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Heinrich Himmler, Hermann Fegelein und Hermann Göring

5 Eine vergleichende Analyse der historischen Spielfilme

5.2 Schlüsselfiguren

5.2.1 Heinrich Himmler, Hermann Fegelein und Hermann Göring

Dieser Abschnitt setzt sich mit den drei Personen Heinrich Himmler, Hermann Fegelein und Hermann Göring auseinander, da das Schicksal dieser Männer, oder wie es Hitler in den Filmen ausdrückt, der drei Verräter, eng miteinander verwoben zu sein scheint. Die biographischen Angaben dienen zum besseren Verständnis des filmischen Kontexts.

Heinrich Himmler wurde am 7. Oktober 1900 als Sohn von Gebhard und Anna Himmler geboren. Während des Ersten Weltkriegs bewarb er sich als Offiziersanwärter für die Marine, wurde jedoch abgelehnt. Er trat daraufhin als Fahnenjunker in ein bayerisches Infanterieregiment ein, kam jedoch vor Kriegsende nicht mehr zu einem Fronteinsatz.

1923 erfolgte sein Eintritt in die NSDAP und die Teilnahme am Hitler-Putsch. Er blieb während des Verbots der NSDAP dieser Ideologie treu, indem er der Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung beitrat.231 Ab 1925 war er wieder offizielles NSDAP-Mitglied. In den Jahren 1927-28 wurde er zum Stellvertretenden Reichsführer der SS ernannt. Im Jahr darauf wurde er schließlich Reichsführer der SS, dieses Amt hatte er bis zum 29. April 1945 inne. An diesem Tag wurde er durch Hitler aufgrund seiner Verhandlungen mit den Westalliierten aller seiner Ämter enthoben. Himmler beging am 23. Mai 1945 in britischer Gefangenschaft Selbstmord.232

Hermann Fegelein wurde 1906 geboren. 1931 erfolgte sein Eintritt in die NSDAP und 1933 in die SS. Er gehörte ab 1939 der Waffen-SS an und war Kommandeur der SS-Kavalleriebrigade. Ab 1. Jänner 1944 diente er als Verbindungsoffizier der Waffen-SS

229 Dietrich, Anette/Nachtigall, Andrea: „Was Sie schon immer über Nazis wissen wollten ...“:

Nationalsozialismus und Geschlecht im zeitgenössischen Spielfilm. In: Elke Frietsch/Christina Herkommer (Hg.): Nationalsozialismus und Geschlecht. Bielefeld: transcript Verlag 2015, S. 390.

230 Vgl. Misch, Rochus: Der Letzte Zeuge: „Ich war Hitlers Telefonist, Kurier und Leibwächter“, 6. Aufl., Zürich, München: Pendo 2008, S. 314.

231 Vgl. ebda., S. 318.

232 Vgl. ebda., S. 318.

zu Hitler. Im selben Jahr heiratete er Gretl Braun, die Schwester von Eva Braun, und wurde zum SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS befördert. Er war der Vertreter Himmlers. Am 27. April 1945 erfolgte die Degradierung zum SS-Mann durch Hitler und am 29. April fand seine standrechtliche Exekution statt.233

Hermann Göring wurde am 12. Jänner 1893 als Sohn von Heinrich und Franziska Göring geboren.234 Während des Ersten Weltkrieges absolvierte er die Pilotenausbildung und wurde Kommandeur des Jagdgeschwaders Nr. 1. Nach dem Krieg war er als Verkehrs- und Kunstflieger tätig. 1922 erfolgte sein Eintritt in die NSDAP, in der er ab Dezember 1922 die Leitung der Sturmabteilung übernahm. Während seiner Teilnahme am Hitler-Putsch im November 1923 wurde er angeschossen, woraufhin ihm die Ärzte Morphium als Schmerzmittel verabreichten, dies war der Beginn seiner Abhängigkeit.235 Aufgrund seiner Beteiligung am Putsch floh er ins Ausland, aus dem er erst nach der von von Hindenburg erlassenen Amnestie für politische Straftaten zurückkehrte und erneut der NSDAP beitrat.236 Nun schien der Weg für eine Karriere als erfolgreicher Nationalsozialist geebnet zu sein; so wurde er im Lauf der Jahre zu Hitlers engstem Vertrauten. Davon zeugt auch die Tatsache, dass Hitler Göring als seinen Nachfolger einsetzte, sollte der „Führer“ z.B. aufgrund körperlicher Gebrechen verhindert sein. Dass dieses Naheverhältnis zwischen Göring und Hitler einen Bruch erlitt, als der Untergang nahte, wird anhand der Filme deutlich.

