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Wissen der Kinder über die elterliche Erkrankung

2.3 Auswirkungen der Erkrankung auf das Familienleben

2.3.3 Wissen der Kinder über die elterliche Erkrankung

Gegen-satz zu den von den Kindern geäußerten Wünschen (Küchenhoff, 2001, S.103 ff.).

Viele Kinder können sich den Unterschied zwischen somatischen und psychi-schen Erkrankungen nicht erklären:

„[…] die haben schon versucht mir das zu erklären, aber ich kann´s nicht im Kopf behalten, und ich weiß selbst nicht was das ist so […]. Wenn einer krank

ist, dann geht er zum Arzt und dann wird er wieder gesund. Und das es über-haupt so eine psychische Krankheit ist, das ist für mich unglaublich schwer zu verstehen, weil das ist ja nicht irgendwo wo man eine Spritze gibt und dann ist alles wieder gut, oder wo man sich ein paar Tage ins Bett legt.“ (w, 10 Jahre,

aus Lenz, 2005, S.100).

Da nun ein Überblick über die Erkrankung und die damit verbundenen Belas-tungen der Kinder und Jugendlichen gegeben wurde, können auch Rückschlüs-se auf Hilfsangebote oder mögliche Interventionen geschlosRückschlüs-sen werden. DieRückschlüs-se werden im Folgenden und abschließendem Abschnitt betrachtet.

3 Interventions- und Unterstützungsangebote

Einige möglichen Hilfsangebote lassen sich bereits aus Punkt 1 und 2 ableiten.

So wird deutlich, dass sich Kinder mehr Informationen und Aufklärung wün-schen, genauso wie Gesprächspartner und Möglichkeiten der Entlastung.

Ebenso lassen sich aus den Risiko- und Schutzfaktoren Schlussfolgerungen ermitteln, die auf die Möglichkeiten der Förderung sozialer Ressourcen abzie-len.

Um einen schon teilweise erkannten Hilfebedarf zu erweitern, wird im abschlie-ßenden Punkt damit begonnen, die Wünsche der Kinder, der Eltern und Fach-personen nach Unterstützungsangeboten zu ermitteln.

3.1 Welche Hilfen werden gewünscht?

Wie eben bereits erwähnt, wünschen sich Kinder mehr Aufklärung und Einbe-zug (Küchenhoff, 2001, S.103). Obwohl laut einer Untersuchung der Psychiatri-schen Universitätsklinik Freiburg die Kinder von Eltern mit affektiven Erkran-kungen über die Erkrankung und die Behandlung am besten informiert sind (76,5 % bzw. 89,3 % bezogen auf die Diagnosegruppe), gibt es weiteren Bedarf (Bohus et al., 1998, S.137).

Dabei handelt es sich um das Bedürfnis nach mehr Informationen über die psy-chische Erkrankung des Elternteils, mehr Kontakt zu den behandelnden Ärzten und dem Bedarf nach eigener professioneller Unterstützung. Ebenso wünschen die Kinder sich mehr Initiative der behandelnden Fachkräfte, während sowie nach der stationären elterlichen Behandlung (Küchenhoff, 2001, S.103 ff.).

Mangelnde Hilfen werden auch in folgenden Aussagen einer selbst betroffenen deutlich, die heute 24 Jahre alt ist und deren Mutter früher psychisch erkrankte:

„Keiner, der von meiner Situation wußte, hat mir jemals Hilfe angeboten oder mich an jemand, der mir kompetentere Unterstützung hätte geben

können, weiterverwiesen.“ (Bern, 24, 2000, S.16)

Die Autorin fühlt sich häufig allein gelassen:

„Wäre ich zehn Jahre früher therapeutisch unterstützt worden, hätte ich sicher manches besser überstanden, aber keiner hat jemals meine Prob-leme wahrgenommen, wahrnehmen wollen oder sich sogar um fachliche

Hilfe für mich bemüht. Ich habe gelernt, daß Hilfe nur sehr selten von sich aus angeboten wird, in den meisten Fällen muß man sich selber um

sie bemühen. Ein steiniger Weg…“ (Bern, 24, 2000, S.20)

