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3 Resümee der Grundlagendiskussion

3.2 Zusammenfassende Darstellung der Hauptkategorien

Im folgenden Abschnitt werden die einzelnen Hauptkategorien inklusive ihrer Sub-, Subsub- und Subsubsubkategorien inhaltlich verdichtet in der Terminologie der befragten Personen rekonstruiert (Aeppli 2014). Termini der InterviewteilnehmerInnen werden in der Rekapitu-lation kursiv abgebildet, ohne jedoch explizit als Zitat vermerkt zu werden, da ausnahmslos alle kursiv abgebildeten Termini in der Analyse der Interviews mit SchulleiterInnen (III.3.1.4) und BerufsanfängerInnen (III.3.1.5) erwähnt und zitiert sind. Am Beginn jeder Rekapitulation steht jeweils ein für die zusammengefasste Kategorie repräsentatives, manchmal pointiertes Zitat.

Das Ziel dieser inhaltlichen Rekapitulation ist zweierlei: Zum einen soll die dicht gefasste Zu-sammenfassung einen schnellen inhaltlichen Einblick in die Aussagen der SchulleiterInnen und BerufsanfängerInnen gewähren, zum anderen dienen die Kurzzusammenfassungen dazu, in wei-terer Folge inhaltliche Überschneidungen zwischen den einzelnen Kategorien aufzuzeigen und im Sinne einer Clusterbildung eine nächsthöhere inhaltliche Abstraktionsebene zu erreichen.

Kompetenzen von BerufsanfängerInnen (SL_A)

„Wo ich immer wieder erstaunt bin […] ist die extreme Vielfalt an Methodik und Didaktik.“ (SL_10: 41) Die SchulleiterInnen nennen in dieser Kategorie primär die Fach- und Methodenkompeten-zen der BerufsanfängerInnen, wobei die FachkompetenMethodenkompeten-zen als Ausbildungsinhalte im Rahmen des Curriculums vorausgesetzt werden und die Methodenkompetenzen mit positiver Überra-schung erstaunt zur Kenntnis genommen werden.

Die BerufsanfängerInnen wagen sich an herausfordernde Schulprojekte heran und bringen damit für die SchulleiterInnen die Einsatzfreude zum Ausdruck, welche sich in weiterer Folge in Form neuer Impulse positiv auf den gesamten Lehrkörper auswirkt.

Die selbst angeeigneten Kompetenzen und die individuellen Stärken erwerben die Berufsan-fängerInnen in Vereinen oder durch den eigenen Lebensstil und bringen so Persönlichkeit und menschliche Qualitäten mit, was den Draht zum Kind ermöglicht.

68 IntegrationslehrerInnen werden zur Unterstützung im Unterricht eingesetzt. Wenn sie als Unterstützung abgezo-gen und als KlassenlehrerIn eingesetzt werden, spricht man von „Anstattstunden“ (Bundesministerium für Digita-lisierung und Wirtschaftsstandort 1984).

Institutionelle Ausbildung aus der Sicht der SchulleiterInnen (SL_B)

„Amtsschriften sind den Junglehrern weitgehend unbekannt.“ (SL_13: 19)

„Ich glaube, dass methodisch-didaktisch die Ausbildung nicht schlecht ist und dass sich in dem Zusam-menhang ein neuer Lernbegriff durchgerungen hat.“ (SL_10: 44)

Die SchulleiterInnen favorisieren eine pädagogisch-didaktische Selektion am Anfang des Studi‑

ums, womit die menschlichen Fähigkeiten der Studierenden erfasst werden können, und gehen davon aus, dass nicht für alle Lehramtsstudierenden die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen das Kriterium für die Wahl dieses Studiums darstellt.

