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8 „Lernlandschaften entwerfen“

8.4 Modelle von Lernlandschaften

Im Folgenden werden einige der Schulen vorgestellt, die in unserem Büro plus+ bauplanung in den letzten Jahren realisiert wurden.

Abb. 1: Freie Waldorfschule Köln Chorweiler

(plus+ bauplanung)

Die Waldorfschule in Köln wurde im Jahr 1980 gegründet. Seit 1987 suchte die Schule intensiv nach einem Grundstück für einen eigenen Neubau. Im Jah-re 1992 wurde ein Grundstück in Köln-Chorweiler gefunden, und wir wurden als Architekten ausgewählt. Es folgte eine zweieinhalbjährige Planungsphase, in der eine außerordentlich intensive Beteiligung aller Schüler, des gesamten Lehrerkollegiums und vieler Eltern stattfand. In vielen gemeinsamen, meist zweitägigen Planungssitzungen wurde das Besondere der Kölner Schule dis-kutiert, viele alternative Ansätze entwickelt und verworfen und letztlich die Lösung gefunden.

Das Bild der Rose erwies sich als tragfähiges Traummodell. Die Klassen sind gleichsam die Blütenblätter, die zentrale Baumstütze ist der Stängel. Wie bei der Rose entwickelt jedes Blütenblatt und damit auch jede Klasse ihre ei-gene Freiheit, folgt einer eiei-genen inneren Ordnung und behauptet sich gegen das Diktat der reinen fünfeckigen Geometrie. Der dreigeschossige Klassenbau entwickelt sich um eine zentrale Oase. Der Saal schiebt sich über zwei Ge-schosse in das Zentralgebäude hinein und nimmt im zweiten Obergeschoss den Hörsaal mit steigendem Gestühl auf. Das Schulgebäude entwickelt sich ganz von innen nach außen und erzeugt so eine lebendige Fassade.

Die intensive Beteiligung an der Planung und am Bau durch viele der spä-teren Nutzer führte zu einer für alle erlebbaren Ausstrahlung des gesamten Gebäudes und zu einer sofortigen echten Inbesitznahme durch Schüler und Lehrer.

Abb. 2: Evangelische Gesamtschule Gelsenkirchen

(plus+ bauplanung)

Schule als Lebensort: Für Kinder ist der prägende Lebensort die Schule, und deshalb sollte sie ein Stück Heimat sein, ein Ort der alle Sinne anregt und an dem man gerne verweilt. Psychologen, Soziologen, Pädagogen, alle, die sich mit dem Menschen und seinen Empfindungen beschäftigen, wissen, wie sehr eine anregende, aktivierende Umwelt Voraussetzung für ein zufriedenes Leben und motiviertes Lernen ist. Häuser und Städte brauchen die gleiche Vielfalt wie Menschen. Erst die Individualisierung befördert das, was Zustimmung, Verständnis, liebevollen Umgang mit den Häusern hervorbringt und Vandalis-mus einschränkt oder gar ganz vermeiden lässt.

Klassenhäuser: An je einer Seitenstraße liegen sechs Reihenhausgrund-stücke, die ein Klassengebäude mit fünf individuellen Klassen für jeweils ei-nen Jahrgang aufnehmen. Dieser bleibt während der gesamten Schulzeit in

„seinen“ Häusern. Nicht die Schüler werden die Klassen, sondern die Klas-sen die KlasKlas-senbezeichnung wechseln. Jahr für Jahr kam von 1999 bis 2004 eine solche Klassenhauszeile hinzu. In einem stimulierenden Projektunterricht wurden diese mit den Schülern geplant und teilweise gebaut. Jeweils ein(e) Architekt(in) unseres Büros war für eine Klasse zuständig und realisierte in mehreren Etappen im M 1:100 den Traum eines eigenen Klassenhauses. Die Vielfalt der unterschiedlichen architektonischen Ausbildung ist gewollt, wobei auch in Kauf genommen wird, dass nicht alles perfekt ist. Im Gegenteil: gerade auch das Unperfekte, das Fehlerbehaftete erinnert an die gewachsene Stadt.

Abb. 3: Internationale Friedensschule Köln (plus+ bauplanung)

Auf dem Gelände der Internationalen Friedensschule in Köln entstanden eine Kindertagesstätte mit Vorschule, eine Grundschule, eine weiterführende Schu-le und eine Oberstufe. Diese Schulzweige werden durch Gebäude für die ge-meinschaftliche Nutzung zusammengehalten – Theater, Haus der Stille, Haus der Kunst und Musik, Bibliothek und Sporthalle. Zentrum der ganzen Anlage wird in einem späteren Bauabschnitt das Haus der Stille als Ort der Entspan-nung und Meditation. In weiteren Bauabschnitten wurden und werden außer-dem eine Dreifeldsporthalle, das Haus der Kunst + Musik und das Theater realisiert.

