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Die Untersuchung des Microleakage in Klasse-V-Kavitäten unter Verwendung des Farbstoffpenetrationstests und der Mikrocomputertomographie

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Academic year: 2022

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Aus der Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde der Medizinischen Hochschule Hannover

Die Untersuchung des Microleakage in Klasse-V-Kavitäten unter Verwen- dung des Farbstoffpenetrationstests und der Mikrocomputertomographie

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Zahnheilkunde in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Lisa Sophie Oppermann

aus Hannover

Hannover 2015

(2)

Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 06.04.2016

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. med. Christopher Baum

Betreuer der Arbeit: Prof. Dr. med. dent. Werner Geurtsen

Referent: Prof. Dr. med. dent. Anton Demling

Koreferent: Prof. Dr. med. Roland Seifert

Tag der mündlichen Prüfung: 06.04.2016

Prüfungsausschussmitglieder: Prof. Dr. med. dent. Harald Tschernitschek

Prof. Dr. med. Jan Menne

PD Dr. med. Björn Jüttner

(3)

Meinen Eltern, Großeltern

und Emilia

(4)

Inhaltsverzeichnis

1  Einleitung ... 7 

2  Literaturübersicht ... 10 

2.1  Zahnhartsubstanz Schmelz ... 10 

2.1.1  Strukturelle Besonderheiten ... 10 

2.1.2  Haftung am Schmelz ... 11 

2.2  Zahnhartsubstanz Dentin ... 13 

2.2.1  Strukturelle Besonderheiten ... 13 

2.2.2  Haftung am Dentin ... 14 

2.3  Klasse-V-Kavitäten ... 15 

2.3.1  Definition von Klasse-V-Kavitäten ... 15 

2.3.2  Strukturelle Besonderheiten der Zervikalregion ... 15 

2.3.3  Behandlung von Klasse-V-Kavitäten ... 17 

2.4  Komposite ... 18 

2.4.1  Aufbau und Klassifikation ... 18 

2.4.2  Eigenschaften ... 22 

2.5  Adhäsivsysteme ... 24 

2.5.1  Klassifikation ... 24 

2.5.2  Biokompatibilität ... 29 

2.6  Methoden der Randspaltanalyse ... 30 

2.6.1  Entstehung von Microleakage ... 30 

2.6.2  Verfahren zur Untersuchung des Microleakage ... 32 

2.6.3  Analyse mit Hilfe der Mikrocomputertomographie ... 34 

3  Material und Methode ... 35 

3.1  Versuchsaufbau ... 35 

3.2  Herstellung der Probekörper ... 36 

3.2.1  Vorbereitung der Probekörper ... 36 

(5)

3.2.2  Kavitätenpräparation ... 36 

3.2.3  Füllen der Kavitäten ... 38 

3.3  Penetrationstest ... 41 

3.3.1  Lagerung ... 41 

3.3.2  Thermocycling ... 41 

3.3.3  Farbstoffpenetration ... 41 

3.4  Randspaltanalyse mit dem Auflichtmikroskop ... 42 

3.4.1  Lagerung in der Röntgenentwicklerlösung ... 42 

3.4.2  Sägen der Probekörper ... 43 

3.4.3  Auswertung der Sägeschnitte ... 44 

3.5  Randspaltanalyse mit dem Mikro-Computertomographen ... 45 

3.5.1  Lagerung ... 45 

3.5.2  Durchführung der Mikro-CT-Analyse ... 45 

3.5.3  Auswertung der Mikro-CT-Bilder ... 46 

3.6  Statistische Auswertung ... 46 

4  Ergebnisse ... 47 

4.1  Ergebnisse des Microleakage-Versuches ... 47 

4.1.1  Deskriptive Statistik ... 47 

4.1.2  ANOVA ... 49 

4.1.3  T-Test ... 50 

4.2  Ergebnisse der Mikrocomputertomographie ... 50 

4.2.1  Deskriptive Statistik ... 51 

4.2.2  ANOVA ... 52 

4.2.3  T-Test ... 53 

4.3  Zusammenfassung der Ergebnisse ... 54 

4.3.1  Zusammenfassung der Ergebnisse des Microleakage-Versuches ... 54 

4.3.2  Zusammenfassung der Ergebnisse der Mikrocomputertomographie .... 54 

(6)

5  Diskussion ... 55 

5.1  Diskussion des Microleakage-Versuches ... 55 

5.1.1  Zusammensetzung der Adhäsive ... 55 

5.1.2  Verarbeitung der Adhäsive ... 56 

5.1.3  Bewertung der Methodik ... 58 

5.2  Diskussion des Mikro-CT-Versuches ... 61 

5.2.1  Diskussion der Ergebnisse der Mikrocomputertomographie ... 61 

5.2.2  Bewertung der Methodik ... 62 

5.3  Vergleich von Microleakage- und Mikro-CT-Versuch ... 65 

5.4  Ausblick auf die Verwendung des Mikro-CT zur Bestimmung von Microleakage ... 68 

6  Schlussfolgerung ... 71 

7  Zusammenfassung ... 72 

8  Summary ... 74 

9  Literaturverzeichnis ... 76 

10  Anhang ... 86 

10.1  Abbildungsverzeichnis ... 86 

10.2  Tabellenverzeichnis ... 88 

10.3  Materialliste ... 89 

10.4  Danksagung ... 96 

10.5  Lebenslauf ... 97 

10.6  Erklärung nach § 2 Abs. 2 Nrn. 6 und 7 ... 98 

(7)

1 Einleitung

Plastische Füllungsmaterialien kommen seit dem 16. Jahrhundert in der konservie- renden Zahnmedizin zum Einsatz, wobei sich nach anfänglichen Versuchen mit Goldfolien, Blei und Zinn die quecksilberhaltige Legierung Amalgam durchsetzte (1,2). Mittlerweile ist die Angebotspalette vielfältig: neben Amalgam, Goldhämmerfüllung, verschiedenen Zementen und Kompomeren findet heutzutage das Füllungsmaterial Komposit aufgrund seiner ästhetischen Überlegenheit und der Einsatzmöglichkeit in minimalinvasiven Kavitäten bevorzugt Anwendung. Patienten wünschen sich anatomische und funktionelle Wiederherstellungen, die sich von der natürlichen Zahnfarbe nicht unterscheiden (3). Die individuelle Farbgestaltung des Komposits, seine einfache Modellation und die gute Polierbarkeit kommen hinzu.

Die Indikation von Komposit erstreckt sich von kleinen bis mittelgroßen Defekten so- wohl im Front- als auch im Seitenzahnbereich. Aufgrund der Anwendungsmöglichkeit in minimalinvasiven Kavitäten eignet sich das Material besonders zur zahnhartsubs- tanzschonenden Primärversorgung (4). Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Anwendung von Kompositen ist die „absolute“ Trockenlegung.

Während der Polymerisation dieses Materials auf Dimethacrylatbasis kommt es zu einem Volumenverlust, der die unversehrte Haftung des Komposits an der Zahnober- fläche beeinflusst. Unabdingbar für die Verankerung des hydrophoben Komposits an der hydrophilen Zahnhartsubstanz ist ein Adhäsivsystem, das als Haftvermittler fun- giert. Den Grundstein für die Befestigung von Komposit am Zahn legte Buonocore 1955, als es ihm gelang, mit Hilfe der Säure-Ätz-Technik ein Mikroretentionsrelief zur Verankerung von dünnflüssigen Fissurenversieglern zu schaffen (5).

Seitdem hat es in der adhäsiven Zahnheilkunde enorme Fortschritte gegeben, die zahlreiche Haftvermittlersysteme unterschiedlichster Zusammensetzung und Anwen- dung hervorgebracht haben. Um die hohe Techniksensitivität der Adhäsive zu ver- ringern und anwendungsbedingte Fehler zu vermeiden, finden sich heutzutage immer mehr Self-Etch-Systeme auf dem Markt, die nur einen oder zwei Applikations- schritte benötigen (3). Sie lösen die Präparate mit Etch & Rinse-Technik ab, deren Anwendung zwei oder drei Schritte umfasst (6). Trotz jahrelanger Weiterent- wicklungen stellt ein dauerhafter suffizienter Verbund des Komposits an der Zahn- hartsubstanz noch immer ein Problem dar. Die Entstehung von Microleakage, also Randspalten und Porositäten, die sich zwischen Kavitätenwand und Füllungsmaterial

(8)

bilden und eine klinisch nicht nachzuweisende Passage von Flüssigkeiten, Bakterien, Molekülen und Ionen erlauben (7), ist ein wesentlicher Faktor, der die Langlebigkeit von adhäsiven Restaurationen limitiert (3).

Bei der Versorgung von Klasse-V-Defekten treten lokalisationsbedingt besondere Schwierigkeiten auf. Hierzu zählen die erschwerte Trockenlegung der Kavität, der in- homogene Aufbau der Zahnhartsubstanzen in der Zervikalregion sowie die besonderen kaufunktionellen Belastungen. Diese Aspekte erschweren die adhäsive Befestigung und begünstigen Randundichtigkeiten.

Zahlreiche Methoden zielen darauf ab, Microleakage zu reduzieren und dadurch die Lebensdauer von Kompositrestaurationen zu verlängern. Durch die Softstart- Funktion von Polymerisationslampen soll die Flow-Phase des Komposits verlängert, sein Nachfließen ermöglicht und dadurch ein verringerter Polymerisationsstress erreicht werden (8-10). Das Einbringen des Komposits mit Hilfe der Inkrement- schichttechnik verkleinert den C-Faktor (= configuration), der das Verhältnis von gebundener zu ungebundener Oberfläche des Füllungsmaterials beschreibt und den Einfluss der Kavitätengeometrie auf die Polymerisationsschrumpfung verdeutlicht (4,11,12). Durch das portionsweise Füllen der Kavität mit kleinen Inkrementen und jeweils anschließendem Lichthärten soll der Polymerisationsstress reduziert und dadurch auch die Randspaltbildung verringert werden (13-16). Einige Studien konnten zeigen, dass eine dünne Schicht eines niedrigviskösen Flowables in der Lage ist, den Polymerisationsstress teilweise aufzufangen und dadurch die Entstehung von Microleakage zu vermindern (17-19). Die Allgemeingültigkeit dieses Zusammenhanges wird allerdings kontrovers diskutiert (20,21). Das Adhäsivsystem bewirkt nur eine minimale Verringerung des Polymerisationsstresses (15).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Randspaltbildung an der Komposit- Zahn-Grenzfläche als ein Hauptfaktor für die Langlebigkeit zahnärztlicher Restaurationen angeführt wird, aber immer noch ein ungenügend untersuchtes Phänomen darstellt (22,23). Daraus resultiert, dass die Microleakage-Analyse die ge- bräuchlichste Methode ist, um die Randständigkeit plastischer Füllungsmaterialien zu beurteilen (3). Wissenschaftliche Bemühungen zielen darauf ab, diese Problematik weitestgehend zu eliminieren, um eine Penetration von Mikroorganismen, ihren Stoff- wechselprodukten, Flüssigkeiten und Pigmenten sowie eine Plaqueretention zu verhindern. Die daraus resultierenden Folgen wie Verfärbungen (24,25), Hypersen- sibilitäten (26), Sekundärkaries (24,27), Füllungsverlust und Pulpairritationen (28,29)

(9)

bis hin zu einer irreversiblen Pulpitis (24) sollen vermieden werden. Ziel ist, einer Erneuerung der Füllung mit weiterem Zahnhartsubstanzverlust, parodontalen Schäden, endodontischen Behandlungen oder gar Zahnextraktionen vorzubeugen.

