• Keine Ergebnisse gefunden

D ARSTELLUNG UND R EAKTIVITÄT VON HOMODINUCLEAREN

4.1 H OMODINUCLEARE I MIDOKOMPLEXE DES R HENIUMS

_

4 D

ISKUSSION DER

E

RGEBNISSE

Die Reduktion mit C8K verläuft nicht vollständig, auch wenn ein Überschuß an Reduktionsmittel eingesetzt wird.

Ihre Beobachtung, daß sich die „grüne Verbindung“, das vermeintlich all-terminale Stereoisomer, in Gegenwart von Sauerstoff in eine „gelbe Verbindung“, in das terminal-verbrückende Stereoisomer, umlagert, muß neu formuliert werden. Folgendes Reaktionsschema gibt eine Interpretation des möglichen Reaktionsverlaufs wieder:

Schema 15: Denkbare Reaktionswege bei der Reduktion von [Re(NtBu)3Cl].

Somit kann unterstrichen werden, daß im Fall der Tris(tert.-Butylimido)-Verbindung des Rheniums ausschließlich die d1-d1-Dimerverbindung des Typs [{Re(NtBu)2(µ-NtBu)}2] existiert, in der die Imidoliganden terminale und verbrückende Positionen einnehmen.

Wird jedoch von der DipN-substituierten Verbindung [Re(NDip)3Cl] ausgegangen, so kann nur das Dimer mit all-terminalen Imidoliganden erhalten werden.[48,50] Die Reduktion von [Re(NAr)3I] (Ar = 2,6-Me2C6H3) führt zur Bildung von [{Re(NAr)2(µ-NAr)}2].[48] Durch eine geringe Modifizierung des sterischen und elektronischen Anspruchs des Imidoliganden [NR]2- mit R = Mes könnte die Gratwanderung zwischen beiden möglichen Stereoisomeren möglich sein.

Wird [Re(NMes)3Cl] in THF bei -78°C mit LiBEt3H versetzt, so kann bei langsamem Erwärmen auf RT die Bildung eines orangefarbenen Niederschlages beobachtet werden.

_

Der bei RT aus THF ausfallende orangefarbene Feststoff 32 ist durch 1H-, 13C-NMR- und IR-Spektroskopie sowie durch massenspektroskopische Untersuchungen und Elementar-analyse charakterisiert. Verbindung 32 ist in Toluol und Benzol sowie in THF schlecht, in Hexan gar nicht löslich. Die 1H- und 13C-NMR-Signale der Mesitylliganden im Bereich der Resonanzen der Methylgruppen fallen bei RT zusammen, deshalb wurden Hochtemperatur-spektren der Verbindung aufgenommen. In der folgenden Abbildung ist das Fluktuations-verhalten der Imidoliganden in dem homodinuclearen Komplex [{Re(NMes)2(µ-NMes)}2] verdeutlicht:

Abbildung 15: Schneller Austauschprozeß von terminalen und verbrückenden Mesitylimidoliganden in [{Re(NMes)2(µ-NMes)}2] bei hohen Temperaturen (T = 373 K).

Neben den Hochtemperaturspektren wurden ebenfalls Tieftemperaturspektren der Verbindung aufgenommen. Hierbei zeigte sich eine Verbreiterung und eine folgende Separierung der Signale. Bisher konnte nur im Fall von [{Mo(NtBu)2(µ-NtBu)Cl}2] ein Gleichgewicht von all-terminaler und terminal/verbrückender Struktur beobachtet werden.[46]

Diese Moleküldynamik wurde im Rahmen dieser Arbeit nur 1H-NMR-spektroskopisch untersucht. Das folgende Übersichtsspektrum der Verbindung [{Re(NMes)2(µ-NMes)}2]

Abbildung 16: Energieprofil für den Austausch der terminalen und verbrückenden Imidoliganden.

0.6 0.8

1.0 1.2

1.4 1.6

1.8 2.0

2.2 2.4

(ppm)

Abbildung 17: Übersichtsspektrum im Bereich der Methylprotonen von [{Re(NMes)2 (µ-NMes)}2] 32 in d8-Toluol.