In Bezug auf die Anforderungen an die Ausbildungsinstitutionen nennen die SchulleiterInnen Desiderate im pädagogischen und administrativen Bereich. In Anspielung auf das Classroom Management seien die BerufsanfängerInnen zwar gut ausgebildet, aber manchmal an der Praxis vorbei. Die disziplinären Herausforderungen stellen ein Hauptthema dar und werden in den Augen der SchulleiterInnen viel zu wenig gelehrt. Schließlich weisen SchulleiterInnen in dieser Kategorie vehement auf die Ausbildungsdesiderate im administrativen Bereich hin und wissen, dass den BerufsanfängerInnen Amtsschriften weitgehend unbekannt sind.

In der Fremdwahrnehmung die SchulleiterInnen reüssieren die BerufsanfängerInnen durch die praktische Ausbildung, wobei realistische Situationen in der Schule zu bevorzugen sind und die Praxis noch verstärkt werden kann.

Den Ausbildungsinstitutionen wird vonseiten der SchulleiterInnen ein gutes Zeugnis ausge-stellt. Sie sehen insgesamt eine Qualitätssteigerung in der LehrerInnenausbildung und denken, dass die BerufsanfängerInnen fachlich sehr gut vorbereitet sind.

Wahrnehmung der BerufsanfängerInnen durch die SchulleiterInnen (SL_C)

„Also wirklich, sie wollen gut sein. Etwas anderes habe ich noch nicht erlebt.“ (SL_03: 67)

SchulleiterInnen verbinden mit „JunglehrerIn“ eher im Dienst unerfahrene (bis ca. vier Dienstjahre) als biologisch junge Lehrpersonen und nehmen auch einen Zusammenhang zwischen der Alters-struktur des Lehrkörpers und der Zeit, wie lange sich ein/e BerufsanfängerIn als AnfängerIn fühlt, wahr. Einsatzfreude ist quer durch die Bank gegeben, ebenso Offenheit im Sinne von bereit für Neues.

Geschlechtsspezifisch sehen die Schulleiterinnen und Schulleiter (explizit beide Geschlechter) zwischen Berufsanfängern und Berufsanfängerinnen bis auf die Emotionalität keine Unterschiede.

SchulleiterInnen assoziieren mit BerufsanfängerIn „sehr engagiert“, „sehr fleißig“, aber auch „illu‑

sorisch“ bzgl. idealisierter Vorstellungen im Unterricht.

Die größten Herausforderungen liegen im Bereich des Classroom Managements: Fehler im Um-gang mit SchülerInnen und deren Arbeitshaltung, die mit der Routine weggehen.

Unterstützung & Begleitung der BA im Schulalltag (SL_D)

„Meine Tür steht jederzeit offen.“ (SL_13: 23)

Bezüglich Unterstützung und Begleitung kommen BerufsanfängerInnen mit wenigen Erwar‑

tungen, da diese einerseits froh über die Anstellung sind und weil die KollegInnen vieles abneh‑

men. Die wenigen Erwartungen liegen im Bereich der Schulorganisation und des Classroom Managements, eine strukturelle Hilfe bietet das FachkoordinatorInnensystem. Wichtig sind klare Richtlinien innerhalb der Schule in den Bereichen Notengebung und Disziplin.

Zum Mentoring liegt eine hohe Anzahl von Kodierungen vor, wesentlich sind Zeitangebot, Ge‑

spräche und gegenseitiges Vertrauen. In diesem Sinne sind die Türen immer offen. Gespräche unter

KollegInnen finden aus pragmatischen (Pausen, Fensterstunden) und hierarchischen Gründen eher statt als Mentoring-Gespräche mit SchulleiterInnen. Die KollegInnen begleiten vorran-gig durch Vorbildwirkung, die SchulleiterInnen punkten mit den Themen Professionalisierung, dienstrechtliche Fragen und Umgang mit Disziplinproblemen, wobei eine Einmischung der Schul‑

leitung vor der Klasse mit Autoritätsverlust für den/die BerufsanfängerIn verbunden wird.