Voraussetzung für die Verbesserung der Bonding/Komposit-Systeme ist eine adäquate Messung der Randundichtigkeiten. Diese muss sowohl qualitativer als auch quantitativer Art sein, um einerseits Lokalisation, Form und Häufigkeit und andererseits die Gesamtgröße der Randspalten exakt erfassen zu können (30).

Daraufhin ist es möglich, die zahlreichen Wechselwirkungen zwischen Microleakage und den verschiedensten Materialeigenschaften genauer zu untersuchen. Erst auf Basis dieser Vorarbeit können produktive Weiter- bzw. Neuentwicklungen der Haft- und Kompositsysteme stattfinden, um den Verbund zwischen Komposit und Zahn zu optimieren und die Handhabung während der Behandlung zu erleichtern.

Die vorliegende In-vitro-Studie verfolgte vor diesem Hintergrund das Ziel Microleakage qualitativ und quantitativ anhand unterschiedlicher Methoden zu erheben und diese miteinander zu vergleichen. Der Fokus ist dabei auf die dreidimensionale Erfassung von Randundichtigkeiten mit Hilfe der Mikrocomputertomographie (Mikro-CT) gerichtet. Dabei werden drei zentrale Fragestellungen untersucht:

 Zeigen verschiedene Adhäsivsysteme Unterschiede in Bezug auf die Ausbildung von Microleakage?

 Zeigen sich je nach schmelz- oder dentinbegrenztem Kavitätenrand lokalisationsbedingte Unterschiede in Bezug auf die Ausbildung von Microleakage?

 Stellt das Mikro-CT im Rahmen der Untersuchung von Microleakage eine wirksamere Methode dar als herkömmliche Untersuchungsverfahren?

(10)

2 Literaturübersicht

2.1 Zahnhartsubstanz Schmelz

2.1.1 Strukturelle Besonderheiten

Der menschliche Zahnschmelz besteht zu 93–98 Gew.-% aus anorganischem Material, dessen Hauptbestandteil die Kalzium-Phosphat-Kristalle in Form von Hydroxylapatit ausmachen (4,31). Etwa 100 dieser Schmelzkristalle lagern sich zu den sogenannten Schmelzprismen zusammen, die mit einem mittleren Durchmesser von 5,5 μm eine beachtliche Größe aufweisen (4,32). Sie erstrecken sich von der Schmelz-Dentin-Grenze durch den gesamten Schmelzmantel bis fast an die Schmelzoberfläche (32). Hier endet die Schmelzhülle meist mit einer 20-80 μm dicken Schicht prismenfreien Schmelzes aus dicht gepackten Kristallen (31), der sich auch in Milchzähnen, Fissuren sowie in der Zervikalregion findet (4). Die Schmelz- prismen sind von einer ebenfalls aus Schmelzkristallen gebildeten interprismatischen Substanz umgeben, in der die Kristalle jedoch unstrukturiert vorliegen (4).

Die Prismen, deren Durchmesser durchgängig konstant bleibt, ziehen wellenförmig von der Schmelz-Dentin-Grenze zur Oberfläche (4). Der gewundene Verlauf und das schräge Auftreffen der Prismen in Winkeln von bis zu 70° ergeben einerseits das vergrößerte Schmelzvolumen in der Peripherie und beeinflussen andererseits die Konditionierung des Zahnschmelzes maßgeblich (32). Weiterhin entstehen dadurch in den inneren zwei Dritteln des Zahnschmelzes abwechselnd helle und dunkle Areale, die bei polarisationsmikroskopischer Betrachtung eines Zahnlängsschliffes in Form von Parazonien und Diazonien als Hunter-Schregersche-Streifung imponieren (31). Ein weiteres histologisches Phänomen sind die in etwa parallel zur Zahnoberfläche verlaufenden Retzius-Streifen, die die Wachstumslinien des Zahnschmelzes darstellen (4). Sie sind bei Kindern und Jugendlichen noch makros- kopisch als Perikymatien und Imbrikationslinien sichtbar und verschwinden mit zunehmendem Alter durch Attritionsvorgänge (4,31).

Die Zahnhartsubstanz Schmelz enthält keine Zellen oder Zellfortsätze und ist des- halb nicht regenerierbar (31). Nach abgeschlossener Amelogenesis findet keine wie- tere Neubildung von Schmelz statt. Durch die bereits erwähnten Substitutionsreaktio- nen ist es lediglich möglich oberflächlich entkalkten Schmelz zu remineralisieren (4).

(11)

2.1.2 Haftung am Schmelz

Da adhäsive Füllungswerkstoffe keine chemische Verbindung wie ionische oder kovalente Bindungen mit Zahnhartsubstanzen eingehen, müssen diese vor dem Einbringen des Füllungsmaterials konditioniert werden. Die Schmelz-Ätz-Technik wurde erstmals 1955 durch Buonocore beschrieben, als dieser versuchte, durch Ätzung mit 85%iger Phosphorsäure die Haftung von Fissurenversieglern am Schmelz zu verbessern (5). Schon damals erkannte er die wesentlichen Vorteile der Schmelzkonditionierung durch die Säure-Ätz-Technik:

 bedeutende Oberflächenvergrößerung (4-6)

 bessere Benetzbarkeit der Schmelzoberfläche (4-6)

 Entstehung eines Mikroretentionsreliefs (4-6)

Wichtig für eine optimale Ätzwirkung ist das Benetzen von senkrecht angeschnittenen Schmelzprismen. Da letztere im Schmelzrandbereich durch ihr schräges Auftreffen meist lateral getroffen werden (32), müssen sie zunächst angeschrägt werden. Gleichzeitig werden durch die Anschrägung auch aprismatische Schmelzareale entfernt, die kein retentives Ätzmuster liefern (33). Diese Bereiche sind auch der Grund dafür, dass an Milchzähnen, in der Zervikalregion sowie in Fissuren oft kein befriedigendes Mikroretentionsrelief erzielt werden kann (4).

Die Schmelz-Ätz-Technik erfolgt heutzutage überwiegend mit 37%iger Orthophos- phorsäure bei einer Einwirkzeit von 15-60 Sekunden (34,35). Die Säure wird dabei bevorzugt in Gelform angewendet, um ein kontrolliertes Auftragen zu ermöglichen (33,35). Konzentrationen unter 30 % bewirken die Ablagerung von schwer löslichem Brushit (Kalziumhydrogenphosphat Dihydrat, [CaHPO4 x 2 H2O]), der sich durch Wasserspray kaum entfernen lässt und den Verbund zwischen Füllungswerkstoff und Zahn behindert. Ist die Säure stärker als 40 %ig konzentriert, bilden sich den Verbund ebenfalls störende Kalziumphosphatverbindungen [Ca(H2PO4)2 x H2O] (36).

Bei Anwendung von Orthophosphorsäure [H3PO4] mit Konzentrationen zwischen 30 und 40 % konnten konstante Ätzwirkungen beobachtet werden (3,33,36), obwohl sich auch in diesem Bereich schon Kalziumphosphatpräzipitate ablagern (37). Dies erfolgt jedoch in nur geringem Maße, so dass man durch anschließendes Abspülen mit Wasser die Präzipitate und Säurereste entfernen kann, um einen störungsfreien Verbund durch maximal mögliche Oberflächenbenetzbarkeit zu erzielen (4,33).

Bei der Konditionierung des Zahnschmelzes kommt es zur Ausbildung eines spezifischen Ätzmusters, das je nach Lokalisation, räumlicher Anordnung und damit

(12)

Anschnittswinkel der Schmelzprismen variiert. Außerdem ist es abhängig von Konzentration und Einwirkzeit der Phosphorsäure sowie der individuellen chemischen Zusammensetzung des Schmelzes (6). Durch die unterschiedliche Säurelöslichkeit von Schmelzprismen und interprismatischer Substanz entstehen drei Ätztypen, die gleichzeitig nebeneinander vorliegen können:

 Ätztyp I: überwiegendes Herauslösen der Schmelzprismenzentren

 Ätztyp II: überwiegendes Herauslösen der Schmelzprismenperipherie

 Ätztyp III: gleichzeitiges Herauslösen beider Anteile (Mischtyp) (4,33)

Das Ätzmuster ist am getrockneten Schmelz durch seine milchig-trübe Oberfläche zu erkennen (34,38), wobei am häufigsten der Ätztyp I beobachtet wird. Unabhängig vom Ätztyp wird bei jedem Ätzvorgang eine Schmelzschicht von 10 µm irreversibel entfernt. Das Mikroretentionsrelief zieht sich ungefähr 30-50 µm tief in den Schmelz hinein, wodurch es zu der oben erwähnten Oberflächenvergrößerung kommt (4,37).

