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2   Literaturübersicht

2.3   Klasse-V-Kavitäten

2.3.1 Definition von Klasse-V-Kavitäten

Zahnhartsubstanzverluste im zervikalen Glattflächenbereich werden nach der Klassifikation der Kariesprädilektionsstellen zu Klasse-V-Kavitäten zusammengefasst (51). Sie finden sich überwiegend vestibulär (52). Ihre Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter (4). Nach ihrer Lokalisation unterscheidet man vier Subklassen:

 Klasse V1: ausschließlich Schmelzbegrenzung

 Klasse V2: koronal Schmelz- und zervikal Dentinbegrenzung

 Klasse V3: ausschließlich Dentin- bzw. Zementbegrenzung

 Klasse V4: Ausdehnung der Kavität in den Approximalraum (53).

Die Ursachen der Läsionen sind Karies, Erosionen und keilförmige Defekte, wobei freiliegende Wurzeloberflächen die Progression fördern (4,33,50,53). Häufig handelt es sich bei der Entstehung um ein multifaktorielles Geschehen (52,54).

2.3.2 Strukturelle Besonderheiten der Zervikalregion

Im Bereich der Zervikalregion treffen Zahnschmelz und Wurzelzement an der Schmelz-Zement-Grenze in drei Konfigurationen des Übergangs aufeinander:

 Am häufigsten findet sich eine den Schmelz überlappende Zementschicht,

 seltener grenzen die beiden Zahnhartsubstanzen direkt aneinander und

 in wenigen Fällen zeigt sich ein freiliegender Bereich unbedeckten Dentins (4).

Der Zahnschmelz im Bereich der Zahnhalsregion ist aprismatisch. Die Schmelzkondi-tionierung erzeugt in diesen Bereichen kein retentives Ätzmuster, wodurch die Haftung adhäsiv befestigter Restaurationen sinkt (4,33,36).

Das Wurzelzement ist mit nur 65 Gew.-% anorganischen Bestandteilen die am wenigsten mineralisierte Zahnhartsubstanz. Der inhomogene Aufbau der Apatitkris-talle und die diskontinuierliche Dicke der Zementschicht führen zu einer weiteren Herabsetzung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Demineralisationsvorgängen (4).

Unter kariogenen Bedingungen wird der schützende Zementmantel sehr schnell zerstört und führt zu einer zunehmenden Dentinexposition. Die enge Lagebeziehung bedingt dann ein erhöhtes Risiko der Pulpaschädigung bei Exkavation (53).

Im Wurzeldentin befinden sich weniger Dentinkanälchen als im koronalen Dentin. Zur Abwehr einwirkender Noxen sklerosieren diese im Rahmen parodontaler Erkrankun-gen und mit zunehmendem Zementabbau (4). Kariöse Prozesse schreiten in der Zer-vikalregion daher langsamer nach pulpal und stärker zirkulär fort, wodurch die typi-sche Form der nierenförmigen flachen jedoch großflächigen Defekte entsteht (4). Die Progression ist umso ausgeprägter, je mehr Wurzelzement und -dentin durch voran-gegangene Gingivarezessionen freiliegen. Sklerosiertes Dentin zeigt niedrigere Ad-häsionswerte als normales Dentin, da die teilweise komplett verschlossenen Tubuli keine Ausbildung von Kunststoff-Tags zulassen und nur eine schwache Hybrid-schicht entsteht (55,56). Durch vorheriges Anrauen des Dentins kann die sklerosierte Schicht teilweise entfernt und der Haftverbund verbessert werden (57,58).

Die Zahnhalsregion zählt zu den Kariesprädilektionsstellen (4). Sowohl Gingivalsaum als auch das raue Zement zeigen eine verstärkte Plaqueanlagerung, was zu Karies- und Parodontitisprogression führt und nach Füllungstherapie ein erhöhtes Risiko zur Ausbildung einer Sekundärkaries birgt (50,53). Eine weitere Besonderheit stellen die hier einwirkenden Scherkräfte dar, die zu Biege- und Zugbelastungen im Bereich der Zahnhälse führen (4,36,52). Durch okklusale Fehlstellungen und Parafunktionen können diese Belastungen noch verstärkt werden (52,59). Die daraus resultierenden Aussprengungen von Schmelzprismen fördern die Entstehung und Progression keilförmiger Defekte (52). Zahnhalsfüllungen unterliegen dadurch einer starken Beanspruchung, was ihre Langlebigkeit mindern kann (36).

