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4 Situationsanalyse des exemplarischen Gestaltungsobjekts: Das Arbeitssystem

4.2 Ursachen schlechter Krankenhausstrukturen

Sie zeigen erst bei differenzierter Betrachtung, dass z.B. der Zustand der Kranken-hausinfrastruktur privater Träger gegenüber öffentlichen und freigemeinnützigen Trä-gern im Mittelwert besser, im Sinne von moderner, ist. Derzeit existierende Kranken-hausbauten entsprechen häufig weder den aktuellen Ansprüchen klinischer Behand-lungs- und Arbeitsabläufe noch den Anforderungen zukünftiger Krankenhausorganisa-tionen.96 Vielfach sind die Bauten in den verschiedenen Jahrzehnten des 20. Jahrhun-derts entstanden. Deren Zielplanungen waren vorwiegend geprägt von städtebaulichen und rein architektonischen Aspekten.97

Die heutigen Ansprüche z.B. in Bezug auf Hygiene, Sicherheit, Prozessunterstützung und Anpassungsfähigkeit sind in den bestehenden Gebäuden teilweise überhaupt nicht umsetzbar. Das bestätigt auch SALFELD et al. (2009): „Viele der bestehenden Kranken-hausbauten sind von ihrer architektonischen Anlage her zusehends ungeeignet, um die immer höheren Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Qualität stationärer Versor-gung zu erfüllen. Pavillonbauweise und große Bettenkapazitäten erweisen sich als Anachronismus, wenn Behandlungsabläufe immer stärker rationalisiert werden und die Verweildauer immer kürzer wird.“98 Neben dem extrem langen Planungshorizont ist die Finanzierung der Krankenhausinvestitionen ein besonderes Problem. Die Vorgaben und Richtlinien regeln die verschiedenen Bundesländer sehr individuell, so dass ein transparentes Vorgehen fehlt.99

Der erste Schritt zur Verbesserung ist gemacht: Die Erkenntnis der Notwendigkeit zur Veränderung klinischer Strukturen und deren Potenziale ist bei vielen Experten vor-handen.100 Das leitet zum nächsten Problemfeld über, dem Prozess zum Erreichen verbesserter Strukturen eines Krankenhauses.

Die Planungsphasen für einen Krankenhausbau ziehen sich nicht selten zwischen fünf und zehn Jahre hin.101 Während dieser langen Zeitspanne verändern sich i.d.R. die medizinischen, technischen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen er-heblich. „[…] vieles, was bei der Planung als hochaktuell erschien, ist deshalb bei der Inbetriebnahme schon wieder überholt.“102 Aufgrund der Vielzahl Beteiligter an den Genehmigungs- und Entwurfsphasen, lässt sich dieser Prozess ohne politische Grund-satzentscheidung nicht einfach beschleunigen. Aus diesem Grund und weil sich die technischen und medizinischen Entwicklungen in Zukunft noch schneller verändern

96 Vgl. Offermanns, G., 2011, S. V.

97 Vgl. Kapitel 5.2: Exkurs zu Entwicklung der Krankenhausarchitektur.

98 Siehe Salfeld, R. et al., 2009, S. 23.

99 Vgl. Bandemer, S. von et al., 2010, S. 45.

100 Vgl. Salfeld, R. et al., 2009, S. 22f., Penter, V. & Arnold, C., 2009, S. 88; Thiede, A. 2006, S. 113f.;

Lexer, G., 2006, S. 89f., Bandemer, S. von et al., 2010, S. 18ff.

101 Vgl. Bauer, H.,2006, S. 25.

102 Siehe Bauer, H., 2006, S. 25.

werden, bleibt es bei der Forderung: Neubauten müssen so flexibel konzipiert sein, dass sie späteren Entwicklungen angepasst werden können.103

Eine weitere Besonderheit insbesondere des Krankenhauswesens ist, dass die Bau-planung und -gestaltung „oftmals […] auf konventionelle Art und Weise in Eigenregie erbracht“ wird.104 Die Einbindung von Fachplanern und Architekten ist dabei kein Indiz für eine qualitativ gute Planung. Denn „[O]bwohl alle Krankenhäuser oder Pflegeein-richtungen mit Architekten zusammenarbeiten, besitzen nicht alle Fachplaner die not-wendigen Voraussetzungen, um den besonderen Anforderungen von Gesundheitsbau-ten beim Neu‐ bzw. Umbau gerecht zu werden. Spezialisierte Fachkräfte mit entspre-chenden Branchenkenntnissen bilden bislang einen Engpassfaktor. [...] Die Folgen hiervon sind, dass noch zu oft Krankenhausneu‐ oder -umbauten durch nicht‐spezialisierte Fachplaner durchgeführt und den besonderen Anforderungen der Einrichtungen nicht Rechnung tragen können.“105

Anstatt die Prozesse vorab zu analysieren und deren Anforderungen bereits im Stadi-um des Entwurfs neuer Strukturen zu berücksichtigen, werden die Prozesse vielfach erst nachträglich in bestehende Strukturen bzw. bereits umgebaute Strukturen einge-passt. Eine solche eingeschränkte Anpassung wird in der Arbeitswissenschaft auch als

