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W OLFRAMS

4.5 R EAKTIONEN VON I MIDOMETALLATEN MIT A ZIDEN

Die phenylsubstituierten Bisselenide und Bistelluride gehen vergleichbare Reaktionen mit [Cp*W(NMes)2Li(py’ )2] 1 ein. In Analogie zu Verbindung 19 sind die SePh- und TePh-substituierten Verteter durch die Reaktion in Toluol bei -78°C erhältlich.

Die dunkelroten Verbindungen 21 und 22 sind durch 1H- und 13C-NMR-Daten, IR- und Massenspektroskopie sowie CHN-Analyse charakterisiert. Sie zeichnen sich durch eine ähnlich hohe Stabilität an der Luft aus und weisen das gleiche Löslichkeitsverhalten wie die Verbindungen 17-20 auf.

Gegenüber den Dichalkogeniden RE-ER (E = O, S, Se, Te) erweist sich die lithiierte Verbindung 1 als selektiv reagierendes Nucleophil, wobei Wolfram-E-Bindungen (E = O, S, Se, Te; R = SiMe3, Me, tBu, Ph, {C(S)(N)C6H4}) neu geknüpft werden. Die Reaktionen wurden nur für das Wolframimidometallat 1 und nicht für die analoge Molybdänverbindung 3 untersucht.

welche Produkte bei den Reaktionen der Imidometallate [(η5-C5Me5)M(NMes)2Li(L)2] (M = W, L = py’ 1; M = Mo, L = py 3) mit heterosubstituierten Aziden gebildet werden.

Bei der Umsetzung von [(η5-C5Me5)W(NMes)2Li(py’ )2] 1 mit Me3SiN3 in Benzol bei RT kann keine N2-Abspaltung beobachtet werden, so daß eine Verbindung der Zusammensetzung [(η5-C5Me5)W(NMes)2(N3HSiMe3)] detektiert wird.

Das in Pentan und Hexan vollständig unlösliche orangefarbene Pulver ist durch 1H-, 13 C-und 29Si-NMR-Spektroskopie charakterisiert. Im IR-Spektrum wird eine Schwingungs-bande bei ν∼ = 3435 cm-1, die einer N-H-Streckschwingung entspricht, sowie eine Bande bei ν∼ = 2113 cm-1, die auf eine Triazenido-Spezies hinweist, detektiert.

Über die Isolierung solcher N3Ar-substituierter Komplexe wird in einer von R.G. BERGMAN

veröffentlichten Arbeit berichtet. Unter oxidativer Addition von N3Ar (Ar = C6H5, p-NMe2C6H4, p-CF3C6H4) an das d2-Tantalzentrum [Cp2Ta(PMe3)(Me)] gelingt es, Aryltriazenido-Komplexe zu isolieren und röntgenkristallographisch zu untersuchen.[85] Im IR-Spektrum von [Cp2Ta(N3Ph)CH3] wird eine starke Absorptionsbande bei ν∼ = 1730 cm-1 beobachtet, die auf eine N=N-Doppelbindung schließen läßt. Bei der Reaktion von [Cp2Zr(µ-NtBu)IrCp*] mit PhN3 wird ebenfalls ein Triazenidokomplex, in dem das α-Stickstoffatom beide Metallzentren verbrückt, erhalten.[86] Derartige Triazenidokomplexe werden auch von Carbonylverbindungen des Molybdäns[87] und Osmiums[88] gebildet. In allen Fällen werden jedoch keine IR-Daten diskutiert. Jüngst berichteten THIEL und Mitarbeiter über die Darstellung von Palladiumkomplexen mit chelatisierenden Organoazidliganden.[89] Hierbei wird dem terminalen Azidliganden eine Streckschwingung bei ν∼ = 2147 cm-1 zugeordnet. Eine Distickstoff-Dreifachbindung würde bei ν∼ = 2250 cm-1 eine Absorptionsbande hervorrufen.[90] Die CHN-Analyse von 23 belegt

Das Massenspektrum zeigt den höchsten Peak bei m/z = 673, der dem Molpeak von [Cp*W(NMes)2(NHSiMe3)] entsprechen würde. Doch diese Tatsache ist durch eine mögliche Abspaltung von N2 zu begründen. Lichtinduziert, d.h. durch Bestrahlen einer toluolischen Lösung von 23 mit Licht der Wellenlänge λ = 254 nm, gelingt dies jedoch nicht. Gleiches wird von literaturbekannten Triazenidokomplexen berichtet.[86,87]

Für Komplex 23 können 3 verschiedene Strukturisomere diskutiert werden, die im folgenden dargestellt sind:

Abbildung 10: Strukturisomere von [Cp*W(NMes)2(N3SiMe3H)] 23.