Zusätzlich bewirkt die Anwendung der Säure eine Modifikation der Oberflächenener- gie der Zahnhartsubstanzen, wodurch das Benetzen sowohl von Schmelz als auch von Dentin erleichtert wird (6,34). Die Haftung des nach der Schmelzkonditionierung aufgebrachten ungefüllten niedrigviskösen Bondings erfolgt nun mikromechanisch durch zwei wesentliche Effekte: der geometrische Effekt zeigt sich durch das Ein- fließen des Bondings in die Mikroporositäten des Ätzreliefs (37); der rheologische Effekt entsteht durch die Polymerisationsschrumpfung des Bondings beim Aushärten, wodurch dieses auf die Schmelzzotten aufschrumpft (4,36). Dabei kommt es zur Ausbildung zweier Typen von Kunststoffzapfen: Makro-Tags füllen die weggeätzten Räume um die Schmelzprismen herum, Mikro-Tags infiltrieren die winzigen Ätzporen in den Schmelzprismen (3).

Konditioniert man aprismatischen Schmelz, entsteht aufgrund der fehlenden Prismenstruktur und der dadurch veränderten Säurelöslichkeit häufig der Ätztyp III, der die geringste Retentionskraft bietet (33). Aufgrund der geringeren mikromecha- nischen Retentionswirkung dieses Ätzmusters gestaltet sich ein suffizienter Verbund zwischen Füllungsmaterial und Zahnhartsubstanz in der schmelzbegrenzten Zervikalregion besonders schwierig (4,33).

(13)

2.2 Zahnhartsubstanz Dentin

2.2.1 Strukturelle Besonderheiten

Dentin besteht zu 70 Gew.-% aus anorganischem Material, das überwiegend als Phosphat und Kalzium in Form von Apatitkristallen vorliegt (31). Im Gegensatz zu Schmelz ist Dentin ein lebendes Gewebe, das von den Odontoblasten gebildet und unterhalten wird. Im Unterschied zur Amelogenesis ist die Dentinogenesis ein zeitlebens anhaltender Prozess (31). Nach dem Zeitpunkt der Dentinbildung unterscheidet man das bis zum Abschluss des Wurzelwachstums entstandene Pri- märdentin von dem anschließend regulär gebildeten Sekundärdentin (39). Dieses bewirkt die mit zunehmendem Alter eintretende Verkleinerung des Pulpakavums bis hin zu einer vollständigen Obliteration der Wurzelkanäle. Erfolgt die Bildung von Dentin als Abwehrbarriere aufgrund eines Reizes wie Karies, Attrition oder Erosion, so wird es Tertiär- oder auch Reizdentin genannt (4,31). Es ist inhomogen aufgebaut und zeigt unregelmäßig geformte Dentinkanälchen (39).

Die Odontoblastenkörper liegen in der Pulpa und reichen mit ihren Zellfortsätzen, den Tomesschen Fasern, durch das gesamte Dentin hindurch (31). Die Odontoblasten- fortsätze verlaufen in den Dentinkanälchen, die mit abnehmendem Durchmesser von der Pulpa-Dentin- bis zur Schmelz-Dentin-Grenze ziehen (40). Ihr Durchmesser erreicht maximale Werte von 2,5 µm nahe der Pulpa und sinkt peripher auf 0,8 µm (31,41). Über sich verzweigende dünne Seitenäste stehen die Tomesschen Fasern miteinander in Verbindung, sodass eine interzelluläre Kommunikation zwischen den Odontoblasten stattfinden kann (39,41,42). Die Anzahl der Dentinkanälchen pro Flächeneinheit schwankt von bis zu 90.000 Tubuli pro mm² in der Nähe der Pulpa zu nur noch 15.000 Kanälchen pro mm² an der Schmelz-Dentin-Grenze (31,39,43). Sie machen das Dentin zu einem hochpermeablen Gewebe (6,42).

Der periodontoblastische Raum um die Tomessche Faser ist mit Dentinliquor gefüllt.

Diese extrazelluläre Flüssigkeit wird von der Pulpa sezerniert und besteht aus Wasser und organischen Anteilen, darunter überwiegend Eiweißen (44). In den Dentintubuli herrscht ein von der Pulpa nach außen gerichteter Druck von ca.

30 mmHg (39,45,46), der im entzündlichen Zustand auf 40 mmHg ansteigen kann (47). Diese Tatsache beeinträchtigt die Haftung am Dentin entscheidend, da der nach außen gerichtete Flüssigkeitsstrom keine absolute Trockenlegung zulässt.

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Durch Stimuli wie Hitze, Kälte, osmotische Flüssigkeiten, Druckluft oder mechanische Reizung kommt es zu einer Flüssigkeitsverschiebung in den Dentintubuli (42,43,46,48). Nach der hydrodynamischen Theorie stimulieren bereits minimale Bewegungen des Dentinliquors die A-δ-Fasern durch Deformation der Mechano- rezeptoren oder führen zu einer Aspiration der Odontoblastenkerne in die Tubuli und können dadurch eine Schmerzsensation hervorrufen (43,46,49,50). Sklerosierte oder obliterierte Tubuli beeinträchtigen die Bewegungen des Dentinliquors und führen zu einer Desensibilisierung des Dentins (49).

Während der Dentinogenesis kommt es zu Phasen unregelmäßiger Mineralisation, die als histologische Strukturmerkmale zu erkennen sind. Die Ebner-Linien entsprechen den Wachstumslinien des Dentins und verlaufen in etwa parallel zur Schmelz-Dentin-Grenze. Sie stellen hypomineralisierte Areale dar und spiegeln die Ruhephasen der Odontoblasten wider (4). Traten während der Dentinentwicklung die Odontoblastensekretion einschränkende Allgemeinerkrankungen auf, finden sich als verbreiterte und stärker hypomineralisierte Wachstumslinien die sogenannten Owen- Linien (4). Die Neonatallinie entsteht durch eine längere Ruhephase der Odontoblas- ten von ca. 15 Tagen und findet sich an Milchzähnen und ersten Molaren (4).

2.2.2 Haftung am Dentin

Bei der Füllung dentinbegrenzter Kavitäten ergibt sich das Problem, den hydropho- ben Kunststoff suffizient an dem hydrophilen Dentin zu befestigen, ohne dass es zur Ausbildung von Microleakage kommt. Eine mikromechanische Haftung, wie sie im Schmelz erfolgen kann, wird im Dentin von drei wesentlichen Faktoren verhindert:

 Das etwa ein Drittel des Dentins ausmachende organische Kollagenfasergerüst behindert die Verbindung zu den hydrophoben Kunststoffgruppen (4,34,36).

 Der nach außen gerichtete Druck in den Dentinkanälchen ruft einen die Dentin- oberfläche kontinuierlich befeuchtenden Flüssigkeitsstrom hervor (4,34,36).

 Ein suffizienter Verbund wird durch die bei der Präparation auf Schmelz und Dentin entstehende Schmierschicht (smear layer) erschwert (4,34,36). Dieser 1- 5 µm dicke Belag besteht aus Bakterien, Zell- und Zahnhartgewebetrümmern, Blut- und Speichelbestandteilen sowie Dentinliquor. Er reicht mit sogenannten

„smear plugs“ in die Dentinkanälchen und verringert die Permeabilität des Dentins (39). Er ist mit Wasserspray oder Wattepellets nicht zu entfernen, kann aber durch Säureätzung aufgelöst werden (4,39,42).

(15)

Es ist zudem überaus schwierig, eine Haftung zu einem Material herzustellen, das aus zwei so unterschiedlichen Komponenten wie Kollagen und Apatitkristalliten besteht und sehr inhomogen aufgebaut ist (41). Letzteres äußert sich in lokalisationsbedingt variierenden Werten für Dichte, Härte, Elastizität und Permeabilität des Dentins (31,39,41). Dadurch ist es unabdingbar, ein Haftsystem zu verwenden, welches in der Lage ist, hydrophobe mit hydrophilen Anteilen zu verbinden. Diese Aufgabe erfüllen die Adhäsivsysteme, auf die im gleichnamigen Kapitel (2.5) eingegangen wird.

2.3 Klasse-V-Kavitäten

2.3.1 Definition von Klasse-V-Kavitäten

Zahnhartsubstanzverluste im zervikalen Glattflächenbereich werden nach der Klassifikation der Kariesprädilektionsstellen zu Klasse-V-Kavitäten zusammengefasst (51). Sie finden sich überwiegend vestibulär (52). Ihre Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter (4). Nach ihrer Lokalisation unterscheidet man vier Subklassen:

 Klasse V1: ausschließlich Schmelzbegrenzung

 Klasse V2: koronal Schmelz- und zervikal Dentinbegrenzung

 Klasse V3: ausschließlich Dentin- bzw. Zementbegrenzung

 Klasse V4: Ausdehnung der Kavität in den Approximalraum (53).

Die Ursachen der Läsionen sind Karies, Erosionen und keilförmige Defekte, wobei freiliegende Wurzeloberflächen die Progression fördern (4,33,50,53). Häufig handelt es sich bei der Entstehung um ein multifaktorielles Geschehen (52,54).

2.3.2 Strukturelle Besonderheiten der Zervikalregion

Im Bereich der Zervikalregion treffen Zahnschmelz und Wurzelzement an der Schmelz-Zement-Grenze in drei Konfigurationen des Übergangs aufeinander:

 Am häufigsten findet sich eine den Schmelz überlappende Zementschicht,

 seltener grenzen die beiden Zahnhartsubstanzen direkt aneinander und

 in wenigen Fällen zeigt sich ein freiliegender Bereich unbedeckten Dentins (4).

Der Zahnschmelz im Bereich der Zahnhalsregion ist aprismatisch. Die Schmelzkondi- tionierung erzeugt in diesen Bereichen kein retentives Ätzmuster, wodurch die Haftung adhäsiv befestigter Restaurationen sinkt (4,33,36).

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Das Wurzelzement ist mit nur 65 Gew.-% anorganischen Bestandteilen die am wenigsten mineralisierte Zahnhartsubstanz. Der inhomogene Aufbau der Apatitkris- talle und die diskontinuierliche Dicke der Zementschicht führen zu einer weiteren Herabsetzung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Demineralisationsvorgängen (4).

Unter kariogenen Bedingungen wird der schützende Zementmantel sehr schnell zerstört und führt zu einer zunehmenden Dentinexposition. Die enge Lagebeziehung bedingt dann ein erhöhtes Risiko der Pulpaschädigung bei Exkavation (53).