Je nach Konfiguration der Kavität zeigen sich bei Klasse-V-Defekten unterschiedlich hohe C-Faktoren. In flachen erosiven Läsionen kann der C-Faktor sehr gering und in den eher kastenförmigen kariös bedingten Kavitäten sehr hoch ausfallen (10,60). Der bei der Füllungstherapie entsprechend resultierende Polymerisationsstress kann sich sehr unterschiedlich auf die Ausbildung von Microleakage auswirken (10,61).

2.3.3 Behandlung von Klasse-V-Kavitäten

Es kommen sowohl nicht invasive als auch invasive Methoden zur Behandlung der Klasse-V-Kavitäten in Frage. Entscheidungsweisend zur Wahl der richtigen Therapieform sind dabei die Ursache, die Ausdehnung, die Schmerzsymptomatik, die Progression und nicht zuletzt die Ästhetik des Defektes (4,50,54).

Dentinüberempfindlichkeiten als Folge flacher Erosionen oder Keildefekte können durch regelmäßige Anwendung fluoridhaltiger Gele oder Lacke sowie präzipitatbil-dender Zahnpasten reduziert werden (54). Alternativ ist eine Versiegelung der offenen Dentintubuli mittels eines Haftvermittlersystems möglich (4,62). Aktive kariöse Läsionen müssen zur Verhinderung weiterer Progression invasiv behandelt werden. Bei flachen Defekten ist ein minimalinvasives Vorgehen mit Exkavation und anschließender Fluoridierung möglich (63). Manifeste Läsionen von mehr als 0,5 mm sollten restaurativ kuriert werden (4). Bei der Präparation ist die lokalisationsbedingte Nähe zur Pulpa zu beachten, um eine iatrogene Trepanation zu vermeiden (53). Schmelzbegrenzte Areale bei Klasse V1-, V2- und V4-Defekten werden großflächig angeschrägt, um die mikromechanische Haftfläche zu vergrößern (33,36,53). Makro-mechanische Präparationselemente sind bei Anwendung der Adhäsivtechnik nicht zwingend notwendig, können jedoch einen haftungsverstärkenden Effekt haben und ergeben sich durch die Exkavation häufig automatisch (4,50,54).

Solange sich eine Trockenlegung der Kavität durch Kofferdam, Retraktionsfäden oder spezielle Matrizensysteme sicherstellen lässt, ist Komposit das Füllungsmaterial der Wahl (4,54). Hierbei können auch mit zahnfleischfarbenen Materialien ästhetisch anspruchsvolle Ergebnisse erzielt werden (64,65). Abhängig vom Kavitätendesign sollte vor allem bei kastenförmigen Läsionen die Schichttechnik angewendet werden, um dem hohen C-Faktor Rechnung zu tragen (11,12). Aufgrund der engen Lagebe-ziehung zur Gingiva gestaltet sich die Trockenlegung jedoch häufig schwierig. Alter-nativ kommen Glasionomerzemente zum Einsatz, die nur eine relative Trockenle-gung erfordern und die Möglichkeit zur direkten Haftung an den Zahnhartsubstanzen bieten (4,36,54). Dies ist vor allem bei Klasse V3- und V4-Läsionen indiziert, bei denen lokalisationsbedingt kein ausreichendes mikroretentives Relief zur adhäsiven Befestigung geschaffen werden kann und der häufig subgingival gelegene zervikale Kavitätenrand eine adäquate marginale Adaptation, Ausarbeitung und Politur des Komposits nicht ermöglicht (53).

Die Auswahl des Füllungsmaterials sollte auch die ursächlichen Faktoren mit ein-schließen. Im kariesaktiven Gebiss können Fluorid freisetzende Glasionomerze-mente von Vorteil sein, bei erosions- und abrasionsbedingten Defekten sollte den säureresistenteren und abrasionsstabileren Kompositen der Vorzug gegeben werden (50,54). Amalgam-, Einlage- oder Goldhämmerfüllungen finden heute in der Regel keine Verwendung mehr. Defekte der Klasse V4 können eine Indikation zur Überkro-nung darstellen und bis zur Extraktion des Zahnes führen (4).

Prinzipiell sollte jede Behandlung die Ausschaltung der jeweiligen Ursachen mit einschließen. Dazu zählt die Veränderung der Mundhygienemaßnahmen zu weniger abrasiven Putztechniken und Zahnpasten, die Umstellung auf eine weniger erosive Ernährung, die Behandlung von Reflux- und Bulimieerkrankungen, das Abstellen von Parafunktionen sowie die Herstellung einer gleichmäßigen Funktion (4,50,52,54).