Die Kinder- und Jugendpsychiaterin Deneke (2000, S.89 ff.) beschreibt zudem, was Familien und Fachkräfte benötigen, und den kindlichen Bedürfnissen ge-recht werden zu können. Sie kritisiert, dass bestehende soziale Unterstüt-zungsangebote sich lediglich auf Teile des Systems beziehen. Finanzierungs-wege sowie Hilfsmöglichkeiten seien zersplittert, die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Teilen des psychosozialen Versorgungssystems sei nicht ausreichend und um die Zersplitterung zu überwinden, reiche die fachliche Kompetenz der einzelnen Experten nicht aus. Einzelnen Fachleuten fehle die Kompetenz, die komplexe Problematik wirklich als Einheit zu sehen. So neigen Kinderpsychiater dazu, die Eltern für die kindliche Not verantwortlich zu machen und Erwachsenenpsychiater wiederum dazu, nicht an die Kinder der Patienten zu denken oder diese als eine Art Hilfstherapeuten einzuspannen (Deneke, 2000, S. 90 ff.).

Die Fachfrau appelliert, die bereits beschriebene Angst der Familien sich nach außen zu wenden zu respektieren und zu verstehen (Deneke, 2000, S. 90 ff.).

Ebenso empfiehlt sie, präventive Ansätze auszubauen. Dazu gehört auch, die Familie in die Behandlung der psychisch erkrankten Person einzubeziehen und auch für die Kinder altersangemessene Gesprächsangebote zu schaffen.

Diesen Aspekt wünschen sich auch Eltern für ihre Kinder und Familienangehö-rigen (60%) (Wiegand-Grefe, Halverscheid & Plass, 2011, S.80).

Deneke (2000, S.90 ff.) und Wiegend-Grefe, Halverscheid und Plass (2011, S.80) fügen hinzu, dass Möglichkeiten der Begleitung entwickelt werden sollten, die auf die individuellen Bedürfnisse der Familie abgestimmt sind und aus psy-chosozialer Unterstützung, Beratung oder Behandlung bestehen. Zudem sollen laut Denekes (2000, S.90 ff.) Meinung mehr ganzheitliche Unterstützungsange-bote entwickelt werden, wie z.B. betreutes Wohnen für psychisch kranke Mütter mit Kindern. Besonders wichtig ist auch, die Öffentlichkeit angemessen zu in-formieren, um die Last des schamhaften Verschweigens der betroffenen Fami-lien zu mindern (Deneke, 2000, S. 90 ff.).

Auch Studien an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich wurden durchge-führt, um die Form der gewünschten Hilfen und den Hilfebedarf zu identifizieren.

Prozentual am häufigsten wurde sich ein ‚intaktes Familienverhältnis‘ ge-wünscht, Psychotherapie (ca. 20%) und Aufklärung der Kinder (ca. 20%).

Letztere wünschte sich auch eine betroffene Tochter, deren Mutter psychisch erkrankte. Folglich beschreibt sie eine frustrierende Situation aus ihrer Kindheit:

„Ihre behandelnden Ärzte haben sich nie um mich und meine Sorgen geküm-mert. Als ich älter war, habe ich zweimal versucht, einen Arzt ohne Beisein meiner noch akut kranken Mutter zu sprechen, um mich über ihre Krankheit und die vorgenommene Behandlung zu informieren. Zuerst wurde ich auf die

vormit-täglichen Sprechstunden verwiesen, obwohl ich vormittags zur Schule gehen mußte. Als ich trotzdem kam, sagte mir der Arzt, daß er mir ohne das

Einver-ständnis meiner Mutter keine Auskunft geben dürfe.“ (Bern, 24, 2000, S.17)

Neben der Aufklärung über die elterliche Erkrankung, wünschen sich betroffene Kinder mehr Austausch mit anderen, welcher in ähnlicher Weise betroffen sind, mehr Kontakt zum getrenntlebenden Elternteil und mehr Hilfe in der Schule so-wie im Haushalt (Küchenhoff, 2000, S.105 ff.).

