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B. R ECHTSMEDIZINISCHE U NTERSUCHUNG

8. Symptome

Durch die potentielle Gefahr einer Leckage oder Ruptur eines Drogenpakets ist ein Bodypacker einer lebensbedrohlichen Intoxikation, Darmperforation oder mechanischen Obstruktion mit entsprechen-den Folgekomplikationen ausgesetzt.287 Das klinische Bild eines erkrankten Bodypackers kann in er-heblichen Variationen auftreten.288 Die Ursache für eine Leckage oder Ruptur liegt grösstenteils in der ungenügenden Verpackung.289 Zudem sind es oftmals zu grosse oder zu viele Drogenpakete, denen es nicht allen gelingt, schadlos den Darm zu passieren.290 Nichtsdestotrotz kann aber kein Zusammenhang zwischen der Anzahl geschluckter Drogenpakete und dem Risiko von Komplikationen ermittelt wer-den.291

Die durch defekte, gerissene oder semipermeable Drogenverpackung verursachten, lebensbedrohli-chen Vergiftungssymptome werden im angloamerikanislebensbedrohli-chen Begriff «Bodypacker-Syndrom» zusam-mengefasst.292 Beim Bodypacker-Syndrom zeigt sich beim Patienten etwa Bewusstlosigkeit, ein Kol-laps, Krampfanfälle und Bauchschmerzen.293 WETLI/MITTLEMANN verwendeten 1981 i.Z.m. den ersten Bodypacker-Fällen akuter Kokainintoxikationen, welche meist durch die Semipermeabilität der (da-mals noch schlechten) Verpackung provoziert waren, erstmalig den Begriff «Bodypacker-Syndrom».294 Intoxikationserscheinungen können sich entweder lediglich anhand leichter Vergiftungssymptome zei-gen oder aber letale Folzei-gen mit sich brinzei-gen.295 Folgende Indizien können auf Komplikationen hinwei-sen (keine abschlieshinwei-sende Liste):296

• improvisierte, handgemachte Verpackungen

• grosse Gesamtmenge an inkorporierten Drogen

• hohe Anzahl an Drogenpaketen

• zu grosse Drogenpakete

• verzögerte Darmpassage der Drogenpakete (>48h)

• Passage eines Verpackungsfragments im Stuhl

• abdominelles Unbehagen und leichter Druckschmerz

• Übelkeit und Erbrechen

• Vollbild eines akuten Abdomens mit peritonealer Reizung

Wichtige Anhaltspunkte zur Risikoeinschätzung kann dabei die Anamnese des Patienten bieten.

Andere Drogen als Heroin und Kokain können nur selten eine toxische Wirkungen nach einer Leckage oder Ruptur entfalten.297 Marihuana und Haschisch verursachen jedoch einen depressiven psychischen Zustand, der im Allgemeinen lebensbedrohlich ist, führen aber zu keinen physischen Beschwerden bei einer Leckage oder Ruptur.298 Therapiert werden solche Patienten anhand supportiver

287 HAUSMANN/BLUM/LESCHKA, S. 544.

Massnahmen.299 Insbesondere aber die Kenntnis der Toxidrome Kokain und Heroin ist daher für Ärzte und das medizinische Personal i.Z.m. Bodypacking ausschlaggebend,300 denn im Falle einer Paketruptur tritt der Tod des Bodypackers innert 20 Minuten ein, sofern (präventiv) keine adäquate Behandlung gewährleistet werden kann.301

In der nachfolgenden Tabelle finden sich Leitsymptome, die auf eine Heroin- oder Kokainintoxikation hindeuten:

8.1. Toxidrom Kokain

Kokain ist das Suchtmittel, welches am häufigsten intrakorporal nach Europa und auch in die Schweiz transportiert wird.302 Die tödliche orale Dosis von Kokain liegt zwischen 0,1-3g und ist von der Toleranz des Konsumenten abhängig.303 Die Tatsache, dass bereits in einem einzigen Fingerling eine Drogen-menge von 3-20g Kokain enthalten ist, verdeutlicht die Gefahr, die beim Bodypacking besteht.304 Im Falle einer Paketruptur zeigt sich die Kokainintoxikation mit Status elepticus, Koma und Atemdepres-sion bis hin zum Tod (für weitere Details siehe Tab. 2).305

Bei einer Kokainintoxikation hat die Therapie kausal und symptomorientiert mittels supportiver Mass-nahmen stattzufinden.306 Sofern möglich, ist grundsätzlich primär konservativ bspw. mittels Magen-spülung zu therapieren.307 Bei nachgewiesener Kokainvergiftung sind die sodann verbliebenen Bo-dypacks mittels operativem Eingriff zu entfernen.308 Ein spezifisches Antidot für das am häufigsten in-trakorporal transportierte Kokain gibt es nicht, weswegen die chirurgische Entfernung der

299 dito.