Die 1H- und 13C-NMR-Spektren zeigen die Äquivalenz der Mesitylimido-Liganden. Damit ist ein denkbares Stereoisomer C, ein Amido-Imido-Triazenidokomplex, ausgeschlossen.

Außerdem erscheinen im 1H-NMR-Spektrum die Resonanzsignale bei δ = 2.19 ppm für die para-ständigen und bei δ = 2.44 ppm für die ortho-ständigen Methylgruppen der Mesitylimidofunktionen. Sie befinden sich im typischen Bereich von Mesitylimido-Halbsandwichverbindungen.

Die Verbindung zeigt weiterhin eine starke Hochfeldverschiebung der Me3Si-Protonen im

1H-NMR-Spektrum bei δ = 0.17 ppm. Das Resonanzsignal der Protonen der Trimethylsilyl-gruppe im Komplex [W(NMes)2(NSiMe3)(PMe3)2][55] erscheint bei δ = 0.33 ppm. Das im Vergleich zum letzteren hochfeldverschobene Resonanzsignal weist auf eine sehr elektronenreiche Komplexverbindung hin, wobei der Strukturvorschlag A die beste Formulierung darstellt. Dabei wird die Lokalisierung des Protons am γ-ständigen Stickstoffatom des Triazenidoliganden als am α-ständigen als wahrscheinlicher angenommen.

Wie die Protonierung der Verbindung erfolgt, konnte bislang nicht geklärt werden. Es wurden für diese Reaktionen frisch getrocknete und destillierte Lösungsmittel verwendet.

Der Versuch, durch elektrophile Reagenzien, wie z.B. MeI oder Me3SiCl, in situ das plausible anionische Intermediat abzufangen, verliefen ohne Erfolg. In keinem Fall konnten Abfangprodukte wie [Cp*W(NMes) (N (E)(SiMe )] (E = Me, SiMe ) detektiert werden.

Bei Verwendung von Me3SiCl im Überschuß (1:5) wird die Chloroverbindung [(η5-C5Me5)W(NMes)2Cl] gebildet (vgl. Abbildung 11). Als Protonenquelle werden eine radikalische H-Abstraktion des Lösungsmittels oder der Reaktanden sowie Feuchtigkeitsspuren im Reaktionsgemisch diskutiert.

Abbildung 11: Abfangreaktionen bei der Umsetzung von [Cp*W(NMes)2Li(py’ )2] mit Me3SiN3.

Wird die entsprechende Reaktion von 3 mit Me3SiN3 in Toluol bei RT durchgeführt, so verfärbt sich die hellgrüne Suspension sofort nach Rot. Dabei wird ebenfalls keine lithiierte Spezies erhalten, sondern nur die protonierte Spezies 24.

Zur Durchführung dieser Reaktion wurde ebenfalls frisch destilliertes Lösungsmittel verwendet. Somit können nur eventuelle Feuchtigkeitsspuren in Me3SiN3 oder eine radikalisch initiierte H-Abstraktion am Toluol als Ursache angenommen werden. Wird hier

methylierte Abfangprodukt erhalten werden. 24 ist 1H-, 13C- und 29 Si-NMR-spektros-kopisch belegt. Im IR-Spektrum sind Absorptionsbanden bei ν∼ = 3405 cm-1 für die N-H-Streckschwingung sowie bei ν∼ = 2170 cm-1 für eine N=N-Streckschwingung sichtbar. In Analogie zu 23 konnte aber ebenfalls per EI-Massenspektroskopie nur [M+-N2], [Cp*Mo(NMes)2 (NHSiMe3)], als Signal mit dem größten Verhältnis m/z detektiert werden.

Die Reaktionen der lithiierten Komplexe 1 und 3 mit stannyl- oder germylsubstituierten Aziden, wie Me3SnN3, Ph3SnN3, Me3GeN3, Ph3GeN3, oder auch mit Ph3SiN3 verliefen nur unter Bildung von Reaktionsgemischen mit paramagnetischen Anteilen, die nicht aufgetrennt werden konnten. Bei der vergleichenden Betrachtung der Silyl-, Germyl- und Stannylazide führt nur die Umsetzung der Metallate mit dem reaktionsträgsten Azid Me3SiN3 zur selektiven Reaktion. Vor allem die Umsetzungen mit den Stannylaziden legen Radikalzwischenstufen nahe. Dies steht im Einklang mit den von OSBORNE[91] et al. und K. KORN[55] dokumentierten Beobachtungen. Bei der Umsetzung von 3 mit Me3SnN3 in Toluol werden im 1H-NMR-Spektrum 2 Hauptprodukte detektiert, wobei ein Set an Resonanzsignalen mit der stannylierten Verbindung 8 übereinstimmen.