Wie aus dem 1H-NMR-Hochtemperatur-Grenzspektrum bei T = 373 K zu sehen ist, wird bei hohen Temperaturen das gemittelte Spektrum der homodinuclearen Verbindung mit terminal/verbrückender Anordnung der Liganden beobachtet. Es sind 4 Resonanzsignale sichtbar, die den Protonen von {NMes-(CH3)p}, {µ-NMes-(CH3)o}, {NMes-(CH3)o} und {µ-NMes-(CH3)p} entsprechen. Bei dieser Temperatur ist der Austausch von terminalen und verbrückenden Liganden derart rasch, daß das Isomer B nur in einer äußerst geringen Gleichgewichtskonzentration vorhanden ist, so daß dieses Stereoisomer auf der NMR-Zeitskala nicht detektiert werden kann.

Bei 300 K ist eine Verbreiterung der Signale für die Mes-(CH3)-Protonen zu beobachten. Eine Abkühlung auf 243 K resultiert in der Aufspaltung zu 3 Signalen im Bereich der Mes-(H)m -Protonen. Bei einer Temperatur von 193 K liegen 6 Resonanzsignale im Methylgruppen-Bereich der Mesitylliganden vor, und die Separierung der Mesityl-meta-Protonen zu drei verschiedenen Signalen ist vervollständigt.

373 K 330 K 300 K 273 K 243 K 223 K 193 K

_

Um die Verbreiterung der Signale und die Separierung in verschiedene Signalgruppen im Tieftemperaturgrenzspektrum erklären zu können, kann ein langsamer Austausch der Imidoliganden diskutiert werden. Das Vorliegen zweier Isomere A und B im Gleichgewicht würde im Einklang mit den NMR-Befunden stehen.

Abbildung 18: Langsamer Austauschprozeß von terminalen und verbrückenden Mesitylimidoliganden in [{Re(NMes)2(µ-NMes)}2]; Separierung von all-terminalem und terminal/verbrückendem Isomer.

Bisher wurde in der Literatur nicht beschrieben, wie groß der Energieunterschied zwischen beiden Stereoisomeren A/A’ und B ist. Wie im Kenntnisstand dargelegt wurde, sind [{M(NDip)3}2] (M = Re, Tc; Dip = C6H3 (2,6-iPr)2) die einzigen Verbindungen, bei denen alle 3 Imidoliganden terminal angeordnet sind und eine ethanartige anti-Konformation ausgebildet wird.[48] Die Art der Anordnung der Liganden ist auf sterische Wechselwirkungen zurückzuführen, da mit Ar = C6H4(2,6-Me)2 ein kantenverbrückter Tetraeder [{M(NAr)2 (µ-NAr)}2] gebildet wird. Es wurde aber nicht berichtet, ob verzögerte Austauschprozesse auf der NMR-Zeitskala bei tieferen Temperaturen beobachtet worden sind.

Infolge des sterischen Anspruchs des Mesityl-Restes ist nur bei T = 373 K der Austausch der Imidoliganden hinreichend schnell, so daß [{Re(NMes)2(µ-NMes)}2] als einzig beobacht-bares Isomer vorliegt. Erst bei Temperaturen von T ≤ 273 K liegen beide Isomere nebeneinander vor, da die Aktivierungsbarriere Ea2 nicht schnell genug überwunden werden kann. Somit wird das Konzentrationsverhältnis von A zu B zugunsten von [{Re(NMes)3}2] verschoben, und B kann erstmal spektroskopiert werden.

Des weiteren kann zur Klärung der Inäquivalenz der Protonensignale eine unsymmetrische Anordnung der sich in verbrückender Position befindenden Imidoliganden kontrovers diskutiert werden.

Für diese Art der Argumentation gibt es in der Literatur jedoch ebenfalls keine Hinweise.

Oftmals werden Kristallstrukturanalysen von Imidokomplexen erhalten, bei denen 2 symmetrieunabhängige Moleküle in der Elementarzelle vorhanden sind. Hierbei weisen die Imidoliganden durchaus verschiedene Bindungslängen und -winkel auf.[126] Dennoch wurde noch nie über eine Separierung der Resonanzsignale in Tieftemperaturmessungen berichtet.

Die Formulierung der unsymmetrischen Isomere C und D kann deshalb nur einen weiteren Blickpunkt in der Interpretation der NMR-Befunde darstellen.

Um nähere Einblicke in die Bindungssituation des Komplexes bei tiefen Temperaturen zu erhalten, wurde eine Kristallstrukturanalyse der Verbindung unumgänglich.

4.1.1 MOLEKÜLSTRUKTUR VON [{Re(NMes)2(µ-NMes)}2] 32 IM KRISTALL

Aus einer gesättigten Lösung von 32 in THF können bei RT innerhalb von 4 Wochen geeignete rote Einkristalle erhalten werden, die eine Durchführung einer Kristallstrukturanalyse ermöglichen. Verbindung 32 kristallisiert monoklin in der Raumgruppe P21/n (Nr.: 11) mit 4 Molekülen in der Elementarzelle.

