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«Drogen sind nicht gefährlich, weil sie verboten sind. Drogen sind verboten, weil sie gefährlich sind.»

-R.WENNIG, 19981

Die Zunahme des internationalen Drogenschmuggels geht mit der gestiegenen Drogennachfrage ein-her.2 Der Weltdrogenbericht der UNO verzeichnete im Jahr 2018 rund 269 Millionen Menschen, die mindestens einmal in ihrem Leben illegale Rauschmittel konsumiert haben.3 Mit dem illegalen Drogen-handel, der sich zu einem globalen Geschäft entwickelt hat, werden jährlich mehrere Milliarden Euro umgesetzt.

Aufgrund der strengen Sicherheitskontrollen an den internationalen Grenzen sehen sich Drogen-schmuggler gezwungen, Drogen intrakorporal zu schmuggeln.4 Beim sog. Bodypacking werden unter-schiedliche Mengen an Drogen geschluckt und im Körper sowohl landesweit als auch über die Landes-grenzen hinaus transportiert. Es werden hauptsächlich professionell verpackte Kokain- und seltener Heroin-Bodypacks5 geschluckt.6 Europa und die USA zählen dabei zu den Hauptvertriebsmärkten für diese Drogensorten.

Die Tatsache, dass der Kokainkonsum in den Schweizer Städten über dem europäischen Durchschnitt liegt, ist besorgniserregend. In einem Interview mit der Basler Zeitung bezeichnet Frank Zobel, wissen-schaftlicher Stabsmitarbeiter bei Sucht Schweiz, die schweizerischen Bedingungen als ideal für einen florierenden Drogenmarkt7: «Die Schweiz liegt mitten in Europa, somit auf der Drogenschmuggelroute, und verfügt über ausreichend finanzielle Mittel».8

Gemäss der jährlichen Abwasserstudie der ETH-Wasserforschungsstelle Eawag 2016 wurde täglich 1,7kg Kokain in Zürich konsumiert.9 Die aktuelle Abwasserstudie der ETH aus dem Jahr 2019 berichtet von einem unveränderten, sich aber auf hohem Niveau haltenden Kokainkonsum in der Schweiz.10 Global betrachtet befindet sich die Schweiz auf dem vierten Platz des weltweit grössten Kokainkon-sums.11 Lediglich in Brasilien, Italien und Kolumbien wird mehr Kokain konsumiert, ergab eine Umfrage der Organisation «Global Drug Survey».12

1 in MADEA, S. 569.

2 KOHLMEIER, S. 1 i.V.m. AB HAMID/ABD RASHID/MOHD SAINI; vgl. auch HUBER, in: Tagesanzeiger 19.02.2020, https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/re-gion/auf-der-jagd-nach-den-kokskurieren-vom-drogenjet/story/31338656.

3 UNITED NATIONS OFFICE ON DRUGS AND CRIME, S. 10, 2020, https://wdr.unodc.org/wdr2020/field/WDR20_Booklet_2.pdf.

4 KOHLMEIER, S. 1 i.V.m. AB HAMID/ABD RASHID/MOHD SAINI.

5 Fingerlinge und Drogenpakete sind Synonyme für Bodypacks.

6 GRIMM/WUDY /ZIEGELER ET AL., S. 475; LAITENBERGER, S. 35.

7 BIRRER, in: Tagesanzeiger vom 27.05.2014, https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/ideale-bedingungen-fuer-den-drogenmar-kt/story/23419785.

8 BIRRER, in: Tagesanzeiger vom 27.05.2014, https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/ideale-bedingungen-fuer-den-drogenmar-kt/story/23419785.

9 ORT, 06.04.2016, https://www.eawag.ch/de/news-agenda/news-plattform/newsarchiv/archiv-detail/drogen-im-abwasser-mehr-als-ei-n-medi-enhype/.

10 ORT/SCHNYDRIG, 14.03.2019, https://www.eawag.ch/de/news-agenda/news-plattform/news/drogenkonsum-in-schweizer-staedten-unveraen-dert/.

11 GUANZIROLI, in: Crime Schweiz vom 18.04.2020, https://crimeschweiz.com/2020/04/18/bodypacker-das-ist-die-drogen-toilette-am-flughafen-zu-rich/.

