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Die vorliegende Dissertation befaßt sich mit der Verwandtschaftsbeziehung der Imido-Komplexchemie zur Carbonyl- und Metallocen-Imido-Komplexchemie. Besonderes Augenmerk gilt dem Vergleich hinsichtlich Struktur- und Reaktivitätsprinzipien von d-elektronenreichen Carbonylkomplexen mit d-elektronenarmen Imidokomplexen, die in empirisch abgeleiteter Isolobalanalogie zueinander stehen. Das Konzept der Cyclopentadienyl-Imido-Ligandanalogie schafft einen weiteren Bezug der Imidometallchemie zur Metallocenchemie, deren Vertreter in gleicher Weise nach analogen Reaktivitätsmerkmalen untersucht werden.

Bei der Gegenüberstellung der 3 Komplexklassen sind im ersten Teil die Metallate Ankerpunkt der Betrachtung.

Durch Deprotonierung gelingt es, die Hydrido-substituierten Komplexe des Typs [Cp*M(NMes)2H] (M = W, Mo) in die Metallate [Cp*M(NMes)2Li(L)2] (M = W, L = py’ : 1;

M = Mo, L = py: 3) zu überführen. Diese Syntheseroute ist bereits für Carbonyl- und Metallocenmetallate etabliert und kann auf Imidokomplexe übertragen werden. Dabei findet die Umpolung des Imidometallzentrums von einem d0-Lewis-aciden zu einem d2 -Lewis-basischen Komplexfragment statt.

Derartige d2-konfigurierte Imidokomplexe des Halbsandwich-Typs werden zum ersten Mal

Wie aus der Struktur von [Cp*Mo(NMes)2Li(py)2] 3 zu erkennen ist, sind Imidometallate wie Carbonylmetallate ambidente Nucleophile. Harte Metallsäuren wie Li+ werden über die Stickstoffatome der Imidoliganden komplexiert. Durch Pyridin und dessen Derivate wird die tetraedrische Anordung der Liganden um das Lithium-Kation vervollständigt.

Durch Umsetzungen mit stärkeren N-Donorliganden wie TMEDA lassen sich leicht Substitutions-reaktionen in der Ligandensphäre des Lithiums durchführen.

In Analogie zu den Carbonylmetallaten sind die

Imidometallate der Elektronenkonfiguration d2 typische Metallbasen. Sie lassen sich am Metallzentrum protonieren und quantitativ in die Hydrido-substituierten Imidokomplexe zurückführen.

In Folgereaktionen mit verschiedenen weichen Hauptgruppen-Elektrophilen wird der metall-basische Charakter der lithiierten Imidometallate nachgewiesen. Die Reaktionen verlaufen via Alkalisalzeliminierung nach dem Mechanismus einer Nucleophilen Substitution.

[Cp*Mo(NMes)2Li(py)2] 3

[Cp*W(NMes)2Li(tmeda)] 2

[Cp*W(NMes)2SnMe3] 7

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Weiterhin lassen sich durch die Umsetzung von 1 und 3 mit Übergangsmetall-Elektrophilen neue Metall-Metall-Bindungen knüpfen. Hierbei wird beobachtet, daß die Imidometallate einerseits mit reduktionsstabilen Elektrophilen im Sinne einer Nucleophilen Substitution reagieren, andererseits als stark reduzierende Spezies wirken. Vor allem die Reaktionen mit Quecksilber(II)-Verbindungen wie HgCl2, PhHgCl oder PhHgOTf verlaufen als Redox-prozesse unter der Abscheidung von elementarem Quecksilber und der Bildung von [Cp*M(NMes)2X] (M = W, Mo; X = Cl, Ph). Als quecksilberhaltiges Produkt kann in der Umsetzung von 1 mit PhHgCl der Heterodreikernkomplex 14 sauber isoliert werden.

Reaktionen mit verschiedenen Carbonylmetall-Elektrophilen lassen ebenfalls auf SET-Reaktionen, bei denen Halogeno-Komplexe des Typs [Cp*M(NMes)2X] (M = W, Mo;

X = Cl, I) beobachtet werden, schließen. Gleiches gilt für die Reaktivitätsstudien gegenüber d0

-reagieren.

In Umsetzungen mit Diorganodichalkogen-Verbindungen lassen sich in hohen Ausbeuten Komplexe des Typs [Cp*W(NMes)2ER] (E = O, R = SiMe3; E = S, R = Me, tBu, Ph, 2-Benzothiazolyl; E = Se, Te, R = Ph) darstellen:

Die Reaktionen der lithiierten Metallate mit Aziden verlaufen nicht einheitlich unter Nitrentransfer.