Im Wurzeldentin befinden sich weniger Dentinkanälchen als im koronalen Dentin. Zur Abwehr einwirkender Noxen sklerosieren diese im Rahmen parodontaler Erkrankun- gen und mit zunehmendem Zementabbau (4). Kariöse Prozesse schreiten in der Zer- vikalregion daher langsamer nach pulpal und stärker zirkulär fort, wodurch die typi- sche Form der nierenförmigen flachen jedoch großflächigen Defekte entsteht (4). Die Progression ist umso ausgeprägter, je mehr Wurzelzement und -dentin durch voran- gegangene Gingivarezessionen freiliegen. Sklerosiertes Dentin zeigt niedrigere Ad- häsionswerte als normales Dentin, da die teilweise komplett verschlossenen Tubuli keine Ausbildung von Kunststoff-Tags zulassen und nur eine schwache Hybrid- schicht entsteht (55,56). Durch vorheriges Anrauen des Dentins kann die sklerosierte Schicht teilweise entfernt und der Haftverbund verbessert werden (57,58).

Die Zahnhalsregion zählt zu den Kariesprädilektionsstellen (4). Sowohl Gingivalsaum als auch das raue Zement zeigen eine verstärkte Plaqueanlagerung, was zu Karies- und Parodontitisprogression führt und nach Füllungstherapie ein erhöhtes Risiko zur Ausbildung einer Sekundärkaries birgt (50,53). Eine weitere Besonderheit stellen die hier einwirkenden Scherkräfte dar, die zu Biege- und Zugbelastungen im Bereich der Zahnhälse führen (4,36,52). Durch okklusale Fehlstellungen und Parafunktionen können diese Belastungen noch verstärkt werden (52,59). Die daraus resultierenden Aussprengungen von Schmelzprismen fördern die Entstehung und Progression keilförmiger Defekte (52). Zahnhalsfüllungen unterliegen dadurch einer starken Beanspruchung, was ihre Langlebigkeit mindern kann (36).

Je nach Konfiguration der Kavität zeigen sich bei Klasse-V-Defekten unterschiedlich hohe C-Faktoren. In flachen erosiven Läsionen kann der C-Faktor sehr gering und in den eher kastenförmigen kariös bedingten Kavitäten sehr hoch ausfallen (10,60). Der bei der Füllungstherapie entsprechend resultierende Polymerisationsstress kann sich sehr unterschiedlich auf die Ausbildung von Microleakage auswirken (10,61).

(17)

2.3.3 Behandlung von Klasse-V-Kavitäten

Es kommen sowohl nicht invasive als auch invasive Methoden zur Behandlung der Klasse-V-Kavitäten in Frage. Entscheidungsweisend zur Wahl der richtigen Therapieform sind dabei die Ursache, die Ausdehnung, die Schmerzsymptomatik, die Progression und nicht zuletzt die Ästhetik des Defektes (4,50,54).

Dentinüberempfindlichkeiten als Folge flacher Erosionen oder Keildefekte können durch regelmäßige Anwendung fluoridhaltiger Gele oder Lacke sowie präzipitatbil- dender Zahnpasten reduziert werden (54). Alternativ ist eine Versiegelung der offenen Dentintubuli mittels eines Haftvermittlersystems möglich (4,62). Aktive kariöse Läsionen müssen zur Verhinderung weiterer Progression invasiv behandelt werden. Bei flachen Defekten ist ein minimalinvasives Vorgehen mit Exkavation und anschließender Fluoridierung möglich (63). Manifeste Läsionen von mehr als 0,5 mm sollten restaurativ kuriert werden (4). Bei der Präparation ist die lokalisationsbedingte Nähe zur Pulpa zu beachten, um eine iatrogene Trepanation zu vermeiden (53). Schmelzbegrenzte Areale bei Klasse V1-, V2- und V4-Defekten werden großflächig angeschrägt, um die mikromechanische Haftfläche zu vergrößern (33,36,53). Makro- mechanische Präparationselemente sind bei Anwendung der Adhäsivtechnik nicht zwingend notwendig, können jedoch einen haftungsverstärkenden Effekt haben und ergeben sich durch die Exkavation häufig automatisch (4,50,54).

Solange sich eine Trockenlegung der Kavität durch Kofferdam, Retraktionsfäden oder spezielle Matrizensysteme sicherstellen lässt, ist Komposit das Füllungsmaterial der Wahl (4,54). Hierbei können auch mit zahnfleischfarbenen Materialien ästhetisch anspruchsvolle Ergebnisse erzielt werden (64,65). Abhängig vom Kavitätendesign sollte vor allem bei kastenförmigen Läsionen die Schichttechnik angewendet werden, um dem hohen C-Faktor Rechnung zu tragen (11,12). Aufgrund der engen Lagebe- ziehung zur Gingiva gestaltet sich die Trockenlegung jedoch häufig schwierig. Alter- nativ kommen Glasionomerzemente zum Einsatz, die nur eine relative Trockenle- gung erfordern und die Möglichkeit zur direkten Haftung an den Zahnhartsubstanzen bieten (4,36,54). Dies ist vor allem bei Klasse V3- und V4-Läsionen indiziert, bei denen lokalisationsbedingt kein ausreichendes mikroretentives Relief zur adhäsiven Befestigung geschaffen werden kann und der häufig subgingival gelegene zervikale Kavitätenrand eine adäquate marginale Adaptation, Ausarbeitung und Politur des Komposits nicht ermöglicht (53).

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Die Auswahl des Füllungsmaterials sollte auch die ursächlichen Faktoren mit ein- schließen. Im kariesaktiven Gebiss können Fluorid freisetzende Glasionomerze- mente von Vorteil sein, bei erosions- und abrasionsbedingten Defekten sollte den säureresistenteren und abrasionsstabileren Kompositen der Vorzug gegeben werden (50,54). Amalgam-, Einlage- oder Goldhämmerfüllungen finden heute in der Regel keine Verwendung mehr. Defekte der Klasse V4 können eine Indikation zur Überkro- nung darstellen und bis zur Extraktion des Zahnes führen (4).

Prinzipiell sollte jede Behandlung die Ausschaltung der jeweiligen Ursachen mit einschließen. Dazu zählt die Veränderung der Mundhygienemaßnahmen zu weniger abrasiven Putztechniken und Zahnpasten, die Umstellung auf eine weniger erosive Ernährung, die Behandlung von Reflux- und Bulimieerkrankungen, das Abstellen von Parafunktionen sowie die Herstellung einer gleichmäßigen Funktion (4,50,52,54).

2.4 Komposite

2.4.1 Aufbau und Klassifikation

Komposite sind Verbundwerkstoffe aus zwei oder mehr Materialien. In der Zahnmedizin bezeichnen sie zahnfarbene, plastische Füllungsmaterialien, die che- misch oder durch Energiezufuhr aushärten (4). Nach anfänglichen Versuchen mit im Mund polymerisierten Polymethylmethacrylaten (PMMA) legte Bowen im Jahre 1962 den Grundstein für die heutigen Komposite, indem er das Dimethacrylat Bisphenol-A- Diglycidylmethacrylat (Bis-GMA) mit anorganischen Füllerpartikeln versetzte (4,66).

Die zahlreichen Bestandteile dieser Werkstoffgruppe kann man den drei Hauptkom- ponenten organische Matrix, anorganische Füllstoffe und Verbundphase zuordnen:

 Organische Matrix

Mehrfunktionelle Methacrylate bilden den Hauptteil der organischen Matrix. Ne- ben BisGMA kommen auch Urethan-Dimethacrylate (UDMA) zum Einsatz, die gegenüber ersteren eine geringere Viskosität und Wasseraufnahme sowie eine höhere Zugfestigkeit aufweisen (53). Die Monomere bestehen aus einem organi- schen Zwischenglied, das zwei Methacrylsäureester-Reste verbindet und für die mechanischen und physikalischen Eigenschaften wie Polymerisationsschrump- fung und -grad, Wasseraufnahme, Säureresistenz sowie Viskosität verantwortlich ist (4,36). Langkettige Monomere zeigen eine geringere Schrumpfung bei gleich-

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zeitig erhöhter Viskosität. Durch Zugabe von kurzkettigen Komonomeren wie Ethylenglykol-dimethacrylat (EGDMA) oder Triethylenglykol-dimethacrylat (TEG- DMA) versucht man die Viskosität des Komposits zur leichteren Verarbeitung niedrig zu halten, bewirkt jedoch gleichzeitig wieder eine stärkere Polymerisa- tionsschrumpfung (4,36,53). Die heute gebräuchlichen Komposite besitzen eine Vielzahl unterschiedlicher Monomerkombinationen, wodurch ihre Eigenschaften stark variieren können.

Initiatoren zerfallen durch Aktivierung in Radikale, reagieren mit den Doppelbin- dungen der Monomere und bewirken die Ausbildung der dreidimensionalen Poly- merketten (36,53). Chemisch härtende Autopolymerisate verwenden Benzoylper- oxid, physikalisch härtende Photopolymerisate Kampferchinon als Initiator (4,53).

Ihre Reaktionsfreudigkeit ist dabei entscheidend für den Polymerisationsgrad und nachfolgend für die mechanischen und physikalischen Eigenschaften des Kompo- sits. Die Anregung erfolgt durch chemische Aktivatoren (z.B. tertiäre Amine) oder energiereiche Strahlung, deren Wellenlänge auf den verwendeten Photoinitiator abgestimmt sein muss (4,33). Im Gegensatz dazu fangen Stabilisatoren wie Eu- genol oder 4-Methoxyphenol die spontan in der organischen Matrix entstehenden Radikale ab (4). Als Inhibitoren verhindern sie so die vorzeitige Polymerisation, gewährleisten eine ausreichende Verarbeitungszeit und tragen zur Lagerfähigkeit des Materials bei (33,36,53).

Weitere Additiva in der organischen Matrix sind Weichmacher, Lichtschutzmittel, optische Aufheller sowie Pigmente organischer oder anorganischer Natur (4).

Letztere dienen der Herstellung unterschiedlich gefärbter Materialien. Häufig wer- den dazu Eisenoxide genutzt. Die Kunststoffmatrix allein ist niedrig viskös und kommt ungefüllt als Schmelzbonding oder als Fissurenversiegler zum Einsatz (4).

Dabei macht man sich ihre gute Fließfähigkeit zunutze.