Görings Versuch der Machtübernahme stützt sich in seiner Anfrage bzw. seinem Ultimatum vom 23. April 1945 auf den „Erlass über die Stellvertretung des Führers“ vom 29. Juni 1941.237 Dieser besagt, dass, sollte Hitler durch Erkrankung oder andere Ereignisse seinen Aufgaben nicht mehr nachkommen können oder auch nur temporär verhindert sein, es keinerlei anderer Anweisungen bedarf und Reichsmarschall Hermann

233 Vgl. ebda., S. 313.

234 Vgl. https://www.dhm.de/lemo/biografie/biografie-hermann-goering.html.

235 Vgl. Misch, Rochus: Der Letzte Zeuge: „Ich war Hitlers Telefonist, Kurier und Leibwächter“, 6. Aufl., Zürich, München: Pendo 2008, S. 314f.

236 Vgl. https://www.dhm.de/lemo/biografie/biografie-hermann-goering.html.

237 Vgl. „Führer-Erlasse“ 1939-1945. Edition sämtlicher überlieferter, nicht im Reichsgesetzblatt abgedruckter, von Hitler während des Zweiten Weltkrieges schriftlich erteilter Direktiven aus den Bereichen Staat, Partei, Wirtschaft, Besatzungspolitik und Militärverwaltung, zusammengestellt und eingeleitet von Martin Moll. Stuttgart: Steiner 1997, S. 180f.

Göring als Stellvertreter alle Ämter Hitlers innehat.238 Fest und Joachimsthaler schreiben, dass Hitler Görings aus Bayern gesandtes Telegramm zuerst nicht als Ultimatum wahrgenommen habe und ruhig geblieben sei.239 Dieses Ereignis wurde entgegen der Fachliteratur in keinem der Filme so ruhig dargestellt, sondern das Gegenteil war der Fall, denn dieser Versuch der Machtübernahme blieb nicht folgenlos. Als Tage später, am 28.

April 1945, auch Himmler Verrat an Hitler begeht,240 hat dies massive Auswirkungen auf andere Mitglieder der NSDAP, siehe Fegelein, das suggeriert zumindest Der Bunker von Schaefer.241

In Der letzte Akt beruft sich Göring in seinem Fernschreiben auf den Erlass vom 29.6.1941 und will die Führung des „Dritten Reiches“ übernehmen, sollte sich Hitler nicht bis 22 Uhr am 23. April zu Wort gemeldet haben. Das Spannende an der Inszenierung des Telegramms ist, dass die Kameraführung direkt auf das Blatt Papier gerichtet ist und das Publikum somit die Möglichkeit hat, mitzulesen.242 Entgegen der Fachliteratur und der Zeitzeugenberichte weicht die Reaktion Hitlers in den Filmen von seiner literarisch geschilderten Handlungsweise ab.243 So wird Göring beispielsweise von Hitler als „fettes Faultier“ betitelt. Dieser Verrat Görings und der Tage später erfolgte Verrat Himmlers scheinen Hitler tief zu erschüttern, weswegen er sogar jemand von der SS um seine Erschießung bittet, da er der SS, aufgrund von Himmlers Verrat, von nun an nicht mehr vertrauen könne.244

Obwohl G.W. Pabst keine direkte Verbindung zwischen den Vertrauensbrüchen Görings und Himmlers hergestellt hat, können die folgenden Szenen, die die Ablehnung des

238 Vgl. ebda.

239 Vgl. Joachimsthaler, Anton: Hitlers Ende. Legenden und Dokumente. Augsburg: Weltbild 1999, S.

188.

240 Vgl. ebda., S. 195.

241 Vgl.

https://www.youtube.com/watch?v=PIFdkPh7IdQ&list=PLe8Xzri1OInxZva5_wlARLLx7YXENJ-sK.

242 Vgl. https://archive.org/details/DerLetzteAkt 00:55:23.

243 Vgl. Joachimsthaler, Anton: Hitlers Ende. Legenden und Dokumente. Augsburg: Weltbild 1999, S.

161f. und Fest, Joachim: Der Untergang. Hitler und das Ende des Dritten Reiches. Eine historische Skizze. Reinbek bei Hamburg: Alexander Fest 2003, S. 101.

