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2 Erkenntnisse zu den Forschungsfragen: Conclusiones

2.2 Conclusio Forschungsfrage 2

habitus mit der Ausbildung und vorerst auf unbewusster Ebene. Die Ausbildungsinstitutionen haben die Chance und die Pflicht, Lehramtsstudierende bewusst auf diese berufsbiografische Entwicklung vorzubereiten und diese durch Reflexionen, Feedback etc. in der LehrerInnenper-sönlichkeitsbildungs- und Habitualisierungsphase zu begleiten.

Auch in den Seminaren zur Induktionsphase beim Berufseinstieg und in der weiterführenden Fort-bildung besteht die Chance, den professionellen Habitus der LehrerInnen in Form einer durchaus theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema der Habitualisierung zu stärken und weiterzu-entwickeln. Professionalisierung hat nicht nur mit Besserwerden im Umgang mit täglichen, even-tuell banalen und trotzdem durchaus herausfordernden Tätigkeiten zu tun, sondern bezieht sich auch oder gerade auf theoretische Inhalte, die mit praktischen Erfahrungen verglichen, verknüpft oder in Widerspruch gesetzt werden. Dieser Auftrag liegt bei den Aus- und Fortbildungsinstituti-onen, sodass im Sinne der LehrerInnenprofession die Entwicklung von der Meisterlehre zur pro-fessionellen Lehre mit wissenschaftlich-reflexivem Habitus weiter vorangetrieben werden kann.

2.2 Conclusio Forschungsfrage 2

Zunächst kann festgestellt werden, dass in der vorliegenden Untersuchung für positive Deter-miniertheiten mehr Schlüsselbegriffe zu identifizieren sind als für negative. Daraus kann abge-leitet werden, dass das Stimmungsbild des Status quo, erzeugt durch die BerufsanfängerInnen und SchulleiterInnen, und die zu erwartenden Auswirkungen auf die nächsten Berufsjahre eher positiv besetzt sind.

Zu den positiv konnotierten Schlüsselbegriffen in Bezug auf die Auswirkungen der initialen Berufserfahrung auf den weiteren unmittelbaren beruflichen Verlauf gehören Einstiegswissen, Entwicklungsprozess, Hilfe, Professionalisierung, Sicherheit, Tipps, Gespräche und Vertrauen.

Ambivalente Begriffe sind Erwartungen, Perspektivenwechsel, Schock, Verantwortung und Zweifel. Die kleinste Gruppe der negativ konnotierten Schlüsselbegriffe besteht aus Desiderat, Illusion, keine Routine und Stress (Abb. 73).

Zur besseren Nachvollziehbarkeit und Transparenz werden die Schlüsselbegriffe der Abbildung 73 in der folgenden Diskussion kursiv dargestellt.

Positive Wirkungen

Positiv determiniert wird der weitere berufliche Verlauf durch vorhandenes Einstiegswissen. Dieses bezieht sich auf mehrere Bereiche des LehrerInnenberufs, beginnt bei administrativen und endet bei pädagogischen Belangen. Die positive Wirkung zeigt sich dadurch, dass Lehrpersonen die ih-nen zur Verfügung stehenden Ressourcen für sie bestmöglich verteilen könih-nen, ohne vom Gefühl der Überforderung übereilt zu werden. Das wiederum gibt den ein bis drei Jahre im Dienst stehen-den LehrerInnen das – eventuell subjektive – Gefühl der Sicherheit und ebenso des Vertrauens, eine Art positive Spirale wird in Gang gesetzt. Aber auch das Vertrauen, das die SchulleiterInnen den Lehrpersonen entgegenbringen, wirkt positiv. Die Berufszufriedenheit steigt signifikant, was sich in weiterer Folge auch auf andere Bereiche des LehrerInnenalltags auswirkt. Die Hilfe wird von den BerufsanfängerInnen oft thematisiert. Hier kann zwischen vorauseilender, nicht eingeforder-ter Hilfe und jener auf Nachfrage uneingeforder-terschieden werden. Ebenso können die Hilfemaßnahmen in unstrukturierte bzw. informelle (Tipps zwischendurch) und strukturierte bzw. formelle Settings (Reflexion und Feedbackgespräche im Rahmen des Mentoring-Prozesses) eingeteilt werden. Für beide Fälle gilt, dass BerufsanfängerInnen auf diese Hilfe angewiesen und ebenso dankbar dafür sind. In den Berufsjahren zwei und drei reduzieren sich die „Hilferufe“ signifikant, dies wird durch die Selbstwahrnehmung der betroffenen LehrerInnen ebenso bestätigt wie von den SchulleiterIn-nen aufgrund deren Fremdwahrnehmung. Unter den konkreten Hilfemaßnahmen verstehen die betroffenen Lehrpersonen nicht etwa das „Zeigen, wie es geht“, sondern viel mehr Tipps und Ge‑

spräche. Dies entspricht mit Einschränkung dem Ansatz des Mentoring-Prozesses, wo die Stärkung der Persönlichkeit und das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund stehen. Gerade durch die Gespräche, in erster Linie sind es formelle Mentoring-Gespräche, werden Entwicklungsprozesse in Gang gesetzt, die besonders von den SchulleiterInnen wahrgenommen und in den Gesprächen zur empirischen Untersuchung erwähnt werden. Letztlich befördern die Entwicklungsprozesse die Professionalisierung und Habitualisierung der noch am Beginn der Berufslaufbahn stehenden Lehrpersonen. Die möglicherweise wesentlichste Auswirkung sind Inkorporierungsvorgänge durch erste positive Berufserfahrungen und die initiale Entwicklung eines wissenschaftlich-reflexi-ven Habitus mit der Triade des professionellen Wahrnehmens, Denkens und Handelns.

