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2   Literaturübersicht

2.1   Zahnhartsubstanz Schmelz

2.1.1 Strukturelle Besonderheiten

Der menschliche Zahnschmelz besteht zu 93–98 Gew.-% aus anorganischem Material, dessen Hauptbestandteil die Kalzium-Phosphat-Kristalle in Form von Hydroxylapatit ausmachen (4,31). Etwa 100 dieser Schmelzkristalle lagern sich zu den sogenannten Schmelzprismen zusammen, die mit einem mittleren Durchmesser von 5,5 μm eine beachtliche Größe aufweisen (4,32). Sie erstrecken sich von der Schmelz-Dentin-Grenze durch den gesamten Schmelzmantel bis fast an die Schmelzoberfläche (32). Hier endet die Schmelzhülle meist mit einer 20-80 μm dicken Schicht prismenfreien Schmelzes aus dicht gepackten Kristallen (31), der sich auch in Milchzähnen, Fissuren sowie in der Zervikalregion findet (4). Die Schmelz-prismen sind von einer ebenfalls aus Schmelzkristallen gebildeten interprismatischen Substanz umgeben, in der die Kristalle jedoch unstrukturiert vorliegen (4).

Die Prismen, deren Durchmesser durchgängig konstant bleibt, ziehen wellenförmig von der Schmelz-Dentin-Grenze zur Oberfläche (4). Der gewundene Verlauf und das schräge Auftreffen der Prismen in Winkeln von bis zu 70° ergeben einerseits das vergrößerte Schmelzvolumen in der Peripherie und beeinflussen andererseits die Konditionierung des Zahnschmelzes maßgeblich (32). Weiterhin entstehen dadurch in den inneren zwei Dritteln des Zahnschmelzes abwechselnd helle und dunkle Areale, die bei polarisationsmikroskopischer Betrachtung eines Zahnlängsschliffes in Form von Parazonien und Diazonien als Hunter-Schregersche-Streifung imponieren (31). Ein weiteres histologisches Phänomen sind die in etwa parallel zur Zahnoberfläche verlaufenden Retzius-Streifen, die die Wachstumslinien des Zahnschmelzes darstellen (4). Sie sind bei Kindern und Jugendlichen noch makros-kopisch als Perikymatien und Imbrikationslinien sichtbar und verschwinden mit zunehmendem Alter durch Attritionsvorgänge (4,31).

Die Zahnhartsubstanz Schmelz enthält keine Zellen oder Zellfortsätze und ist des-halb nicht regenerierbar (31). Nach abgeschlossener Amelogenesis findet keine wie-tere Neubildung von Schmelz statt. Durch die bereits erwähnten Substitutionsreaktio-nen ist es lediglich möglich oberflächlich entkalkten Schmelz zu remineralisieren (4).

2.1.2 Haftung am Schmelz

Da adhäsive Füllungswerkstoffe keine chemische Verbindung wie ionische oder kovalente Bindungen mit Zahnhartsubstanzen eingehen, müssen diese vor dem Einbringen des Füllungsmaterials konditioniert werden. Die Schmelz-Ätz-Technik wurde erstmals 1955 durch Buonocore beschrieben, als dieser versuchte, durch Ätzung mit 85%iger Phosphorsäure die Haftung von Fissurenversieglern am Schmelz zu verbessern (5). Schon damals erkannte er die wesentlichen Vorteile der Schmelzkonditionierung durch die Säure-Ätz-Technik:

 bedeutende Oberflächenvergrößerung (4-6)

 bessere Benetzbarkeit der Schmelzoberfläche (4-6)

 Entstehung eines Mikroretentionsreliefs (4-6)

Wichtig für eine optimale Ätzwirkung ist das Benetzen von senkrecht angeschnittenen Schmelzprismen. Da letztere im Schmelzrandbereich durch ihr schräges Auftreffen meist lateral getroffen werden (32), müssen sie zunächst angeschrägt werden. Gleichzeitig werden durch die Anschrägung auch aprismatische Schmelzareale entfernt, die kein retentives Ätzmuster liefern (33). Diese Bereiche sind auch der Grund dafür, dass an Milchzähnen, in der Zervikalregion sowie in Fissuren oft kein befriedigendes Mikroretentionsrelief erzielt werden kann (4).