 Anorganische Füllstoffe

Erst durch Zugabe der splitter-, plättchen-, stäbchen- oder perlenförmigen anor- ganischen Füller aus Keramik, Glas, Phosphat, Silikat, Quarz und feinstteiligem Siliziumdioxid erreichen die Komposite adäquate mechanische und physikalische Eigenschaften (4,36). Es kommt zu einer Erhöhung von Druck-, Zug- und Ver- schleißfestigkeit sowie Elastizitätsmodul bei gleichzeitiger Abnahme von Poly- merisationsschrumpfung, thermischem Expansionskoeffizienten und Wasserauf-

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nahme (4,33,53). Auch Konsistenz, Transluzenz und Farbanpassung des geleg- ten Komposits werden beeinflusst (36). Die heute übliche Klassifikation der Kom- posite richtet sich nach Art und Größe der verwendeten Füllpartikel.

Makrofüllerkomposite enthalten splitterförmige Füllpartikel aus Quarz, Glas oder Keramik, die bis zu 75 Gew.-% des Komposits ausmachen können. Mit einer durchschnittlichen Größe von 5-10 µm zeigen die relativ großen Partikel sub- optimale Transluzenzwerte und Brechungsindizes (4,36,53). Zum Erzielen einer Röntgenopazität werden Barium- oder Strontiumgläser hinzugefügt, um den Nachweis von überstehenden Füllungsrändern, Sekundärkaries oder Füllungsde- fekten zu ermöglichen (53). Die Makrofüller dieser konventionellen Komposite lassen sich jedoch nicht auf Hochglanz polieren, was zu ästhetischen Beeinträch- tigungen durch Verfärbung, einer verstärkten Plaqueakkumulation und zu einem beschleunigten Verschleiß der Füllung durch Herausbrechen einzelner Füllparti- kel führt (4,36,53).

Homogene Mikrofüllerkomposite enthalten Siliziumdioxidpartikel in einer mittle- ren Größe von 0,007-0,04 µm und liegen damit im Nanometerbereich (4,53). Auf- grund ihrer Kugelform besitzen diese Füller eine große Oberfläche und erhöhen die Viskosität bei Zugabe in die organische Matrix sehr schnell (4,33). Mit einem Füllstoffgehalt von nur maximal 50 Gew.-% können keine optimalen mechani- schen Eigenschaften erzielt werden (53).

Inhomogene Mikrofüllerkomposite enthalten neben kugel- und splitterförmigen Mikrofüllkörpern auch Vorpolymerisate von bis zu 200 µm Größe, wodurch ihr Füllstoffgehalt auf 80 Gew.-% angehoben werden kann (4,33,53). Sie lassen sich gut polieren und zeichnen sich durch eine angenehme Ästhetik und eine höhere Verschleißfestigkeit aus (33,53). Nachteilig sind die fehlende Röntgenopazität und die im Vergleich zu den makrogefüllten Kompositen schlechteren physikalischen Eigenschaften, die sich in Form von verstärkter Wasseraufnahme sowie erhöhter Polymerisationsschrumpfung bemerkbar machen (4).

Hybridkomposite vereinen die Vorteile von Makro- und Mikrofüllerkompositen und erreichen Füllstoffgehalte von bis zu 86 Gew.-% (53). Davon entfallen ca. 85- 90 % auf Makrofüller und 10-15 % auf Mikrofüller (4). Diese Komposite verfügen neben Polierbarkeit und Röntgenopazität über sehr gute mechanische und physi- kalische Eigenschaften (33). Je nach Maximalgröße der Füllpartikel unterscheidet

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man Feinpartikelhybridkomposite (< 5 µm) von Feinstpartikelhybridkompositen (< 3 µm) und Submikrometerhybridkompositen (< 1 µm) (4).

Nanofüllerkomposite enthalten Füllkörper, deren Durchschnittsgrößen im Nano- meterbereich liegen (4). Dies erlaubt eine exzellente Hochglanzpolitur. Mit einem Füllstoffgehalt von bis zu 85 Gew.-% erreichen diese Komposite die guten me- chanischen und physikalischen Eigenschaften der Hybridkomposite (4).

Fließfähige Komposite entstehen durch Verringerung des Füllstoffanteils oder durch Zugabe von Komonomeren zu der Kunststoffmatrix. Die daraus resultieren- den schlechteren physikalischen und mechanischen Eigenschaften, insbesondere die erhöhte Polymerisationsschrumpfung, beschränken den Indikationsbereich auf minimalinvasive Kavitäten, schwer zugängliche approximal-zervikale Bereiche und die Composite-bonded-to-flowable-Technik bei Klasse-II-Kavitäten (4). So werden sie überwiegend zur erweiterten Fissurenversiegelung gewinnbringend eingesetzt. Zum Restaurieren größerer Defekte fehlt ihnen eine ausreichende Verschleißfestigkeit, Härte und Röntgenopazität (4).

 Verbundphase:

Um die anorganischen Füller in die organische Matrix einbinden zu können, be- darf es einer Verbundphase. Die Silanisierung der Füllstoffe erfolgt in der Regel durch organische Siliziumverbindungen (z.B. 3-Methacryloxypropyl-trimethoxy- silan), wodurch eine Hydrophobisierung stattfindet (36,53). Die Anbindung an die organische Matrix kommt anschließend durch Polymerisation der Monomere mit dem Methacrylsäurerest des Silans zustande (4,33).

Der Verbund zwischen den beiden Phasen ist nach wie vor die Schwachstelle al- ler Kompositmaterialien, da die Silanisierung durch saure Hydrolyse gelöst und nachfolgend Füllkörper verloren gehen können (4,53). Entlang der Grenzfläche zwischen organischer und anorganischer Phase ist eine Wasseraufnahme mög- lich, die den Verbund schwächt und durch Einschwemmen von Farbpartikeln zu Verfärbungen führen kann (36). Nur eine suffiziente Einbindung der anorgani- schen Füller sorgt für die Aufrechterhaltung der mechanischen Werte wie Biege- und Druckfestigkeit sowie Härte und verlängert die Lebensdauer der Kompositfül- lungen durch Erhöhung der Verschleißfestigkeit (4,36).

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2.4.2 Eigenschaften

Grundsätzlich unterscheidet man lichthärtende von chemisch härtenden Kompositen.

Erstere sind heutzutage fast ausschließlich halogenlicht-härtende Materialien, da dieses Licht wesentlich dickere Kompositschichten und Zahnhartsubstanzareale durchdringen kann (53). UV-Licht führt zu einer irreversiblen Netzhautschädigung und wird deshalb nicht mehr verwendet (53). Der Photoinitiator wird durch die Lichtquanten angeregt, zerfällt in Radikale und startet dadurch die Polymerisations- reaktion (4). Da die Polymerisation der chemisch härtenden Komposite durch Anrühren zweier Pasten initiiert wird, muss durch das Einmischen von Luftblasen mit einem geringeren Konversionsgrad, erhöhtem Restmonomergehalt und verminderter Abrasionsstabilität dieser Materialien gerechnet werden (4,33,36,53). Nachteilig ist weiterhin die im Vergleich zur Lichthärtung deutlich längere Aushärtungszeit von vier bis fünf Minuten. Durch die langsamere Polymerisationsgeschwindigkeit und den niedrigeren Konversionsgrad entwickeln die chemisch härtenden Systeme jedoch einen geringeren Polymerisationsstress (11,12). Bei dualen Systemen macht man sich die eigenständige Polymerisation in der gesamten Dicke des Materials zu Nutze (4). Dies ist vor allem bei der Insertion adhäsiv befestigter Stiftaufbauten von Vorteil.

Unter der Verarbeitungszeit eines Komposits versteht man den modellierfähigen Zeitraum bis zum Erreichen des Gelpunktes, an dem die wachsenden Polymere im noch verbliebenen Monomer nicht mehr löslich sind (36). Durch die bereits unter der OP-Leuchte einsetzende Polymerisation wird die Verarbeitungszeit jedoch einge- schränkt (33,53). Die Härtungszeit bezeichnet die Zeitspanne vom Beginn der Kom- positverarbeitung bis zum Abschluss der Polymerisation. In den ersten 24 Stunden kann noch eine Nachhärtung beobachtet werden (4,36).

Die Umsetzung der Doppelbindungen der Monomere zu Polymerketten nennt man Konversion. Da Restmonomere zu Pulpairritationen führen können, versucht man einen möglichst hohen Konversionsgrad zu erreichen (4,53). Entscheidend dafür ist die Reaktionsfreudigkeit der Initiatoren. Bei lichthärtenden Kompositen gilt es das Ab- standsquadratgesetz mit der Polymerisationslampe zu beachten (4,53). Neben Belichtungszeit, Intensität und Wellenlänge der Lichtquelle haben auch Zusammen- setzung und Farbe des Komposits sowie Grenzflächeneffekte einen Einfluss auf die Konversion (4,53). Sauerstoff ist ein Polymerisationsinhibitor, da er mit den Radi- kalen reagiert. Bei Luft zugewandten Kompositoberflächen führt dies zur Ausbildung einer bis zu 100 µm dicken Sauerstoffinhibitionsschicht mit erhöhtem Restmonomer-

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gehalt (4,36,53). Diese kann zur Anpolymerisation weiteren Füllungsmaterials genutzt oder muss mit der Politur beseitigt werden (33). Ein gewisser Restmonomer- gehalt sowie eine Anzahl unverbrauchter Initiatoren und Stabilisatoren in der Kompo- sitmatrix lassen sich jedoch nie vermeiden (4,33).

Polymerisationslampen emittieren Licht in einem Wellenlängenbereich, der auf die Lichtinitiatoren der meisten Komposite abgestimmt ist. Halogenlampen besitzen im Vergleich zu LED-Lampen ein größeres Wellenlängenspektrum (4). Die LED-Geräte überzeugen durch geringere Hitzeentwicklung, größere Aushärtungstiefen und eine längere Lebensdauer (10). Zu den Funktionsmodi der Polymerisationslampen gehö- ren die Softstart-Funktion mit zunächst verminderter und der Fast-curing-Modus mit konstant maximaler Lichtintensität. Der durch die Softstart-Funktion verminderte Polymerisationsstress verringert die Entstehung von Microleakage, wobei der Ein- fluss des Polymerisationsmodus auf die Randspaltbildung mit zunehmendem C- Faktor der Kavität steigt (10,33,67). Dies liegt an den mit steigendem C-Faktor abnehmenden freien Flächen, von denen ein Nachfließen des Komposits möglich ist (11). Da der Fast-curing-Modus letzteres nicht erlaubt, findet keine Stressrelaxation statt (11). Aufgrund der netzhautschädigenden Wirkung des Polymerisationslichtes muss ein direkter Blick in die Lichtquelle vermieden und am besten mit einer Licht- schutzbrille gearbeitet werden (4,33,53). Um eine konstante Polymerisationsleistung zu erzielen, sollte die Leuchtstärke regelmäßig mit Hilfe eines Radiometers überprüft werden (33,68).