Beide Komponenten konnten durch Kristallisation nicht vollständig voneinander getrennt werden, da Zersetzung des Produktgemisches eintritt. In dem Maße wie sich paramagnetische Verbindungen bilden, verschwinden vor allem die Resonanzsignale der plausiblen Azidospezies [Cp*Mo(NMes)2N3].

Diese Beobachtungen stützen die Vorstellung, daß Umsetzungen der Imidometallate mit Aziden über Radikalreaktionen ablaufen. Mechanistische Überlegungen sind im folgenden Schema wiedergegeben:

Schema 13: Vorschlag zum Reaktionsmechanismus der SET-Reaktion von [Cp*M(NMes)2Li(L)2] (M = W, L = py’ : 1; M = Mo, L = py : 3) mit Aziden.

Wird [Cp*W(NMes)2Li(py’ )2] in Toluol bei -78°C mit Mes2BN3 zur Reaktion gebracht, tritt ein sofortiger Farbumschlag nach Orange ein. Das Produkt ist relativ gut in Hexan löslich und kann somit von unlöslichen Bestandteilen im Reaktionsgemisch abgetrennt werden.

Die Zuordnung der 1H-und 13C-NMR-Daten bei 298 K erweist sich durch die 2 Signalgruppen von je zwei Mesitylsubstituenten als schwierig. Das IR-Spektrum weist eine Absorptionsbande bei ν∼ = 3250 cm-1 auf, die einer N-H-Amidostreckschwingung zugeordnet werden kann. Es konnte aber keinerlei N=N-Streckschwingung beobachtet werden, so daß die Bildung eines N-Borylamido-Komplexes plausibel erschien. Die Bildung von [Cp*W(NMes)2(NHBMes2)] 25 wird weiterhin durch massenspektroskopische Daten untermauert. Zur weiteren Bestätigung der Verbindung konnte eine Kristallstrukturanalyse angefertigt werden.

4.5.1 MOLEKÜLSTRUKTUR VON [(η5-C5Me5)W(NMes)2(NHBMes2)] 25 IM KRISTALL

Aus einer gesättigten Lösung von 25 in Hexan werden bei -30°C innerhalb von 2 Wochen orangerote Einkristalle erhalten, die zur Anfertigung einer Kristallstrukturanalyse verwendet werden. 25 kristallisiert triklin in der Raumgruppe P1 (Nr.: 2) mit 2 Molekülen in der Elementarzelle.

Das Wolframzentrum ist pseudotetraedrisch von seinem Ligandenregime, das aus zwei Mesitylimidogruppen, dem Borylamidosubstituenten sowie dem Zentroid der [η5-C5Me5 ]-Gruppe gebildet wird, umgeben.

Abbildung 12: Molekülstruktur von [Cp*W(NMes)2(NHBMes2)] 25.

Tabelle 18: Ausgewählte Bindungslängen [pm] von 25.

W-N(1) 202.1(7) N(1)-B 140.7(11)

W-N(2) 176.6(8) N(1)-H(1a) 102(9)

W-N(3) 174.6(9) B-C(11) 160.3(13)

N(2)-C(30) 140.5(10) B-C(20) 159.8(13)

N(3)-C(40) 142.4(11)

Tabelle 19: Ausgewählte Bindungslängen [pm] der [η5-C5Me5]-Einheit von 25.

W-C(1) 252.0(9) C(1)-C(2) 143.2(12)

W-C(2) 250.1(10) C(2)-C(3) 139.8(12)

W-C(3) 246.5(9) C(3)-C(4) 142.0(12)

W-C(4) 236.9(8) C(4)-C(5) 144.3(12)

W-C(5) 246.9(9) C(5)-C(1) 138.4(11)

Tabelle 20: Ausgewählte Bindungswinkel [°] von 25.

