko-nomische und sonstige Besonderheiten zu berücksichtigen (Abb. 1). Ein Beispiel da-für ist die Entwicklung des deutschen Produktionssektors. Zu den zu beachtenden Faktoren dieses Wirtschaftsbereiches gehören zum einen die Auswirkungen des de-mografischen Wandels wie die Alterung der Bevölkerung und die dadurch schwin-dende Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter sowie der zunehmende regionale Fachkräftemangel (siehe Abb. 1, BMWI, 2021). Zum anderen müssen Produktionspro-zesse dahingehend optimiert werden, dass die Kosten für die Einführung innovativer Technologien, die Energieversorgung und die Sicherung von Arbeitsplätzen gedeckt sind. Somit wird eine ressourceneffiziente und CO2-neutrale, digitalisierte Produk-tion mit Arbeitsplätzen auf allen QualifikaProduk-tionsniveaus und Graden der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit zum Ziel der industriellen Entwicklung.

Besonderheiten der kasachischen Berufsbildung in Bezug auf