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4 Situationsanalyse des exemplarischen Gestaltungsobjekts: Das Arbeitssystem

4.4 Zukünftige Entwicklung des Arbeitssystems Krankenhaus

genannten Gründen, insbesondere der Individualität der Krankenhäuser keine operati-ven Ziele einzelner Krankenhäuser festgelegt werden.

Aus der systemischen Betrachtung des klinischen Arbeitssystems ergeben sich folgen-de einzubeziehenfolgen-de Stakeholfolgen-der:

 Ärzte und Pflegekräfte (stellvertretend für die Beschäftigten)

 Patienten und Angehörige

 Krankenhausmanagement und Krankenhausträger

 Politik und Krankenversicherungen

 Niedergelassene Ärzte (als Zu- bzw. Einweiser).

Ziele eines Krankenhausbetriebes

Zur Definition allgemeiner strategischer Ziele stellt sich aus arbeitswissenschaftlicher Sicht die Frage nach der übergeordneten Aufgabenstellung und Aufgabenerfüllung des betrachteten Arbeitssystems. Abgeleitet aus der primären Aufgabenstellung des klini-schen Versorgungsauftrags ist das oberste Ziel die Sicherstellung einer hohen Be-handlungsqualität in der Patientenversorgung. Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht be-misst sich die Qualität anhand der Aufgabenerfüllungsquote (Aufgabeerfül-lung/Aufgabenstellung). Die Effizienz bemisst das Verhältnis von Qualität zum Res-sourceneinsatz.

Zum Erreichen der übergeordneten Aufgabenstellung des Krankenhausbetriebs erfolgt im Sinne der Arbeitsorganisation eine Gliederung der Versorgungsaufgabe in Teilauf-gaben. Die Teilaufgaben werden einzelnen Bereichen oder Funktionseinheiten des Krankenhauses (Ablauf- und Aufbauorganisation) zugeordnet, wobei sich die Zuord-nung bisher primär an der Spezialisierung der Medizin orientiert.

In Zeiten zunehmender Subspezialisierung der Medizin und steigender Patientenfälle mit multimorbiden Erkrankungen wird eine solche Zuordnung zu einzelnen Fachklini-ken künftig nicht mehr möglich sein. Sie entspricht auch nicht mehr dem aktuellen Stand der Behandlungsabläufe. Hauptgrund hierfür ist der Bedarf multidisziplinärer Behandlungsteams für die Versorgung eines Patienten, die sich aus Ärzten, Pflegekräf-ten, Therapeuten und Weiteren zusammensetzen.

Heute sind innovative zukunftsorientierte Klinik- und Behandlungssysteme nötig, die in erster Linie patientenorientiert sind und trotzdem die Ziele der einzelnen Berufs- und Interessengruppen berücksichtigen.130

130 Vgl. Lüngen, B. & Zluhan, M., 2010, S.75.

Die unterschiedlichen Interessengruppen verfolgen jeweils eigene allgemeingültige Ziele, die sich in Anlehnung an einen Balance Scorecard-Ansatz für Kliniken zusam-menfassen lassen:131

Aus Sicht der Patienten und Angehörigen:132

 Hohe Sicherheit in den Abläufen

 Transparente Abläufe

 Reibungslose Abläufe (keine Dopplungen und Wartezeiten)

 Informationstransparenz (Behandlungsablauf und Patientenzustand) Aus Sicht der Mitarbeiter:133

 Reibungslose Arbeitsabläufe und ausreichend Zeit für Patientenbehandlung

 Informationstransparenz (Kommunikations- und Informationsfluss)

 Einwandfreie Gerätetechnik (aktuell und funktionstüchtig)

 Unterstützung von teilweise nicht planbaren Abläufen (IT)

 Personalentwicklungsmöglichkeiten

 Klare Führungs- und Leitungsstrukturen

Aus Sicht des Krankenhausmanagements und des Trägers:134

 Klinische Qualität

 Hohe Zufriedenheit der Mitarbeiter und Patienten

 Hohe Leistungsfähigkeit des Systems

 Hohes Reaktionsvermögen, um Risiken abzuwenden und Chancen zu nutzen

 Wirtschaftlichkeit des Krankenhauses

 Permanent gesicherte positive Liquiditätslage

 Flexible Finanzierungs- und Investitionsmöglichkeiten Aus Sicht der Kostenträger135