Einen positiven Effekt für ein Treffen mit Menschen, die das gleiche Schicksal teilen, beschreiben auch selbst betroffene Kinder retroperspektiv. So schreibt die heute 24-jährige Kaja Bern (2000, S.23), dass sie den Erfahrungsaustausch nicht als belastend bewertete, sondern dass er ihr neue Kraft gab. Auch Susan-ne Webel (2000, S.59), dessen Mutter manisch-depressiv erkrankte, berichtet von einem wöchentlichen Gruppentreffen mit Angehörigen. Hierbei erfuhr sie ein hohes Maß an Sympathie und Verständnis.

Auch eine weitere Befragung bestätigt, dass 54% der Patienten an Selbsthilfe-gruppen interessiert sind (Sommer, Zoller & Felder 2001, S.507).

Wiegand-Grefe, Halverscheid und Plass (2011, S.80) führten eine eigene Be-darfsanalyse durch, in der sie erfassten (Plass & Wiegand-Grefe, 2012), welche Hilfen von den Familien bereits genutzt wurden, wie hilfreich sie diese empfan-den und ob und welche Hilfen sie sich zukünftig wünschen (Wiegand-Grefe, Halverscheid & Plass, 2011, S.83).

Angebot Nutzung durch Pati-enten (Anzahl)

Davon fanden hilfreich (%) Beratung/Psychotherapie für das

Kind

16 (22%) 80

Beratung/Psychotherapie als Paar 21 (29%) 48 Beratung/ Psychotherapie für die

ganze Familie

12 (17%) 64

Sozialpädagogische Familienhilfe 14 (19%) 67

Kinderbetreuung 25 (35%) 84

Patenschaftsangebot für das Kind 3 (4%) 33

Selbsthilfegruppe 13 (18%) 75

Tabelle 1: Von Patienten (n=72) bereits in Anspruch genommene Angebote und ihre Nützlichkeit (aus: Wiegand-Grefe, Halverscheid, Plass, 2011, S.83)

Insbesondere die Beratung oder Psychotherapie für das Kind werden mit 80%

als sehr hilfreich bewertet, ebenso wie die Kinderbetreuung mit 84% und die Selbsthilfegruppe mit 75%. Dies bestätigt z.T. auch den positiven Effekt der auch zuvor häufiger genannten Wünsche nach diesen Interventionen.

Was auch hierbei wieder deutlich wird, ist der Wunsch nach Unterstützung der gesamten betroffenen Familie und nicht lediglich die Behandlung des depressiv Erkranktem.

Laut Wiegand-Grefe, Halverscheid & Plass, 2011, S.85 scheint die Einbezie-hung der gesamten Familien auch als besonders sinnvoll. Auch Gundelfinger (1997, S.150) bestätigt die Sinnhaftigkeit, insbesondere die Kinder psychisch erkrankter Eltern in ihrer Entwicklung durch präventive Angebote zu unterstüt-zen.

Aus dem eben beschrieben Punkt geht also hervor, dass Betroffene (Eltern und vor allem Kinder) aber auch Fachleute Beratung oder Psychotherapie, präventi-ve, sowie ganzheitliche Unterstützungsangebote und eine Aufklärung der Kin-der wünschen. Im Folgenden sollen einige genannte Aspekte und Hilfsinterven-tionen näher erläutert werden. Auf alle Wünsche kann aufgrund des Umfangs der Arbeit leider nicht eingegangen werden.

Aus diesem Grund werden an dieser Stelle anfänglich Möglichkeiten der Förde-rung sozialer Ressourcen beschrieben, da sich diese teilweise aus Punkt 1.3 Risikofaktoren der Familie und 1.4 Resilienzfaktoren ergeben. Anschließend

wird eine Auswahl an familienorientierten Präventionsangeboten vorgestellt, welche eine große Anzahl der ermittelten Wünsche an Hilfsangeboten vereinen.