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B. R ECHTSMEDIZINISCHE U NTERSUCHUNG

6. Diagnostik

6.3. Standard-Computertomographie

Die Standard-CT ist ein röntgendiagnostisches, computergeschütztes bildgebendes Verfahren, welches in verschiedenen Graustufen (abhängig von den verschiedenen Hounsfield-Einheiten (HE)) überlage-rungsfreie Schichtbilder als Querschnittsbilder darstellt.196

Eine CT bietet nebst der raschen Durchführbarkeit eine hohe Sensitivität (98-100%) und Spezifität so-wie einen hohen positiven und negativen Vorhersagewert.197 Mit diesen Eigenschaften gewährleistet sie die präzise Suche nach Fremdkörpern und deren Lokalisation, das direkte Erfassen von Komplikati-onen und die Ermittlung der Anzahl Bodypacks.198 Sie ist allerdings mit hohen Kosten verbunden und hat eine doppelt bis vierfach höhere Strahlenbelastung als das konventionelle Röntgen.199

188 Flüssiges Kokain ist sehr schwierig mittels herkömmlichem Röntgen zu detektieren (KOHLMEIER, S. 9 und 60 i.V.m. GRIMM/WUDY /ZIEGELER ET AL.).

189 Bei weniger als zwölf Bodypacks ist die Bildgebung mittels herkömmlichem Röntgen sehr unpräzise bzw. liefert unzutreffende Ergebnisse (K OHL-MEIER, S. 9 und 60 i.V.m. GRIMM/WUDY /ZIEGELER ET AL.). In dieser Hinsicht ist es insb. auch als Kontrollradiographie unzulänglich, wenn z.B. allenfalls noch einige wenige Bodypacks trotz drei paketfreien Stuhlgängen zurückbleiben.

190 ZÖFELT, S. 13.

Die Kosten einer CT liegen bei CHF 300-400.200 I.d.R. ist diese Rechnung von der Zollverwaltung201 oder der kantonalen Untersuchungsbehörde zu begleichen.202 Im Falle einer Verurteilung können die Aus-lagen für medizinische Untersuchungen als Strafuntersuchungskosten gemäss Art. 422 StPO der ver-urteilten Person auferlegt werden.203

Es ist zu beachten, dass auch eine CT falsch-negative Ergebnisse liefern kann, wenn auch nur in sehr seltenen Fällen (2%).204 Im Rahmen eines weit zurückliegenden Besuchs des polizeilichen Kriminalmu-seums in St.Gallen hat sich die Autorin der vorliegenden Arbeit erzählen lassen, dass die Polizei in ei-nem Fall innerhalb von kurzer Zeit eine zweite Kontrollradiographie mittels CT durchführen musste, da das erste Bild der Kontrollradiographie keine Bodypacks mehr zeigte, hingegen der Bodypacker beteu-erte, es müsse noch ein Drogenpaket im Körper zurückgeblieben sein. Daraufhin wurde eine zweite Kontrollradiographie verfügt und tatsächlich ein zusätzliches Drogenpaket detektiert, welches mit ei-nem operativen Eingriff entfernt werden musste, da es an einer Stelle im Darm hängengeblieben war und anderenfalls nicht passiert wäre. Von einem ähnlichen Fall, bei dem ein Drogenpaket trotz einer CT mit Kontrastmittel übersehen wurde, schreibt auch KOHLEMEIER.205

Die Abgabe von oralem Kontrastmittel zum präziseren Aufspüren der Drogenpakete wird in der Lite-ratur umstritten diskutiert.206 Angesichts der beinahe 100%igen Sensitivität scheinen allfällige Unver-träglichkeitsreaktionen, die mittels Kontrastmittel provoziert werden könnten, als unverhältnismässig.

Die Detektion der Fingerlinge mittels Standard-CT ist im Vergleich mit anderen Methoden die zuver-lässigste.207 Um den Verdacht auf Bodypacking zu bestätigen oder entkräften, ist diese grundsätzlich – abgesehen von der hohen Strahlenexposition – die zu favorisierende Methode.208 In den vergangenen Jahren nahm das Interesse an strahlendosisreduzierten Untersuchungen in der CT deswegen zu.209

200 RHYN, in NZZ: 14.01.2019, https://www.nzz.ch/schweiz/drogenschmuggel-bodypacker-bringen-aerzte-in-ein-dilemma-ld.1451145?reduced=true.

201 dito.

202 dito.

203 BGer 6B_877/2014, E. 9.5.4.

204 KOHLMEIER, S. 11.

205 dito.

206 ZÖFELT, S. 14.

207 RHYN, in NZZ: 14.01.2019, https://www.nzz.ch/schweiz/drogenschmuggel-bodypacker-bringen-aerzte-in-ein-dilemma-ld.1451145?reduced=true.