In Umsetzungen von 1 und 3 mit Me3SiN3 werden Triazeno-substituierte Halbsandwich-Komplexe 23 und 24 erhalten. Werden jedoch elektronenarme heteroatomsubstituierte Azide wie Mes2BN3 und TosN3 oder organylsubstituierte Azide wie PhN3 eingesetzt, wird die Bildung von Amido-Imido-Komplexen 25, 26 und 27 beobachtet. Reaktivere,

[Cp*W(NMes)2OSiMe3] 16

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elektronenreichere Azide wie Ph3SiN3, Me3GeN3, Ph3GeN3, Ph4AsN3,Ph3CN3 reagieren hingegen unselektiv mit den Imidometallaten. Zur Erklärung des Reaktionsverlaufs wird ein Radikalmechanismus diskutiert.

[Cp*W(NMes)2{NHBMes2}] 25 [Cp*W(NMes)2{NHPh}] 27

Die Reaktivität von N2O ist prinzipiell vergleichbar mit der von Aziden. Allerdings wird das nicht beobachtbare Intermediat eines Oxodiimido-At-Komplexes durch Einfang eines Protons zum Amido- und nicht zum Hydoxokomplex stabilisiert.

In den Umsetzungen mit den Organylhalogeniden offenbaren die Imidometallate in der Knüpfung von Metall-Kohlenstoff-Bindungen ein Reaktivitätspotential vergleichbar mit dem der Metallate der Carbonyl- und Metallocen-Komplexchemie.

Nicht nur anhand der Metallate werden vergleichbare Reaktivitäten gegenüber den Carbonylkomplexen oder der Metallocenverbindungen deutlich. Imidometall-Komplexe sind ebenfalls in der Lage, radikalische Vertreter zu bilden, die sich unter Dimerisierung der koordinativ ungesättigten d1-Komplexfragmente stabilisieren. Nach Dimerisierung zum diamagnetischen d1-d1-Komplex kann der Imidoligand verbrückende Positionen einnehmen, ähnlich wie dies vom CO-Liganden in der Carbonylchemie bekannt ist. Im zweiten Teil der Dissertation wird der Einfluß des Organylrests auf die Struktur und Bindungsverhältnisse in den d1-d1-homodinuclearen Komplexen untersucht.

[Re(NtBu)3Cl] wird ähnlich wie die NtBu-substituierten d0-Imidokomplexe der Metalle der Gruppe 5 und 6 zu Zweikernkomplexen mit verbrückendem und terminalem Imidoligand reduziert. Dabei nimmt das Reduktionsmittel keinen Einfluß auf die Bildung des Konstitutionsisomers.

Für R = Mesityl in [Re(NR)3Cl] führt die Reduktion mit LiBEt3H ebenfalls zur Bildung des dinuclearen Imidokomplexes [{Re(NMes)2(µ-NMes)}2] 32, der sich bei hohen Temperaturen T > 330 K als Isomer mit verbrückenden und terminalen Liganden im NMR-Spektrum zu erkennen gibt. Des weiteren wird

1H-NMR-spektroskopisch eine temperaturabhängige Verbreiterung und Separierung der Signale des Mesitylsubstituenten beobachtet. Als Ursache kann [{Re(NMes)2(µ-NMes)}2] 32

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ein gehinderter Austauschprozeß der Imidoliganden bei tiefen Temperaturen angenommen werden. Hierbei liegen beide Stereoisomere, das all-terminale Isomer [{Re(NMes)3}2] und das terminal/verbrückende Isomer [{Re(NMes)2(µ-NMes)}2], im Gleichgewicht vor. Eine weitere Interpretation der 1H-NMR-Spektren zieht eine asymmetrische Verbrückung der Re-Re-Bindung durch die Mesitylliganden in Betracht.

Der Mesitylimido-Ligand führt auch für die Metalle der 6. Gruppe zu Komplexverbindungen, die sich in ihrer Struktur und Reaktivität von den tert.-Butyl-Analoga unterscheiden. So weist die homodinucleare Verbindung

[{CpMo(NMes)(µ-NMes)}2] 33 in der Kristallstruktur Bindungslängen und -winkel auf, die zu einer Gratwanderung in der Diskussion einer Metall-Metall-Bindung führt.

Bei weiterer Erhöhung des sterischen Anspruchs des Komplexfragments können keine d1-d1 -Dimerkomplexe isoliert werden. Weder bei der Reduktion von [Cp*W(NMes)2Cl] noch bei der Oxidation von [CpW(NMes)2]- wird eine Dimerisierung radikalischer Zwischenstufen beobachtet. Hier weicht das Metallradikal der Fragmentkombination unter Bildung von [Cp*W(NMes)2H] 5 aus, das als Produkt einer radikalischen H-Abstraktion angesehen wird.