Die Internationale Friedensschule Köln kombiniert zwei Schultypen:

eine Internationale Schule und ein mehrsprachiges Gymnasium. Diese päd-agogische Grundidee prägt auch das Raumkonzept. Jeweils eine internatio-nale Klasse und eine natiointernatio-nale Klasse haben ihre Räume nebeneinander, nur getrennt durch eine mobile Wand, sodass eine Durchmischung beider Klas-sen für bestimmte UnterrichtsphaKlas-sen möglich ist. Eine weitere Doppelklasse befindet sich gleich nebenan. Ein Jahrgang besteht somit aus vier Klassen.

Der gemeinsame Jahrgangsflur gliedert sich in Arbeitsbereiche und bietet aus-reichend Fläche für Bewegung und Präsentationen. Direkte Fluchtwege ins Freie ermöglichen dieses Konzept. Die Balkone mit Außentreppen erweitern zudem den Klassenraum nach draußen. Den Klassen gegenüber liegt jeweils ein Lehrerzimmer. Schließlich ist jedem Jahrgang auch ein großer Raum für gemeinschaftliche Präsentationen und Versammlungen zugeordnet. Die Raum-gestaltung zeichnet sich durch große Flexibilität aus (mobile Möbel, transpa-rente Wände, flexible Tafeln, Küchenzeilen).

Abb. 4: Campus Klarenthal Wiesbaden

(plus+ bauplanung)

Am Ausgangspunkt der Überlegungen stand das pädagogische Konzept mit der besonderen Bedeutung des Theaters. Die Staffelung der Gebäudemassen reagiert auf die landschaftliche Umgebung:

■ Die „Klassen“ werden eingeschossig wie Gartenpavillons in den Land-schaftszug eingebunden.

■ Der Hauptbau mit dem experimentellen Werkstatttheater entwickelt sich zweigeschossig, verbindet die Gebäudesubstanz mit dem Erweiterungs-bau und betont die vorhandene Höhenentwicklung des Geländes.

■ Die Sporthalle wird wie eine Mulde in die Landschaft eingegraben.

Die Baumassen sind so angeordnet, dass die entstehenden Zwischenräume die Baukörper über Plätze verbinden. Alle Baukörper entwickeln sich sowohl zur Landschaft hin als auch zu den Plätzen.

Abb. 5: Schillerschule Walldorf

(plus+ bauplanung)

„Soziale Mitte Walldorf“ ist ein Projekt der Stadt Walldorf – der historische Stadtteil wird mit den Wohnbauten der Süderweiterung verbunden.

Die Verbindungslinien führen sternförmig auf eine Mitte, sie kreuzen sich auf einem vom Verkehr freigehaltenen zentralen Platz: ein Treffpunkt der Bür-ger.Die soziale Mitte besteht aus Bildungseinrichtungen, Grundschule, Kin-derkrippe, Kindertagesstätte, Sporthalle und Mensa. Das komplexe Programm ist in einzelnen Häusern realisiert. Die Eingangsfassaden der Häuser nehmen die Richtung der Verbindungslinien auf. Sie bilden die Raumkanten und si-chern die Identität der Nutzungseinheiten. Die Grundrissform der Häuser trennt zwischen öffentlichem Raum und „Privatgarten“.

Diese städtebauliche Struktur gliedert die Flächen für den jeweils spezifi-schen Bildungsauftrag der sozialen Gemeinschaft:

■ die Schillerschule als Ganztagesgrundschule

■ die KIKRI als Kinderkrippe für die unter Dreijährigen

■ die KITA als Kindertagesstätte

■ die NSM als Sporthalle und Mensa

Der Freibereich bietet Möglichkeiten und Gerätschaften für Seniorengymnas-tik über Spielflächen wie Bolzplätze bis zu Kletter- und Jonglierparcours.

Die Häuser wurden unter Beteiligung der Nutzer konzipiert und geplant.

Der Gemeinderat beschloss die Realisierung im Passivhausstandard. Die Aus-führung in Holzbauweise ist die konsequente Minimierung zur Minimierung der grauen Energie.

NESS – Neubau Schillerschule: Die Schillerschule wurde im südöstli-chen Bereich zweigeschossig um acht Klassen erweitert. Die Orientierung der Klassen erfolgt nach Norden, weg vom Platzgeschehen, weg von der Sonnen- einstrahlung hin zum neuen Innenhof. Die neue Eingangshalle verbindet den Bestands- mit dem Erweiterungsbau. Das Fluchtwegekonzept über die Terras-sen ermöglicht es, den sonst üblichen Rettungsflur als Lernzonen für offenen Unterricht zu nutzen.

KIKRI – Kinderkrippe: Die Kinderkrippe ist auf einer Stahlbetonplatte als eingeschossiger Holzständerbau realisiert. Die fünf Gruppen bilden Nut-zungseinheiten nach dem Prinzip „Haus im Haus“. Jeder Flurflügel erfährt eine platzartige Aufweitung für gemeinsame Spielmöglichkeiten.

