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2.2 Die verschiedenen Lernebenen

2.2.3 Lernen in Organisationen bzw. organisationales Lernen

2.2.3.1 Zentrale Arbeiten im Zusammenhang mit organisationalem Lernen

Während kognitivistisch-orientierte Arbeiten das Produkt von Lernvorgängen auf der kul-turellen Ebene gemeinsam geteilter Werte und Normen sehen, stellen neuere Ansätze einen weiter gefassten Begriff des organisationalen Wissens in den Vordergrund und beziehen verstärkt kollektive Informationsverarbeitungsprozesse ein.

Es gibt eine Reihe von Arbeiten, die versuchen, Ordnung in die Vielfalt der Ansätze zu bringen.39 Eine Gruppe von Autoren setzt Lernen mit einer Erhöhung der Effizienz organi-sationalen Handelns40 bzw. des Problemlösungspotentials41 gleich. Dabei bezieht sich die

”Effizienz” auf die Lösung bekannter, das ”Problemlösungspotential” auf die Lösung bis-lang noch ungelöster Probleme. Lernen kann aber auch als ”Lernen aus Erfahrung”42 bzw.

als ”Adaption” an die Umwelt43 verstanden werden. Diese Ansätze betonen vor allem, dass Organisationen in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt lernen.

37 Vgl. SCHAFFER, F. / K. THIEME (1999): Lernende Regionen. Organisation – Management – Umsetzung, S. 5

38 Vgl. DUNCAN, R. / A. WEISS (1979): Organizational Learning: Implications for Organizational Design, S. 78;

SHRIVASTAVA, P. (1983): Typology of Organizational Learning Systems, S. 9; FIOL, C. M. / M. A. LYLES (1985): Or-ganizational Learning, S. 803

39 So z.B. GRESCHNER, J. (1996): Lernfähigkeit von Unternehmen., S. 103 ff.

40 Vgl. z.B. DUNCAN, R. / A. WEISS (1979): Organizational Learning: Implications for Organizational Design S. 81 ff.

41 PROBST, G. J. B. / B. S. T. BÜCHEL (1994): Organisationales Lernen: Wettbewerbsvorteil der Zukunft, S. 17 42 Vgl. z.B. MARCH, J. / J. OLSEN (1976): Organizational Learning and the Ambiguity of the Past, S. 153 f.

43 Vgl. FIOL, C. M. / M. A. LYLES (1985): Organizational Learning, S. 809 ff.

Der größte Teil der Autoren hingegen verbindet organisationales Lernen mit der Verände-rung von Wissen und Wissensstrukturen innerhalb der Organisationen.44 Schließlich kann organisationales Lernen als Veränderung (formaler) organisatorischer Systeme aufgefasst werden. Solche Systeme bilden sich entweder evolutionär heraus45 oder sie werden be-wusst geplant46. In beiden Fällen besteht Lernen aus der Sedimentation von Wissen47, das fortan nicht mehr diskursiv verfügbar sein muss, um trotzdem weiterhin das organisatori-sche Handeln zu prägen. Organisationales Lernen zeigt sich in der Art und Weise, wie die Wissensbasis einer Organisation - also jenes Wissen, das für die Akteure einer Organisati-on prinzipiell erreichbar ist - genutzt, verändert und fortentwickelt wird.48

Organisationales Lernen kann also darin bestehen,

• vorhandenes Wissen tatsächlich in organisatorische Entscheidungsprozesse einflie-ßen zu lassen, und

• dass das organisatorische Wissen durch neues Wissen verändert und fortentwickelt wird und es zu einer Evolution der organisationalen Wissensbasis kommt.49

Organisationales Lernen hat demnach ein sichtbares Ergebnis: Die Veränderung von Strukturen und Verhalten - und ein unsichtbares Ergebnis: Die kognitive Generierung von Einsichten.50

Lernen betrifft die Veränderung von Wissen im weiten Sinne, wobei eine Veränderung verschiedene Wissensarten gleichzeitig beinhalten kann und unterschiedlich in Tiefe und Inhalt sein kann. Die meisten Untersuchungen51 unterscheiden drei Ebenen des Lernens:52