 Geringe Kosten

 Reibungslose Abläufe

 Transparente Abrechnungsprozesse

Aus Sicht der niedergelassenen Ärzte (Einweiser) und Anderer:136

 Gute Kommunikationsbasis

 Informationstransparenz

 Gute Abstimmung der Behandlungsabläufe

131 Ursprünglich ein von R. S. Kaplan und D. P. Norton entwickeltes Konzept zur Strategiefindung aus verschiedenen unternehmensrelevanten Perspektiven. Vgl. Gabler-Wirtschaftlexikon.

132 Vgl. Podtschaske, B. et al., 2011c, S. 222f.

133 Vgl. Bräutigam, C. et al., 2009, S. 66ff.

134 Vgl. Tecklenburg, A. 2010, S. 41f.; Roeder, N., 2010, S. 337f.; Naegler, H., 2008, S. 1; Rong, O. &

Schüchtermann, J., 2009, S. 18; Salfeld, R. et al., 2009, S. 119, 127.

135 Vgl. z.B.: Terrahe, M., 2010., S. 53; Hornbach, G. & Zwilling, G., 2010, S. 255f.

136 Vgl. z.B.: Quante, S., 2010, S. 93.

Aus dem Zielkatalog wird ersichtlich, dass reibungslose Abläufe für alle Stakeholder sehr bedeutend sind. Zur Erfüllung dieses Ziels müssen sich Krankenhäuser künftig insgesamt prozessorientiert(er) ausrichten. Dann lassen sich auch Kosteneffizienz und Transparenz besser nachweisen.137

Bauliche und informationstechnische Strukturen bilden die zentralen Voraussetzungen für eine effektive, effiziente und sichere Patientenbehandlung. Sie sollten sich daher an den Wertschöpfungsketten der Krankenhäuser, also den Behandlungs- und Arbeitsab-läufen orientieren, um flexibel auf die Umweltanforderungen reagieren zu können. Wei-tere wesentliche Voraussetzung reibungsloser Abläufe ist eine funktionierende Zu-sammenarbeit der Mitarbeiter. Die interne Kooperation aller am Behandlungsprozess Beteiligten muss gefördert werden. Unter Berücksichtigung der fortlaufenden Subspe-zialisierung der Medizin bedeutet das: Multidisziplinäre Stakeholder müssen in ihrer Zusammenarbeit unterstützt werden. Das wiederum erfordert eine Unterstützung der Kommunikations-, Koordinations- und Wissensintegrationsprozesse.138 Dafür werden Methoden und Instrumente zur prozessunterstützenden Behandlungsdatenerfassung, Behandlungsprozessüberwachung und Systemdiagnose benötigt.

Die vielfältigen Ziele der einzelnen Stakeholder des Arbeitssystems Krankenhauses lassen sich den vier wesentlichen Ziele einer Unternehmensorganisation zuordnen.

Diese lauten: 139

 Stabilität

 Flexibilität

 Effektivität und

 Effizienz.

Die Umsetzung dieser Ziele ist Aufgabe der Unternehmensführung. Sie nimmt zur Ziel-erreichung in erster Linie Änderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation sowie der Personalführung vor. Diese Aufgaben zielen auf eine Verhaltensbeeinflussung des Personals auf organisationaler und auf persönlicher Ebene, um die Unternehmensziele zu erreichen.140

Die genannten Ziele bilden in komplexen Systemen allerdings ein Spannungsfeld, wie es PODTSCHASKE (2012) ausführlich nachweist.

137 Vgl. Offermann, G., 2011, S. 133ff.

138 Vgl. Steinheider, B. & Burger, E., 2000, S. 553f.

139 Vgl. z.B. Bullinger, H.-J. et al., 2009, S. 7.

140 Ebd., S. 7.

Es besteht z.B. zwischen Stabilität und Flexibilität oder zwischen Flexibilität und Effizi-enz.141 Dies gilt es in einem ausgewogenen Verhältnis zu balancieren.142 Stabilität er-möglicht der Organisation „auf gleichartige oder ähnliche Einwirkungen unter ver-gleichbaren Randbedingungen standardisiert zu reagieren“.143 Gerade bei der Gestal-tung von dauerhaften Strukturen ist die Stabilität ein zentrales Merkmal.