[{CpMo(NMes)(µ-NMes)}2] 33

Der dritte Teil der präparativen Arbeit widmet sich heteroatomsubstituierten Imidokomplexen (NR = NSiMe3) des Niobs und des Tantals, die mit analogen, in der eigenen Arbeitsgruppe synthetisierten tert.-Butyl-Imidokomplexen (NR = NCMe3) verglichen werden. Bei der Synthese der Silylimido-Komplexe werden zum Teil gleiche Darstellungswege angewendet.

Die Synthese von Halbsandwich-Komplexen des Typs [Cp*M(NSiMe3)Cl2] (M = Nb: 34, Ta:

35) gelingt durch Umsetzung von [Cp*MCl4] (M = Nb, Ta) mit Li[N(SiMe3)2].

Ausgehend von [M(NSiMe3)Cl3(py)2] (M = Nb, Ta) gelingt die Darstellung von Trispyrazolyl-borato-(Tp*-) und substituierten Metallocen-N-Silylimidokomplexen.

[Tp*Ta(NSiMe3)Cl2] 37

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Anhand der Kristallstrukturanalyen von [Cp3Ta(NSiMe3)] 41 und [Cp3Ta(NtBu)] 42 (Darstellung analog zu 41) wird bewiesen, daß der NtBu-Imidoligand gegenüber der SiMe3 -substituierten Funktion der stärkere σ,π-Donor ist.

[Cp3Ta(NSiMe3)] 41 [Cp3Ta(NtBu)] 42

Weiterhin unterstützen NMR-Studien zum Fluktuationsverhalten der Cp-Liganden beider Komplexe die Aussagen der Strukturdiskussion. Hierzu werden Aktivierungsenergien des Haptizitätswechsels der σ- und π-koordinierten (C5H5)-Liganden bestimmt.

Durch die Untersuchungen zur Reduktion von [Cp2M(NtBu)Cl] und [Cp2M(NSiMe3)Cl]

(M = Nb, Ta) wird jedoch gezeigt, daß das Isolobalkonzept seinen Wert, jedoch auch seine Grenzen besitzt. So wird im Fall der dinuclearen d1-d1-Tantalverbindung beobachtet, daß der stärkere Donor [µ-NR]2- den schwächeren Donor (η5-C5H5)- aus der π-Koordination verdrängt.

Die Reduktion der Niobverbindung [(η5-C5H5)2Nb(NtBu)Cl] führte jedoch nicht zur Bildung eines Zweikernkomplexes mit unsymmetrischer Struktur. Durch Tieftemperatur-Untersuchungen konnte das erwartete Fluktuationsverhalten der Cp-Liganden nicht

Liganden des Typs [{(η5-C5H5)2Nb(µ-NtBu)}2] zugeschrieben, deren Strukturbeweis noch erbracht werden muß.

Im Fall der N-Siliylimidokomplexe verläuft die Reduktion unselektiv.

Der letzte Teil befaßt sich mit der Komplexverbindung [(Me3P)2(tBuN)2WFe(CO)4], deren Metall-Metall-Bindung einen ylidischen Charakter mit einer negativen Partialladung am Eisen und einer positiven Partialladung am Wolfram-Metallzentrum besitzt. Produkte der Addition eines Carbens [CH2] [(Me3P)(tBuN)2W(CH2)Fe(CO)4] II und des Selens [Se]

[(Me3P)(tBuN)2W(Se)Fe(CO)4] III, in denen eine verbrückte Wolfram-Eisen-Einfach-bindung vorliegt, können erstmals strukturell charakterisiert werden.

[(Me3P)(tBuN)2W(CH2)Fe(CO)4] II [(Me3P)(tBuN)2W(Se)Fe(CO)4] III

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Bei weiteren Umsetzungen mit dem Ziel der Insertion beispielsweise mit (Me3Sn)2CN2, H2 oder I2 werden vor allem Redoxprozesse beobachtet. Substrate wie SO2 oder TosNSO, die zu Metathesereaktionen in der Ligandsphäre befähigt sind, reagieren mit [(Me3P)2(tBuN)2WFe(CO)4] I unter Zersetzung.

Mit [(Me3P)(tBuN)2W(CH2)Fe(CO)4] II führt die Reaktion mit SO2 jedoch zu einem Imido-Oxo-Ligandaustausch gefolgt von einer Addition von SO2 in die Wolfram-Oxo-Funktion.

Es bildet sich ein tetranuclearer Komplex mit verbrückenden Sulfitoliganden zwischen beiden Wolframzentren. Das Produkt dieser Dominoreaktion kann ebenfalls strukturell charakterisiert werden. Der Koordinations-modus des µ-Sulfitoliganden ist bislang ohne Präzedenz in der Koordinationschemie.

[{(Me3P)(tBuN)W(CH2)Fe(CO)4}2(µ,η2(O,O)-SO3}2] 44