KITA – Kindertagesstätte: Die Kindertagesstätte ist mit ihren fünf Grup-penräumen zweigeschossig. Als Speichermasse und aus Brandschutzgründen sind die Innenwände und die Geschossdecke in Massivbauweise realisiert, die Außenwände sind in Holzständerkonstruktion, die Dachkonstruktion besteht aus sichtbaren Trägerlagen in Douglasie. Eine überdachte Holzterrasse im Obergeschoss bietet Spielraum auch bei Regenwetter, verbindet die Gruppen-räume mit dem Freibereich und sichert gleichzeitig die Rettungswege.

NSM – Neubau Mensa und Sporthalle: Die Mensa mit der Küche ist im Schwerpunkt der Platzanlage, als eingeschossiger Holzbau an die Sporthalle angelehnt. Sie vermittelt die Höhe der Sporthalle gegenüber dem Platz. Das Dachtragwerk der Sporthalle bilden Brettschichtbinder in Kombination mit Dickschichtholz. Zwischen den Bindern fällt das Tageslicht gleichmäßig durch die Oberlichter blendungsfrei in die Halle.

Abb. 6: Justus-von Liebig-Schule Moers

(plus+ bauplanung)

Das „Schuldorf“ aus Klassenhäusern und Verwaltungsgebäude fordert und fördert täglich die Eigenverantwortung der Schüler sowie eine kritische Aus-einandersetzung bei der Arbeit im Unterricht, während der Pausen und nach Schulschluss. Die Gebäudeform und die Architektur der Häuser entstanden aus

Ideen der Schüler und der Lehrerschaft. Über diese Mitverantwortung wurde ein höherer Identifikationsgrad mit der Schule gesichert. Das „eigene Heim“ in Form des Klassenhauses will sauber gehalten, gestaltet und der eigene Garten gepflegt werden. Dies geschieht aus dem Wunsch heraus, sich in seinem Haus ohne Anordnung des Lehrers wohlzufühlen. Schule wird nicht zur Lehranstalt, sondern zum Lebensraum. Die Klassenhäuser mit Gärten und Emporen las-sen differenzierte Arbeitsformen und Freiarbeitsphalas-sen zu und sind flexibel zu nutzen. Die Einrichtung mit leichten Einzeltischen macht das Umstellen innerhalb des Klassenraumes schnell durchführbar. Die Gärten können als Lernort Umwelt hinzugezogen werden und ermöglichen die für naturwissen-schaftliche Bildung so wichtige Methode der originalen Begegnung. Die qua-litativ hochwertige Ausstattung und die damit zum Ausdruck gebrachte hohe Wertschätzung werden von der Schülerschaft sehr wohl wahrgenommen. Die Holzbauweise vermittelt eine besondere – fast mediterrane – Atmosphäre, die durch die Farbgestaltung noch unterstützt wird. Beide Faktoren führen dazu, dass Vandalismus und Verschmutzung der Wände durch Graffiti kaum vor-kommen. Das Forum ist in seiner Funktion als Veranstaltungsort nicht nur für die Schule, sondern ebenfalls als kultureller Ort für den Stadtteil nutzbar. Die Idee einer Schule mit Jugendzentrum ermöglicht Synergien für die Gestaltung des schulischen Ganztages genauso wie für die Freizeitgestaltung der Jugend-lichen. Schule wird so zusammen mit dem Jugendzentrum noch mehr zum Lebensort der Schülerinnen und Schüler.

Abb. 7: Hermann-Hesse-Realschule Tuttlingen

(plus+ bauplanung)

Der Neubau des Ganztagesbereiches bewirkt eine Aufwertung der bestehen-den Gebäude. Der Neubau ist der neue Eingang zur Hermann-Hesse-Realschu-le. Ein großzügiges Vordach bildet den Eingangsbereich. Direkt angrenzend befindet sich die Mensa auf Straßenniveau gelegen. Der bestehende Höhen-versatz zwischen EG zum Straßenniveau wird im Neubau überwunden. Durch einen Aufzug (Durchlader) sind alle Ebenen des Neubaus und auch des Be-stands rollstuhlgerecht erschlossen. Die Flächen in Erdgeschoss lassen sich als Versammlungsstätte nutzen. Der Musikraum kann zur Bühne umfunktioniert werden. Im Untergeschoss liegen die Werkstätten mit direktem Zugang in den

neu geschaffenen Werkhof. Die Absenkung des ursprünglichen Geländes im Bereich des Werkhofes wertet die angrenzenden Unterrichträume im Bestand auf. Alle Räume sind sowohl für die Ganztagesnutzung als auch für den regu-lären Schulbetrieb multifunktional nutzbar. Neubau und Altbau gehen fließend ineinander über. Neu und Alt verzahnen sich und bilden eine Einheit.

Literatur

Hübner, P./Blundell Jones, P. (2007): Building as a social process – Bauen als ein sozi-aler Prozess, Stuttgart, London: Edition Axel Menges.

Hübner, Peter (2005): Kinder bauen ihre Schule – Children make their school. Evange-lische Gesamtschule Gelsenkirchen, Stuttgart, London: Edition Axel Menges.