„eine korrigierende bzw. korrektive Arbeitsgestaltung“ bezeichnet, da nur noch geringe Anpassungen umgesetzt werden können.106 Bei umfangreichen Neukonzeptionen, wie Neu- oder Umbauten, empfiehlt es sich, „ergonomische Anforderungen – zusammen mit technischen, organisatorischen und wirtschaftlichen Anforderungen – schon in der Gestaltungsphase gleichberechtigt“ zu berücksichtigen.107

Eine weitere Ursache schlechter Planungsergebnisse sind fehlende Überprüfungen und Bewertungen der Entwürfe. Die Planungsprozesse sind insbesondere im Gesund-heitswesen linear. Häufig definieren der Auftraggeber, das Krankenhausmanagement oder der Träger primär monetäre Anforderungen. Diese werden vom Architekten als gegeben hingenommen und umgesetzt. Bisher sind im Planungsprozess wenige Kont-rollmechanismen oder Testschleifen, wie sie in der Produktentwicklung typisch sind, eingebaut.108

Das nachfolgend beschriebene Fallbeispiel ist charakteristisch für prozessverändernde Maßnahmen im Krankenhaus.109 Es entstand aus einer Anfrage für eine nachträgliche Verbesserung und Anpassung der Prozesse, an bereits betonierte Strukturen.

103 Siehe Thiede, A., 2006, S. 113.

104 Siehe Glock, C., Schultheis, J., 2009, S. 323.

105 Siehe Bandemer, S. von et al., 2010, S. 73.

106 Vgl. Schlick, C. et al., 2010, S. 70f.

107 Siehe Peters, H., 2007, S. 735.

108 Vgl. Barach, P. & Dickerman, K. N., 2006, S. 15.

109 Eigener Erfahrungsbericht.

Es handelt sich um ein umgebautes ambulantes Zentrum, bestehend aus drei OP-Sälen, eine Ebene unterhalb des zentralen OP-Bereichs, verbunden über eine Treppe.

Patientenflüsse, Mitarbeiter- und Materialflüsse sollten nachträglich in diese Strukturen eingefügt werden. Ergebnis der durchgeführten Untersuchung war ein erneuter Umbau von Aufwachraum, Anästhesie-Einleitungsbereich und Aufzugsystem für Materialien-transporte aus dem Zentral-OP.

Dieses und andere Beispiele haben neben verlängerten Umbauzeiten und höheren Kosten auch oftmals frustrierte Mitarbeiter zur Folge. Denn in den meisten Fällen er-folgt ein Umbau im Krankenhaus notgedrungen im laufenden Betrieb. Die Ursachen dieser unzureichenden Planungen liegen in mehrstufig vernetzten Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen (siehe Abb. 6):

Abb. 6: Ursache-Wirkungsdiagramm unzureichender Infrastrukturen im Krankenhaus.

Quelle: Eigene Darstellung.

Die genannten Ursachen resultieren vielfach aus der Komplexität des Systems und der damit verbundenen Komplexität der Planung.110 Eine 2008 durchgeführte Studie von KPMG bestätigt die Forderung nach Strategien und Vorgehensmodellen, die die indivi-duellen Chancen und Risiken, Stärken und Schwächen der Krankenhäuser, abhängig von ihrer äußeren Umgebung, berücksichtigen.111 Sowohl Wirtschafts- als auch Pro-zessanalysen in unterschiedlichen Krankenhäusern bestätigen immer wieder deren jeweils besondere Individualität.

110 Vgl. Salfeld, R. et al., 2009, S. 23ff.

111 Vgl. Penter, V. & Arnold, C., 2009, S.133f.

Arbeitssystem ist  komplex

Starre Systemstrukturen 

Individuelle Patienten

Fehlende Methodik zur  Komplexitätsreduktion

Multidisziplinäre  Kompetenzteams Interdisziplinäre 

Behandlungsteams Multimorbide 

Krankheitsbilder

Individuelle Behandlungsprozesse

Steigende  Patientenzahlen

Gewachsene  Systemstrukturen

Fehlende Prozess‐

Evidence (Standards)

Staatliche Regulierung,  z.B. Gesetze, Investitionen

Vielfalt der Medizin

Es gibt nicht das einheitliche Krankenhaus und wird es vermutlich auch künftig nicht geben.112 Zu individuell sind die Patienten und die Menschen, die in diesem System arbeiten und die medizinische Behandlung durchführen.113 Strukturelle Unterschiede u.a. nach Trägerschaft, Größe, Lage und Fachdisziplinen müssen individuell betrachtet werden. Bisher werden Krankenhäuser u.a. nach Versorgungsstufen unterschieden.

Sie werden allerdings in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich definiert.114 Dennoch sollte es möglich sein, eine einheitliche Methode zu konzipieren, weil Kom-ponenten innerhalb der Häuser überall gleich sind. Ein solches Vorgehen müsste hel-fen, die planungsrelevanten Informationen und klinischen Zusammenhänge zu verste-hen.