208 MARKUN/FLACH/SCHWEITZER ET AL., S. 894; LAITENBERGER, S. 41.

209 ZÖFELT, S. 10 i.V.m. ZIEGELER, ALGRA/BROGDON/MARUGG,und BULAKCI/KALELIOGLU/BULAKCI ET AL. 83

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Abb. 11 und 12: Bildqualität Röntgenaufnahme (links) und CT-Aufnahme (rechts) im Vergleich

6.3.1 Low-Dose Computertomographie

Es ist gesetzlich i.S.d. Verhältnismässigkeitsgrundsatzes geboten, die Kosten sowie insb. die Strahlen-exposition einer radiologischen Untersuchung verhältnismässig gering zu halten.210

Vor diesem Hintergrund werden heutzutage bei Verdacht auf Bodypacking immer häufiger eine Low-Dose CT bzw. generell dosisreduzierende Techniken angeordnet.211 Diese zeigen zwar etwas weniger scharfe Bilder verglichen mit einer Standard-CT, dafür ist die geringe Strahlenexposition vergleichbar mit der, einer konventionellen Röntgenaufnahme.212 Dadurch ist die Gesundheit der untersuchten Per-son, bei grundsätzlich hervorragender Bildqualität, nur noch in geringem Masse gefährdet.213 Die Do-sisreduktion erfolgt mittels Reduktion der Röhrenspannung und des Röhrenstroms bei beinahe gleich-bleibender diagnostischer Aussagekraft bzw. Treffsicherheit.214

Bei asymptomatischen Bodypackern ist daher die Low-Dose CT die zu favorisierende Methode, wohin-gegen bei symptomatischen Bodypackern eine Standard-CT empfohlen wird, um keine Begleitpatho-logien zu übersehen.215 Die Low-Dose CT hat sich als primäre Diagnostikmethode zum eindeutigen Ausschluss von Bodypacking etabliert und macht keine weitere Diagnostik erforderlich.216

6.3.2 Computertomographie-Localizer

Da Bodypacker meist junge und gesunde Patienten sind, ist es wichtig, die Strahlenbelastung möglichst gering zu halten.217 Die Low-Dose CT ist dieser Aufgabe zwar schon gewachsen, aber gemäss dem ALARA-Prinzip («As Low As Reasonably Achievable») ist die Strahlenexposition – sofern zufriedenstel-lend möglich – weiter zu reduzieren.218 Vor diesem Hintergrund untersuchte KOHLMEIER im Rahmen ihrer Dissertation die diagnostische Aussagekraft des CT-Localizers i.Z.m. Kokain-Bodypacks.219

Der CT-Localizer stellt ein Projektionsradiogramm (ähnlich wie ein konventionelles Röntgenbild) dar.220 Die Ergebnisse des CT-Localizers zeigen in der Studie von KOHLEMEIER bei einer um ein Vielfaches gerin-geren Strahlenexposition, eine höhere Sensitivität sowie bessere Abgrenzbarkeit der Drogenpakete verglichen mit einer konventionellen Röntgenaufnahme.221 In mehr als 75% der Fälle konnten in der Versuchsreihe von KOHLMEIER Fremdkörper bereits mittels CT-Localizer detektiert werden.222 Die höchste Sensitivität wurde bei Bodypackern, welche Drogenpakete mit Kokain in fester Form ge-schluckt hatten, erzielt.223 Verglichen mit einer Low-Dose CT ist die Sensitivität des CT-Localizers aller-dings gering.224 Daher empfiehlt KOHLEMEIER, im Falle eines positiven Nachweises mittels CT-Localizer aufgrund dessen hoch ermitteltem PPV, auf die Low-Dose CT zu verzichten, um somit der effektiven

210 MARKUN/FLACH/SCHWEITZER ET AL., S. 894.

211 ZÖFELT, S. 15; vgl. auch VONARBURG, in watson: 23.07.2018, https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/259601054-grenz-waechter-schicken-vermutete-bodypacker-unnoetig-in-die-roehre-darunter-eine-schwangere.

212 VONARBURG, in watson: 23.07.2018, https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/259601054-grenzwaechter-schicken-vermu-tete-bodypacker-unnoetig-in-die-roehre-darunter-eine-schwangere; ZÖFELT, S. 16; KOHLMEIER, S. 11 i.V.m. PACHE/EINHAUS/BULLA ET AL

213 ZÖFELT, S. 15

Dosisreduktion gerecht zu werden.225 Bei negativem Nachweis mittels CT-Localizer ist für einen defini-tiven Ausschluss von Bodypacking eine zusätzliche Low-Dose CT unerlässlich.226

Die Studie zeigt, dass obwohl die diagnostische Bildgebung mittels CT-Localizer in der klinischen Praxis ungewöhnlich ist, dieser Modalität durchaus ein diagnostischer Wert zuzusprechen ist.227 Es wurde allerdings nur die Zuverlässigkeit des Nachweises bzw. Ausschlusses von Bodypacking mittels CT-Loca-lizer untersucht, dagegen nicht die Ermittlung der genauen Anzahl sowie der Lokalisation der Drogen-pakete.228 Unter diesen Gesichtspunkten lässt sich der CT-Localizer am ehesten mit einer konventio-nellen Röntgenuntersuchung vergleichen und stellt angesichts der geringeren Strahlenexposition zwar die bessere radiologische Untersuchungsmethode i.Z.m. Bodypacking dar, aber die Unzulänglichkeit des CT-Localizers ist gleich wie bei der konventionellen Röntgenuntersuchung und zeigt sich v.a. bei geringer Anzahl von Drogenpaketen oder bei solchen, die Kokain in flüssiger Form enthalten.229