244 Vgl. https://archive.org/details/DerLetzteAkt.

Gnadengesuchs Fegeleins beinhalten, als eine Antwort Hitlers auf Himmlers Verhandlungen mit dem Feind interpretiert werden.245

Als nämlich Fegelein in seiner Wohnung aufgefunden wird, wird davon ausgegangen, dass er desertieren wollte. Dies bringt Hitler dazu, den Exekutionsbefehl zu erteilen.

Fegelein beteuert seine Unschuld und versucht über Eva Braun, seine Schwägerin, eine Begnadigung zu erwirken. Dieser Versuch scheitert jedoch kläglich, da er als Repräsentant Himmlers alles Vertrauen verloren hat, und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als seine Hinrichtung hinzunehmen. Die Grausamkeit dieses Films besteht darin, dass ein Soldat die Exekution mithilfe eines sogenannten Overkills246 und mit Begeisterung auszuführen scheint. Diese Szene vermittelt dem Publikum das Gefühl, an dieser Hinrichtung teilzuhaben.247 Pabst lässt jedoch offen, weshalb das Begnadigungsgesuch abgelehnt wurde bzw. warum Eva Braun nichts für ihren Schwager tun konnte.248

In Die letzten zehn Tage wird das Telegramm Görings Hitler vorgelesen. Es beinhaltet dieselben Fakten, die in der Literatur geschildert werden. Hitler gibt sich in diesem Film allwissend und spricht davon, dass er schon immer gewusst habe, dass dieser morphiumsüchtige Göring ein Verräter sei. Hitler lässt ihn jedoch nicht liquidieren, da er um die Außenwirkung des Nationalsozialismus besorgt ist, er lässt ihn lediglich aller seiner Ämter entheben. Diese Szene endet, indem Hitler den Raum verlässt und das Lied

„Hänschen klein“, von Goebbelsʼ Kindern gesungen, eingespielt wird. Dieser Szene wird dadurch ein parodistischer Charakter verliehen; sie spricht Hitler jegliche Seriosität ab.249 In Der Bunker trifft Görings Nachricht als zweiteiliges Telegramm ein, worauf geschrieben stehen soll, dass, sollte sich Hitler nicht bis zehn Uhr morgens am 23. April melden, Göring von dessen Handlungsunfähigkeit ausgehe und die Staatsgeschäfte übernehmen werde.250 Die neusynchronisierte Version des Films weist hierbei einen

245 Vgl. https://archive.org/details/DerLetzteAkt.

246 Das Wort bedeutet in diesem Zusammenhang „übermäßige Tötung“.

247 Vgl. https://archive.org/details/DerLetzteAkt.

248 Vgl. https://archive.org/details/DerLetzteAkt.

249 Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=jj8kos1RX5c&t=2534s 00:47:35-0049:07.

250 Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=EBuCIO8fbN0&t=12s 01:24:51.

fatalen Fehler auf: Während sich die Telegramme und deren Wortlaut in allen vier Filmen ähneln, weicht die neue Fassung von Der Bunker erheblich von den anderen ab. Diese Version suggeriert, dass sich Hitler bis zehn Uhr morgens zu melden habe. Sowohl Fest und Joachimsthaler als auch die anderen Filme, insbesondere die englische Originalversion, zeugen davon, dass sich der „Führer“ bis zehn Uhr abends hätte melden müssen.251 In der gekürzten Variante Schaefers liegt ganz klar ein historischer Faktenfehler vor, der behoben werden sollte, um der Verbreitung historischer Fehlinformationen vorzubeugen.

Die Szene des Erhalts des Telegramms ist insofern interessant, als Schaefers Kameraführung eher dazu tendiert, vom Schriftstück wegzuschwenken, während bei Pabst eine Nahaufnahme des Schriftstücks zu sehen ist.

In Der Bunker wirkt sich der Verrat Görings und Himmlers indes folgenschwer auf die NSDAP und ihre Mitglieder aus. Görings Hinterlistigkeit war der Anfang vom Ende, denn als Himmler Tage später ebenfalls Verrat begeht, sieht Hitler keinerlei Grund mehr, Fegelein laufen zu lassen. Obwohl Hitler dies zuvor im Sinn hatte, trugen sowohl Schmuck und Pässe, die bei Fegelein gefunden wurden, als auch Himmlers Heimtücke dazu bei, dass der „Führer“ nun seine Meinung revidiert, indem er die Ermordung seines Schwippschwagers anordnet. Dieser scheint seine Strafe hinzunehmen, da er ohnehin viel zu betrunken und somit kaum mehr handlungsfähig ist.252 Der Zusammenhang zwischen dem Verrat Görings und Himmlers und der Exekution Fegeleins wird in diesem Film für das Publikum unmittelbar offensichtlich. Es scheint so, als ob Hitler keine Verräter mehr geduldet hat, gleichgültig, ob diese mit ihm verschwägert sind oder nicht.

