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Haben Schulgebäude und Klassenzimmer Einfluss auf Lehren und Lernen?

4.5 Zusammenhänge

Wie in den vorhergehenden Abschnitten zum Lehr- und Lernraum gezeigt, wird zum einen in der internationalen Forschung von „Learning Environment“, also von Lernumgebung, gesprochen, und damit werden sowohl erziehungs-wissenschaftliche als auch architekturerziehungs-wissenschaftliche Aspekte aufgegriffen.

Zum anderen sind die jeweiligen Forschungsergebnisse sehr heterogen und bisher wenig in Beziehung gebracht worden. Dabei stehen nach wie vor auch bei erziehungswissenschaftlichen Studien das Design und die Architektur der Schulgebäude und Klassenzimmer im Vordergrund und erst in zweiter Linie der Zusammenhang zwischen dem Schul- und Klassenraum und dem Lehren und Lernen. Um diese Zusammenhänge genauer untersuchen zu können, wer-den derzeit die Perspektiven der Lehrkräfte sowie der Schülerinnen und Schü-ler stärker in den Forschungsprozess einbezogen (vgl. Woolner 2010, 2011, 2013). Damit werden Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler nicht nur als Objekt, sondern zunehmend als Subjekte der Forschung wahrgenommen und gewürdigt. Dennoch bleiben viele Fragen zum Zusammenhang zwischen gestalteter, räumlicher Lernumgebung und dem Lehren und Lernen offen, und es bedarf weiterer Forschungsanstrengungen sowohl in methodologischer als auch in theoretischer Hinsicht.

Indirekte Zusammenhänge zwischen der gebauten Umgebung und dem Lehren und Lernen können bisher gut und nachvollziehbar beschrieben werden, wie Martin (2002: 154) feststellt: „As Moore and Lackney (1993) reflect over their findings, it is not unreasonable to suggest that more positive attitudes and behaviors on the part of both teachers and children may reflect positively on improved academic achievement, therefore the environment is seen as having an indirect effect on achievement.“ Daran anschließend folgern Martin und

an-dere, dass Lehrerfortbildung nach und während des Forschungsprozesses eine wesentliche Rolle spielt, nicht nur, um den angesprochenen Zusammenhängen nachgehen zu können, sondern auch, um genauer verstehen zu können, wie Räume und Raumgestaltung auf Lehrkräfte wirken. Gleiches gilt für Schüle-rinnen und Schüler. Wenn mit ihnen an Raumkonzepten gearbeitet und z. B.

reale Raumsituationen bewertet werden, dann können auch die Zusammen-hänge zwischen Raumgestaltung und Lehren sowie Lernen thematisiert und erforscht werden. Hierzu haben Pamela Woolner und Kollegen (2007, 2011) die Methode des „diamond ranking“ entwickelt, die mittels Bildbetrachtungen und -diskussionen Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern in den Forschungskontext einbindet. Ebenso praktiziert der Architekt Peter Hübner (siehe sein Beitrag in diesem Band) erfolgreich, gemeinsam mit Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern ideale Räume zu entwerfen und zu gestalten.

Entsprechend der bisherigen Forschungsergebnisse kann auch in den Er-gebnissen zweier Schulforschungsprojekte, KOMPASS und SELF,1 die Be-deutung der baulichen Raumgestaltung nachgezeichnet und als Ansatz einer aktuellen erziehungswissenschaftlichen Raumforschung verstanden werden.

Obwohl die Gestaltung eines Lehr- und Lernraums bzw. die Reflexion über die Gestaltungsmöglichkeiten der jeweiligen Unterrichtsräume nur ein Aspekt der Lernförderung in den Projekten war, kann aus den Anstrengungen der Lehr-kräfte und den Forschungsergebnissen geschlossen werden, dass der Raum über das didaktische Prinzip der gestalteten Umgebung hinaus Bedeutung für Lehren und Lernen hat.

Wie in den Studien von Martin (1999, 2002) konnten in den Gesprächen mit den Lehrkräften drei Typen im Umgang mit ihren Lehr- und Lernräumen gefunden werden. Martin bezeichnet diese Lehrertypen als gefangen, frei und etwas verunsichert. Sie beschreibt die gefangenen Lehrkräfte folgendermaßen:

„[…] teachers that do not perceive their surroundings in a constructive way and do not seem to perceive how much impact that setting is having on his/her teaching and class“ (Martin 2002: 153). Die etwas verunsicherten Lehrkräfte nehmen die Raumsituation sehr genau wahr und sehen auch die Zusammen-hänge zwischen der Raumgestaltung und ihrem Lehren sowie dem Lernen ih-rer Schülerinnen und Schüler, sie können diese Wahrnehmung aber nicht in eine aktive Gestaltung ihres Unterrichtsalltags umsetzen. Die in der Klassifi-kation von Martin (2002) als frei bezeichneten Lehrkräfte können souverän mit der jeweiligen Raumsituation umgehen und integrieren die Raumgestaltung in

