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Zentrale Elemente des Films

1 Der letzte Akt (955)

1.4 Zentrale Elemente des Films

Die Besonderheit von Der letzte Akt liegt darin, dass in diesem Film Hauptmann Wüst eine zentrale Rolle als nach Gerechtigkeit strebender Nazi einnimmt, die Figur selbst jedoch rein fiktiver Natur ist und von Erich Maria Remarque in die Handlung eingebunden wurde. Wüst ist allerdings nicht der einzige fiktive Charakter in diesem

52 Vgl. https://archive.org/details/DerLetzteAkt.

53 Vgl. https://archive.org/details/DerLetzteAkt.

54 Vgl. https://archive.org/details/DerLetzteAkt.

55 Vgl. Gesek, Ludwig: Kleines Lexikon des österreichischen Films. Filmkunst. Zeitschrift für Filmkultur und Filmwissenschaft Nr. 22-30, 1959, S. 99.

Film, denn die Figur des Hitlerjungen Richard wurde nach einem Entwurf von Fritz Habeck konstruiert.56

G. W. Pabst war mit der Propagandamaschinerie der Nazis und deren filmischen Umsetzungen vertraut, da er als Mitarbeiter von Leni Riefenstahl, jener Regisseurin, die an Triumph des Willens beteiligt war, den sogenannten Ufa-Stil näher kennengelernt hat.57 Der letzte Akt scheint in seiner Ausführung das Gegenteil des Ufa-Stils zu verkörpern, denn das Kolossale, das Allmächtige bezwingt die Menschen.58 Deutlich wird der Sieg über die Menschen durch die Sprengung des S-Bahn-Tunnels unter dem Anhalter Bahnhof, die zu einer Flutung durch den Landwehrkanal führte. In Der letzte Akt wird Hitler zum Akteur, der die Sprengung anordnet und somit unzählige Opfer unter der Zivilbevölkerung in Kauf nimmt. Da der S-Bahn-Tunnel während des Krieges der Bevölkerung als Schutzraum vor Luftangriffen diente, hielten sich vor allem Frauen, Kinder und Verwundete an diesem vermeintlich sicheren Ort auf. Als der Tunnel im Film geflutet wird, wird das Elend der ums Überleben kämpfenden Menschen sichtbar:

Verzweifelt versuchen sie sich über Wasser zu halten, größtenteils vergebens, Schreie und das pure Grauen bestimmen nur eine Minute des Films. Doch diese Minute ist ausreichend, um die Massenpanik, den massenhaften Tod, das schier endlose Leiden der Bevölkerung bildhaft zur Schau zu stellen.59

Die Tragik liegt darin, dass sich unter der Zivilbevölkerung im S-Bahn-Tunnel die Mutter und der Bruder des Hitlerjungen Richard befinden. Der Junge bettelt um das Leben seiner Familie und trifft dabei auf den ohnehin abtrünnig gesinnten Wüst, der Hitler von der Niederlage der Armee Wencks berichten soll. Was folgt, ist eine Szene, deren Inhalt nur

56 Vgl. Kilb, Andreas: Ein Mahnmal, ein Reißer, ein Meisterwerk? Das Ende Adolf Hitlers im Kino: Der letzte Akt von Georg Wilhelm Pabst und Der Untergang von Oliver Hirschbiegel im Vergleich. In: Das Böse im Blick. Die Gegenwart des Nationalsozialismus im Film. München: edition text + kritik 2007, S.

88.

57 Vgl. Dolezel, Stephan/Loiperdinger, Martin: Hitler in Parteitagsfilmen und Wochenschau. In:

Führerbilder. Hitler, Mussolini, Roosevelt, Stalin in Fotografie und Film. München: Piper 1995, S. 91.

58 Vgl. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/pabsts-der-letzte-akt-ein-reisser-halb-und-halb-ein-mahnmal-1162509.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2/ Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.9.2004, Nr. 216, S. 37.

59 Vgl. Kilb, Andreas: Ein Reißer halb und halb ein Mahnmal. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.9.2004, Nr. 216, S. 37. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/pabsts-der-letzte-akt-ein-reisser-halb-und-halb-ein-mahnmal-1162509.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2/ (am 28.4.2021) und https://archive.org/details/DerLetzteAkt 01:32:10-1:33:16.

teilweise gezeigt wird, da Wüst sich auf den „Führer“ zu stürzen scheint, die Wache zu Hilfe eilt und Wüst angeschossen wird. Da es sich bei dem Hauptmann, wie erwähnt, um einen fiktiven Charakter handelt, ist diese Szene als eine Was-wäre-wenn-Szene anzusehen, die womöglich, wenn sie so eingetreten wäre, etwas am Bunkergeschehen hätte verändern können. Kilb beschreibt die Szene wie folgt: „So hätte es sein können;

sein müssen; so war es nicht.“60

Die Flutung des S-Bahn-Tunnels ist eine der beiden Szenen, die den Untergang des

„Dritten Reiches“ einläuten, der „Totentanz“61 in der Kantine ist die andere Szene, die auf groteske Art und Weise den untergehenden Nationalsozialismus in den höheren Rängen symbolhaft darstellt. Es scheint nun allen bewusst zu werden, dass ein Entkommen nach Berchtesgaden unmöglich ist, und so verbringen die Menschen ihre letzten Stunden im „Führerbunker“ mit Alkohol, Musik und Tanz. Es werden vor allem Lieder der Ufa gesungen („Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehʼn“).62 Die Musik ist ein wesentlicher Bestandteil der Untergangsdynamik in Der letzte Akt, G. W.

Pabst versteht zweifelsohne die Symbolkraft bizarrer Schlussszenen, in der die Musik zum drillhaften Tanzen einlädt.

Eine weitere bizarre Szene, die die Gefühlsregungen Eva Brauns und Hitlers darstellen soll, ist jene, in der Braun, die nunmehrige Frau Hitler, eine Träne vergießt, als Hitler sich von allen verabschiedet und die Kameraführung auf sein Gesicht gerichtet ist, um die vermeintlichen Tränen – wobei hier das Diminutiv Tränchen passender wäre – dem Publikum zu zeigen. Die Szene ist eine der letzten, die die Emotionen Hitlers filmisch einfangen und den Zuseherinnen und Zusehern die Deutung dieser „Abschiedstränchen“

selbst zu überlassen scheinen.63

60 Kilb, Andreas: Ein Reißer halb und halb ein Mahnmal. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.9.2004, Nr. 216, S. 37. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/pabsts-der-letzte-akt-ein-reisser-halb-und-halb-ein-mahnmal-1162509.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2/ (am 28.4.2021).

61 Ebda.

62 Vgl. ebda.

63 Vgl. https://archive.org/details/DerLetzteAkt 01:42:40.