In Der Untergang lässt Himmlers Verrat Hitler derart erzürnen, dass er sofort nach Himmlers Vertreter Fegelein fragt. Die Enttäuschung über Heinrich Himmler steht ihm ins Gesicht geschrieben. Es folgt ein Tobsuchtsanfall, der über die Empörung wegen des Verrats keinerlei Zweifel zulässt.253 Er spricht sogar davon, dass Himmler sterben müsse,

251 Vgl.

https://www.youtube.com/watch?v=PIFdkPh7IdQ&list=PLe8Xzri1OInxZva5_wlARLLx7YXENJ-sK 01:36:08.

252 Vgl.

https://www.youtube.com/watch?v=PIFdkPh7IdQ&list=PLe8Xzri1OInxZva5_wlARLLx7YXENJ-sK.

253 Vgl. Hirschbiegel, Oliver/Eichinger, Bernd (2004). Der Untergang. Constantin Film. 01:14:50-01:15:40.

da dieser Verrat geübt hätte. Als Fegelein in seiner Wohnung betrunken aufgefunden wird, wird er sofort in den Bunker mitgenommen, da er im Verdacht steht, Fahnenflucht begangen zu haben. Das Besondere an Der Untergang ist, dass sich Eva Braun in diesem Film für ihren Schwager einzusetzen scheint. Flehend kniet sie vor Hitler und bittet ihn um Gnade.254 Hitlers Worte sind jedoch sehr deutlich: „Mit Verrätern gibt es kein Mitleid, mit Verrätern gibt es kein Erbarmen. Er wird vor ein Standgericht gestellt und erschossen“.255

Obwohl Eva Braun Hitler zunächst zu widersprechen scheint, ändert sie ihre Meinung binnen Sekunden, indem sie ihm entgegnet, dass Hitler ihr „Führer“ sei und die alleinige Befehlsgewalt innehabe.256 Die Exekutionsszene in Der Untergang könnte nicht dramatischer inszeniert sein: Ein hoher und hochdekorierter (Schwerter zum Ritterkreuz) SS-Offizier, der vermeintlich Fahnenflucht begangen hat, stellt sich seinem Erschießungskommando entgegen, von Angesicht zu Angesicht stehen sie sich nun gegenüber, ein letzter Hitlergruß Fegeleins, der somit seine Treue gegenüber dem

„Führer“ bis in den Tod zu bekunden scheint, und die Schüsse, die ihn ins Jenseits befördern.257

Die Zeitzeugenaussagen bezüglich der Hinrichtung Fegeleins sind ziemlich widersprüchlich.258 Deshalb verwundert es kaum, dass sich die Exekutionsarten unter den Filmen unterscheiden. So wird Fegelein im Unterschied zu Pabsts Film in den anderen drei Filmen durch Erhängen exekutiert.259 Diese Ereignisse, hauptsächlich jedoch Himmlers Verrat, sind entscheidend für den Untergang des „Dritten Reiches“, da Hitler beim Eintreffen der Nachricht über Himmlers Verhandlungen mit dem schwedischen

254 Vgl. Hirschbiegel, Oliver/Eichinger, Bernd (2004). Der Untergang. Constantin Film. 01:21:01.

255 Vgl. Hirschbiegel, Oliver/Eichinger, Bernd (2004). Der Untergang. Constantin Film. 01:21:01-01:21:19.

256 Vgl. Hirschbiegel, Oliver/Eichinger, Bernd (2004). Der Untergang. Constantin Film. 01:21:40.

257 Vgl. Hirschbiegel, Oliver/Eichinger, Bernd (2004). Der Untergang. Constantin Film. 01:25:00.

258 Vgl. Trevor-Roper, Hugh: Hitlers letzte Tage, 3. Auflage. Frankfurt am Main u. a.: Ullstein 1965, S.

231f.

259 Vgl.

https://www.youtube.com/watch?v=PIFdkPh7IdQ&list=PLe8Xzri1OInxZva5_wlARLLx7YXENJ-sK.

Grafen Folke Bernadotte beschließt, Selbstmord zu begehen.260 Die filmischen Inszenierungen lassen es so aussehen, als ob Hitler durch die Umstände, die Schmach, die ihm seine eigenen Männer bereitet haben, in den Suizid getrieben wurde.