1 Schulprojekte: SELF – Selbstkonzept entwickeln durch lehrplankonforme Förderung: Das Sample umfasst 2.873 Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe, 87 Klassen aus Gymnasi-en in Bayern. WeiterführGymnasi-ende InformationGymnasi-en in: Sacher/Stadler-Altmann 2006; Stadler- Altmann 2010. KOMPASS – Kompetenz aus Stärke und Selbstvertrauen: Das Sample umfasst 2.100 Schülerinnen und Schüler, 77 Klassen aus 20 Realschulen in Bayern. Weiterführende Informationen in: Scheunpflug/Stadler-Altmann/Zeinz 2011.

ihr unterrichtliches Handeln. Eine ähnliche Kategorisierung ließ sich für die Lehrkräfte in unseren Schulforschungsprojekten SELF und KOMPASS finden.

Dabei stand bei beiden Projekten die Selbstkonzept- und Stärkenförderung der Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt. Die wissenschaftliche Begleitung hatte in beiden Projekten neben der Beratung der Lehrkräfte in pädagogischen Fragen zur Aufgabe, die Veränderungen in den Lehr-Lernprozessen zu evalu-ieren. In einem Projekt wählten die Lehrkräfte die Möglichkeit, einen Lern-raum (vgl. Scheunpflug/Stadler-Altmann/Zeinz 2012) zu gestalten und für unterschiedliche Lehr-Lernformen zu nutzen. Dabei nannten die Lehrkräfte folgende Aspekte, denen sie als räumliche Lehr-Lernunterstützung Bedeutung zumessen:

■ Der Klassenzimmergrundriss ermöglicht verschiedene

Unterrichtsmetho-■ den. Die ausgewählten Möbel (Tische und Stühle) erleichtern die Arbeit in klei-nen Gruppen bzw. die individuelle Arbeit im Unterricht.

■ In diesem Raum ist eine Stimulierung aller Sinne möglich, ohne dass dies zu Irritationen führt.

■ Gute raumklimatische Bedingungen durch Akustik, Klimatisierung und Farbgebung.

■ Bereiche zur Erholung und für Privatheit.

Dabei sind die insgesamt positiven Evaluationsergebnisse hinsichtlich der Berufszufriedenheit der Lehrkräfte, der individuellen Lernunterstützung für Schülerinnen und Schüler, der Selbstwirksamkeit und einer sich positiv entwi-ckelnden Lernatmosphäre (ebd.) sicher nicht nur auf die Gestaltung der Unter-richtsräume zurückzuführen.

In dem zweiten Schulforschungsprojekt zeigen sich hingegen deutliche Zusammenhänge zwischen der wahrgenommenen Lernatmosphäre, dem Klas-senklima und dem Schülerselbstkonzept (vgl. Stadler-Altmann 2011), die durch die Gestaltung des Klassenzimmers und der Beachtung der Lernumge-bung beeinflusst werden können. Diese Hinweise unterstreichen die Bedeu-tung der gestalteten Lernumgebung als Voraussetzung für erfolgreiches Lehren und Lernen.

Ausgehend von diesen Beispielen und den Ergebnissen der internationalen Forschung im Feld des „Learning Environment“ kann geschlussfolgert wer-den, dass die Gestaltung der Lernumgebung ein wichtiger Punkt bei der Un-terrichts- und Schulentwicklung ist – und häufig mit einfachen Mitteln in den Forschungs- bzw. Schulentwicklungsprozess eingebunden werden kann. Dies betonen auch Higgins et al. (2005: 7) in ihrem Forschungsüberblick:

„ Much of what is known about student comfort, particularly in terms of furniture, has yet to be translated into actual school/classroom en-vironments.

Since different room arrangements serve different purposes, it is necess- ary for classrooms to have some degree of flexibility.

Some improvements to the classroom environment may save time, which is then available for learning.

‘Ownership’ of space and equipment by both teachers and students is important.

Ownership and engagement are ongoing elements, so there has to be a balance (in display of student work, for example) between permanent and fresh elements.

Some physical elements in the classroom improve comfort, well-being and probably attitude – and so, perhaps, improve achievement.“

Auffallend bleibt, dass in den meisten Untersuchungen auf diesem Gebiet die Perspektive der Lehrkräfte ins Zentrum rückt. Die Perspektive der Schülerin-nen und Schüler sollte allerdings genauso erforscht und mit den Ergebnissen aus der Forschung mit Lehrkräften in Beziehung gesetzt werden.