Ersterfahrungen der BerufsanfängerInnen beim Berufseinstieg (BA_A)

„Ich bin ins kalte Wasser geschmissen worden und hab‘ dadurch viel gelernt.“ (BA_11: 28)

Die ersten Erfahrungen der BerufsanfängerInnen lassen sich zum Teil mit Zweifel und Schock umschreiben, wobei diese Erfahrungen aus einer Arbeitsüberlastung resultieren. Die Kombi-nation aus keiner Routine und den vielen neuen, unbekannten Aufgaben macht den Einstieg nicht leichter, zumal auch das ganze System Stress macht. BerufsanfängerInnen berichten von einem Drama beim Berufseinstieg, bis man als LehrerIn akzeptiert wird. Der Worst Case ist das Scheitern. Die KollegInnen fungieren als Stützen und HelferInnen und nicht zuletzt werden die eigenen Erfahrungswerte selbstreflexiv analysiert. Aufgrund der ersten Routine ist eine Stei‑

gerung von Jahr zu Jahr erkennbar.

Mentoring aus der Sicht der BerufsanfängerInnen (BA_B)

„Du kommst hinein [in die Schule, Anm.] und hast vom Tuten und Blasen keine Ahnung.“ (BA_10: 83) BerufsanfängerInnen benötigen und beanspruchen von SchulleiterInnen und KollegInnen Un-terstützung. Diese ist dann besonders wertvoll, wenn nicht explizit danach gefragt werden muss.

In überwiegendem Maße funktioniert dies perfekt, unabhängig davon, ob es sich um Schullei-terInnen oder KollegInnen bzw. um fachliche oder allgemeine Fragestellungen handelt. Schul-leiterInnen unterstützen die BerufsanfängerInnen meist in administrativen Belangen, während KollegInnen oftmals durch Tipps prophylaktisch Fehlern vorbeugen. Zuhören und Verständnis zeigen sind ebenso hilfreich wie das Bereitstellen von Arbeitsmaterialien. Erst durch das Mento-ring erhalten die BerufsanfängerInnen einen schulischen Überblick, insbesondere im zwischen‑

menschlichen Umgang mit den SchülerInnen und im Bereich der Bürokratie.

Institutionelle Ausbildung aus der Sicht der BA (BA_C)

„In der Praxis merkt jeder Student: ‚Ist das mein Beruf oder nicht?‘“ (BA_06: 54)

Neben der wahnsinnigen Bürokratie sind es vor allem die zu vielen Stunden, die den Berufsanfänge-rInnen negativ in Erinnerung sind. Zur Selektion würden die BerufsanfängeBerufsanfänge-rInnen einen Aufnah‑

metest anwenden, wo wirklich herausgefiltert wird, wer als LehrerIn geeignet ist und wer nicht. In der Ausbildung spielt das anwendungsorientierte Wissen eine zentrale Rolle, dies trägt zur fachli‑

chen Sicherheit beim Berufseinstieg bei. Bezogen auf die Ausbildungsinhalte sind Leistungsfeststel-lung und -beurteiLeistungsfeststel-lung dominant, sowohl in praktischer als auch in rechtlicher Hinsicht.

Die Erwartungen an die Bildungswissenschaften sind hoch, sie bilden die Essenz in der Ausbil-dung. Neben der Vorbildwirkung der DozentInnen tragen auch die Praxislehrpersonen zum Erfolg oder Misserfolg in der Ausbildung bei.

Die praktische Ausbildung ist etwas vom Wichtigsten in der Ausbildung. Leider fehlt zum Teil die Realität, denn Praxisstunden sind oft eine Show. Als Lösung dafür gelten Gespräche mit Lehre‑

rInnen in der Praxis, um richtige Praxisberichte zu hören.

Die größten Desiderate in der Ausbildung liegen laut den BerufsanfängerInnen im Bereich des administrativen Wissens.