12 GUANZIROLI, in: Crime Schweiz vom 18.04.2020, https://crimeschweiz.com/2020/04/18/bodypacker-das-ist-die-drogen-toilette-am-flughafen-zu-rich/.

Drogenfahnder13 gehen davon aus, dass 80% der Drogenkuriere14 die Rauschmittel mittels Bodypa-cking transportieren.15 Die effektive Zahl der Bodypacker ist wegen einer hohen Dunkelziffer nicht be-kannt, zumal nicht alle intrakorporal schmuggelnden Drogenkuriere erwischt werden, weshalb Bo-dypacking doch eine sichere Transportmethode für den Drogenhandel darstellt.16 Für den Drogenku-rier ist das Risiko erwischt zu werden geringer, jedoch setzt der Bodypacker bei jedem Transport sein Leben aufs Spiel.

Patienten, welche in Bodypacker-Praktiken verwickelt sind, konfrontieren die klinischen Notaufnah-men mit komplexen medizinischen, rechtlichen und ethischen Herausforderungen.17 Es kann sowohl in forensischer als auch insb. medizinischer Hinsicht (lebens-)entscheidend sein, die intrakorporalen Drogenpakete zu detektieren und lokalisieren, um einer Darmobstruktion, -perforation oder Drogen-intoxikation vorzubeugen.18 Grundsätzlich enthält bereits ein einzelnes Drogenpaket eine tödliche Do-sis des entsprechenden Betäubungsmittels.19 Beim Aufplatzen eines Drogenpakets tritt der Tod i.d.R.

innerhalb von 20 Minuten ein.20

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Literaturrecherche, welche sich insb. auf die straf-rechtlichen Aspekte i.Z.m. Bodypacking fokussiert. Das Ziel ist, der Leserschaft näherzubringen, welche strafrechtlichen Fragen im Umgang mit Bodypackern in der Schweiz auftreten. Insb. am Beispiel des Kantons St.Gallen soll aufgezeigt werden, wie ein funktionierendes Konzept, der nicht leicht zu bewäl-tigenden rechtlichen Anforderungen, aussehen kann. Die Arbeit beschränkt sich dabei auf den intesti-nalen Rauschmitteltransport (Bodypacking im engeren Sinne21).

Die Ausführungen auf den ersten Seiten des Hauptteils dieser Arbeit unter dem Übertitel «Bodypa-cking im Allgemein» sollen der Leserschaft zur Einführung in die Thematik dienlich sein. Dabei wird insb. auf die folgenden Fragen eingegangen: Was ist Bodypacking? Wer sind Bodypacker? Welche Dro-gen und in welcher Form schmuggeln sie die DroDro-genpakete?

Sodann werden im Rahmen des Übertitels «Rechtsmedizinische Untersuchung» die diagnostischen Methoden i.Z.m. Bodypacking unter die Lupe genommen und deren Vor- sowie Nachteile ausgearbei-tet, um in der zusammenfassenden Schlussbetrachtung die damit zusammenhängenden, strafrechtli-chen Problematiken nachvollziehen zu können. An dieser Stelle werden auch die entsprestrafrechtli-chenden Be-stimmungen der StSV kurz thematisiert. Zudem werden i.S. eines fliessenden Übergangs zur nachfol-genden Thematik mögliche Symptome behandelt.

Im Übertitel «Medizinische Überwachung» werden Therapierungsmöglichkeiten aufgezeigt und die damit zusammenhängende Überwachungszeit thematisiert. Zudem wird erstmalig am Beispiel des

13 Aus Gründen der Einfachheit für die Leserin und den Leser wurde für die vorliegende Master-Arbeit die männliche Schreibweise gewählt.

14 Er befördert entweder kleinere Mengen über kürzere Strecken (z.B. die regionale Feinverteilung) oder wird mit grosser Regelmässigkeit für Trans-porte eingesetzt, bei denen das Entdeckungsrisiko bewusst einkalkuliert ist. Die Kuriere sind für ein im Voraus bestimmtes, meist geringes Entgelt tätig, verfügen weder über nähere Kenntnisse der Organisation noch über Selbständigkeit. Sie sind auf der untersten Stufe anzutreffen (Definition in EUGSTER/FRISCHKNECHT, S. 334).