Ambivalente Wirkungen

Ein Schlüsselbegriff, der zu ambivalenten Wirkungen bei den befragten Lehrpersonen führt, ist der Perspektivenwechsel. Dieser wird bereits in der Ausbildung initiiert, indem in den päda-gogisch-praktischen Studien die Rolle der Lehrperson einzunehmen versucht wird. Tatsächlich

unterscheidet sich jedoch die Rolle der Lehrperson von jener der Praktikantin bzw. des Prakti-kanten maßgeblich. Die Herausforderungen des Perspektivenwechsels werden nicht nur von BerufsanfängerInnen im ersten Dienstjahr, sondern auch von Lehrpersonen im zweiten und dritten Dienstjahr thematisiert. Einerseits ist vom guten Gefühl, endlich Lehrperson zu sein, die Rede und andererseits wird die Herausforderung des Wechsels von der bzw. dem Studie-renden zur Lehrperson genannt. Letztlich ist es eine Herausforderung der Habitualisierung.

Der SchülerInnenhabitus wirkt nach und dessen inkorporierte und mit dem Feld verknüpften Erfahrungen stehen teilweise im Widerspruch zum sich jetzt ausbildenden LehrerInnenhabitus mit ganz anderen Kapital- und Machtgefügen im selben Feld Schule, um in der Terminologie Bourdieus zu bleiben.

Auch die Erwartungen und die damit verbundene Verantwortung wirken ambivalent. Die Lehr-personen stehen nach ihrer Ausbildung endlich im Berufsleben und sind nun fachlich und dienstrechtlich autorisiert, SchülerInnen zu unterrichten, was ein Gefühl des Stolzes mit sich bringt. Zugleich bewirken Erwartungen und Verantwortung auch Erfolgsdruck im Kollegium, gegenüber der Schulleitung, den SchülerInnen, Eltern etc. Dieser Erfolgsdruck, insbesondere wenn diesem nicht oder nicht genügend Stand gehalten werden kann, führt zu Zweifel, sogar von Gedanken über Berufsabbruch ist in den Interviews die Rede. Der Schock bzw. Praxis-schock, eine Auswirkung der Überforderung in den ersten Berufsjahren, kann Verhaltensweisen in zwei Richtungen hervorrufen. Im negativen Fall führt er zu Lähmung, Stagnation bzw. zu unproduktivem LehrerInnenverhalten, im positiven fühlen sich Lehrpersonen angefeuert. Die-se sprechen in dieDie-sem Zusammenhang vom Durchstarten.

Zusammengefasst kann zu ambivalenten Wirkungen konstatiert werden, dass dieses Thema mit Ungewissheit, Kontingenz und Unverfügbarkeit bzw. mit krisenhaften Erfahrungen in Zusam-menhang steht. Der Umgang mit Krisen ist Ausdruck der Ambivalenz des LehrerInnenwirkens in den ersten Berufsjahren.

Negative Wirkungen

Explizit negative Wirkungen können aus den empirischen Erkenntnissen lediglich mit einigen wenigen Schlüsselbegriffen konnotiert werden. An erster Stelle sind hier, und diese Positio-nierung entspricht auch dem Erkenntnisbild der Befragung, Desiderate in der Ausbildung zu nennen. Ärger und Überforderung sind in diesem Zusammenhang die Wirkungen – und laut den Äußerungen der Lehrpersonen völlig unnötig. So sind häufig Desiderate von einfach in die Ausbildung zu integrierenden Inhalten die Ursache für Überforderung und unnötigen Stress, der sich dann aufgrund der fehlenden Zeitressourcen in die pädagogische Arbeit überträgt. Die Rede ist von den bereits diskutierten Themen Administration und Systemwissen. Die fehlende bzw. nicht vorhandene Routine führt ebenso zu Stressverhalten von Lehrpersonen in den ers-ten Dienstjahren. Vom nächtelangen Unterrichtsplanen ist in diesem Zusammenhang die Rede.

Dass viele Berufsanfängerinnen mit Illusionen in den Beruf starten und die ersten Berufsjahre benötigen, um ein reales Berufsbild zu erhalten, wirkt insofern, als die Lehrpersonen nicht so-fort zielgerichtete pädagogische Arbeit leisten können. Zu viel Aufmerksamkeit muss für das Zurechtrücken des „verschobenen“ LehrerInnenbilds aufgewendet werden. Möglicherweise trägt diese berufsbiografische Phase wesentlich zum Perspektivenwechsel von der bzw. vom Stu-dierenden zur Lehrperson bei. Damit einher geht der noch zu geringe Grad der Habitualisie-rung als Lehrperson, insbesondere wenn der Studierenden- oder gar SchülerInnen-Habitus zu präsent sind. Insofern ist die Absolvierung des Lehramtsstudiums in Mindestzeit kein Vorteil per se. BerufsanfängerInnen, die an einer achtjährigen Schulform maturieren und ohne Zivil- bzw. Präsenzdienst das Studium starten, haben wenig Zeit für den in Bezug auf die Illusionen

wesentlichen Perspektivenwechsel und die Habitualisierung mit der Inkorporierungsphase zur initialen Ausbildung der LehrerInnenpersönlichkeit.

2.3 Conclusio Forschungsfrage 3