Das Re(1)-Zentrum kann durch Anwenden der C2-Symmetrieoperation in das Re(1a)-Zentrum überführt werden. Es liegt ein tetraedrischer, kantenverknüpfter Koordinationspolyeder mit einem zentralen, planaren [Re2(µ-N)2]-Vierring vor.

Der Re(1)-Re(1a)-Bindungsabstand liegt mit 272.7(1) pm im Bereich bereits bekannter homodinuclearer, imidoverbrückter Rheniumkomplexe.[44] Für Verbindung [{Re(NtBu)2 (µ-NtBu)}2] wurde der Abstand mit Re(1)-Re(1a) = 270 pm bestimmt.[44] Der nicht-ligandverbrückte Zweikernkomplex [{Re(O)(C9H18N2)2}2] weist einen Re(1)-Re(1a)-Abstand von 269.6(2) pm auf.[83] G. WILKINSON definierte einen Grenzwert für eine vorhandene Metall-Metall-Bindung auf der Basis des Winkels an verbrückenden Imidoliganden M-(µ-N)-M, der im Bereich von 78-84° eine derartige Formulierung rechtfertigt.[44] Werte über 94° weisen auf eine Ligandverbrückung ohne Metall-Metall-Wechselwirkung hin. Der Winkel Re(1)-N(3)-Re(1a) mit 88.70(19)° ist zwar stark aufgeweitet, unterstreicht jedoch die [Re]-[Re]-Bindung. Das Vorliegen einer diamagnetischen Verbindung ist für 32 demzufolge auf die Metall-Metall-Bindung, die auf der Spinpaarung beider d1-Metallradikale beruht, zurückzuführen. Ebenso kann der Diamagnetismus des homodinuclearen Komplexes durch einen Superaustausch der Spins über die verbrückenden Imidoliganden erklärt werden.

_

Abbildung 19: Molekülstruktur von [{Re(NMes)2(µ-NMes)}2] 32 - Blick entlang der C2 -Achse der [{Re2(µ-N)2}]-Ebene.

Das Rhenium ist leicht verzerrt tetraedrisch von seinem Liganden-regime umgeben. Die Abstände der terminalen Imidoliganden zum Rhenium sind mit Re-N(1) = 174.5(5) pm und Re-N(2) = 176.1(5) pm vergleichbar mit denen von [{Re(NtBu)2(µ-NtBu)}2]. Es muß darauf hingewiesen werden, daß bei der zitierten NtBu-Imidoverbindung durch die hohe Fehlordnung der tert.-Butylgruppen die Bindungsdiskussion erschwert ist. Innerhalb des Vierrings Abbildung 20: Molekülstruktur von

[{Re(NMes)2(µ-NMes)}2] 32 - Blick auf die Metall-Metall-Bindung.

identische Bindungen vor, die sich im typischen Bereich kristallographisch untersuchter, verbrückender Imidoliganden befinden. Dieser Befund unterstützt nicht die Argumentation, daß die Signalverbreiterung und Separierung der Signale im 1 H-NMR-Tieftemperatur-spektrum auf eine unsymmetrische Anordnung der verbrückenden Imidoliganden zurückzuführen ist. Die Kristallstrukturanalyse wurde jedoch bei T = 213 K angefertigt. Wird eine Verstärkung der Asymmetrie der verbrückenden Liganden des Vierrings [{Re2(µ-N)2}]

bei weiterer Temperaturerniedrigung extrapoliert, kann diese Argumentation nicht ausge-schlossen werden.

Die Existenz des all-terminalen Isomers B konnte jedoch nicht durch die röntgenographische Untersuchung dokumentiert werden.

Die Bindungswinkel der terminalen Imidogruppen weichen mit 167.0(4)° und 167.6(4)° leicht von der Linearität der Re-N-C-Achse ab. Die Winkel der Re-Nterm.-R-Achse sind aber ein nicht so aussagekräftiges Indiz wie die Bindungslängen, um die Stärke des σ,π-Donorverhaltens zu interpretieren.[96]

Tabelle 26: Ausgewählte Bindungslängen [pm] von 32.