Keines der heute verfügbaren Komposite ist volumenstabil. Wenn benachbarte Mo- nomere unter Ausbildung von Polymeren Doppelbindungen miteinander eingehen, verringert sich ihr Abstand zueinander (11,33). Das erklärt die Abhängigkeit der Poly- merisationsschrumpfung vom Konversionsgrad (69,70). Unter Aushärtung treten Schrumpfungen bis zu 3 Vol.-% auf, die zu Spannungsbildungen führen (4,53). Bei niedrig viskösen Flowables kann der Volumenverlust bis zu 5 % betragen (71). Aus der Diskrepanz zwischen der Haftung des Materials an und den abziehenden Kräften von der Kavitätenwand resultiert Polymerisationsstress (26). Er fördert die Entstehung von Microleakage, Rissen in Füllungsmaterial und Zahnhartsubstanz und das Ausbrechen der Füllkörper (4,10,53). Neben C-Faktor, Größe und Form der Inkremente, Zusammensetzung der Füllungsmaterialien und verwendetem Polymeri- sationsmodus beeinflussen auch die im Rahmen der Polymerisation auftretenden Temperaturschwankungen die Ausbildung des Polymerisationsstresses, der somit

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als multifaktorielles Phänomen einzuordnen ist (11,13,15,16,67,70). Die zahlreichen Abhängigkeiten der Variablen voneinander erschweren die Benennung derjenigen mit dem größten Einfluss zusätzlich (70).

Da das Einbringen des Komposits in Inkrementen die Polymerisationsschrumpfung senkt und zu signifikant geringerer Ausbildung von Polymerisationsstress führt, sollte die Schichttechnik der Bulk-filling-Methode vorgezogen werden (16,33). Einige Materialien erlauben mittlerweile die Verwendung in Schichtstärken bis zu 4 mm.

Abgerundete Inkremente reduzieren den Polymerisationsstress stärker als solche, die mit einer geraden Oberfläche enden (15). Als besonders effektiv hat sich die Anwendung eines sogenannten „pre-layers“ herausgestellt, der die Kavität nahezu vollständig in Form einer dünnen Lage Komposit überzieht, bevor die restliche Füllung in herkömmlicher Schichtung gelegt wird (11,15). Die Schichttechnik ermöglicht zudem ästhetisch anspruchsvolle Wiederherstellungen mit individueller Farbgebung und eine adäquate marginale Adaptation des Füllungsmaterials (4,53).

Abgebundene Komposite zeigen ein nur geringes toxikologisches Potential und eine gute Weichgewebeverträglichkeit (36,72,73). Unverbrauchte Stabilisatoren, Inhibito- ren und Restmonomere sind jedoch als pulpatoxisch einzustufen und können zu einer Pulpairritation führen (4,53). Allergien gegen Kompositmaterialien treten selten auf und sind aufgrund der Vielzahl verschiedener Inhaltsstoffe nur schwer nachzu- weisen (73-76).

2.5 Adhäsivsysteme

2.5.1 Klassifikation

Adhäsive sind Substanzen, die unterschiedliche Materialien durch mechanische oder chemische Haftkräfte miteinander verbinden und die auf die Verbindung ausgeübten Belastungskräfte gleichmäßig ableiten (6). Sie spielen die zentrale Rolle bei der plas- tischen Füllungstherapie mit Kunststoffen, weil sie einen Verbund der hydrophoben Kompositgruppen mit der hydrophilen Zahnhartsubstanz ermöglichen. Des Weiteren werden sie auch zur Behandlung von Hypersensibilitäten eingesetzt (4). Ihre Effekti- vität ist abhängig vom Verhältnis ihrer Haftkraft zu dem einwirkenden Polymerisa- tionsstress (38,60). Grundlage jeder adhäsiv befestigten Restauration ist eine suffi- ziente Trockenlegung, die am besten „absolut“ unter Kofferdam erfolgen sollte (34).

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Während die mittlerweile veraltete Klassifikation der Adhäsivsysteme in sieben Gene- rationen einen chronologischen Überblick über die Entwicklung der Haftvermittler gibt (4,77-79), ist die heute aktuelle Einteilung nach Arbeitsschritten funktionell und praxisorientiert (26,80). Hierbei werden die Adhäsive entsprechend der Säurekondi- tionierung nach Anzahl der Arbeitsschritte kategorisiert:

Tab. 2.1: Einteilung der Adhäsivsysteme nach Arbeitsschritten (26)

 Typ I (Etch & Rinse, 3- bis 4-Schritt-Systeme)

Die Adhäsivsysteme dieser Kategorie beinhalten drei bis vier Anwendungsschrit- te. Der separaten Konditionierung folgen Primer, Dentinadhäsiv und gegebenen- falls ein Schmelzadhäsiv (4). Die Haftfestigkeit dieser Mehr-Flaschen-Systeme hat sich klinisch bewährt (4,34).

Als Konditionierer der Zahnhartsubstanzen kommen Zitronen-, Phosphor-, Salpe- ter-, Glutar-, Dicarbon- oder Maleinsäure sowie Komplexbildner wie EDTA zur Anwendung (4,33). Die Konzentrationen schwanken zwischen 2 % bei der Mal- ein- und 40 % bei der Phosphorsäure. Üblicherweise werden 37%ige Phosphor- säuren zur Schmelzkonditionierung und milde Säuren wie Malein- oder Glutar- säure zur Dentinkonditionierung verwendet (4,26). Um eine säurebedingte Pulpa- schädigung zu vermeiden, kann zunächst nur selektiv der Schmelz geätzt wer- den, bevor das Dentin mit dem Primer benetzt wird (Typ I a und b). Dieser enthält dann als selbstkonditionierender Primer milde Säuren wie z.B. Maleinsäure. Da die selektive Schmelzätzung in der praktischen Anwendung besonders im Rah- men minimalinvasiver Kavitäten schwer durchzuführen ist (26), kommt häufig die Total-Etch-Technik zum Einsatz (Typ I c und d). Hierbei werden sowohl Schmelz als auch Dentin in einem Schritt konditioniert (38). Da das Dentin aufgrund seines geringeren anorganischen Anteils schneller zu demineralisieren ist, wird die Säu-

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re zunächst auf den Zahnschmelz aufgetragen und anschließend auf das Dentin ausgedehnt (4). Nach Einwirkzeiten von 30 respektive 15-20 Sekunden werden die Säure-, Schmierschicht- und Zahnhartsubstanzreste ca. 30 Sekunden lang abgespült (26,34). Bei prismenlosem Schmelz (z.B. Fissurenversiegelung, Dias- temaschluss) sollte die Ätzdauer 60 Sekunden betragen (26). Durch die Säure- anwendung wird die 1-5 µm dicke Schmierschicht aufgelöst (6), die Permeabilität des Dentins für das Eindringen des Haftvermittlers erhöht (39) und das peritubulä- re Dentin der Tubulieingänge konditioniert (38). Dies kann eine Freilegung des Kollagens bis in eine Tiefe von ca. 30 µm bewirken, wobei eine Dentinschicht von 10 µm irreversibel verloren geht (4,80).

In das so vorbereitete und fast vollständig von Hydroxylapatit befreite Kollagen- netzwerk kann anschließend der Primer einziehen (3). Er besteht aus hydrophilen Mono- und Dimethacrylaten wie z.B. Hydroxyethylmethacrylat (HEMA), phospho- nierten Mono-, Di- und Polymethacrylaten sowie Säuremonomeren. Weitere Be- standteile sind Photoinitiatoren, Stabilisatoren und Füllkörper (6). Da das Kolla- gennetzwerk aufgerichtet bleibt, solange Feuchtigkeit vorhanden ist (34,38), kann Wasser als Lösungsmittel einen vorzeitigen Kollaps vermeiden. Besonders bei Primern mit organischen Lösungsmitteln auf Aceton- oder Ethanolbasis muss das Dentin im Rahmen des sogenannten „wet bondings“ feucht gehalten werden, da eine ungenügende Infiltration in das Kollagennetzwerk sonst die vollständige Ausbildung der Hybridschicht verhindert (4,33,38,80,81). Die besondere Schwie- rigkeit besteht darin, den Schmelz zur Darstellung des Ätzmusters zu trocknen und das Kollagengeflecht des Dentins durch „re-wetting“ wieder aufzurichten (26).

Das Wasser wird anschließend durch das Aceton verdrängt (6). Nach einer Ein- wirkzeit von 10-30 Sekunden wird der Primer verblasen, um das Lösungsmittel zu entfernen. Eine ausreichende Schichtdicke sorgt für eine adäquate Haftung. Die hydrophilen kleinkettigen Gruppen wie z.B. HEMA durchdringen die im Nanome- terbereich liegenden Zwischenräume des Kollagennetzwerkes (34). Der Primer bildet somit die Grundlage für einen Verbund mit dem immer restfeuchten Dentin und bereitet es für die Aufnahme des Adhäsivs vor (4,33,80).

Das Dentinadhäsiv enthält amphiphile Mono- und Dimethacrylate, Polymethyl- methacrylat (PMMA) und phosphonierte Mono-, Di- und Polymethacrylate und fungiert dadurch als Bindeglied zwischen hydrophilem Primer und hydrophobem Komposit (4,82). Neben Zusätzen wie Bisphenol-A-diglycidyl-methacrylat (Bis-

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GMA), Triethylenglycol-dimethacrylat (TEGDMA) oder Urethan-dimethacrylat (UDMA) findet man auch hier als Lösungsmittel Wasser, Aceton oder Alkohol (80). Das Adhäsiv mit eher langkettigen Monomeren stabilisiert den Komplex aus Kollagen und Primer und bildet mit diesen nach der Polymerisation von 20- 40 Sekunden eine Hybridschicht (34,39,83). Dabei entstehen als in die Dentintu- buli hineinragende Kunststoffzapfen die sogenannten Tags (33,38). Das Erzielen einer ausreichenden Schichtdicke, die trotz Sauerstoffinhibition noch adäquat ausgehärtet werden kann, ist von großer Wichtigkeit. Ist der Adhäsivfilm auf der Dentinoberfläche zu dünn, liegen überwiegend nicht polymerisierte Methacrylate vor, die keine ausreichende Haftung ermöglichen (4)

Zusätzlich zu dem Dentinadhäsiv kann vor der Polymerisation noch ein Schmelz- adhäsiv in Form von ungefülltem, niedrig viskösem Dimethacrylat aufgetragen werden (4). Anschließend erfolgt das Einbringen des Komposits.