15 LAITENBERGER, S. 4 und ZÖFELT, S. 2 i.V.m. HERGAN/KOFLER/OSER und LUTZ FU/REUHL J.

16 GUANZIROLI, in: Crime Schweiz vom 18.04.2020, https://crimeschweiz.com/2020/04/18/bodypacker-das-ist-die-drogen-toilette-am-flughafen-zu-rich/; siehe auch Interview mit Herrn Merki vom 26.10.2020 (s. Rz. 406 ff.).

17 BOOKER/SMITH/RODGER, S. 316.

18 GRIMM/WUDY /ZIEGELER ET AL., S. 475.

19 GRIMM/WUDY /ZIEGELER ET AL., S. 476; vgl. auch TRAUB/HOFFMAN/NELSON, S. 2519.

20 siehe Interview mit Herrn Rentsch vom 28.10.2020 (s. Rz. 456); vgl. auch Herr Rentsch in einem Interview mit SRFNEWS, 09.01.2020, https://www.srf.ch/news/regional/ostschweiz/toter-drogenkurier-bodypacker-riskieren-ihr-leben-fuer-wenig-geld.

21 Die Differenzierung von Bodypacking in «in weiterem/engerem Sinne» nimmt die Autorin deshalb vor, da sich die Ausführungen in der Arbeit lediglich am intestinalen Rauschmitteltransport orientieren. Bis auf einige wenige Abweichungen, auf die in der vorliegenden Arbeit allerdings nicht (tiefgründig) eingegangen wird, sind die Ausführungen sinngemäss auf das Bodystuffing und Bodypushing anwendbar.

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Risk-Management Modells des Kantonsspitals St. Gallen (KSSG) auf die Schwierigkeit der Umsetzung der Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hingewie-sen. Zusätzlich i.S. einer Alternativlösung zur Umsetzung der SAMW-Richtlinien wird kurz auf das In-selspital Bern (Spitalgefängnis) eingegangen.

Unter «Strafrechtliche Aspekte» sämtliche Berührungspunkte des Zollgesetzes, der Strafprozessord-nung sowie des Betäubungsmittelgesetzes i.Z.m. Bodypacking sowie allfällige Unstimmigkeiten mit den medizinischen Standards unter die Lupe genommen und das Arzt-Drogenkurier- bzw. Arzt-Patien-ten-Verhältnis näher betrachtet. Insb. die umstrittene Anwendung der SAMW-Richtlinien in Bezug auf die medizinische Überwachung soll anhand einiger Beispiele beleuchtet werden.

Damit die Leserschaft eine Vorstellung darüber erhält, wie ein Bodypacker-Fall in der schweizerischen Praxis in seinen Grundzügen abläuft, soll im Rahmen der zusammenfassenden Schlussbetrachtung ein möglicher Ablauf mit allen damit zusammenhängenden, relevanten strafrechtlichen Fragestellungen geschildert werden. Die zusammenfassende Schlussbetrachtung orientiert sich an den eindrücklichen Interviews mit Herrn André Merki, Gruppenchef der Flughafenpolizei-Spezialabteilung der KaPo Zürich (s. Anhang 2) und Herrn Eugen Rentsch, Leiter Betäubungsmitteldelikte der KaPo St.Gallen (s. An-hang 3) und soll die beiden Vorgehensweisen vergleichen.

Bei den kursiv gedruckten Begriffen handelt es sich um im separat erstellten Definitionsverzeichnis (ab S. XXIV ff.) aufgeführte Begriffe. Das Definitionsverzeichnis soll (insb. medizinischen) Laien eine Hilfestellung zum besseren Verständnis der Arbeit, ohne die Begrifflichkeiten anderweitig nachschla-gen zu müssen, bieten.

Die Universität St.Gallen und ihre Mitarbeitenden, welche die vorliegende Arbeit prüfen, sind hiermit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die vorliegende Master-Arbeit nur ohne den gesamten An-hang 2 veröffentlicht werden darf.

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