Flexibilität hingegen betrifft primär organisationale Maßnahmen, um möglichst kurzfris-tig auf Entwicklungen und Veränderungen der Umwelt reagieren zu können. Effektivität und Effizienz beziehen sich vor allem auf die Prozesse und Abläufe der Organisation.

Prozesse sind der Kern der Organisation, um Ziele zu erreichen.

Zusammenfassend lassen sich folgende übergeordnete Ziele eines zukunftsfähigen Krankenhauses festhalten:

 Moderne Klinik- und Behandlungsprozesskonzepte (Flexibilität, Effektivität)

 Lebensfähigkeit144 durch kontinuierliche Anpassung (langfristige Stabilität)

 Adaptionsfähigkeit der klinischen Strukturen (Flexibilität)

 Patientenorientierte Abläufe (Flexibilität, Effizienz)

 Interdisziplinär kooperierende Behandlungsteams (kurzfristige Flexibilität)

 Prozessunterstützende Strukturen (Stabilität, Effizienz)

 Informationstechnische Unterstützung der Behandlungsprozesse (Effektivität, Ef-fizienz)

Nach der Definition der Ziele ist die Gestaltungsfrage der Systemstrukturen zu klären, um in dem dynamischen Umfeld eines Krankenhauses ausreichend anpassungsfähig bzw. wandlungsfähig reagieren zu können und die Voraussetzungen für das Erreichen der Ziele zu schaffen.145

Folgende Darstellung bietet eine Zusammenfassung der Ursache-Wirkungskette des komplexen Arbeitssystems Krankenhaus.

141 Vgl. de Treville, S. et al., 2007, S. 341.

142 Vgl. Podtschaske, B., 2012a, S. 107ff.

143 Siehe Bullinger, H.-J. et al., 2009, S. 7.

144 Lebensfähigkeit gilt im kybernetischen Verständnis nach Malik (2008) als übergeordnetes Ziel jeden Systems. „Was mit Lebensfähigkeit tatsächlich gemeint ist, ist vielmehr, dass die spezifische Zu-standskonfiguration, in welcher sich ein System faktisch befindet, auf unbestimmte Zeit aufrechterhal-ten werden kann.“, Vgl. Malik, F., 2008, S. 102.

145 Vgl. Westkämper, E., 2008, S. 93f.; Wiendahl, H.-P. et al., 2009, S. 122.

Abb. 7: Darstellung der Ursache-Wirkzusammenhänge des Krankenhauses als komplexes Arbeitssystem.

Quelle: Eigene Darstellung.

Die Anforderungen, die sich aus der Situationsbeschreibung und den Zusammenhän-gen des klinischen Arbeitssystems ergeben, werden im folZusammenhän-genden Abschnitt erläutert.

Arbeitssystem ist  komplex

Starre Systemstrukturen 

Individuelle Patienten

Fehlende Methodik zur  Komplexitätsreduktion

Multidisziplinäre  Kompetenzteams Interdisziplinäre 

Behandlungsteams Multimorbide 

Krankheitsbilder

Individuelle Behandlungsprozesse

Steigende  Patientenzahlen

Gewachsene  Systemstrukturen

Fehlende Prozess‐

Evidence (Standards)

Staatliche Regulierung,  z.B. Gesetze, Investitionen

Vielfalt der Medizin

Zwischenfazit:

 Die Vielfalt der Patienten, des medizinischen Personals und der Einflussfakto-ren auf das klinische Arbeitssystem bleibt auch in Zukunft bestehen.

 Die Dynamik wird vermutlich weiter zunehmen. Das Arbeitssystem Kranken-haus bleibt komplex.

WAS DIE ZUKUNFT WIRKLICH BRINGT,

DAS WISSEN WIR NICHT,

ABER DAS WIR HANDELN MÜSSEN,

DAS WISSEN WIR. (FRIEDRICH DÜRRENMATT)

4.5 Analyse der Anforderungen an eine verbesserte