Die Schmelz-Ätz-Technik erfolgt heutzutage überwiegend mit 37%iger Orthophos-phorsäure bei einer Einwirkzeit von 15-60 Sekunden (34,35). Die Säure wird dabei bevorzugt in Gelform angewendet, um ein kontrolliertes Auftragen zu ermöglichen (33,35). Konzentrationen unter 30 % bewirken die Ablagerung von schwer löslichem Brushit (Kalziumhydrogenphosphat Dihydrat, [CaHPO4 x 2 H2O]), der sich durch Wasserspray kaum entfernen lässt und den Verbund zwischen Füllungswerkstoff und Zahn behindert. Ist die Säure stärker als 40 %ig konzentriert, bilden sich den Verbund ebenfalls störende Kalziumphosphatverbindungen [Ca(H2PO4)2 x H2O] (36).

Bei Anwendung von Orthophosphorsäure [H3PO4] mit Konzentrationen zwischen 30 und 40 % konnten konstante Ätzwirkungen beobachtet werden (3,33,36), obwohl sich auch in diesem Bereich schon Kalziumphosphatpräzipitate ablagern (37). Dies erfolgt jedoch in nur geringem Maße, so dass man durch anschließendes Abspülen mit Wasser die Präzipitate und Säurereste entfernen kann, um einen störungsfreien Verbund durch maximal mögliche Oberflächenbenetzbarkeit zu erzielen (4,33).

Bei der Konditionierung des Zahnschmelzes kommt es zur Ausbildung eines spezifischen Ätzmusters, das je nach Lokalisation, räumlicher Anordnung und damit

Anschnittswinkel der Schmelzprismen variiert. Außerdem ist es abhängig von Konzentration und Einwirkzeit der Phosphorsäure sowie der individuellen chemischen Zusammensetzung des Schmelzes (6). Durch die unterschiedliche Säurelöslichkeit von Schmelzprismen und interprismatischer Substanz entstehen drei Ätztypen, die gleichzeitig nebeneinander vorliegen können:

 Ätztyp I: überwiegendes Herauslösen der Schmelzprismenzentren

 Ätztyp II: überwiegendes Herauslösen der Schmelzprismenperipherie

 Ätztyp III: gleichzeitiges Herauslösen beider Anteile (Mischtyp) (4,33)

Das Ätzmuster ist am getrockneten Schmelz durch seine milchig-trübe Oberfläche zu erkennen (34,38), wobei am häufigsten der Ätztyp I beobachtet wird. Unabhängig vom Ätztyp wird bei jedem Ätzvorgang eine Schmelzschicht von 10 µm irreversibel entfernt. Das Mikroretentionsrelief zieht sich ungefähr 30-50 µm tief in den Schmelz hinein, wodurch es zu der oben erwähnten Oberflächenvergrößerung kommt (4,37).

Zusätzlich bewirkt die Anwendung der Säure eine Modifikation der Oberflächenener-gie der Zahnhartsubstanzen, wodurch das Benetzen sowohl von Schmelz als auch von Dentin erleichtert wird (6,34). Die Haftung des nach der Schmelzkonditionierung aufgebrachten ungefüllten niedrigviskösen Bondings erfolgt nun mikromechanisch durch zwei wesentliche Effekte: der geometrische Effekt zeigt sich durch das Ein-fließen des Bondings in die Mikroporositäten des Ätzreliefs (37); der rheologische Effekt entsteht durch die Polymerisationsschrumpfung des Bondings beim Aushärten, wodurch dieses auf die Schmelzzotten aufschrumpft (4,36). Dabei kommt es zur Ausbildung zweier Typen von Kunststoffzapfen: Makro-Tags füllen die weggeätzten Räume um die Schmelzprismen herum, Mikro-Tags infiltrieren die winzigen Ätzporen in den Schmelzprismen (3).

Konditioniert man aprismatischen Schmelz, entsteht aufgrund der fehlenden Prismenstruktur und der dadurch veränderten Säurelöslichkeit häufig der Ätztyp III, der die geringste Retentionskraft bietet (33). Aufgrund der geringeren mikromecha-nischen Retentionswirkung dieses Ätzmusters gestaltet sich ein suffizienter Verbund zwischen Füllungsmaterial und Zahnhartsubstanz in der schmelzbegrenzten Zervikalregion besonders schwierig (4,33).