 Typ II (Etch & Rinse, 2-Schritt-Systeme)

Analog zu Typ I erfolgt zunächst die separate Säurekonditionierung in Form einer selektiven Schmelzätzung oder der Total-Etch-Technik. Anschließend wird jedoch ein Primer-Adhäsiv-Gemisch aufgetragen. Diese Ein-Komponenten-Materialien werden je nach Herstellerangaben ein- bis zweimal appliziert, wobei die erste Schicht als Primer und die zweite Schicht als Adhäsiv fungiert (4,34,34). Das Feuchtigkeitsmanagement nach Dentinätzung stellt bei diesen Systemen eine be- sondere Herausforderung dar (26).

 Typ III (Self Etch, 2-Schritt-Systeme)

Bei den selbstkonditionierenden, selbstprimenden Adhäsivsystemen wird die se- parate Säureätzung eingespart. Das saure Primer-Gemisch löst mit Hilfe von selbstätzenden, adhäsiven Monomeren die Schmierschicht an und bewirkt an- schließend die Konditionierung von Schmelz und Dentin (17,34). Dabei ist das Ätzmuster stets schwächer ausgeprägt als bei der Phosphorsäureätzung (26). Da das Abspülen der Säure bei dieser Non-Rinse-Technik entfällt, wird die Problema- tik einer Übertrocknung des Dentins umgangen (34). Die simultane Dentinätzung und Infiltration der ersten Methacrylate vermeidet eine Diskrepanz zwischen der Demineralisationsfront und der Eindringtiefe der Hybridschicht (3,33,84).

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Der pH-Wert entscheidet bei den selbstätzenden Adhäsiven über die Wirksamkeit von Penetration und Auflösung der Schmierschicht und dadurch über die Qualität des Verbundes zur Zahnhartsubstanz. Die Ausbildung einer stabilen Hybrid- schicht erfolgt erst bei pH-Werten < 1,2 (85). Je nach pH-Wert werden die Self- Etch-Adhäsive in starke (pH < 1), moderate (pH um 1,5) und schwache Systeme (pH um 2) unterteilt (3,6,80).

Durch die sich anschließende Applikation des Haftvermittlers soll die Hybrid- schicht stabilisiert, eine sichere Verbindung zum Schmelz hergestellt und die Haf- tung zu einem Komposit ermöglicht werden (34). Dazu sind als funktionelle Meth- acrylate quervernetzende Monomere mit polymerisierbaren Gruppen enthalten, wobei es sich häufig um HEMA handelt. Da die Methacrylate in sauren, wässrigen Lösungen nicht hydrolysestabil sind, werden die Präparate dieser Kategorie als 2- Schritt-Systeme angeboten (4). Zunächst wird der selbstkonditionierende Primer aufgetragen, anschließend das Adhäsiv appliziert und polymerisiert (34).

Die Lösungsmittel der selbstätzenden Adhäsivsysteme sind zumeist Wasser und Alkohol, um einerseits die Applikation auf das Dentin zu verbessern und anderer- seits mit Hilfe des Alkohols das Verblasen des Wassers, das die Polymerisation beeinträchtigt, zu erleichtern (4). Die Problematik des dauerhaften Schmelzver- bundes ohne Phosphorsäureätzung bleibt bei diesen Systemen bestehen (26).

 Typ IV (Self Etch, 1-Schritt-Systeme)

All-in-One-Adhäsive vereinen Säure, Primer und Adhäsiv in einem Applikations- schritt (80). Die 1-Flaschen-Systeme dieser Kategorie arbeiten auf Wasserbasis mit bifunktionellen Acrylamiden (4). Seltener wird das Adhäsiv direkt vor der An- wendung aus zwei Komponenten angemischt (26). Bei vielen Präparaten wird nur noch eine Schicht des selbstkonditionierenden und -primenden Gemisches aufge- tragen (4). Die Problematik bei diesen Systemen besteht darin, gleichzeitig die Forderung nach Hydrophilität für die Dentinhaftung und nach Hydrophobität zur Anbindung an das Komposit zu erfüllen (26).

Der Adhäsiv-Zahn-Verbund stellt immer noch die Schwachstelle bei der Restauration mit Kompositen dar (84) und muss weitergehend überprüft und verbessert werden, da bislang kein Material eine dauerhaft microleakagefreie Randadaptation garan- tieren kann (3). Außerdem sollen auch chemische Reaktionen mit Kollagen, Hydro-

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xylapatit oder unbehandeltem Dentin stärker in die Forschung integriert werden (6).

Vorteile der Adhäsive des Typus III und IV gegenüber den Adhäsivsystemen der Kategorie I und II sind die einfachere Handhabung bei geringerer Techniksensibilität sowie der verminderte Zeitaufwand (34,38,85). Dadurch können anwendungs- bedingte Fehler minimiert werden (3). Eine Missachtung der Herstellerangaben kann zu einer signifikanten Erhöhung von Microleakage führen (82,86). Die Systeme der Etch & Rinse-Technik sind den Präparaten der Self-Etch-Systeme in Randschluss und Haftfestigkeit bislang noch überlegen (3,4,26,34,38,84). Dabei finden sich für die 3-Schritt-Systeme bessere Ergebnisse als für die 2-Schritt-Systeme mit separater Konditionierung, die wiederum den Self-Etch-Systemen vorgezogen werden sollten (3,4,26,38). In rein dentinbegrenzten Kavitäten konnten die Self-Etch-Systeme signifi- kant bessere Ergebnisse erzielen (86). Bei der Schmelzhaftung zeigt nach wie vor die Phosphorsäureätzung die höchste Effektivität (26).

2.5.2 Biokompatibilität

Da die Adhäsivsysteme entsprechend der Kavitätentiefe mehr oder weniger nah zur Pulpa aufgetragen werden, ist ihre biologische Verträglichkeit von zentraler Bedeu- tung. Die durch den Ätzvorgang eröffneten Dentintubuli werden mit Hilfe des Haftver- mittlers versiegelt, um ein Vordringen von Noxen zur Pulpa zu verhindern und die Flüssigkeitsbewegung zu blockieren (4,82). Dadurch verringern sich die postoperati- ven Hypersensibilitäten (4). Insgesamt ist die Pulpaverträglichkeit als gut einzustufen, dennoch sollte ein direkter Kontakt vermieden werden sollte (4,33). Bei Berührung der Gingiva sind reversible Schleimhautreaktionen beschrieben worden (4). Selten können systemisch Allergien gegen einzelne Bestandteile der Adhäsive auftreten (4).

Mutagene, kanzerogene, toxische oder hormonelle Wirkungen wurden bislang nicht nachgewiesen, sind jedoch aufgrund der zahlreichen Inhaltsstoffe und unterschied- lichen Zusammensetzungen nicht mit Sicherheit auszuschließen (4).

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2.6 Methoden der Randspaltanalyse

2.6.1 Entstehung von Microleakage

Unter Microleakage versteht man Randspalten und Porositäten, die sich zwischen Kavitätenwand und Füllungsmaterial bilden und eine klinisch nicht nachzuweisende Passage von Flüssigkeiten, Bakterien, Molekülen und Ionen erlauben (7). Für einen spaltfreien Verbund von Komposit an der Zahnhartsubstanz erfolgt im Schmelz eine mikromechanische Haftung durch das Einfließen und Aufschrumpfen des Bondings in die Mikroporositäten des Ätzreliefs (37). Im Dentin ist die Ausbildung einer homo- genen Hybridschicht aus Kollagen, Primer und Adhäsiv des Haftvermittlersystems von größter Wichtigkeit. Die Langlebigkeit dieser Schicht wird von physikalischen Faktoren wie Kaukräften, thermischer Expansion und Kontraktion, von chemischen Einflüssen wie pH-Wert und von biologischen Parametern wie bakteriellen Stoff- wechselprodukten oder Enzymen beeinflusst (3,87,88). Abbauvorgänge kommen am Kollagen, an gelösten Hydroxylapatitkristallen, an Kunststoffmonomeren sowie an Lösungsmittelresten vor. Die Hybridschicht funktioniert dabei wie eine semipermea- ble Membran, da selbst nach erfolgter Polymerisation Wasserkanälchen von ihrer Oberfläche bis in die Tiefe ziehen oder sich Wasserbläschen bilden (4). Dieses Phänomen ist umso ausgeprägter, je hydrophiler das verwendete Adhäsivsystem (89) und je geringer der durch Polymerisation erzielte Konversionsgrad ist (90).

Bei der Dentinkonditionierung muss eine Überätzung oder Übertrocknung vermieden werden, da das dadurch kollabierende Kollagennetzwerk nicht mehr optimal von dem Haftvermittler infiltriert werden kann. Einzelne nicht ummantelte Kollagenfasern können daraufhin hydrolytisch oder enzymatisch abgebaut werden, was die Stabilität der Hybridschicht mindert und die Entstehung von Microleakage fördert (3,4,88).

Erhöht wird die Dauerhaftigkeit der Hybridschicht durch mehrmalige Applikations- schritte und verlängerte Polymerisationszeiten des Adhäsivsystems (60,90,91) sowie eine Kavitätenreinigung mit Chlorhexidinlösung. Letztere führt bereits niedrig konzen- triert zu einer Hemmung von körpereigenen Proteasen, die das Kollagen abbauen (4,92-94). Es konnte jedoch gezeigt werden, dass eine Kavitätendesinfektion mit CHX nicht immer zu einer Reduktion von Microleakage führt (95). CHX verstärkt den

„smear layer“ und macht die Dentinoberfläche säureresistent, so dass in Kombination mit Self-Etch-Adhäsiven erhöhte Microleakagewerte beobachtet wurden (96).