Re(1)-N(1) 174.5(5) N(1)-C(10) 139.1(7)

Re(1)-N(2) 176.1(5) N(2)-C(20) 137.7(7)

Re(1)-N(3) 194.8(5) N(3)-C(30) 142.6(7)

Re(1)-N(3a) 195.3(4) Re(1)-Re(1a) 272.7(1)

Tabelle 27: Ausgewählte Bindungswinkel [°] von 32.

Re(1)-N(3)-Re(1a) 88.70(19) Re(1)-N(1)-C(10) 167.0(4)

N(3)-Re(1)-N3a) 91.30(19) Re(1)-N(2)-C(20) 167.6(4)

N(1)-Re(1)-N(2) 114.1(2) Re(1)-N(3)-C(30) 138.3(4)

N(1)-Re(1)-N(3) 114.3(2) N(1)-Re(1)-Re(1a) 122.37(16)

N(2)-Re(1)-N(3) 113.1(2) N(2)-Re(1)-Re(1a) 123.39(16)

N(1)-Re(1)-N(3a) 109.7(2) N(3)-Re(1)-Re(1a) 45.73(13)

In der Chemie der Rhenium-Komplexe des Typs [Re(NR)3Cl] (R = tBu, Mes) lag das Interesse ebenfalls an der Synthese der hydridosubstituierten Vertreter. Bisher wurde in der Literatur nur von [Re(NDip)3H] berichtet, das durch Protonierung der umgepolten Spezies [Na(thf)2][Re(NDip)3][8] gebildet wurde. Mitarbeiter von R.R. SCHROCK setzten das

_

Imidometallat mit Pyridiniumtriflat um und konnten quantitativ die Hydrid-Spezies erhalten.[8]

Zur Darstellung von [Re(NR)3H] (R = tBu, Mes) wurde als Syntheseroute die Umsetzung der Chloride mit LiBEt3H gewählt, die sich im Fall der Halbsandwichverbindungen des Molybdäns und Wolframs als erfolgreich erwies.[52,54]

Wird [Re(NtBu)3Cl] in THF bei -78°C mit LiBEt3H umgesetzt, bildet sich zunächst eine grüne Lösung, die sich im Laufe der Reaktion nach Braun verfärbt. Wie im Schema 15 gezeigt wurde, wird als grünes Intermediat die radikalische Verbindung K[Re(NtBu)3Cl]

angenommen. Das 1H-NMR-Spektrum deutet auf die Bildung von 2 Verbindungen hin.

2 Singuletts können anhand der Referenzspektren den terminalen und verbrückenden tert. Butyl-Imidoliganden der Verbindung [{Re(NtBu)2(µ-NtBu)}2] zugeordnet werden. Das dritte Singulett bei δ = 0.98 ppm ist nicht [Re(NtBu)3Cl] zugehörig. Bei der Reaktion werden die Edukte vollständig umgesetzt. Somit kann die Bildung der plausiblen Verbindung [Re(NtBu)3H] angenommen werden. Die Integration der Protonensignale ist jedoch bei einem Verhältnis der Substituenten von (NtBu) : H = 27 : 1 ungenau.

Bei dem Versuch beide Verbindungen durch Sublimation voneinander zu trennen, kann nur noch die dinucleare Rheniumverbindung detektiert werden. Gleiches gilt für den Versuch, durch Kristallisation beide Komplexe voneinander zu separieren. Wahrscheinlich läuft eine Reduktion des Metallzentrums unter Abspaltung von H2 ab. Alternativ kann ebenfalls eine

stattfinden. Die d1-d1-homodinucleare Verbindung stellt das thermodynamisch günstigste Produkt dar.

Die Umsetzung von [Re(NMes)3Cl] mit dem Hydridübertragungsreagenz verläuft analog.

Auch in diesem Fall wird die hydridische Rheniumverbindung als Intermediat diskutiert. Es ist weniger wahrscheinlich, daß LiBEt3H als Reduktionsmittel fungiert. [Re(NMes)3H]

konnte jedoch nicht als Feststoff isoliert werden. Bei Kristallisationsversuchen die Reaktionsprodukte voneinander zu trennen, kann nur [{Re(NMes)2(µ-NMes)}2] erhalten werden.

Da die Reduktion mit LiBEt3H mit vollständigem Umsatz in sehr guten Ausbeuten abläuft, wurde die Reduktion mit C8K nicht durchgeführt.

Aufgrund der mißlungenen Synthese von [Re(NR)3H] (R= tBu, Mes) konnten keine weiteren Versuche zur Umpolung des Imidometallzentrums vorgenommen werden.