W-N(1)-B 145.4(7) N(1)-B-C(11) 116.6(10)

N(1)-W-N(2) 104.0(3) N(1)-B-C(20) 123.1(9)

N(2)-W-N(3) 106.0(3) C(11)-B-C(20) 120.3(8)

N(3)-W-N(1) 102.4(3) H(1a)-N(1)-B 117(5)

W-N(2)-C(30) 169.3(6)

W-N(3)-C(40) 159.9(7)

Die Bindungslängen W-N(2) = 176.6(8) pm und W-N(3) = 174.6(9) pm liegen im Bereich für Mesitylimidoliganden mit einer Bindungsordnung von 2.5. Das Stickstoffatom des Borylamidoliganden weist mit 202.8(7) pm eine Bindungslänge auf, die für Wolfram-Amidokomplexe typisch ist.[92,93,94]

Der B-N(1)-Abstand ist mit 140.5(11) pm durchaus vergleichbar mit Komplexen wie [W(NMes)2(NBMes2)(PMe3)2][55] oder [W(NBMes2)2Cl2(PMe3)2].[95]

[W(NMes)2(NBMes2)(PMe3)2] weist einen N-B-Abstand von 139.0(10) pm, [W(NBMes2)2Cl2(PMe3)2] N-B-Abstände von 143.3(8) und 143.5(7) pm auf. In beiden Fällen ist der NBMes2-Rest als Imidoligand am Wolfram koordiniert. Das Borzentrum ist

Abbildung 13:

Molekülstruktur von

[Cp*W(NMes)2(NHBMes2)]

25.

stets ein starker Akzeptor, so daß die π-Bindungen des Stickstoffatoms zum Bor in den drei Komplexen ähnlich stark ausgeprägt sind.

Die π-Rückbindung des Stickstoffatoms zum Bor wird ganz eindeutig durch die Koordination um das Boratom bestätigt. Nahezu ideal trigonal planar ordnen sich N(1), C(11) und C(20) um das Borzentrum an. Die Winkel von C(11)-B-C(20), N(1)-B-C(11) und N(1)-B-C(20) mit 120.3(8)°, 116.6(10)° und 123.1(9)° ergeben in summa 360° und bestärken somit die Argumentation, daß das leere pz-Orbital am Bor mit dem besetzten pz-Orbital des Amidostickstoffs wechselwirkt.

Die Bindungswinkel W-N(2)-C(30) = 169.3(6)° und W-N(3)-C(40) = 159.9(7)° weichen zwar markant von einer linearen Cipso-N-W-Achse ab, die in den Komplexen 7, 11 oder 16 ausgeprägt ist, dennoch gibt es aufgrund der geringen Energiebarriere bei der Winkeländerung der [W-N-R]-Achse keinen Anlaß, beide Imidosubstituenten in ihrer Funktion als 4-Elektronen oder 6-Elektronen-Donorligand zu unterscheiden.[96] Extended-Hückel-MO-Berechnungenzeigen, daß die Gesamtenergie der Komplexverbindung bei einer Winkeländerung der Imidometallachse von 180°-150° kaum variiert. Es gibt keine elektronisch begründete, signifikante Barriere, so daß Abweichungen von der Linearität auf Kristallpackungseffekte und sterische Wechselwirkungen zurückzuführen sind.

Die Kristallstrukturanalyse belegt, daß Komplex 25 stark π-gesättigt ist. Der Bindungswinkel W-N(1)-B = 145.7(9)° ist im Vergleich zu Bindungswinkeln anderer Amido-Liganden, die Organylreste tragen (siehe Tabelle 24, S. 64), weniger stark abge-winkelt, gegenüber Silylamidoliganden hingegen verringert.[97,98]

Der Cp*-Ligand besitzt unterschiedliche Wolfram-Kohlenstoff- sowie verschiedene Kohlenstoff-Kohlenstoff-Abstände, die auf den stärkeren trans-Einfluß des Imidoliganden im Vergleich zum N-Borylamidoliganden zurückzuführen sind.

Da nur die unreaktivsten Elementazide mit den d2-Imidometallaten des Molybdäns und Wolframs selektiv umgesetzt werden konnten, sollte die Reaktivität von 1 und 3 gegenüber elektronenarmen, organylsubstituierten Aziden untersucht werden.

Wird 1 mit TosN3 in Toluol zur Reaktion gebracht, verfärbt sich die Lösung sofort von Grün nach Rot. Anhand von 1H- und 13C-NMR-spektroskopischen Daten wird dem Feststoff die Zusammensetzung [Cp*W(NMes)2(NHTos)] 26 zugeordnet. Aufgrund äquivalenter MesN-Signale können tautomere Formen von 26 als nennenswerter Bestandteil ausgeschlossen werden.