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Ein weiterer wichtiger Faktor im Rahmen der Bildung von Microleakage ist das Kavi- tätendesign. Mit Komposit zu füllende Kavitäten sollten nicht kastenförmig und scharfkantig präpariert werden, denn dadurch kommt es schneller zu einem durch die Polymerisationsspannungen hervorgerufenen Abreißen des Haftvermittlersystems von der Zahnhartsubstanz und daraus resultierenden Randspalten (4). Dieses Phä- nomen wird durch den C-Faktor (configuration factor) beschrieben, der das Verhält- nis von gebundenen zu freien Flächen des Komposits an der Zahnhartsubstanz an- gibt (12). Je kleiner der C-Faktor, desto weniger Oberfläche des Kunststoffes ist gebunden und desto geringer ist der einwirkende Polymerisationsstress (11). Die In- krementschichttechnik verwendet das portionsweise Einbringen des Füllungsmate- rials mit sich jeweils anschließendem Lichthärten. Dadurch wird der C-Faktor mini- miert und der Bildung von Microleakage vorgebeugt (13,14).

Das viskoelastische Verhalten des zur Füllung verwendeten Komposits spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Randundichtigkeiten, die durch Polymerisationsstress hervorgerufen werden (11). Während der Polymerisation kommt es zu einer Annäherung der Monomeratome, wodurch sich das Volumen in Abhängigkeit von Füllstoffgehalt und Konversionsrate des Komposits verringert (11).

Die durch diese Polymerisationsschrumpfung hervorgerufenen Spannungen können anfänglich durch das Nachfließen von noch nicht polymerisierten Monomeren ausge- glichen werden, wobei eine Abhängigkeit zu C-Faktor und Kavitätendesign besteht (12). Dies ist allerdings nur bis zum Erreichen des Gelpunktes möglich, an dem durch internes Kettenwachstum und Quervernetzung die Viskosität des Komposits soweit angestiegen ist, dass ein elastischer Zustand erreicht wird, in dem kein weiteres Nachfließen erfolgen kann (11,97). Anschließend bauen sich im Rahmen der Post- Gel-Kontraktionen Spannungen innerhalb des Kunststoffes sowie zwischen Restau- rationsmaterial und Kavitätenwand auf (4,11,97). Diese abziehenden Kräfte führen noch während des Legens der Füllung zu einer Schwächung des Verbundes.

Diverse Methoden zielen darauf ab, die Zeit bis zum Erreichen des Gelpunktes hinauszuzögern, dadurch ein vermehrtes Nachfließen des Komposits zu ermöglichen und die Bildung von Microleakage zu reduzieren. Eine Möglichkeit ist die Anwendung von Polymerisationslampen mit Softstartfunktion, die mit einer anfangs reduzierten Lichtintensität härten, dadurch die Flow-Phase des Komposits verlängern und den Polymerisationsstress vermindern (8,9,11). Auch die Inkrementschichttechnik soll ein länger anhaltendes Nachfließen garantieren. Eine dritte Variante stellt das Einbrin-

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gen einer dünnen Schicht eines Flowables dar, das den Gelpunkt durch seine niedrige Viskosität erst später erreicht. Dieses dünnflüssige Komposit soll als elas- tische Kavitätenwand im Bereich der Adhäsionsfläche die entstehenden Spannungen zwischen Komposit und Zahnhartsubstanz abfangen (17-19). Die Wirksamkeit dieser Methode wird in der Literatur allerdings kontrovers diskutiert (20,21).

Während der Polymerisation unterliegen die Komposite einer Temperaturerhöhung durch die exotherme Reaktion und die Wärme der Polymerisationslampe. Die ungleichen thermischen Expansionskoeffizienten von Kompositmatrix und Füllstoffen verstärken die Ausbildung von Polymerisationsstress auf die Verbundphase (26,70).

Dieser interne Stress überträgt sich auf die Zahn-Komposit-Grenzfläche und fördert die Ausbildung von Microleakage (70).

Nicht infiltrierte Bereiche des durch Säurekonditionierung freigelegten Kollagennetz- werkes nennt man Nanoleakage (26,33). Ursachen sind eine unzureichende Pene- tration des Adhäsivsystems (3,4), ein mangelhaftes Feuchtigkeitsmanagement bei Etch & Rinse-Systemen (26) oder eine erhöhte Permeabilität der Kunststoffmatrix entlang von Kollagenfibrillen innerhalb der Hybridschicht (3,98). Auch unvollständig entfernte Wasseranteile können zu Nanoleakage führen. Eine derart geschwächte Hybridschicht kann als Grundlage für die Bildung von Microleakage fungieren und sie beschleunigen. Problematisch ist dabei weniger die Passage von Bakterien, die mit ihrer durchschnittlich im Mikrometerbereich liegenden Größe nicht durch die Poro- sitäten des Nanoleakage passen, sondern vielmehr die Schwächung durch Hydro- lyse oder bakterielle Stoffwechselprodukte wie Säuren oder Enzyme (3).

Abschließend muss man die Entstehung von Microleakage als multifaktorielles Geschehen betrachten, dessen zahlreiche Parameter weiterführender Untersuchung bedürfen (11). Randundichtigkeiten und -verfärbungen sind noch immer die häufigste Ursache für die Reparatur oder Erneuerung adhäsiver Restaurationen (3).

2.6.2 Verfahren zur Untersuchung des Microleakage

Eine der ältesten und die bislang gängigste Methode zur Untersuchung von Micro- leakage ist die „dye-“ oder „tracer penetration“ (3,27,30). Hierbei wird ein restaurierter Zahn in eine Farb- oder Indikatorlösung eingelegt, anschließend im Füllungsbereich durchgesägt und per Auflichtmikroskop, Rasterelektronenmikroskop (REM; engl.

scanning electron microscope, SEM), Spektrophotometer oder Autoradiografie untersucht (27,99-101). Die Farbpenetration zeigt dann Lücken und Spalten an.

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Als Indikatoren kommen organische Farbstoffe wie Fuchsin (10), Methylenblau (23), Erythrosin (102), Eosin und Tinte (29), fluoreszierende Stoffe wie Rhodamin (25) oder radioaktive Marker wie 45CaCl2 oder C14 zum Einsatz (24,100,103). Methylen- blau stellt einen sehr empfindlichen Indikator dar, dessen Lösung bei Raumtempera- tur instabil ist und unter Anwesenheit von Hydroxylionen zum farblosen Leukomethy- lenblau reagiert (24,99). Außerdem ist er aufgrund seines sauren pH-Wertes in der Lage das Dentin zu demineralisieren (29,99). Daher werden sowohl Methylenblau als auch Fuchsin mit Basen bis zu einem neutralen pH gepuffert. Eine Interaktion mit den sauren Primerrückständen kann trotzdem nicht ausgeschlossen werden (24).

Ein häufiger Indikator ist das Silbernitrat, das überwiegend in einer Konzentration von 50 % zum Einsatz kommt (22,101,104-107), obwohl bereits bei Konzentrationen von 5 % ein Nachweis von Microleakage möglich ist (108). Da sich die Größe der Silber- ionen mit einem Durchmesser von 0,059 nm im Bereich des Nanoleakage befindet (29,99), werden bereits kleinste Randspalten detektiert (3,108). Weil die Partikel somit kleiner sind als Bakterien, kann man nicht ausschließen, dass in vivo weniger Randspalten besiedelt als in vitro aufgezeigt werden (109,110). Weiterhin muss bei der Auswertung berücksichtigt werden, dass der Tracer auch in die Dentintubuli penetrieren und dadurch größere Randspalten vortäuschen kann (111). Die Fixie- rung durch das Reduktionsmittel der Entwicklersubstanz verhindert eine Aus- waschung des Silbernitrats während des Sägevorganges durch das Kühlwasser (24).

Deshalb wird es auch den chemischen Indikatoren zugeordnet (111). Seine Röntgen- opazität bietet die Möglichkeit der röntgenologischen Darstellung (105). Ungeklärt ist jedoch eine etwaige Einschränkung der Penetration durch Ablagerung von Silber- phosphatkristallen an den Dentintubuli (29,99).

Eher selten verwenden Studien eine bakterielle Penetration, da diese trotz der besseren Nachempfindung klinischer Bedingungen in ihrer Anwendung zu kompli- ziert ist (24) und abhängig von der Bakteriengröße keine Spalten im Nanoleakage Bereich anzeigt (111). Versuche, die auf der hydrodynamischen Bewegung von Salz- lösungen basieren, sind ebenfalls selten (24). Bei einer mittlerweile veralteten Methode wird der restaurierte Zahn in Wasser eingelegt und einem hohen Luftdruck ausgesetzt. Aufsteigende Luftblasen zeigen dann Spalten an, die den Durchtritt der Luft erlauben (27,112).

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2.6.3 Analyse mit Hilfe der Mikrocomputertomographie

Die auf Röntgenstrahlen basierende Mikrocomputertomographie soll die Forderung nach einer nicht invasiven Untersuchungsmethode erfüllen, die Microleakage quanti- tativ am gesamten Zahn erfasst, dabei Lage, Form und Gesamtvolumen der Rand- spalten analysiert und die Ergebnisse in einer 3D-Darstellung wiedergibt (30).

Dazu werden die Röntgenstrahlen das Objekt entlang durch eine bestimmte Schnitt- ebene geschickt und von einem Detektor erfasst. Die Einstellung der Schnittebene erfolgt durch die Rotation des Probenhalters, während Detektor und Röntgenröhre auf und ab fahren. Die Energiedosen variieren dabei erheblich. Es finden sich Anga- ben zwischen 70 kV bei 114 µA (27) und 100 kV bei 98 mA (105). Schnitt für Schnitt wird so das gesamte zu untersuchende Gebiet erfasst. Je nach Größe der Kavität erhält man ca. 250-400 Schnitte (113). Aus diesen zweidimensionalen Bildern wird mit Hilfe einer geeigneten Software die dreidimensionale Ansicht generiert (41). Die Geschwindigkeit beträgt ca. eine Minute pro Bild (41). Bei höchstmöglicher Auflösung von 10 μm liegt die maximale Probengröße bei ca. 20 mm. Unterschiede in der Rönt- genopazität zwischen Objekt und Hintergrund erhöhen dabei den Kontrast (27,106).

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3 Material und Methode

3.1 Versuchsaufbau

Abb. 3.1: Versuchsaufbau Teil 1

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