44 Vgl. ARGYRIS, C. / D. A. SCHÖN (1985): Organizational Learning. A Theory of Action Perspective oder auch KIRSCH, W. (1990): Unternehmenspolitik und strategische Unternehmensführung

45 Vgl. SHRIVASTAVA, P. (1983): Typology of Organizational Learning Systems, S. 7

46 Vgl. JELINEK, M. (1979): Institutionalizing Innovations. A Study of Organizational Learning Systems 47 Vgl. BÜHL, W. L. (1984): Die Ordnung des Wissens, S. 57

48 Vgl. KIRSCH, W. (1990): Unternehmenspolitik und strategische Unternehmensführung, S. 500.

49 Vgl. MÜLLER-STEWENS, G. / G. PAUTZKE (1994): Führungskräfteentwicklung und organisatorisches Lernen, S. 193 50 Vgl. SIMON, H. (1969): The Sciences of the Artificial zitiert nach FIOL, C. M. / M. A. LYLES (1985): Organizational

Learning, S. 803

51 Die Systematisierung in der Literatur zum Lernen von Organisationen ist sehr vielfältig – ebenso die begriffliche Dar-stellung der Einzelphänomene. PROBST, G. / B. BÜCHEL (1994): Organisationales Lernen, Wiesbaden, S. 178 bieten hier einen umfassenden Überblick.

52 Vgl. SHRIVASTAVA, P. (1983): Typology of Organizational Learning Systems, S. 9

Vergleiche auch die Ausführungen in Kaptitel 2.2.1.2. dieser Arbeit (kognitive Lerntheorien).

Adaptive Learning (Assimilation, Anpassungslernen, Erhöhung der Effizienz, Verbesse-rungslernen, single-loop learning)

Organisationen passen ihre Ziele, Entscheidungen und Verhalten an Veränderungen der Umwelt an. Lernen ist ein Anpassungsprozess, der auf Erfahrungen der Vergangenheit aufbaut.53 Dies entspricht einer einfachen feedback-Schleife, und ergibt sich damit z.B. aus dem Vergleich Ist-Zustand und Soll-Zustand.

Assumption Sharing (Akkomodation, Veränderungslernen, Lernen aus Erfahrung, doub-le-loop learning)

Organisationen besitzen kollektiv geteilte Wissensbestände, in denen Aussagen zu Ver-haltensmöglichkeiten in Form von Wertvorstellungen kultiviert sind. Die doppelte feed-back-Schleife beinhaltet nicht nur einen Ist-Soll-Vergleich, sondern auch einen Soll-Soll-Vergleich. D.h. Ziele, Normen und Werte werden hinterfragt. Dazu ist ein intensiver Kommunikationsprozess innerhalb einer Organisation notwendig.54

Development of Knowledge Base (Aquilibration, Gleichgewichtsherstellung; Prozessler-nen, ProblemlösungslerProzessler-nen, Lernen lerProzessler-nen, Organisationstransformation, deutero-learning) Lernen beschreibt den Prozess der Generierung von Wissen über Transformationsprozesse der Organisation, bezieht sich also auf eine reflektierende Betrachtung von der Metaebene.

Es entspricht einem Lernen des Lernens, da die Systemmitglieder lernen, mit single-loop-Lernen und douple-loop-single-loop-Lernen reflektiert umzugehen.

Abb. 3 Ebenen organisationalen Lernes

Quelle: PROBST, G. / B. BÜCHEL (1994): Organisationales Lernen, S. 38, verändert; nach ARGYRIS / SCHÖN, 1978

53 Vgl. z.B. MARCH, J. / J. OLSEN (1976): Organizational Learning and the Ambiguity of the Past, S. 153 f.

54 Vgl. z.B. ARGYRIS, C. / D. A. SCHÖN (1985): Organizational Learning. A Theory of Action Perspective, S. 74 f.

Korrekturen

Ergebnisse Handlungen

Ziele Reflexion, Analyse

und Herstellung eines Sinnbezugs

Korrekturen Korrekturen

single-loop-Lernen douple-loop-Lernen

deutero-Lernen

Allerdings beantworten die Definitionen organisationalen Lernens nur unzureichend die kritischen Fragen wie: Was ändert sich durch das Lernen wirklich? Was löst es aus? Wie ist es zu messen. Genügt es, wenn Überlegungen vorhanden sind, oder müssen bereits ver-änderte Verhaltensweisen beobachtbar sein? In allen Ansätzen wird von der Annahme aus-gegangen, dass Lernen zukünftiges Handeln verbessert.