[Cp*W(NMes)2(NHTos)] ist sehr gut in Toluol, Benzol oder Hexan löslich. Aus einer gesättigten Hexanlösung kann 26 auch in Form von roten Kristallen isoliert werden kann.

Die in Gleichung 28 wiedergegebene Strukturformel stützt sich des weiteren auf IR-spektroskopische Befunde. Im Spektrum wird eine Absorptionsbande bei ν∼ = 3264 cm-1, die im Bereich von N-H-Streckschwingungen liegt, jedoch keine N=N-Schwingungsbande beobachtet. Das EI-Massenspektrum und die CHN-Analyse vervollständigen die Charakterisierung von 26.

Die Tosylgruppe sollte als elektronenziehender Rest das Proton an der Amidofunktion derart acidifizieren, so daß eine H+-Abstraktion erleichtert wird. Zudem sollte die negative Ladung am Stickstoffatom hinreichend stabilisiert sein. Derartige Deprotonierungs-reaktionen sind bei Amidokomplexen häufig anzutreffen[44,99] und stellen gleichzeitig eine Syntheseroute zur Darstellung von homoleptischen Imidometallkomplexen des Molybdäns und Wolframs dar.[43,44]

Um die Deprotonierung zu testen, wurde Komplex 26 mit LDA in THF bei -78°C umgesetzt. Dabei kann nur eine Verfärbung nach Braun und vollständige Zersetzung unter Bildung paramagnetischer Verbindungen beobachtet werden. Die Verwendung von nBuLi als anderes Deprotonierungsreagenz ändert nichts an dem beschriebenen Reaktionsverlauf.

Die Reaktion mit einem elektronenreicheren Azid, PhN3, führt ebenfalls zur Darstellung eines Halbsandwich-Imido-Amido-Komplexes [Cp*W(NMes)2(NHPh)] 27.

Verbindung 27 ist ebenfalls durch die Reaktion von [Cp*W(NMes)2Li(py’ )2] mit Ph4AsN3 zugänglich. Vermutlich wird AsPh3 in einer Radikalreaktion abgespalten. Die Triebkraft für einen derartigen Reaktionsverlauf könnte in der Ausbildung der stabileren Oxidationsstufe

+3 am Arsen liegen. Die Verbindung weicht somit dem hohen sterischen Anspruch aus, der ebenfalls neben elektronischen Gründen als Ursache angenommen werden kann. Komplex 27 wurde durch NMR-, IR- und Massenspektroskopie eindeutig nachgewiesen. Im Löslichkeitsverhalten unterscheidet sich 27 nicht von der tosylamidosubstituierten Verbindung 26. Eine weitere Bestätigung der Verbindung erfolgte durch eine Kristallstrukturanalyse.

4.5.2 MOLEKÜLSTRUKTUR VON [(η5-C5Me5)W(NMes)2(NHPh)] 27 IM KRISTALL

Aus einer gesättigten toluolischen Lösung von 27, die mit 5 ml Hexan überschichtet wird, können bei -30°C innerhalb von 2 Wochen orangefarbene Einkristalle erhalten werden, die für die Anfertigung einer Kristallstrukturanalyse verwendet werden. 27 kristallisiert monoklin in der Raumgruppe Cc (Nr.: 9) mit 2 Molekülen in der Elementarzelle.

DasWolframatom befindet sich im Zentrum eines Pseudotetraeders, dessen Ecken von dem Zentroid des [η5-C5Me5]-Liganden, den zwei Imidoliganden und der Phenylamidogruppe besetzt sind.

Abbildung 14: Molekülstruktur von [Cp*W(NMes)2(NHPh)] 27.

Tabelle 21: Ausgewählte Bindungslängen [pm] von 27.

W-N(1) 163.4(11) N(1)-C(11) 138.6(17)

W-N(2) 189.8(11) N(2)-C(20) 139.9(17)

W-N(3) 222.9(12) N(3)-C(30) 155(2)

Tabelle 22: Ausgewählte Bindungslängen [pm] der [η5-C5Me5]-Einheit von 27.

W-C(1) 237.6(14) C(1)-C(2) 141.3(19)

W-C(2) 238.0(14) C(2)-C(3) 140(2)

W-C(3) 252.1(15) C(3)-C(4) 145(2)

W-C(4) 250.8(15) C(4)-C(5) 145(2)

W-C(5) 241.2(15) C(5)-C(1) 144(2)

Tabelle 23: Ausgewählte Bindungswinkel [°] von 27.