Disziplin & Classroom Management (BA_D)

„Das Hauptproblem war eindeutig die Disziplin.“ (BA_19: 41)

In der Kategorie Disziplin & Classroom Management thematisieren die BerufsanfängerInnen die Handhabe, wie sie mit SchülerInnen insbesondere bei Disziplinproblemen umgehen. Dieses Thema wird emotional diskutiert, es ist auch vom Kampf mit den SchülerInnen die Rede. De-siderate in der Ausbildung werden im engeren Sinne im Bereich des Themenbereichs Disziplin angesprochen, im Weiteren in Bezug auf das Classroom Management und die Frage: Wie gehe ich mit den Kindern um? Ein Lösungsansatz lautet, viel mit ihnen reden. Schließlich gibt es auch einzelne BerufsanfängerInnen, die beim Berufseinstieg keine gröberen Schwierigkeiten mit Class-room Management und Disziplin in der Klasse hatten.

Kriterien für Berufszufriedenheit der BerufsanfängerInnen (BA_E)

„Von den Schülern her bin ich heuer total begeistert.“ (BA_03: 22)

Ein wesentliches Kriterium für die Berufszufriedenheit der BerufsanfängerInnen ist die Quali-tät der Kooperation sowohl mit den SchülerInnen als auch mit den LehrerkollegInnen bzw. mit der Schulleitung. Wenn die bürokratischen Abläufe bekannt sind, bleibt mehr Zeit für SchülerIn-nenfeedback in Form von persönlichen Gesprächen und für die Pflege der zwischenmenschlichen Beziehungen zu den LehrerkollegInnen.

Wenn die BerufsanfängerInnen im Pflichtschulbereich69 die eigenen, studierten Fächer unterrich-ten und in einem Schultyp eingesetzt sind, wo sie sich mit der Altersstufe70 und den Intentionen71 der SchülerInnen identifizieren können, wird der Grad der Berufszufriedenheit ebenso erhöht.

Arbeitsbelastung & Überforderung der BerufsanfängerInnen (BA_F)

„Große Klassen […] das ist schon heftig zu unterrichten.“ (BA_02: 34)

In der Kategorie Arbeitsbelastung & Überforderung nennen die BerufsanfängerInnen Kriterien mit strukturellen, systemischen und dienstrechtlichen Ursachen. Hier spielen Klassengrößen und Gruppenzusammensetzungen ebenso eine Rolle wie im System vorgesehene Zusatzauf-gaben, z.B. die Betreuung eines Kustodiats. BerufsanfängerInnen fühlen sich dann zwar nicht heillos überfordert, es ist einfach stressig. Die an der Pflichtschule dienstrechtlich vorgeschriebene Supplierverpflichtung wirkt sich in zweifacher Hinsicht negativ aus, einerseits durch den erhöh-ten Mehraufwand als zusätzliche Arbeitsbelastung, andererseits durch rechtliche Unsicherhei-ten aufseiUnsicherhei-ten der BerufsanfängerInnen als emotionale Zusatzbelastung.

Nach der Analyse der SchulleiterInnen- und BerufsanfängerInneninterviews, der Kategori-sierung und inhaltlichen Beschreibung der Kategorien bzw. Kategorienebenen erfolgt im An-schluss eine inhaltliche Verknüpfung der verschiedenen Hauptkategorien über Schlüsselbegrif-fe. Über das Clustern (Bortz & Döring 2006; Breuer et al. 2018; Buber et al. 2000) einzelner Hauptkategorien wird die nächst höhere Ebene zur Konzeptentwicklung erreicht: die Cluster-kategorienebene I.

69 Sekundarstufe I: Neue Mittelschule (NMS), Polytechnische Schule (PTS)

70 NMS (Sek. I): 10–14 Jahre; PTS: 14–15 bzw. 16 Jahre (tlw. freiwilliges 10. Schuljahr)

71 Verschiedene Übergänge: Sek. I  Sek. II; Sek. I  PTS; PTS  duale Lehrausbildung (siehe auch Schultypen, Kap. III.1.3.1)