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D. S TRAFRECHTLICHE A SPEKTE

13. Zoll

Die EZV befasst sich zunehmend mit dem grenzüberschreitenden Drogenschmuggel.396 In ihrer Medi-enmitteilung vom 5. Februar 2013 verzeichnete die EZV 2012 eine 40%ige Zunahme an Bodypackern in der Schweiz im Vergleich zu den Vorjahren.397 Von den insgesamt 192 durch die EZV entlarvten Dro-genkurieren betrieben 105 Bodypacking.398

Zollstellen überwachen die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Betäubungsmitteln und wirken somit bei der Drogenbekämpfung mit.399 Die Zollstellen führen keine aufwendigen Ermittlungen zu einreisenden verdächtigen Personen durch, denn das ist die Aufgabe der Polizei, mit der sie eng zusammenarbeiten.

Beim Verstoss gegen das BetmG kontaktieren die Zollstellen die zuständigen Stellen (Swissmedic, Po-lizei etc.), welche das weitere Vorgehen festlegen.400

Zollbeamte identifizieren Verdächtige insb. aufgrund des Routings oder aufgrund von auffälligem Ver-halten.401 Sie müssen gerade i.Z.m. Bodypacking auf Rassismus und Diskriminierung besonders sensi-bilisiert werden und sich der öffentlichen Wahrnehmung ihrer Arbeit bewusst sein. Spürhunde sind im Falle von intrakorporalem Drogentransport keine grosse Hilfe, da sie keine Substanzen im Darm auf-spüren können.402

13.1. Körperliche Durchsuchung und Untersuchung gemäss Art. 102 ZG

Gemäss Art. 225 Abs. 1 ZV gilt als körperliche Durchsuchung, auch Personendurchsuchung oder Lei-besvisitation genannt, das Suchen nach körperfremden Sachen, Beweismitteln oder Spuren (bzw. In-formationen) an der gesamten Körperoberfläche und in einsehbaren Körperhöhlen (Achselhöhle, Bauchnabel) und Körperöffnungen (Augen, Ohren, Nasenlöcher und Mundhöhle) ausserhalb des

396 HAUSMANN/BLUM/LESCHKA, S. 541.

397 Medienmitteilung der EZV, 05.02.2013, https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-47656.html.

398 dito.

399 Eidgenössische Zollverwaltung EZV, o.D., https://www.ezv.admin.ch/ezv/de/home/information-private/verbote--beschraenkungen-und-bewilli-gungen/betaeubungsmittel-und-drogen.html.

400 Eidgenössische Zollverwaltung EZV, o.D., https://www.ezv.admin.ch/ezv/de/home/information-private/verbote--beschraenkungen-und-bewilli-gungen/betaeubungsmittel-und-drogen.html; Interview mit Herrn Rentsch vom 28.10.2020 (s. Rz. 536).

401 TRAUB/HOFFMAN/NELSON, S. 2520.

402 Herr Rentsch in einem Interview mit SRFNEWS, 09.01.2020, https://www.srf.ch/news/regional/ostschweiz/toter-drogenkurier-bodypacker-riskie-ren-ihr-leben-fuer-wenig-geld.

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Intimbereichs (Vaginal- und Analbereich sowie Harnröhre).403 Die körperliche Durchsuchung umfasst insb. die Durchsuchung der Kleider und der Hautoberfläche. Im Vordergrund steht gemäss Art. 36 Abs. 3 i.V.m. Art. 104 ZG das Auffinden von gefährlichen sowie verbotenen Gegenständen, die sicher-zustellen sind.404

Als körperliche Untersuchung gilt jede weitergehende Untersuchung, namentlich die Untersuchung des Intimbereichs oder durch Röntgenaufnahmen (Art. 225 Abs. 2 ZV). Das Ziel einer Untersuchungs-massnahme liegt insb. darin, den physischen Zustand des Verdächtigen festzustellen, um daraus recht-lich erhebrecht-liche Schlüsse zu ziehen.405 Sie dient der Beweiserhebung, wobei im Körperinneren ver-steckte Gegenstände sicherzustellen oder relevante Körperwerte im Hinblick auf ein Straf- oder Ver-waltungsverfahren festzustellen sind.406 Die Durchführung der körperlichen Untersuchung kann unter-schiedliche Intensität annehmen.407 Die Examinierung von Körpermerkmalen, die Entnahme von Haa-ren und Speichel sowie die Durchführung von Röntgen- und Ultraschallbildern sind mittelschwere Grundrechtseingriffe.408 Die Blutentnahme sowie das Abtasten von Vagina, Anus und Mastdarm sind medizinische Eingriffe, die eine schwere Grundrechtseinschränkung darstellen (s. Rz. 60).409

Die Zollverwaltung darf gemäss Art. 102 Abs. 1 lit. a und b ZG eine Person körperlich durchsuchen oder sie körperlich untersuchen lassen, wenn der Verdacht besteht, dass von dieser Person eine Gefährdung ausgeht oder dass sie Gegenstände, die sicherzustellen sind, mit sich führt oder die Voraussetzungen für eine vorläufige Festnahme erfüllt sind.