Neben der Anpassung an Umweltveränderungen durch die Verbesserung organisationaler Handlungen wenden sie sich hin zu einer Entwicklung des Problemlösungspotentials und zu einer kreativen Gestaltung der Zukunft.55 Die Zielsetzung organisationalen Lernens verdeutlicht den Unterschied zu klassischen Konzepten der Organisationsentwicklung: Es geht nicht um inkrementale Anpassungsschritte, um Lernen in Organisationen, oder um Lernen von Individuen oder Gruppen, sondern um die Transformation der gesamten Or-ganisation im Sinne eines Paradigmenwechsels, wobei die Fähigkeit zum so verstandenen Lernen vor allem in einer permanenten Veränderungsbereitschaft und –möglichkeit beste-hen muss.56

Ausgelöst werden organisationale Lernprozesse durch die Bewältigung von auftretenden Problemen. Weitere Auslösefaktoren neben diesen externen Einflussgrößen können auch Gelegenheiten und Menschen sein. Aus der Innovationsforschung liegen seit ihren An-fängen Hinweise dafür vor, dass Krisensituationen treibende Kräfte für Erneuerungen dar-stellen.57 Erfolgt die Fehlerkorrektur im Rahmen der bestehenden mentalen Modelle, han-delt es sich um single-loop-Lernen. Scheitert die Problemlösung, motiviert dies zu douple-loop-Lernen.58 Ein auf diese Weise induziertes organisationales Lernen ist ein evolutionä-rer Prozess, bei dem vorhandenes Wissen angewendet, seine Fehlerhaftigkeit festgestellt und dadurch gelernt wird.

Eine zentrale Aufgabe der strategischen Planung ist es, durch die Betrachtung der Umwelt antizipatorisch Chancen und Risiken für das Unternehmen zu erkennen sowie Handlungen einzuleiten, bevor Krisen entstehen. Besonders die Ansätze zu organisationalem Lernen, die der Selbstorganisation breiten Raum geben, betonen die durch Redundanz und Über-schussreserven vorhandenen Ressourcen zum Experimentieren und Wahrnehmen von Ge-legenheiten.

HEDBERG sieht Menschen als wichtige Auslöser für Lernvorgänge, die sogar strategische Neuorientierungen bewirken können.59 Allerdings können sich einzelne Organisationsmit-glieder auch als Lernbarrieren erweisen. Deshalb ist der Austausch von Personen ein üb-liches Mittel, um z.B. durch Neueinstellungen neues individuelles Wissen zu erwerben, das

55 Vgl. GRESCHNER, J. (1996): Lernfähigkeit von Unternehmen, S. 107

56 Vgl. KREBSBACH-GNATH, C. (1996): Organisationslernen: Theorie und Praxis der Veränderung, S. 86 57 Vgl. WILDEMANN, H. (1995): Die Lernende Organisation, S. 8 f.

58 Vgl. ARGYRIS, C. / D. A. SCHÖN (1978): Organizational Learning. A Theory of Action Perspective, S. 18 ff.

59 Vgl. HEDBERG, L. (1981): How Organizations Learn and Unlearn, S. 17

in kollektiv geteiltes Wissen überführt werden kann. Führungskräfte beeinflussen durch ihr Führungsverhalten Lernprozesse:60

• so gestalten sie die harten und weichen Faktoren des Systems, damit sich das Lern-potential voll entfalten kann,

• sie begleiten andere bei ihrer Informationskonstruktion und –verarbeitung,

• sie haben eine Vorbildfunktion inne, die anderen ein Lernen am Modell ermöglicht.