N(1)-W-N(2) 111.4(6) W-N(1)-C(11) 170.0(10)

N(2)-W-N(3) 93.6(5) W-N(2)-C(20) 173.1(11)

N(3)-W-N(1) 103.5(5) W-N(3)-C(30) 116.9(12)

Auffällig sind die Abstände W-N(1) und W-N(2), die sich mit 163.4(11) pm und 189.8(11) pm stark voneinander unterscheiden. Der W-N(3)-Abstand ist mit 222.9(12) pm stark verlängert im Vergleich zu den entsprechenden W-NAmido-Bindungslängen literatur-bekannter Vertreter, die in Tabelle 24 wiedergegeben sind.

Tabelle 24: Beispiele für Amido-Wolframkomplexe.

Komplexe W-N [pm] N-C [pm] W-N-C [°]

[Cp*W(NMes)2(NHPh)] 27 222.9(12) 155(2) 116.9(12) [{W(NHPh)(NH2tBu)(OtBu)2}2][100] 198.4(9)

198.9(8)

137.9 138.1

137.97 134.97 [W(CO)2(NO)(PMe3)(η2-Ph2PC6H4NH-2)][101] 213.1(6) 139.2 127.0

[W2(NHPh)22-OCMe2CMe2O)42 -OCMe2CMe2O)][102]

202(2) 139(3) 134(2)

[Tp*W(NO)(2-NHCH2C5NH4)2][103] 196.8(13) 200.1(10)

140.6(13) 134.0(10) [NEt4]2[W(CO)3(OC6H4NH)] [104] 207.8(5) 139.2(8) 118.65 [NEt4]2[W(CO)3(HNC6H4NH)][104] 212.5(5)

215.6(5)

141.8(6) 137.2(6)

119.2(4) 119.4(4)

(Werte ohne Standardabweichungen sind in der Literatur nicht aufgeführt und aus der CSD entnommen).

Obwohl die drei Bindungslängen so unterschiedlich sind, wurde bei der Lösung der Kristallstrukturanalyse das H-Atom am Phenyl-substituierten Stickstoff lokalisiert und mit guten Temperaturfaktoren isotrop verfeinert. Diese Tatsache wird auch durch die NMR-Daten unterstützt. Die Resonanzsignale der Mesitylimido-Liganden sind nicht verbreitert, chemisch äquivalent und befinden sich im typischen Bereich für Imidogruppen. Die Bindungswinkel unterstützen die Formulierung des Imidoliganden als 6-Elektronendonor.[10]

Die Achsen W-N(1)-C(11) und W-(N2)-C(20) sind mit Winkeln von 170.0(10)° und 173.1(11)° nahezu linear. Der Amido-Stickstoff N(3) weist in seiner Bindung zum Phenylrest eine starke Abwinkelung mit W-N(3)-C(30) = 116.9(12)° auf. In Komplexen wie [NEt4]2[W(CO)3(OC6H4NH)] und [NEt4]2[W(CO)3(OC6H4NH)],[104] in denen eine Metallacyclo-Heteropentan-Struktur vorliegt, werden ähnliche Abwinkelungen festgestellt.

Die Verzerrung des Cp*-Restes wird durch den trans-Einfluß des Imidoliganden, der bei den Komplexen 7, 11, 16, 25 und anderen Cp(*)-Wolframkomplexen[46,58] ebenfalls zu beobachten ist, hervorgerufen.

Azide erwiesen sich gegenüber den Imidometallaten 1 und 3 als Reaktionspartner, die wahrscheinlich über Radikalzwischenstufen zu thermodynamisch stabilen und äußerst reaktionsträgen Halbsandwich-Imido-Amido-Komplexen führen. Dies wird für RN3 mit R = BMes2, Ph, Tos beobachtet. Elementazide reagieren ebenfalls nach einem Radikal-mechanismus. Für elektronenreichere Azide wie Me3SnN3 oder Me3GeN3 wird die Bildung von metallierten und azidosubstituierten Halbsandwich-Komplexen beobachtet. Für Umsetzungen von 1 und 3 mit Me3SiN3 deuten die analytischen Daten auf die Bildung von Imido-Triazeno-Komplexen hin.

4.6 R

EAKTIONEN VON

I

MIDOMETALLATEN MIT

K

OHLENSTOFF