300 MARKUN/FLACH/SCHWEITZER ET AL., S. 892.

301 Interview mit Herrn Rentsch vom 28.10.2020 (s. Rz. 456).

302 MARKUN/FLACH/SCHWEITZER ET AL., S. 892.

303 MARKUN/FLACH/SCHWEITZER ET AL., S. 892; ZÖFELT, S. 5 i.V.m. DE BAKKER/NANAYAKKARA/GEERAEDTS ET AL.schreiben von 1-3g.

304 MARKUN/FLACH/SCHWEITZER ET AL., S. 892.

305 BSK-HUG-BEELI, Art. 2 FN 285; vgl. auch RITZ, S. 914.

306 HAUSMANN/BLUM/LESCHKA, S. 545 und LAITENBERGER, S. 35; vgl. auch MARKUN/FLACH/SCHWEITZER ET AL., S. 896.

307 LAITENBERGER, S. 35.

308 LAITENBERGER, S. 35.

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Tab. 2: Leitsymptome der Heroin- bzw. Kokainintoxikation; - nicht oder selten; + selten (<10%);

++ zeitweise (10-20%); +++ häufig beobachtet (>20%)

verbliebenen Drogenpakete unentbehrlich ist.309 Neben der Dekontamination der Drogenpakete im Falle einer Kokainintoxikation ist aufgrund der lebensbedrohlichen Drogenmenge zudem die sympto-matische Behandlung mit Benzodiazepinen und Neuroleptika von Bedeutung.310 Von den Komplikatio-nen einer Kokainintoxikation sind 1-5% der identifizierten Bodypacker betroffen.311

8.2. Toxidrom Heroin

Auch von grosser Bedeutung, aber deutlich seltener, ist der Schmuggel von Heroin via Bodypacking.312 Eine Heroinintoxikation zeigt sich anhand lebensbedrohlicher Symptome wie Kreislaufinstabilität, Atemdepression, Miosis, Hypotonie, Hypothermie und fehlender Darmbewegung bis hin zum Damver-schluss (für weitere Details siehe Tab. 2).313

Im Falle einer Opiatintoxikation kann ein symptomatischer Patient mittels rechtzeitiger Verabreichung des klinisch wichtigen Antidots «Naloxon» und/oder mit der Atemwegsicherung und künstlicher Beat-mung stabilisiert werden.314 Naloxon vermag bei einer Heroinintoxikation die Vigilanzstörung, die kar-diorespiratorische Depression sowie die gastrointestinalen Motilitätsstörungen aufzuheben.315 Dabei wird je nach Höhe der Heroindosis eine grosse Menge an Naloxon benötigt.316 Bei chronisch Abhängi-gen birgt die Applikation von Naloxon die Gefahr, dass akute schwere EntzugserscheinunAbhängi-gen ausgelöst werden und Kammerflimmern auftritt.317

Sobald sich der Zustand des Patienten nach der Applikation von Naloxon stabilisiert hat, kann er auf dieselbe Weise, wie ein asymptomatischer Bodypacker, behandelt werden.318

309 GSELL/PERRIG/EICHELBERGER ET AL., S. 540; vgl. auch MARKUN/FLACH/SCHWEITZER ET AL., S. 892 und 896 sowie KOHLMEIER, S. 6 i.V.m. PIDOTO/AGLIATA/B ERTO-LINI ET AL.

310 MARKUN/FLACH/SCHWEITZER ET AL., S. 896; ZÖFELT, S. 5.

311 MARKUN/FLACH/SCHWEITZER ET AL., S. 896 i.V.m. GSELL/PERRIG/EICHELBERGER ET AL.und SCHAPER/HOFMANN/BARGAIN ET AL.

312 MARKUN/FLACH/SCHWEITZER ET AL., S. 892.

313 ZÖFELT, S. 7; vgl. auch LAITENBERGER, S. 36-37; TRAUB/HOFFMAN/NELSON, S. 2520

314 HAUSMANN/BLUM/LESCHKA, S. 545; vgl. auch GRIMM/WUDY /ZIEGELER ET AL., S. 476; TRAUB/HOFFMAN/NELSON, S. 2522; ZÖFELT, S. 7 und 46.

315 MARKUN/FLACH/SCHWEITZER ET AL., S. 896; vgl. auch KOHLMEIER, S. 8.

316 MARKUN/FLACH/SCHWEITZER ET AL., S. 896.

317 LAITENBERGER, S. 37.

318 TRAUB/HOFFMAN/NELSON, S. 2522.

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