Gemäss Art. 102 Abs. 2 ZG muss die körperliche Durchsuchung von einer Person gleichen Geschlechts vorgenommen werden (vgl. auch Art. 53 Abs. 1 in fine aZV). Nach Auffassung des Bundesgerichts gilt dies dem Schutze der verfassungsrechtlich verankerten, persönlichen Freiheit gemäss Art. 10 Abs. 2 BV.410 Nur sofern die Durchsuchung keinen Aufschub duldet, sind Ausnahmen von diesem Grundsatz gestattet.411 Gemäss Rechtsprechung wird dabei vorausgesetzt, dass zum Untersuchungszeitpunkt keine Person des gleichen Geschlechts für die Vornahme der Massnahme verfügbar ist.412

Die körperliche Untersuchung hingegen darf nur von einer Ärztin oder einem Arzt vorgenommen wer-den (Art. 102 Abs. 3 ZG). Weder Gesetzeswortlaut noch Rechtsprechung äussern sich allerdings aus-drücklich dazu, ob die körperliche Untersuchung von einer Person gleichen Geschlechts durchzuführen ist.413 Die Wahrung der Privatsphäre ist durch Ärztinnen und Ärzte aufgrund ihrer medizinischen Grundausbildung und ihrer Funktion – ungeachtet ihres Geschlechts – zu gewährleisten, weshalb kein Anspruch auf einen gleichgeschlechtlichen Untersuchenden erhoben werden kann.414

Körperliche Durchsuchungen und körperliche Untersuchungen müssen unter Ausschluss der Öffent-lichkeit erfolgen, wobei Ausnahmen nur bei Gefahr in Verzug gestattet sind (Art. 225 Abs. 3 ZV). Dabei

403 SHK-HEIMGARTNER, Art. 102 N 10; vgl. GRUNDER, S. 190; Art. 250 Abs. 1 StPO; § 35 Abs. 1 PolG-ZH; HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, § 70 N 16 f.; H UGEN-TOBLER/LOBSIGER, Art. 250 N 87; vgl. des Weiteren Art. 85 Abs. 2 StGB, wo der Begriff der Leibesvisitation verwendet wird sowie Art.101 f. ZG, welche zwischen Abtasten und körperlicher Durchsuchung unterscheiden.

404 SHK-HEIMGARTNER, Art. 102 N 11.

gilt gemäss altrechtlicher Rechtsprechung immer noch das ausdrücklich festgehaltene Erfordernis, wo-nach die Räume «geschlossen und im Winter geheizt sein sollen» (Art. 53 Abs. 1 aZV).415

Sowohl die körperliche Durchsuchung als auch Untersuchung sind so schonend wie möglich durchzu-führen (Art. 225 Abs. 4 ZV). Angesichts eines schonenden Vorgehens ist insb. dem Betroffenen die Gelegenheit zu bieten, mitzuwirken und sich freiwillig den Massnahmen zu unterziehen.416 Dabei ist nicht zu vergessen, dass gemäss dem Verbot des Selbstbelastungszwangs keine Mitwirkungspflicht be-steht.417

Art. 225 ZV verankert sinngemäss das verfassungsrechtliche Verhältnismässigkeitsprinzip im Falle ei-ner körperlichen Durchsuchung oder Untersuchung.

Die Grenzwächter haben den Verdächtigten über das Vorgehen zu informieren, bei Verständigungs-schwierigkeiten sodann mittels Handzeichen und Zeichnungen sowie notfalls auch mittels Nationalem Telefondolmetschdienst, welcher vom Bundesamt für Gesundheit eingerichtet wurde.418

CT-Untersuchungen sind gemäss zollbehördlicher Gesetzgebung von deren örtlich zuständigem Pikett-offizier anzuordnen.419 Die körperliche Untersuchung kann auch ohne den Willen der betroffenen Per-son formell angeordnet werden.420 Die Entscheidungsmacht über die Art und Weise der Durchführung der Untersuchung sowie die einzusetzenden Untersuchungsmittel liegt allerdings einzig beim Arzt.421 Der Arzt wird gemäss seinen berufsethischen Prinzipien einen Patienten gegen dessen Einverständnis nicht zu einer CT-Untersuchung zwingen. Da den Patienten keine Mitwirkungspflicht trifft, wird es auf das Abwarten der Ausscheidung der allfälligen Drogenpakete auf natürlichem Wege hinauslaufen.

415 SHK-HEIMGARTNER, Art. 102 N 7.

416 SHK-HEIMGARTNER, Art. 102 N 8.

417 dito.

418 Stellungnahme Bundesrat, AB 18.3900.

419 Interview mit Herrn Rentsch vom 28.10.2020 (s. Rz. 536).

420 Stellungnahme Bundesrat, AB 18.3900.

421 Stellungnahme Bundesrat, AB 18.3900.

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